TE Bvwg Erkenntnis 2020/8/17 L518 2129288-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 17.08.2020
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Entscheidungsdatum

17.08.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §55

Spruch


L518 2129287-1/26E
L518 2129289-1/10E
L518 2129286-1/7E
L518 2129288-1/14E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. STEININGER als Einzelrichter über die Beschwerden von XXXX , geb. XXXX , XXXX (alias XXXX ), geb. XXXX , XXXX (auch XXXX ), geb. XXXX , XXXX (auch XXXX ), geb. XXXX , alle StA. Armenien, alle vertreten durch RA Dr. Blum, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.06.2016, Zl. XXXX , Zl. XXXX , Zl. XXXX , Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 10.06.2020 zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerden werden gemäß § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 57, § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 idgF iVm § 9 BFA-VG, BGBl I Nr. 87/2012 idgF sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 und § 55 FPG mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass der erste Satz von Spruchpunkt III. der bekämpften Bescheide zu lauten hat "Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wird Ihnen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt.".

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang

I.1. Die beschwerdeführenden Parteien (in weiterer Folge gemäß der Reihenfolge ihrer Nennung im Spruch kurz als „bP1“ bis „bP4“ bezeichnet), sind Staatsangehörige der Republik Armenien und brachten nach schlepperunterstützter, rechtswidriger Einreise in das Hoheitsgebiet der Europäischen Union und in weiterer Folge nach Österreich am 16.04.2015 bei der belangten Behörde (in weiterer Folge „bB“) Anträge auf internationalen Schutz ein bzw. wurde für die damals minderjährige bP 4 von den Eltern ein Antrag gestellt.

Die männliche bP1 und die weibliche bP2 sind Ehegatten und Eltern von bP 3 und 4.

I.2.1. Vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes brachte die bP 1 im Wesentlichen Folgendes vor:

2009 wurde mein Sohn XXXX in der Schule von einem Jungen namens „ XXXX “ mit einem Messer dreifach schwer verletzt. Einmal in den Hals, einem unters Herz und einem in das Bein. Es stellte sich heraus, das „ XXXX “ der Sohn eines einflussreichen Priesters in XXXX ist. Weiters ist er befreundet mit „ XXXX “, der ein einflussreicher General ist und die Stadt XXXX unter seiner Hand ist. Es kam zu einer Gerichtsverhandlung und während der Gerichtsverhandlung bedrohten uns der Priester und der General damit, dass wir nichts zu sagen hätten und still zu bleiben. Damit deren Söhne auf keinen Fall verurteilt werden. Wir folgten ihren Anweisungen, da wir Angst hatten, aber die Bedrohungen gegen unseren Sohn durch „ XXXX “ verschlimmerten sich und nahmen kein Ende. Es folgen Drohanrufe von „ XXXX “ und er wollte ihn umbringen. Unsere ganze Familie wurde mit dem Umbringen bedroht und dieser General hat sehr viel Einfluss in Armenien. Wir sind nicht die ersten und werden auch nicht die Letzten sein, die das Land verlassen müssen. Bei einer Rückkehr in meine Heimat habe ich und meine Familie Angst um unser Leben, sie würden uns auf jeden Fall töten. Meine Frau (IFA: XXXX ) befindet sich im Spital, da sie schwanger war und während der Strapazen der Schleppung ihr Kind verloren hat.“

Vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes brachte die bP 3 im Wesentlichen Folgendes vor:

Am 1. XXXX wurde ich in der Schule von einem Jungen namens „ XXXX “ mit einem Messer schwer verletzt. Dieser stach mich in den Hals, unters Herz und einem in das Bein. Erst ein paar Tage später erfuhr ich im Spital von Prof. „ XXXX “, dass meine Wirbelsäule in Mitleidenschaft gezogen wurde. Dieses hatte zur Folge, dass meine Beine und Hände nicht mehr voll funktionsfähig waren. Ich habe auch dementsprechende Röntgenaufnahmen vorzuweisen. Der Arzt hat mir gesagt, dass ich wahrscheinlich nie wieder richtig laufen/gehen kann. Ich hatte zwei Operationen, eine in XXXX und eine in XXXX . Weiters hatte ich eine sechsmonatige Physiotherapie mit begleitender Psychotherapie, da ich Angstzustände habe. Jedes Jahr wurde ich ein Monat in das Rotkreuzkrankenhaus beordert, um eine Physiotherapie zu machen. Es stellte sich heraus, das „ XXXX “ der Sohn eines einflussreichen Priesters in XXXX ist. Weiters ist er befreundet mit „ XXXX “, der ein einflussreicher General ist und die Stadt XXXX unter seiner Hand hat. Es kam zu einer Gerichtsverhandlung und während der Gerichtsverhandlung bat ich den Richter um Milde für „ XXXX “ da ich vorher bedroht wurde. Trotzdem reif mich „ XXXX “ nach der Gerichtsverhandlung an und sagte: Ich habe dich einmal fertig gemacht, aber das nächste Mal bringe ich dich um! Aus Angst um mich, brachte mich mein Vater nach Karabagh. Nicht nur mir droht Gefahr, auch meiner Familie und aus diesem Grund mussten wir unsere Heimat verlassen. Bei einer Rückkehr habe ich und meine Familie Angst um unser Leben. Meine Mutter ( XXXX ) befindet sich im Spital, da sie schwanger war und während der Strapazen der Schleppung, ihr Kind verloren hat. Seit der Messerattacke sitze ich im Rollstuhl und ich werde wahrscheinlich nie wieder richtig gehen können. Ich würde gerne in Österreich bleiben, da hier die medizinische Versorgung sehr gut ist und ich und meine Familie hier außer Gefahr sind.“

I.2.2. Vor der belangten Behörde brachte die bP 3 im Wesentlichen Folgendes vor:

LA: Sind Sie gesund? Welche gesundheitlichen Beschwerden haben Sie?

VP: Ich habe eine geschädigte Wirbelsäule, aufgrund der Messerstiche. Ich habe ein drei blutende Magengeschwüre, aber hier in Österreich war ich noch nicht beim Arzt. Ich habe eine rechtsseitige Schwäche am Arm und am Bein. Die gesamte linke Körperhälfte spüre ich nicht.

LA: Wie wurden Sie im Heimatland bzgl. Ihrer Magengeschwüre medizinisch behandelt?

VP: Ich habe fünf Tage lang Infusionen gegen die Schmerzen bekommen, das war es. Zurzeit habe ich Magenschmerzen und ich kann nicht alles essen. Befragt gebe ich an, dass die Untersuchungen bzgl. meiner Wirbelsäule hier in Österreich für mich wichtiger waren. Ich habe aber in der Pension gebeten, mir einen Arztbesuch zu organisieren.

LA: Sie werden darüber informiert, dass Sie zukünftige ärztliche Befunde umgehend der Behörde übermitteln müssen, ansonsten die Behörde von keiner Erkrankung ausgeht. Haben Sie das verstanden?

VP: Ja.

LA: Beschreiben Sie Ihr Leben hier in Österreich. Haben Sie Verwandte in Österreich? Welche sozialen Kontakte haben Sie in Österreich? Sind Sie in Vereinen oder sonstigen Organisationen tätig? Besuchen Sie einen Deutschkurs?

VP: Verwandte habe ich keine. Ich besuche einen Deutschkurs. Ich bin in keinem Verein. Wir haben sehr viele Bekannte in Hainburg. Das sind Österreicher.

LA: An welchen Adressen waren Sie im Heimatland bis zu Ihrer Ausreise aufhältig und mit wem haben Sie dort zusammengelebt? Unter aufhältig sind auch jene Adressen zu verstehen, wo Sie nicht gemeldet waren und wo Sie für einen Zeitraum gelebt haben, der über einen normalen Besuch hinausreicht. Geben Sie die letzten 10 Jahre an.

VP: Die letzten sechs Jahre lebte ich in Karabach, bei der Wohltätigkeitsorganisation, wo mein Vater gearbeitet hat und zwar in XXXX , die Nummer weiß ich nicht mehr. Davor lebte ich in XXXX . Das ist das Haus meines Vaters.

LA: Schildern Sie Ihr Leben in Karabach.

VP. Ich musste mich dort aufhalten.

LA: LA: Schildern Sie Ihr Leben in Karabach.

VP: Ich habe kaum das Gebäude verlassen. Ich habe dort mitgeholfen. Ich habe sitzend die Kleidungsstücke von Kartons rausgeholt. Bedürftige sind gekommen und habe ihnen diese gegeben.

LA: Wie haben Sie Ihren Lebensunterhalt finanziert?

VP: Mein Vater hat mich versorgt. Befragt gebe ich an, dass ich in Karabach nur mitgeholfen habe, ich habe dort nicht gearbeitet und bekam daher auch kein Geld.

LA: Waren oder sind Sie im Heimatland Mitglied einer politischen Partei oder irgendeiner sonstigen Gruppierung?

VP: Nein.

LA: Welche Volksgruppe/Religion gehören Sie an?

VP: Armenisch und armenisch apostolisch.

LA: Hatten Sie wegen Ihrer Volksgruppenzugehörigkeit Probleme im Heimatland bzw. hatten Sie wegen Ihrer Religion/Religionsausübung Probleme im Heimatland?

VP: Nein.

LA: Können Sie nochmals schildern, was die ausschlaggebenden Gründe für Ihre Ausreise waren? Schildern Sie die Ereignisse in chronologischer Reihenfolge und so detailreich, dass sich ein Außenstehender ein Bild Ihrer Situation machen kann. Sie sollen die Situation so detailreich erzählen, dass von einer selbst erlebten Situation auszugehen ist.

VP: Ich war Schüler der 11. Klasse der Mittelschule XXXX . Am XXXX , gegen 13.00 Uhr hatten wir Pause und wir gingen in den Garten. Als ich die Stiegen hinunterging, traf ich XXXX , der in meine Parallelklasse ging. Er hat immer wieder von den Mitschülern Geld verlangt und an dem Tag war ich dran. Er wollte von mir 35.000 Dram haben, das ist umgerechnet 100 US-Dollar. Er drohte mir, dass es mir sehr schlecht gehen würde, wenn ich ihm das Geld nicht gebe. Ich sagte, dass ich das Geld nicht habe. Wir gingen gemeinsam zur Sporthalle der Schule. Ich ging hinter ihm. Als wir dort angekommen sind, drehte er sich um, und fing an, mich mit dem Messer verletzen. Zunächst Oberschenkel, danach unter dem Herzen und nach dem letzten Stich im Nackenbereich fiel ich zu Boden. Er beschimpfte mich und gab mir Fußtritte. Sein Klassenlehrer hat den Vorfall gesehen. Als er sich uns näherte, warf er das Messer auf mich und lief davon. Ich wurde mit der Rettung in bewusstlosen Zustand ins Krankenhaus eingeliefert und wurde auch operiert. Am XXXX 2009 wurde ich nochmals operiert. Einige Tage später kamen der Vater des Täters namens XXXX und mit dem Polizeiermittler XXXX in das Republikanische Krankenhaus, wo ich stationär behandelt wurde. Der Vater des Täters hat uns, damit meine ich meinen Vater, meine Mutter und ich, in Beisein des Polizisten mit dem Umbringen bedroht. Wenn wir gegen seinen Sohn bei der Verhandlung und überhaupt aussagen. Selbstbewusst gingen die beiden weg, da sie sicher waren, dass wir nichts gegen den Sohn sagen würden. Wir wussten genau, dass der Pfarrer mit dem General XXXX befreundet war und dass wir gegen diese Leute keine Chance haben. Sie bestimmen alles, was in unserer Stadt passiert. Ich war bis zum 16.4. im Krankenhaus. Sie kamen zwei bis drei Mal immer zu zweit mit demselben „Ratschlag“ zu mir ins Krankenhaus. Jedes Mal waren meine Eltern dabei. Am 16.4. bin ich zum Rehabilitationszentrum zum Roten Kreuz gekommen. Ich bekam dort Therapien. Einige Tage später kam der Pfarrer in Begleitung von dem Leiter des Passamtes in XXXX mit zwei durchtrainierten Leibwächtern des Generals und XXXX der Ermittler. Dort war ich alleine, weil meine Eltern in diesem Rehabilitationszentrum nicht dabei sein durften. Die beiden Leibwächter und auch der Pfarrer haben mich dort bedroht, mich und meine Familie zu vernichten, wenn ich gegen diese Leute spreche. Einer der Leibwächter gab mir einen Schlag ins Gesicht und ich fiel vom Krankenbett zu Boden. Er sagte, dass dies erst der Anfang sei, außerdem lachten sie mich aus, indem sie mich Invaliden nannten. Die Krankenschwestern habe mich weinen gehört, haben mich wieder ins Bett gelegt. Daraufhin habe ich ein Ansuchen an die Direktion des Therapiezentrums gerichtet, außer meiner Familie niemand sonst einen Besuch zu gestatten. Ich sah aber von meinem Fenster aus, jeden Tag diese Personen am Parkplatz des Therapiezentrums. Sie kontrollierten, wer mich besucht. Bis Ende August 2009 blieb ich dort. Am 01.09.2009 kam der Pfarrer alleine zu uns nach Hause. Er sagte, dass es am XXXX eine Gerichtsverhandlung stattfindet und dass wir hoffentlich nicht vergessen haben, was wir dort zu sprechen haben. Am nächsten Tag waren wir, mein Vater und ich, bei der Verhandlung. Von der Gegnerseite waren mehr als 15 Personen dabei. Ich habe mich dort an die Anweisungen gehalten. Ich habe den Richter gebeten, ein mildes Urteil zu fällen. Noch am selben Tag wurde er freigelassen. Auf der Straße vor dem Gericht kamen der Täter und sein Vater auf uns, also mich und meinem Vater, zu. Der Täter sagte zu mir, dass er die angefangene Sache nicht halb fertig lassen würde und dass er es vollenden würde. Weil mein Vater genau gewusst hat, dass ich große Angst hatte, hat er mich mit Erlaubnis der Direktorin namens XXXX nach Karabach zu seiner Organisation gebracht. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich nicht, wie lange ich dort bleiben würde. Von Karabach aus kommunizierte mich mittels Skype mit meiner Mutter. Sie sagte zu mir, dass mehrere Personen immer wieder kommen und sich über meinen Aufenthaltsort erkundigen. Außerdem bekam mein Vater anrufe auf seinem Handy und ich habe gemerkt, dass er in meiner Anwesenheit nicht abgehoben hat. Ich habe natürlich gemerkt, dass es sich dabei um Drohanrufe handelte. 6 Jahre lang habe ich mich dort aufgehalten. Einmal im Jahr brachte mich mein Vater zum Roten Kreuz, dort bekam ich meine Routinetherapie und wurde wieder von meinem Vater nach Karabach gebracht. Im März 2014 habe ich einen Anruf auf meinem Handy bekommen. Es war ein Anruf ohne Nummer, also anonym. Der Täter, also XXXX war am Telefon. Er sagte zu mir, dass er meine Telefonnummer gefunden hat und dass er auch mich finden würde. Weiters sagte er, dass er mich einmal angegriffen hat, aber dass ich mich erholt habe, das zweite Mal würde ich so eine Chance nicht bekommen und wenn er mich nicht umbringen kann, dann wird er meine Familie vernichten. Ich habe meinem Vater von dem Anruf erzählt. Ca. drei Tage später, als ich auf meinen Vater gewartet habe, weil er mich jedes Mal angezogen hat, kam statt ihm XXXX in mein Zimmer. Er erzählte mir, dass meinem Vater etwas passiert sei, dass er einen Schlaganfall hatte und dass er ins Krankenhaus eingeliefert wurde. Nach ca. zwei Wochen kam mein Vater wieder nach Karabach und ich merkte, dass sein Gesicht schief war. Am 16.02.2015 war ich das letzte Mal wieder beim Roten Kreuz, um meine Routinetherapie zu bekommen. Ich hätte ein Monat und 10 Tage dort bleiben müssen. Aber am 13.03 kam mein Vater ins Krankenhaus und sagte, ich solle mich beeilen, ich konnte nicht einmal meine Sachen mitnehmen. Im Auto fragte ich ihn, was passiert sei. Er sagte, dass meine Verfolger auf die Spur meines Aufenthaltsortes gekommen sind und dass wir uns schleunigst von dort entfernen müssen. Er fuhr mich wieder nach Karabach. Erst dort sagte er mir, dass er vorhat, mit der ganzen Familie in ein Land, wo Menschenrechte beachtet werden, zu flüchten.

LA: Wie lange waren Sie dann noch in Karabach?

VP Bis zum 10.04.2015.

LA: Wie weit ist Karabach von XXXX entfernt?

VP: 450 bis 500 km. Genau weiß ich das nicht.

LA: Wie oft haben Sie einen Drohanruf erhalten, als Sie sich in Karabach aufgehalten haben?

VP: Nur das eine Mal, das ich ihnen schon erzählt habe.

LA: Warum sollten Sie, nachdem Sie sämtlichen Anweisungen bei Gericht befolgt haben, verfolgt werden. Das ergibt keinen Sinn.

VP: Er wollte mich bestrafen, dass ich ihm das Geld nicht gegeben habe. Diese Menschen wollen alles, was sie beginnen, zu Ende führen.

Vor der belangten Behörde brachte die bP 1 im Wesentlichen Folgendes vor:

LA: Sind Sie gesund?

VP: Ja, jetzt schon. Ich hatte im März 2014 einen Schlaganfall, in Karabach. Ich habe mich aber zwischenzeitlich davon erholt.

LA: Warum haben Sie Ihre medizinischen Befunde in die deutsche Sprache übersetzen lassen?

VP: Ich hatte schon lange vor aus Armenien zu flüchten, da es für uns zu gefährlich war.

LA: Beschreiben Sie Ihr Leben hier in Österreich. Haben Sie Verwandte in Österreich? Welche sozialen Kontakte haben Sie in Österreich? Sind Sie in Vereinen oder sonstigen Organisationen tätig? Besuchen Sie einen Deutschkurs?

VP: Ich habe keine Verwandten in Österreich. Ich besuche im Flüchtlingsheim einen Deutschkurs und habe heute auch ein Empfehlungsschreiben von meinen Bekannten hier in Österreich mit. Wir gehen in die katholische Kirche, eine Mitgliedschaft in einem Verein haben wir nicht. Mein Sohn XXXX hilft als Dolmetscher in der Pension.

LA: Möchten Sie irgendwelche Papiere/Dokumente/ etc. vorlegen? Haben Sie irgendwelche Dokumente bei sich?

VP: Ich habe meine Arbeitsbestätigung und ein persönliches Schreiben meinen Sohn XXXX betreffend, vorzulegen. . Mein Sohn XXXX war sechs Jahre lang bei der Institution XXXX im Berg Karabach versteckt, dort wo ich gearbeitet habe. Einmal im Jahr habe ich ihn zum Rehabilitationszentrum des Roten Kreuzes nach Jerewan gebracht. Für ein Monat. Ich war bei XXXX als Assistent des Direktors und Fahrer angestellt.

LA: Können Sie nochmals schildern, was die ausschlaggebenden Gründe für Ihre Ausreise waren? Schildern Sie die Ereignisse in chronologischer Reihenfolge und so detailreich, dass sich ein Außenstehender ein Bild Ihrer Situation machen kann. Sie sollen die Situation so detailreich erzählen, dass von einer selbst erlebten Situation auszugehen ist.

VP: Am XXXX 2009 wurde mein Sohn XXXX in der Schule mit Messerstichen verletzt. Mit drei Messerstichen, am Hals, unterhalb des Herzens und am Oberschenkel. Der Täter war auch ein Schüler von der gegenüberliegenden Klasse und war der Sohn des Pfarrers (Ter) namens XXXX .

LA: Welche Schule war das?

VP: Grundschule XXXX . Er war in der letzten, 11. Klasse und war 17 Jahre alt. Seitdem ist mein Sohn Invalide und kann sehr schwer gehen und muss im Rollstuhl sitzen. Der Pfarrer ist sehr gut befreundet mit dem General XXXX . Der Pfarrer ist in der Bevölkerung in XXXX mit dem Namen Mafioso bekannt. Mein Sohn wurde sofort ins Krankenhaus eingeliefert. Ich war in der Arbeit, als ich angerufen wurde. Als ich ins Krankenhaus kam, wurde er gerade operiert. Seit dem Angriff auf meinen Sohn werden wir sowohl von dem Täter als auch von seiner Familie und Freunden nicht in Ruhe gelassen.

LA: Diese Belästigungen und Verfolgungen müssen Sie konkret, detailliert und lebensnah schildern.

Anmerkung: Der VP wird bzgl. einer lebensnahen Schilderung belehrt.

VP. Ein Strafverfahren gegen den Täter wurde eröffnet. Es wurde Druck auf uns ausgeübt, unsere Anzeige zurückzuziehen und das Verfahren wurde eingestellt.

LA: Erklären Sie mir, warum das Verfahren eingestellt wurde.

VP. Bei der Verhandlung, im Gerichtsaal, musste mein Sohn XXXX angeben, dass wir keine Anzeige erstatten und dass das Gericht ihn nicht behandeln möge. Die Verhandlung war am XXXX .

LA: Warum hat Ihr Sohn bei Gericht dies angegeben?

VP: Wenn er das nicht gemacht hätte, dann haben sie uns gedroht, dann würden sie uns schaden. Als wir nach der Verhandlung das Gericht verließen, hat der Täter auf der Straße meinem Sohn gedroht. Er hat ihm gesagt, dass war für dich zu wenig, ich werde dich umbringen. Ich habe die Gefahr sofort erkannt und habe meine Direktorin XXXX gebeten, meinen Sohn in unsere Niederlassung ( XXXX ) in Karabach unterzubringen, solange für ihn Gefahr besteht. Mein Sohn war zwar dort in Sicherheit, aber diesmal waren die Angriffe auf uns gerichtet. Sie kamen ständig zu uns nach Hause und fragten, wo sich unser Sohn aufhält.

LA: Wer ist „Sie“. Verwenden Sie keine Allgemeinheiten.

VP: Mich haben persönlich der Vater des Täters sowie auch mir unbekannte Männer gefragt. Zu Hause waren der Vater und einige Männer der Leibwächtergarde des General XXXX . Ich wurde nur auf der Straße angesprochen, bei den Hausbesuchen waren jedes Mal meine Frau, meine Mutter und mein jüngster Sohn anwesend. Berufsbedingt war ich ca. 20 Tage lang oder mehr in Karabach. Und eine Woche bzw. 10 Tage in Armenien. 2010 habe ich eines Tages den Pfarrer XXXX gefragt, was sie von uns noch wollen. Sie haben aus meinem Sohn einen Invaliden gemacht und wir haben ihren Anweisungen gefolgt und keine Anzeige gegen den Sohn erstattet. Seine Antwort war aber, dass mein Sohn dafür büßen wird, dass er nicht das gemacht hat, was sein Sohn von meinem Sohn wollte. Mein Sohn erzählte mir, nachdem er vom Krankenhaus entlassen wurde, dass der Täter von ihm Geld haben wollte, was er aber nicht gegeben hat. Das war der Grund des Messerangriffes und der Feindschaft. An diesem Tag sagte mir der Pfarrer, dass die Freilassung seines Sohnes ihn sehr viel gekostet hat und dass ich ihn das Geld ersetzen muss. Es ging um 40.000 US-Dollar. Diese Summe hätte ich ihn nie geben können. Er hat mir vorgeschlagen, dass ich das Haus verkaufen soll, denn so könnte ich ihm das Geld geben. Ich lehnte seinen Vorschlag ab und seitdem gingen die Drohungen weiter. Wir bekamen ständige Drohanrufe. Sie drohten uns, unseren jüngsten Sohn zu schaden, wenn sie XXXX nicht finden können. Es gab ein oder zwei Vorfälle auf der Straße. Mein Auto wurde von einem anderen Auto angehalten. Es stiegen mir unbekannte Männer aus dem Auto. Sie beschuldigten mich, ihr Auto blockiert zu haben und provozierten einen Streit. Sie beschimpften mich. Ich wurde auch dabei geschlagen. Das war beide Male so. Ich habe keine Möglichkeit mehr gesehen, in Armenien weiter zu leben, weil ich die mächtigen Leute nicht loswerde. Aus diesem Grund sind wir aus dem Land geflüchtet. Das Wort des General XXXX gilt wie ein Gesetz.

LA. Was hat General XXXX gegen Sie unternommen?

VP: Persönlich hat er mir nichts getan. Nur seine Leute haben mich und meine Familie schikaniert. Mein Sohn XXXX bekam in Karabach einen Anruf. Der Anrufer sagte zu ihm, dass er seine Nummer vorerst finden konnte und dass es nicht schwer wäre, ihn persönlich aufzufinden.

LA: Wann waren die beiden Vorfälle mit dem Auto?

VP: Das ist für mich sehr schwer für mich, ihnen eine Jahreszahl zu sagen, es könnte 2011 oder 2012 gewesen sein. Das letzte Mal brachte ich im Februar 2015 meinen Sohn XXXX zum Roten Kreuz zu einer Routineuntersuchung bzw. zur physikalischen Therapie. Ich spürte, dass mir ein Auto folgte. Ich fuhr immer mit einem Dienstwagen des XXXX . Mein Sohn sollte bis Mitte oder Ende März beim Roten Kreuz stationär bleiben. Ich habe ihn aber am 13.3.2015 dort abgeholt, die Therapie unterbrechen müssen und brachte ihn wieder nach Karabach. Das sind meine Fluchtgründe.

LA: Warum mussten Sie die Therapie unterbrechen müssen?

VP: Weil ich gespürt habe, dass sie mich verfolgt haben und dass sie deshalb XXXX finden würden.

LA: Können Sie den Gerichtsbeschluss vorlegen?

VP: Habe ich heute mit.

LA: Laut dem vorliegenden Gerichtsbeschluss wurde das Verfahren nicht eingestellt. Warum behaupten Sie das nun?

VP: Es stimmt, dass er zwei Jahre bedingt bekommen hat, aber er läuft frei herum und für so eine schwere Verletzung ist die Strafe zu wenig.

LA: Laut dem vorliegenden Gerichtsbeschluss wurde das Verfahren nicht eingestellt. Warum behaupten Sie das nun?

VP: Ich habe damit gemeint, dass mit einem so milden Urteil das Verfahren beendet wurde.

LA: Was haben Sie sich erwartet, wenn der Sohn vor Gericht die Anzeige zurückgezogen hat?

VP: Wir haben die Anzeige nicht zurückgezogen, sondern das Gericht gebeten, mild zu entscheiden.

LA: Was haben Sie dann erwartet?

VP: Es blieb uns nichts anderes übrig, als das Gericht zu bitten.

Anmerkung Seite 2 oben erster Absatz: Der Vertreter (Vater) des Opfers hat erklärt, dass Schmerzensgeld an das Opfer bezahlt wurde und das Opfer völlig entschädigt wurde, dass das Opfer und der Täter sich in der Zwischenzeit versöhnt haben. Aus dem Grund wird keine Zivilklage eingebracht und gleichzeitig bat der Vertreter das Gericht, dem Täter keine Freiheitsstrafe zu geben und ihn mild zu verurteilen.

LA: Ihre Angaben hinsichtlich einer jahrelangen Verfolgung sind sehr verworren und in der Gesamtheit betrachtet, nicht glaubhaft nachvollziehbar. Warum sollte der Pfarrer monatelang zuwarten, um die Geldforderung an Sie zu stellen. Erklären Sie mir die Situation.

VP Ich habe alles gemacht, was der Pfarrer von mir verlangt hat. Er und der General beherrschen ganz XXXX .

LA: Antworten Sie konkret auf die gestellte Frage.

VP Wie kann ich diese Frage beantworten, woher soll ich wissen, warum er monatelang mit seiner Geldforderung zugewartet hat.

LA: Was war nun der ausschlaggebende Grund, warum Sie nun im 2015 beschlossen haben, auszureisen?

VP: Seit langem überlegte ich schon die Flucht aus Armenien. Als die Gegnerische Partei angefangen hat, uns zu belästigen, wollte ich schon einen Weg zur Flucht finden. Ausschlaggebend war auch die Drohung gleich nach der Gerichtsverhandlung.

LA: Warum haben Sie sechs Jahre lang mit der Ausreise zugewartet?

VP: Ich hatte kein Geld. Sechs Jahre lang musste ich sparen, damit wir alle gemeinsam flüchten konnten.

LA. Sie konnten das Geld zur Ausreise zusammen sparen, obwohl der Pfarrer von Ihnen Geld verlangte und Sie und Ihre Familie wiederholt bedroht und belästigt hat. Das ist nicht glaubhaft.

VP: Er wäre nie im Leben mit 14000 oder 15000 Euro zufrieden gewesen. Er wollte von mir 40.000 Dollar haben.

LA. Sie wollen nun glaubhaft machen, dass der Pfarrer sechs Jahre lang auf sein Geld wartet, ohne irgendetwas konkret zu unternehmen, um Sie zu zwingen, das Geld aufzutreiben oder Ihr Haus zu verkaufen.

VP: Er hat nicht zugewartet. Er hat mir und meiner Familie genug angetan. Ich hatte ein zufriedenstellendes Leben, ich habe gearbeitet, konnte meine Familie ernähren. Wenn es diese Personen nicht gegeben hätte, hätten wir in Frieden in unserer Heimat leben können.

LA: Was wurde Ihnen und Ihrer Familie konkret angetan?

VP: Sie haben meinen Sohn zum Invaliden gemacht. Hätte ich mit der Flucht abwarten sollen, das sie mich umbringen.

LA: Was wurde Ihnen und Ihrer Familie konkret angetan?

Anmerkung. Der VP wurde nochmals belehrt, was unter konkreten und lebensnahen Schilderungen zu verstehen ist.

VP: Der Pfarrer und auch andere unbekannte Männer waren immer bei uns zu Hause und haben meine Familie belästigt. Meine Frau musste immer den jüngsten Sohn selbst in die Schule bringen, weil wir in Angst gelebt haben. Sie haben ständig meinen Sohn XXXX angerufen und ihn bedroht. Aus diesen Gründen habe ich einen Schlaganfall gehabt. Ich bekam auch mehrere Anrufe. Manchmal zwei bis drei Mal in der Woche, dann wieder einmal in zwei Monaten.

LA: Wer hat Sie angerufen und was wollte man von Ihnen?

VP: Angerufen haben der Pfarrer, sein Sohn und auch deren Männer. Sie fragten mich jedes Mal, wo das Geld ist und ob ich die Familie in Gefahr bringen möchte usw.

LA: Was sagten Sie, was mit dem Geld wäre?

VP: Ich sagte, ich habe kein Geld, ich kann nicht. Jedes Mal haben sie mir vorgeschlagen, mein Haus zu verkaufen.

LA: Sie gaben vorhin widersprüchlich an, der Sohn wäre nur einmal angerufen worden. Jetzt geben Sie ständige Anrufe an.

VP: 2014 haben sie ihn einmal angerufen und sagten ihm, dass es nicht schwer ist, auch ihn zu finden. Vorhin habe ich diesen Anruf gemeint.

LA: Welche Bedrohungen und Belästigungen haben Sie nun persönlich erlebt?

VP: Zwei Mal wurde ich auf der Straße angegriffen. Dann die Anrufe, persönlich bei mir. Das ist alles.

LA: Warum geben Sie nun auf einmal den Vorfall, als der Pfarrer Ihnen mitgeteilt hat, dass er Geld von Ihnen will, nicht an?

VP Ich habe die Frage nicht richtig verstanden. 2010 wollte der Pfarrer Geld von mir.

LA: Das waren nun alle persönlichen Vorfälle?

VP .Ja.

LA: Die zweimaligen Vorfälle mit dem Auto. Welchen Zweck hatten diese Anhaltungen? Was wollte man von Ihnen konkret?

VP: Sie wollten mich dadurch einschüchtern. Sie wollten einen Streit provozieren und mir Angst einjagen.

LA: Forderungen wurde keine gestellt?

VP: Nein.

LA: Sie brachten heute ein Schreiben von XXXX bzgl. Ihres Sohnes vor. Was steht in dem Schreiben?

VP: Wer mein Sohn ist, was ihm zugestoßen ist, wie lange er bei XXXX . Woher soll ich das wissen, was in dem Schreiben steht. Das ist eine Bestätigung über den Aufenthalt meines Sohnes bei Ihnen.

LA: Möchten Sie etwas zu Ihrem Vorbringen ergänzen?

VP: Nein.

LA: Hätten Sie damals die Möglichkeit gehabt, sich woanders ins Heimatland zu begeben, um sich der angeblichen Übergriffe/Probleme/Schwierigkeiten zu entziehen? Bzw. haben Sie das schon erwogen/versucht?

VP: Sie hätten uns überall finden können.

LA: Haben Sie noch Kontakt ins Heimatland? Was wurde Ihnen über die Situation berichtet?

VP: Ich habe Kontakt zu meiner Mutter. Meine Mutter wird nicht belästigt.

LA: Warum nicht? Sie wohnt weiterhin an derselben Adresse?

VP: Das weiß ich nicht. Sie ist 80 Jahre alt.

LA: Nach Ihrer Ausreise, sind keine Personen mehr an Ihre Wohnadresse mehr gekommen?

VP: Meine Mutter hat mir nichts Derartiges berichtet. Niemand wusste, dass wir ausreisen.

LA: Schildern Sie nun genau, wann und wie die Einschüchterungen stattfanden, weshalb Sie dann bei der Gerichtsverhandlung um ein mildes Urteil baten. Chronologisch und eine konkrete und lebensnahe Schilderung.

VP: Mein Sohn wurde zum zweiten Mal in Jerewan operiert. Einige Tage nach seiner Operation kam der polizeiliche Ermittler XXXX in Begleitung des Pfarrers ins Krankenhaus. An diesem Tag sagte der Pfarrer in Beisein des Polizisten, dass er es nicht verhindern konnte, dass ein Strafverfahren eingeleitet wurde. Er sagte, dass ich vor Gericht alles angeben sollte, was er nun mir diktiert. Im Krankenzimmer waren außer meinem operierten Sohn, meine Frau und ich. Der Pfarrer drohte uns mit dem Umbringen, wenn wir seinen Anweisungen nicht folgen und das alles in Beisein des Polizisten. Wir haben uns dort natürlich damit einverstanden erklärt. Ende August 2009 wurde mein Sohn vom Roten Kreuz entlassen. Am XXXX 2009, einen Tag vor der Gerichtsverhandlung, kam der Pfarrer zu uns nach Hause, alleine und hat uns an seine Anweisungen erinnert. Wir versicherten ihn, dass wir alles tun würden, was er uns geraten hat. 2010 war die Geldforderung des Pfarrers, auf der Straße. Das vierte und fünfte Mal innerhalb eines Monats waren die beiden Anhaltungen auf der Straße. Das war 2011 oder 2012. Die restlichen Einschüchterungen waren telefonisch, ich kann nicht genau angeben, wann die gewesen sind.

LA: Gab es zwischen dem Aufsuchen des Pfarrers im Krankenhaus und dem Besuch bei Ihnen zu Hause einen Tag vor der Gerichtsverhandlung irgendwelche Vorfälle?

VP: Mit mir persönlich nichts.

LA: Sondern?

VP: Mein Sohn XXXX hat mir gesagt, dass ihm beim Roten Kreuz gefolgt wurde. Er wurde dabei belästigt. Er war psychisch sehr angeschlagen, deswegen stellte ich ihm keine lästigen Fragen. Das alles, bis zur Verhandlung.

Einvernahme unterbrochen von 11.30 Uhr bis 14.15 Uhr

LA: Warum hatten Sie nun für die Ausreise genug Geld?

VP: Ich habe zum Großteil das Geld zusammengespart aber mir hat auch die Direktorin in meiner Organisation aber auch der Direktorenrat in den USA Geld gegeben.

LA: Warum erst nach 6 Jahren der Belästigungen und Verfolgungen?

VP: Ich hatte keine andere Möglichkeit.

LA: Warum wurden Sie erst nach 6 Jahren der Belästigungen und Verfolgungen unterstützt?

VP: Meine Direktorin wusste von meinem Vorhaben schon seit 6 Jahren. Sie hätte mir aber nicht die gesamte Summe geben können. Ich musste lange Jahre warten, bis ich mir ein Geld zusammen gespart habe und mit der Restsumme haben sie mir geholfen. Befragt, ich kann die Frage nicht beantworten, manche haben mit 200 Euro und andere mit 500 Euro geholfen. Mir wurde nicht auf einmal eine größere Summe zur Verfügung gestellt. Dieses Geld kam im Laufe der Jahre zu mir.

I.2.3. bP2 und bP4 beriefen sich auf dieselben Gründe und auf den gemeinsamen Familienverband. Die bP 4 gab ergänzend an, dass sie wegen des Bruders immer wieder eingeschüchtert und schikaniert worden wäre und sei die bP 2 gemäß ihren Angaben mehrfach von Personen nach dem Aufenthaltsort der bP 3 befragt worden.

I.2.4. Am 17.02.2016 wurde seitens der Organwalterin eine Anfrage an die Staatendokumentation des BFA hinsichtlich Behandelbarkeit von Hepatitis C gestellt, deren im Akt ersichtliches Ergebnis am 17.03.2016 einlangte.

I.2.5. Mit Schreiben vom 29.03.2016 ersuchte die erkennende Behörde die bP 1 um Vorlage von aktuellen Arztbefunden. Per Mail vom 05.04.2016 übermittelte die bP 1 einen Arztbrief d vom 05.04.2016 (bP 1 nimmt keine Medikamente ein und wird eine gelegentliche Verlaufskontrolle empfohlen).

I.2.6. Vorgelegt vor dem BFA wurde von den bP:

?        Armenische Geburtsurkunden der bP 1-4

?        Armenische Heiratsurkunde der bP 1 und 2

?        Armenischer Führerschein der bP 1

?        Zwei Schreiben d. Project XXXX , undatiert

?        Div. ärztliche Befunde aus dem Heimatland hinsichtlich bP 1 und bP 3

?        Schreiben über die Bewilligung eines Krankenfahrstuhls für die bP 3 in Österreich

?        Ärztliche Befunde aus Österreich der bP 1

?        Ärztliche Befunde aus Österreich der bP 2 (Abortus incompletes)

?        Ärztliche Befunde aus Österreich der bP 3

?        Urteil des Gerichtes für allgemeine Gerichtsbarkeit der Region XXXX XXXX

?        Div. Unterstützungsschreiben

?        Zeitungsberichte hinsichtlich der Teilnahme der bP an Integrationsveranstaltungen

Die Geburtsurkunden der bP 1-4, die Heiratsurkunde und Führerschein der bP 1 wurden einer kriminaltechnischen Untersuchung unterzogen und konnten keine Hinweise auf eine Verfälschung gefunden werden.

I.3. Die Anträge der bP auf internationalen Schutz wurden folglich mit im Spruch genannten Bescheiden der bB gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I.). Gem. § 8 Abs 1 Z 1 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Armenien nicht zugesprochen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 55, 57 wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die bP eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung nach Armenien gemäß § 46 FPG zulässig sei. Eine Frist zur freiwilligen Ausreise wurde mit 14 Tagen gewährt.

In Bezug auf sämtliche bP wurde ein im Spruch inhaltlich gleichlautender Bescheid erlassen, weshalb sich aus dem Titel des Familienverfahrens gem. § 34 AsylG ebenfalls kein anderslautender Bescheid ergab.

I.3.1. Im Rahmen der Beweiswürdigung erachtete die bB das Vorbringen der bP in Bezug auf die Existenz einer aktuellen Gefahr einer Verfolgung als nicht glaubhaft und führte hierzu Folgendes aus (Wiedergabe aus dem angefochtenen Bescheid in Bezug auf bP 3) :

-        Betreffend die Feststellungen zu Ihrer Person und zu Ihrem Privat- und Familienleben:

Die Feststellung zu Ihrer Person und zu Ihrem Privat- und Familienleben begründen sich einerseits auf die von Ihnen in Vorlage gebrachten Dokumente (Geburtsurkunde, ärztliche Befunde) und andererseits ausschließlich auf Ihre diesbezüglichen Angaben.

Die Feststellung zu Ihrer Erkrankung stützte sich auf die von Ihnen in Vorlage gebrachten Arztbriefe.

Aufgrund der Vorlage der medizinischen Befunde aus dem Heimatland und den vorliegenden Länderinformationen ist eine weiterführende medizinische Betreuung Ihrer „Erkrankung“ im Heimatland gewährleistet.

Sie verfügen im Heimatland über verwandtschaftliche Anknüpfungspunkte, die für Sie und Ihre Familie Unterstützungsmöglichkeiten bedeuten. Auch wenn die weiterführende medizinische Behandlung Ihrer Erkrankung im Heimatland nicht vom Staat bezahlt wird, so sind Sie dennoch aufgrund Ihrer Arbeitsfähigkeit aber auch durch die Unterstützung des Familienverbandes in der Lage, für die Kosten Ihrer Behandlung selbst aufzukommen. Sie hatten bereits vor Ihrer Ausreise eine umfassende medizinische Betreuung und war es Ihnen möglich, einmal im Jahr im Zentrum des Roten Kreuzes behandelt zu werden.

Sie leiden derzeit an keiner lebensbedrohlichen Beeinträchtigung des Gesundheitszustandes, die einer Rückführung in den Herkunftsstaat entgegenstehen würde.

Sie sind seit April 2015 in Österreich aufhältig.

Sie sind in Österreich derzeit nicht selbsterhaltungsfähig und leben von der Grundversorgung.

Sie besuchen Deutschkurse. Sie haben Kontakt zu anderen Pensionsbewohnern bzw. zu Deutschlehrern und zu Personen aus dem unmittelbaren Umfeld. Soziale Kontakte, die eine Bindung zu Österreich darstellen würden, waren nicht feststellbar.

Eine legale regelmäßige Erwerbstätigkeit, und Aspekte einer außergewöhnlichen schützenswerten dauernde Integration waren im Verfahren nicht festzustellen.

Die von Ihnen in Vorlage gebrachten Unterstützungsschreiben waren nicht geeignet, eine anderslautende Feststellung, zu treffen.

-        Betreffend die Feststellungen zu den Gründen für das Verlassen Ihres Herkunftsstaats:

Es entspricht der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, wenn Gründe, die zum Verlassen des Heimatlandes beziehungsweise Herkunftsstaates geführt haben, im Allgemeinen als nicht glaubwürdig angesehen werden, wenn der Asylwerber die nach seiner Meinung einen Asyltatbestand begründenden Tatsachen im Laufe des Verfahrens – niederschriftlichen Einvernahmen - unterschiedlich oder sogar widersprüchlich darstellt, wenn seine Angaben mit den der Erfahrung entsprechenden Geschehnisabläufen oder mit tatsächlichen Verhältnissen bzw. Ereignissen nicht vereinbar und daher unwahrscheinlich erscheinen oder wenn er maßgebliche Tatsachen erst sehr spät im Laufe des Asylverfahrens vorbringt (VwGH 6.3.1996, 95/20/0650).

Ihrem Vorbringen konnte nicht glaubhaft entnommen werden, dass Sie und Ihre Familie jahrelang verfolgt worden wären. Die Angaben von Ihnen und Ihren Eltern waren zu vage gehalten und war unter Betrachtung der Gesamtsituation eine nachhaltige Verfolgung durch die Familie des Täters keinesfals plausibel nachvollziehbar.

Sie brachten das Gerichtsurteil in Vorlage, indem klar ersichtlich ist, dass Sie bzw. Ihr Vater zugunsten des Täters auf zivilrechtliche Ansprüche verzichtet haben. Es besteht durchaus die Möglichkeit, dass dieser Verzicht von der einflussreichen Familie des Täters erpresst worden war, jedoch war die von Ihnen bzw. von Ihren Eltern geschilderte Verfolgung danach weder glaubhaft noch plausibel.

Die Angaben Ihrer Eltern zu der angeblichen Verfolgung nach dem Gerichtsurteil waren sehr vage gehalten und waren sie nicht in der Lage, diese Drohungen präzise und konkret anzuführen.

Aber auch die Forderungen, die an Ihre Eltern gestellt worden wären, waren unter Betrachtung der Gesamtsituation nicht glaubhaft. Gab Ihr Vater an, dass er erst im Jahr 2010 mit Geldforderungen bedroht worden wäre, sprach Ihre Mutter nur von Drohungen, Ihren Aufenthaltsort preiszugeben und die hätten sofort nach der Gerichtsverhandlung begonnen. Dieser grundlegende Widerspruch zwischen Ihren Eltern war eindeutig ein Indiz für eine erfundene Geschichte, da keinesfalls glaubhaft war, dass Ihr Vater mit Geldforderungen und Ihre Mutter mit der Bekanntgabe des Aufenthaltsortes des Sohnes bedroht worden wären.

Aber nicht nur dieser Widerspruch stellte ein Indiz für eine erfundene Geschichte dar, sondern auch die gesamte von Ihren Eltern geschildeten Situation. Keinesfalls war glaubhaft, dass die Verfolger Forderungen bzw. Drohungen über Jahre hinweg gestellt haben – die Ihre Eltern in keinster Weise erfüllt haben – ohne den Forderungen einen Nachdruck zu verleihen. Gerade die von ihnen geschilderten „Machtmenschen“ sind es gewöhnt, dass man ihren Forderungen nachkommt, weshalb nun eine nachhaltige Verfolgung Ihrer Familie – ohne dass gezielte Schritte gegen sie gesetzt worden wären – nicht glaubhaft waren.

Wäre der Vater des Täters daran interessiert gewesen, das Geld von Ihrem Vater zu erpressen, so wären gezielte Schritte gegen Ihre Familie unausweichlich gewesen. Genauso verhält es sich mit den Besuchen bei Ihrer Mutter, die Ihren Aufenthaltsort niemals preisgegeben hatte. Sie bzw. Ihre Eltern konnten nichts vorbringen, dass auf eine nachhaltige Verfolgung Ihrer Person bzw. Ihrer Familie schließen würde und waren den Angaben Ihrer Eltern zu den angeblichen Drohungen zu vage, um von einem wahren Vorbringen ausgehen zu können.

Im Hinblick auf die Angaben Ihres Bruders XXXX war unter Betrachtung der Gesamtsituation absolut nicht glaubhaft, dass Ihr Bruder XXXX auf offener Straße mit einem Messer bedroht worden wäre, Ihr Vater jedoch „nur“ telefonisch und Ihre Mutter immer „nur“ zu Hause bedroht wurden. Ihre Eltern führten eine nachhaltige Verfolgung Ihrer Person im „täglichen“ Leben, also in der Gesellschaft oder auf der Straße nicht an, weshalb es nicht glaubhaft war, dass nun Ihr Bruder als Jugendlicher so massiv, also auch auf der Straße - bedroht worden wäre. Die Angaben Ihres Bruders bestätigten zusätzlich den Eindruck der Behörde, dass Sie und Ihre Familie ein Konstrukt vorbrachten, um so einen asylrelevanten Grund anführen zu können.

Aber auch die Angaben Ihres Vaters, er hätte eine Verfolgung Ihrer Person bemerkt, weshalb er Ihre Therapie abbrach und schließlich die Ausreise gezielt vorbereitet habe, war durch einen Widerspruch im Vorbringen Ihrer Mutter als nicht glaubhaft zu bewerten gewesen. So wurde die Geburtsurkunde Ihrer Mutter am 06.02.2015 ausgestellt, nach Angaben Ihrer Mutter, weil Ihr Vater bereits die Ausreise vorbereitet hat. Da Ihr Vater jedoch Ihre Therapie Mitte März 2015 wegen einer angeblichen Verfolgung abgebrochen hat, gewann die erkennende Behörde den Eindruck, dass Ihr Vater gezielt eine angebliche Verfolgung Ihrer Person konstruiert hat, um so einen fluchtauslösenden Grund anführen zu können.

Aufgrund der Gesamtsituation war nun weder eine Verfolgung Ihrer Person noch die Ihrer Familie glaubhaft und gewann die erkennende Behörde den Eindruck, dass Sie bzw. Ihre Familie mit Ihrer Verletzung bzw. der Verurteilung des Täters eine Verfolgung konstruieren wollten.

Diesen Eindruck konnte auch das in Vorlage gebrachte Schreiben des „ XXXX Project“ nicht ändern. Sie gaben in Ihrem Verfahren an, dass Sie einen einzigen Drohanruf – solange Sie sich in Berg Karabach bei dem „ XXXX Project“ aufgehalten haben – bekommen hätten. In dem Schreiben vom „ XXXX Projeckt“ wurde jedoch bestätigt, dass die Mitglieder von XXXX Zeugen der telefonischen Drohanrufe geworden waren. Da Sie jedoch nur einen einzigen Drohanruf ins Treffen geführt haben und das Schreiben jedoch mehrere Drohanrufe bestätigt, ging die erkennende Behörde von einem Gefälligkeitsschreiben aus, weshalb von einer Recherche bei XXXX Abstand genommen wurde. Es konnte daher keinesfalls das Schreiben der „ XXXX Projekt“ mehr Beweiskraft haben, als Ihr Vorbringen bzw. das Ihrer Familie, dass jedoch unter Betrachtung der Gesamtsituation und der vorliegenden Ungereimtheiten und Widersprüche weder glaubhaft noch plausibel nachvollziehbar war.

In Bezug auf die weitern bP wurde in sinngemäßer Weise argumentiert.

I.3.2. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Armenien traf die belangte Behörde ausführliche und schlüssige Feststellungen. Aus diesen geht hervor, dass in Armenien bzw. der Herkunftsregion der bP von einer unbedenklichen Sicherheitslage auszugehen und der armenische Staat grundsätzlich gewillt und befähigt ist, sich auf seinem Territorium befindliche Menschen vor Repressalien Dritte wirksam zu schützen. Ebenso ist in Bezug auf die Lage der Menschenrechte davon auszugehen, dass sich hieraus in Bezug auf die bP ein im Wesentlichen unbedenkliches Bild ergibt. Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass in der Republik Armenien die Grundversorgung der Bevölkerung gesichert ist, eine soziale Absicherung auf niedrigem Niveau besteht, die medizinische Grundversorgung flächendeckend gewährleistet ist, Rückkehrer mit keinen Repressalien zu rechnen haben und in die Gesellschaft integriert werden. Das Sozialsystem und das Gesundheitswesen sind auch Rückkehrern zugänglich. Darüber hinaus bestehen in Armenien karitativ tätige Organisationen, welche auch Rückkehrern zugänglich sind.

I.3.3. Rechtlich führte die belangte Behörde aus, dass weder ein unter Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 der GKF noch unter § 8 Abs. 1 AsylG zu subsumierender Sachverhalt hervorkam. Es hätten sich weiters keine Hinweise auf einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG ergeben und stelle die Rückkehrentscheidung auch keinen ungerechtfertigten Eingriff in Art. 8 EMRK dar, weshalb Rückehrentscheidung und Abschiebung in Bezug auf Armenien zulässig sind.

I.4. Gegen die im Spruch genannten Bescheide wurde mit im Akt ersichtlichen Schriftsatz innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben.

Im Wesentlichen wurde nach Wiederholung des bisherigen Vorbringens vorgebracht, dass die bB es verabsäumt habe, die Angaben zum Fluchtgrund und die persönliche Situation der bP im Herkunftsland zu recherchieren. Es wäre auch möglich gewesen, mit dem Arbeitgeber der bP 1 bzw. bP 3 Kontakt aufzunehmen und das als Gefälligkeitsschreiben beurteilte Schreiben zu hinterfragen. Das Vorbringen sei auch vor dem Hintergrund der Länderfeststellungen glaubwürdig. Die Gesellschaft und insbesondere Gerichtsbarkeit in Armenien wären gemäß Länderfeststellungen von Korruption durchdrungen. Die Hepatitis C Erkrankung der bP 1 sowie die Rehabilitationsnotwendigkeit der bP 3 führten bei einer Abschiebung zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK. Eine Schutzfähigkeit und Schutzwilligkeit des armenischen Staates sei im Fall der bP nicht gegeben und würde der General auch eine staatliche Funktion ausüben.

Vorgelegt mit der Beschwerde wurde von den bP:

?        Unterstützungsschreiben

?        Zeitungsbericht über Integrationsveranstaltung in Österreich

I.5. Mit 15.11.2018 wurde von der zuständigen Staatsanwaltschaft der Rücktritt von der Verfolgung hinsichtlich der bP 2 übermittelt.

I.6. Mit Schreiben vom 02.03.2018 wurde das Schreiben des AMS an die bB vom 26.02.2018 betreffend der Bekanntgabe des Aufenthaltsstatus der bP 4 betreffend Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung übermittelt.

Mit Schreiben vom 23.03.2018 wurde von der bB der ihr übermittelte Bescheid hinsichtlich der bP 4 vorgelegt, aufgrund dessen dem Arbeitgeber eine Beschäftigungsbewilligung der bP 4 als Lehrling erteilt wurde.

I.7. Mit Schreiben vom 22.06.2020 wurde das Schreiben der rechtsfreundlichen Vertretung der bP vom 15.06.2020 übermittelt, wonach der bB zur Kenntnis iSd § 55a FPG unter Vorlage des AMS Bescheides mitgeteilt wurde, dass sich die bP 4 in einem aufrechten Lehrverhältnis befindet.

I.8. Mit Schreiben vom 27.06.2019 wurde eine Meldung einer Straftat übermittelt. Demnach wurde der bP 4 in der Berufsschule die Geldbörse gestohlen.

I.9. Mit Schreiben vom 23.01.2020 wurde der Lehrvertrag sowie die Mitteilung über das Lehrverhältnis der bP 4 von 05.04.2018 bis 04.04.2021 als Systemgastronomiefachmann von der bB nachgereicht.

I.10. Mit Schreiben vom 11.03.2020 und 25.03.2020 wurden weitere Integrationsunterlagen der bP vorgelegt.

I.11. Ermittlungen des BVwG über den Vertrauensanwalt in Armenien ergaben, dass die Angaben der bP zum Urteil den Tatsachen entsprechen. Konkret geht aus der Anfragebeantwortung vom 08.06.2020 hervor:

1) Did the described incident (attack with knife) on XXXX 2009 at the mentioned school actually occur?

Yes, it is true that the described incident has really happened.

2) Did the son receive treatment in the hospital due to the described injuries?

Yes, it is true that he has been treated in the hospital due to the described injuries

3) Does the perpetrator show a close relationship to the pastor and the mentioned General?

The perpetrator is son of the Pastor who is well known in town XXXX and, according to some reports, has no good reputation among population. Theoretically, Pastor could have good relationship with the General XXXX . However, according to the XXXX statement made in the court, XXXX family had compensated all treatment expenses they had, he had no demands towards XXXX family and had urged the court to rule soft sentence other than imprisonment. Also, since 2018 General XXXX is under investigation and has no the same influence and power that he had before May, 2018 when new democratic government was elected in Armenia.

4) Did a relevant court hearing take place (cf. attachment: XXXX )?

Yes, the mentioned court hearing has taken place and the court judgment is authentic.

5) Are the attached documents (court documents, BFA-Akt S 81 ff.; judgment) genuine?

Yes, the judgment is genuine.

6) Is there a pending criminal proceeding against XXXX or is he wanted by the authorities (upstanding manhunt)?

There are no facts available in open sources that could support that fact.

I.12. Für den 10.06.2020 lud das erkennende Gericht die Verfahrensparteien zu einer mündlichen Beschwerdeverhandlung.

I.12.1. Gemeinsam mit der Ladung wurden Feststellungen zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat zugestellt. Ebenso wurde – in Ergänzung bzw. Wiederholung zu den bereits bei der belangten Behörde stattgefundenen Belehrungen - ua. hinsichtlich der Obliegenheit zur Mitwirkung im Verfahren manuduziert und wurden die bP aufgefordert, Bescheinigungsmittel vorzulegen.

I.12.2. Mit Schreiben vom 14.04.2020 wurden Unterlagen zur Integration vorgelegt. Ausgeführt wurde, dass sich die Situation in Armenien gemäß Länderberichten seit der Ausreise nicht geändert habe. Armenien habe nach wie vor mit Korruption zu kämpfen und würden Anwälte über Verletzung rechtsstaatlicher Grundsätze durch die Gerichte berichten. Die Justiz sei nicht in der Lage, das Recht auf ein faires Verfahren umzusetzen. Auch sei den Berichten zu entnehmen, dass das Fehlen einer staatlichen Krankenversicherung den Zugang zu medizinischer Versorgung erschwere, da für einen großen Teil der Bevölkerung die Finanzierung der kostenpflichtigen ärztlichen Behandlung extrem schwierig geworden sei. bP 1 sei auf medizinische Behandlung der Hepatitis C angewiesen. Angesichts der Corona Epidemie sei zu befürchten, dass im Falle einer Erkrankung der bP eine medizinische Versorgung in Armenien nicht zur Verfügung steht. Es werde darauf hingewiesen, dass laut dem BMEIS für Armenien die Sicherheitsstufe 4 verhängt und eine Reisewarnung ausgesprochen wurde.

I.12.3. Zu Beginn der Verhandlung brachten die befragten bP vor, einvernahmefähig zu sein. Hinsichtlich ihrer Erkrankungen gaben sie an:

RI: Stehen Sie in sonstiger medizinischer oder therapeutischer Behandlung?

P1: Ich leide an Diabetes (Typ 1) und an Bluthochdruck. Ich nehme Lisinopril. Ich nehme auch etwas gegen Bluthochdruck, meine Frau weiß, wie dieses heißt. Das Medikament heißt Lisinopril sowie einen Magenschoner. Welches Medikament ich gegen DMI nehme, weiß ich nicht.

P2: Ich habe Probleme mit der Schilddrüse. Ich nehme jeden Tag in der Früh ein Medikament, wie es heißt, weiß ich nicht. Nachgefragt gebe ich an, dass ich eine Überfunktion der Schilddrüse habe. Sonst habe ich keine Krankheiten.

P3: Ich leide an einer rechtsseitigen Lähmung bzw. Schwäche seit 2009. Diesbezüglich werde ich behandelt. Nachgefragt gebe ich an, dass ich eine Physiotherapie mache. Nachgefragt gebe ich an, dass ich zu Hause viel mache nach Empfehlung. Wenn ich ins Krankenhaus gehe bekomme ich Zellenbad und Massagen. Nachgefragt gebe ich an, dass ich eine Stromtherapie und Massagen im Krankenhaus erhalte.

P4 ersucht die Fragen auf Deutsch beantworten zu dürfen. Die Befragung wird daher in Deutsch durchgeführt und nur in Frage von Verständigungsschwierigkeiten auf die D zurückgegriffen.

P4: Gott sei Dank, nein.

I.12.4. In der Verhandlung gab die bP 1 insbesondere an:

RI: Was war der Grund warum Sie Armenien verlassen haben?

P: Wir wurden nicht in Ruhe gelassen.

RI wiederholt und erläutert die Frage.

P: Mein Sohn wurde mit dem Messer an drei Stellen attackiert. Er hatte eine schwere Operation gehabt.

RI erörtert die Sachlage. Dem P wird erklärt, dass der Angriff mit dem Messer per se nicht in Frage gestellt wird, zumal auch die ho. Erhebungen die Richtigkeit des Sachverhaltes bestätigen. Die P1 wird aufgefordert darzulegen, inwiefern ein fluchtkausaler Sachverhalt im Sinne der GFK vorliegt (dem P1 wird die Frage erörtert)

P: Wir wurden vom Vater des Angreifers gezwungen, die Anzeige zurückzuziehen.

RI erörtert die Sache- und Rechtslage, insbesondere das Gerichtsurteil, welches im Rahmen der Anfragebeantwortung als authentisch befunden wurde.

RI: Für mich ist es nicht plausibel, dass ein Urteil aus 2009, welches offensichtlich in Rechtskraft erwachsen ist und zu einer Verurteilt geführt hat und augenscheinlich auch den rechtsstaatlichen Grundsätzen entsprach, sie ca. 6 Jahre später den Bedarf des Verlassens des Heimatlandes sehen?

P: Wir wurden nach dem ganzen nicht in Ruhe gelassen. Der Angreifer stand gegenüber des Gerichtes und hat zu meinem Sohn gesagt, ich habe dich mit dem Messer attackiert, das hat nicht gut geklappt, das nächste Mal werde ich genauer sein. Ich habe Angst gehabt, dass meinem Sohn noch was angetan wird.

RI: Haben Sie sich an die Polizeidienststelle, gegeben falls an eine übergeordnete Polizeidienststelle, die StA, das Gericht, einer NGO oder an den Ombudsmann gewandt?

P: Für sie ist es vielleicht schwer zu verstehen, wie damals die Lage in Armenien war.

RI erörtert abermals die Sachlage und wiederholt die Frage.

P: Dieser Mann hat durch Bestechung mit viel Geld seinen Sohn freigekauft. Dann sagte er mir, dass ich ihm USD 40.000.—schulde, dass waren die Kosten, die er für seinen Sohn ausgegeben hat. Ich habe gesagt, dass ich so viel Geld nicht habe und es nicht zahlen kann. Er sagte dann, dass er mir das Leben zur Hölle machen wir.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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