TE Bvwg Beschluss 2020/9/8 L515 1313814-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 08.09.2020
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Entscheidungsdatum

08.09.2020

Norm

AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §8
AVG §68 Abs1
BFA-VG §19
EMRK Art2
EMRK Art3
EMRK Art8
VwGG §30 Abs2
VwGG §30a Abs3

Spruch


L515 1313814-3/20E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch Richter Mag. H. LEITNER als Einzelrichter über den Antrag von XXXX , am XXXX geb., StA der Republik Georgien, vertreten durch RA Mag. Dr. Anton Karner, der gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 27.1.2020, GZ L515 1313814-3/13E (angefochtener Rechtsakt: Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX.04.2017, Zl. XXXX ), erhobenen Revision die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, beschlossen:

Der Revision wird gemäß § 30 Abs. 2 iVm § 30a Abs. 3 VwGG die aufschiebende Wirkung nicht zuerkannt.


Text


BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

I.1.1. Die revisionswerbende Partei ist ein männlicher Staatsangehöriger der Republik Georgien und brachte erstmals nach rechtswidriger Einreise am 24.4.2007 einen beim Bundesasylamt einen Antrag auf internationalen Schutz ein. Zur Begründung brachte sie damals vor, sie hätte sich € 2.000,-- für die Reise nach Österreich ausgeborgt. Nunmehr möchte sie einer Arbeit nachgehen, um ihre Schulden abzahlen zu können.

Sie hätte sich 2002 -2006 in der Russischen Föderation zu Arbeitszwecken aufgehalten und wäre dann nach Georgien abgeschoben worden, wo sie sich oppositionspolitisch engagiert hätte.

Nunmehr werde sie seitens des Staates als auch seitens der Partei bzw. deren Mitgliedern verfolgt.

I.1.2. Seitens des Bundesasylamtes wurde der Antrag auf internationalen Schutz abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt. Ebenso wurde eine Ausweisung nach Georgien erlassen.

I.1.3. Eine gegen den oa. Bescheid eingebrachte Berufung wurde mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 5.9.2007 Zahl 313.814-1/4E-XIX/62/07 in allen Spruchpunkten abgewiesen.

In weiterer Folge trat die revisionswerbende Partei im Bundesgebiet nicht mehr in Erscheinung.

I.2.1. Am 8.12.2013 reiste die revisionswerbende Partei neuerlich rechtswidrig in das Bundesgebiet ein und brachte bei der belangten Behörde einen Antrag auf internationalen Schutz ein.

Zum Grund für das Verlassen des Herkunftsstaates befragt, erklärte sie, diesen aus gesundheitlichen Gründen verlassen zu haben. Sie sei Dialysepatient, die Dialyse habe sie in Österreich besser vertragen. Außerdem habe sie in seiner Heimat keine Möglichkeit für eine Nierentransplantation.

Im Herkunftsstaat würden sich die Eltern und eine Schwester aufhalten.

Die revisionswerbende Partei führte aus, bisher einen Deutschkurs besucht zu haben, sie habe erst vor zwei Monaten damit begonnen. Es sei richtig, dass sie bereits wegen §§ 15 und 127 StGB verurteilt worden sei (Anm.: Urteil des zuständigen Bezirksgerichts am XXXX 2014 wegen §§ 15, 127 StGB zu einer bedingten Freiheitstrafe von einem Monat), sie habe aber danach nichts mehr angestellt.

Mit dem im Akt ersichtlichen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX .03.2015 wurde unter Spruchteil I. der Antrag auf internationalen Schutz vom 08.12.2013 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 und unter Spruchteil II. gemäß § 8 Abs. 1 leg. cit. dieser Antrag auch bezüglich der Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Georgien abgewiesen. Unter Spruchteil III. wurde der revisionswerbenden Partei ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 AsylG 2005 nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm. § 9 BFA-VG wurde in Bezug auf die revisionswerbende Partei eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung der revisionswerbenden Partei nach Georgien gemäß § 46 FPG zulässig ist und gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt.

Festgestellt wurde, dass die revisionswerbende Partei seit sieben Jahren Dialysepatient ist.

Eine Bedrohungssituation für den Fall einer Rückkehr liege in Bezug auf die revisionswerbende Partei nicht vor und sei ihre Abschiebung nach Georgien zulässig.

Schließlich wurde festgestellt, dass die von der revisionswerbenden Partei angeführte Erkrankung im Herkunftsstaat medizinisch behandelbar sei, in Georgien würden Dialyse und Nierentransplantation angeboten und durchgeführt.

Die revisionswerbende Partei verfüge in Österreich über keine verwandtschaftlichen Bindungen, die Angehörigen würden in Georgien leben. Die revisionswerbende Partei sei bereits strafrechtlich verurteilt worden.

Sie habe auch keinen sonstigen „außergewöhnlichen Umstand“ behauptet oder bescheinigt, der einer Rückkehr in den Herkunftsstaat entgegenstehen würde.

Gegen den oa. Bescheid wurde eine Beschwerde eingebracht, welche mit ho. Erkenntnis vom 21.7.2015, GZ: W226 1313814-2/4E in allen Spruchpunkten abgewiesen wurde. Das ho. Gericht schloss sich den Ausführungen der belangten Behörde in Bezug auf deren objektiven Aussagekern im Wesentlichen an.

1.3. Nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens kam die revisionswerbende Partei ihrer Obliegenheit zum Verlassen des Bundesgebietes nicht nach.

1.4.1. Die revisionswerbende Partei stellte am 11.1.2016 neuerlich einen weiteren Antrag auf die Gewährung von internationalen Schutz. Zur Begründung brachte vor, dass sich an den Ausreisegründen aus bzw. Rückkehrhindernissen nach Georgien nichts geändert hätte, nach wie vor an den bereits genannten Erkrankungen leide und sie davon ausgehe, dass ihr in Georgien keine adäquate Möglichkeit einer Dialyse offenstünde, ebenso würde sie in Georgien keiner Spenderniere erhalten.

In der Zwischenzeit hätte sie einen Deutschkurs besucht.

1.4.2. Mit Bescheid der belangten Behörde (in weiterer Folge als „Drittbescheid“ bezeichnet) wurde der Antrag gemäß § 68 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, BGBl. Nr. 51/1991 idgF (AVG) zurückgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wird Ihnen gemäß §§ 57 und 55 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 AsylG iVm § 9 BFA-VG, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF, wurde eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 FPG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF, erlassen. Es wird gemäß § 52 Absatz 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG in den bereits genannten Herkunftsstaat zulässig ist. Gemäß § 55 Absatz 1a FPG besteht keine Frist für die freiwillige Ausreise.

Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Georgien traf die belangte Behörde wiederum ausführliche und schlüssige Feststellungen. Aus diesen geht hervor, dass in Georgien von einer unbedenklichen Sicherheitslage auszugehen und der georgische Staat gewillt und befähigt ist, auf seinem von der georgischen Zentralregierung kontrollierten Territorium befindliche Menschen vor Repressalien Dritter wirksam zu schützen. Ebenso ist in Bezug auf die Lage der Menschenrechte davon auszugehen, dass sich hieraus in Bezug auf die revisionswerbende Partei ein im Wesentlichen unbedenkliches Bild ergibt. Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass in der Republik Georgien die Grundversorgung der Bevölkerung gesichert ist, im Falle der Bedürftigkeit die Übernahme der Behandlungskosten durch den Staat auf Antrag möglich ist, eine soziale Absicherung auf niedrigem Niveau besteht, die medizinische Grundversorgung flächendeckend gewährleistet ist, Rückkehrer mit keinen Repressalien zu rechnen haben und in die Gesellschaft integriert werden. Ebenso besteht ein staatliches Rückkehrprogramm, welches ua. materielle Unterstützung für bedürftige Rückkehrer, darunter auch die Zurverfügungstellung einer Unterkunft nach der Ankunft in Georgien bietet.

Aus den getroffenen Feststellungen ergibt sich, dass sich die Lage in Georgien in Bezug auf die revisionswerbende Partei nicht –bzw. nicht zum Nachteil- im Vergleich mit jener, wie sei rechtskräftig im ho. Erkenntnis vom 21.7.2015, GZ: W226 1313814-2/4E festgestellt wurde, änderte.

Der angefochtene Bescheid wurde im Wesentlichen damit begründet, dass sich weder in der Sach- noch in der Rechtslage eine wesentliche Änderung im Vergleich zu jenen Bescheiden ergab, in denen letztmalig inhaltlich über die Anträge entschieden wurde. Die Voraussetzungen zur Erteilung eines Aufenthaltsrechts liegen nicht vor und insbesondere stellte eine Rückkehrentscheidung keinen unzulässigen Eingriff in das Privat- und Familienleben der revisionswerbenden Partei dar.

I.4.3. Gegen den oa. Bescheid wurde mit im Akt ersichtlichen Schriftsatz innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben. Die revisionswerbende Partei brachte zusammengefasst vor, sie würde im Falle einer Rückkehr nach Georgien auf eine Warteliste gesetzt werden, weshalb nicht gewährleistet ist, dass sie rechtzeitig eine lebenserhaltende Dialyse bekäme. Darüber hinaus wäre die Qualität der Dialyse in Georgien sehr schlecht und die Ansteckungsgefahr mit Hepatitis groß. Ebenso würden sich nicht alle Leistungen im Rahmen der Dialyse als unentgeltlich darstellen.

I.5. Mit ho. Erkenntnis vom 27.1.2020, GZ L515 1313814-3/13E wurde eine gegen den genannten Bescheid erhobene Beschwerde in allen Spruchpunkten abgewiesen. Das ho. Gericht ging in Übereinstimmung mit der belangten Behörde davon aus, dass in der Sach- und Rechtslage im Vergleich zu jenem Zeitpunkt, als letztmalig meritorisch über den Antrag entschieden wurde, keine relevante Änderung eintrat.

Die Revision wurde nicht zugelassen.

In der nunmehr eingebrachten außerordentlichen Revision wurde die Ansicht vertreten, dass das ho. Gericht ebenfalls rechts- und tatsachenirrig vorgegangen wäre und durch das vermeintliche fehlerhafte Vorgehen eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung berührt worden wäre.

Ebenso wurde der Antrag gestellt, der Revision die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Dies wurde wie folgt begründet:

„Mit der gegenständlichen Revision versucht der Revisionswerber jene Rechtswirkungen hintan zu halten, die ihm im Falle eines sofortigen Vollzugs des angefochtenen Bescheides drohen. Würde er nunmehr nach Georgien abgeschoben werden, droht ihm jenes Schicksal, dass er mit dem gegenständlichen Asylverfahren zu verhindern versucht. Ihm würde eine Verfolgung bzw. eine unmenschliche Behandlung, Folter bzw. Tod drohen, wobei der Republik Österreich durchaus zuzumuten ist, die Dauer des Verfahrens abzuwarten, ohne fremdenpolizeiliche Maßnahmen zu setzen. Eine durchzuführende Interessensabwägung spricht für den Revisionswerber, da die Interessen an Leib und Leben als wichtiger einzuschätzen sind, als das Interesse der Republik Österreich, den Revisionswerber zwangsweise abzuschieben. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung sind, dass keine zwingende öffentlichen Interessen entgegenstehen und dass nach Abwägung aller berührten Interessen mit dem Vollzug oder mit der Auswirkung der mit dem Bescheid eingeräumten Berechtigung durch einen Dritten für den Revisionswerber ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre. Beide Voraussetzungen liegen vor, zumal keine zwingenden öffentlichen Interessen einen sofortigen Vollzug dieses Erkenntnisses erfordern. Der Nachteil, der dem Revisionswerber droht, ist unverhältnismäßig. …“

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Sachverhalt:

Der maßgebliche Sachverhalt ergibt sich aus dem Verfahrenshergang. Hieraus ergibt sich, dass insbesondere bereits im diesen Verfahren vorausgegangenen Asylverfahren rechtskräftig festgestellt wurde, dass die revisionswerbende Partei in der Republik Georgien keine Repressalien zu befürchten hat, ihre Grundversorgung und medizinische Versorgung gesichert ist und sie über keine relevanten privaten und familiären Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet verfügt und wurde im gegenständlichen Verfahren festgestellt, dass sich hieran nichts änderte.

Nach rechtskräftigem Abschluss des diesem Verfahren vorangehenden Verfahrens kam sie ihrer Obliegenheit zum Verlassen des Bundesgebietes nicht nach und verharrte weites rechtswidrig in diesem.

Im nunmehr auf einen unzulässigen Antrag basierenden Verfahren stellte sich heraus, dass sich an den beschriebenen, rechtskräftig festgestellten Umständen nichts änderte.

Die revisionswerbende Partei unterhält in Österreich keine qualifizierten sozialen Kontakte.

Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus der außer Zweifel stehenden und von den Verfahrensparteien nicht beanstandeten Aktenlage.

Rechtliche Beurteilung:

Die Revision hat gemäß § 30 Abs 1 Satz 1 VwGG keine aufschiebende Wirkung.

§ 30 Abs. 2 VwGG lautet: „Bis zur Vorlage der Revision hat das Verwaltungsgericht, ab Vorlage der Revision hat der Verwaltungsgerichtshof jedoch auf Antrag des Revisionswerbers die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, wenn dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien mit dem Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses oder mit der Ausübung der durch das angefochtene Erkenntnis eingeräumten Berechtigung für den Revisionswerber ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre. Die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung bedarf nur dann einer Begründung, wenn durch sie Interessen anderer Parteien berührt werden. Wenn sich die Voraussetzungen, die für die Entscheidung über die aufschiebende Wirkung der Revision maßgebend waren, wesentlich geändert haben, ist von Amts wegen oder auf Antrag einer Partei neu zu entscheiden.“

Gemäß § 30a Abs. 3 VwGG hat das Verwaltungsgericht hat über den Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung unverzüglich mit Beschluss zu entscheiden. Nach § 30a Abs. 7 VwGG sind Abs. 1 bis 6 leg cit nicht anzuwenden, wenn das Verwaltungsgericht in seinem Erkenntnis oder Beschluss ausgesprochen hat, dass die Revision nicht gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Das Verwaltungsgericht hat den anderen Parteien sowie im Fall des § 29 VwGG dem zuständigen Bundesminister bzw. der Landesregierung eine Ausfertigung der außerordentlichen Revision samt Beilagen zuzustellen und dem Verwaltungsgerichtshof die außerordentliche Revision samt Beilagen unter Anschluss der Akten des Verfahrens vorzulegen.

Entgegen Gruber § 30 VwGG Rz 4, in: Götzl/Gruber/Reisner/Winkler, Das neue Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte2 (2017) geht der Verwaltungsgerichtshof davon aus, dass das Verwaltungsgericht (auch) in Fällen außerordentlicher Revisionen zur Entscheidung über die aufschiebende Wirkung so lange zuständig ist, bis die Revision dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegt wird; vgl. etwa VwGH 20.04.2017, Ra 2017/19/0113.

Die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs zu den Voraussetzungen für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung erscheint kasuistisch; so auch Gruber § 30 VwGG Rz 5b, in: Götzl/Gruber/Reisner/Winkler, Das neue Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte2 (2017).

3.2.1. Es ist nach zahlreichen Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofs im Verfahren über einen Antrag auf aufschiebende Wirkung nach § 30 VwGG die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung nicht zu überprüfen, sondern – wenn das in der Revision selbst erstattete Vorbringen nach der Aktenlage nicht etwa von vornherein als zutreffend zu erkennen ist – zunächst, im Provisorialverfahren, von den Annahmen in der angefochtenen Entscheidung auszugehen. Demnach ist die aufschiebende Wirkung nur zuzuerkennen, wenn der Fehler in der angefochtenen Entscheidung nicht bloß ein potenzieller, sondern ein evidenter ist. Vgl. jeweils mwN z. B. VwGH 31.10.2019, Ra 2019/19/0493, VwGH 25.07.2019, Ra 2019/14/0339, und VwGH 30.05.2019, Ra 2019/22/0104; siehe auch VwGH 05.12.2017, Ra 2017/18/0451.

Noch deutlicher hielt der Verwaltungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 31.01.2020, Ra 2019/06/0277, fest, dass im Verfahren über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Erkenntnisses nicht zu beurteilen ist und Mutmaßungen über den voraussichtlichen Ausgang des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens bei der Frage der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung außer Betracht zu bleiben haben. Selbst die mögliche Rechtswidrigkeit des Erkenntnisses ist kein Grund für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung. Ist daher das in der Revision erstattete Vorbringen nach der Aktenlage nicht etwa von vornherein als zutreffend zu erkennen, ist bei der Entscheidung über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung jedenfalls zunächst von den Annahmen des Verwaltungsgerichts auszugehen. Unter diesen Annahmen sind hiebei die Sachverhaltsfeststellungen im angefochtenen Erkenntnis zu verstehen, die nicht von vornherein als unschlüssig zu erkennen sind bzw. die ins Auge springende Mängel nicht erkennen lassen; vgl. mwN VwGH 21.12.2018, Ro 2018/06/0018.

In seiner Entscheidung vom 31.01.2020, Ra 2019/06/0277, sprach der Verwaltungsgerichtshof zum wiederholten Male aus, dass der Revisionswerber – um die vom Gesetz geforderte Interessenabwägung vornehmen zu können – schon im Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung konkret darzulegen hat, aus welchen tatsächlichen Umständen sich der von ihm behauptete unverhältnismäßige Nachteil ergibt, es sei denn, dass sich nach Lage des Falls die Voraussetzungen für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ohne Weiteres erkennen lassen; vgl. etwa auch VwGH 31.10.2019, Ra 2019/19/0493, VwGH 08.08.2019, Ra 2019/01/0194, und VwGH 21.12.2018, Ro 2018/06/0018. Worin der unverhältnismäßige Nachteil für ihn gelegen wäre, hat der Revisionswerber in seinem Antrag - unabhängig vom Fehlen eines zwingenden öffentlichen Interesses - zu konkretisieren; vgl. mwN VwGH 04.12.2018, Ra 2018/08/0200.

Demgegenüber erkannte der Verwaltungsgerichtshof auch schon mehrfach Revisionen die aufschiebende Wirkung zu, ohne zu thematisieren, ob nach dem Akteninhalt von einem offenkundig vorliegenden Fehler des Verwaltungsgerichts bzw. nicht von den Annahmen in der angefochtenen Entscheidung auszugehen sei. Bisweilen erörterte der Verwaltungsgerichtshof auch nicht (näher), ob der Revisionswerber konkret dargelegt habe, aus welchen tatsächlichen Umständen sich der von ihm behauptete unverhältnismäßige Nachteil ergebe, bzw. wieso sich nach der Lage des Falls die Voraussetzungen für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ohne Weiteres erkennen ließen. So scheint der Verwaltungsgerichthof vielfach davon auszugehen, dass mit dem Vollzug eines Erkenntnisses, das einen Titel für eine Außerlandesbringung darstellt, eben mit Blick auf die verfügte Außerlandesbringung in der Regel ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre; vgl. etwa VwGH 08.08.2019, Ra 2019/01/0194, VwGH 02.08.2019, Ra 2019/01/0285, VwGH 30.11.2018, Ra 2018/18/0500, VwGH 06.10.2016, Ra 2016/18/0137, und insbesondere VwGH 15.10.2014, Ra 2014/01/0089. In der zuletzt genannten Entscheidung verwies der Verwaltungsgerichtshof auf VwGH 03.07.2003, 2002/20/0078, in dem in Ansehung verfahrensbeendender Bescheide in Asylsachen ein unverhältnismäßiger Nachteil - durch den Verlust der Stellung als Asylwerber und die daran anknüpfenden Rechtsfolgen - in der Regel als offenkundig betrachtet wurde.

Hingegen gab der Verwaltungsgerichthof mit Beschluss vom 30.08.2019, Ra 2019/14/0298, dem Antrag, einer Revision gegen ein Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, nicht statt, weil der Revisionswerber mit seinem Antragsvorbringen keinen unverhältnismäßigen Nachteil im Sinne des § 30 Abs 2 VwGG dargelegt habe. Mit dem revisionsgegenständlichen Erkenntnis hatte das Bundesverwaltungsgericht im Beschwerdeverfahren den Antrag auf internationalen Schutz des aus der Volksrepublik China stammenden Revisionswerbers zur Gänze abgewiesen, keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt, eine Rückkehrentscheidung sowie ein Einreiseverbot erlassen, die Zulässigkeit der Abschiebung nach China festgestellt, eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt und ausgesprochen, dass die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig sei. Das heißt, obwohl das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts einen Titel für die Außerlandesbringung darstellt und für den Revisionswerber zum Verlust der Stellung des Asylwerbers führte, war für den Verwaltungsgerichtshof ein unverhältnismäßiger Nachteil nicht offenkundig. Vgl. ähnlich VwGH 31.01.2019, Ra 2019/20/0022.

3.2.2. Nach Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs sind unter zwingenden öffentlichen Interessen im Sinne des § 30 Abs 2 VwGG besonders qualifizierte öffentliche Interessen zu verstehen, die den sofortigen Vollzug des angefochtenen Rechtsakts zwingend gebieten. Dies ist nicht bereits bei jedem öffentlichen Interesse der Fall, sondern es bedarf noch des Hinzutretens weiterer Umstände, um ein zwingendes öffentliches Interesse anzunehmen. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn mit dem Aufschub eine konkrete drohende Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen bzw. deren Eigentum verbunden wäre. Daneben lassen sich als relevante Gesichtspunkte die Gefährdung der Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs und des Abgabenanspruchs als solchen sowie die Gefährdung der Versorgungslage breiter Bevölkerungsteile (z. B. mit Wasser oder Energie) erkennen. Vgl. mwN z. B. VwGH 31.01.2020, Ra 2019/06/0277, VwGH 20.02.2018, Ra 2017/05/0293, VwGH 20.03.2013, AW 2013/05/0003, sowie die weiteren Beispiele aus der Judikatur bei Gruber § 30 VwGG Rz 5a, in: Götzl/Gruber/Reisner/Winkler, Das neue Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte2 (2017).

Bei der Interessenabwägung, die nach der Prüfung zwingender öffentlicher Interessen vorzunehmen ist, sind alle individuellen und öffentlichen Interessen zu berücksichtigen; vgl. mwN Gruber § 30 VwGG Rz 5b, in: Götzl/Gruber/Reisner/Winkler, Das neue Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte2 (2017).

Dem gewichtigen öffentlichen Interesse an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens kommt bei der Interessenabwägung wesentliche Bedeutung zu; vgl. VwGH 31.10.2019, Ra 2019/19/0493. In diesem Sinne sprach der Verwaltungsgerichtshof am 30.05.2019, Ra 2019/22/0104, bei der Interessenabwägung nach § 30 Abs 2 VwGG aus, die Revisionswerberin beeinträchtige durch ihren unrechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet das große öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens, und gab dem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht statt.

Ferner gab der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 04.11.2019, Ra 2019/21/0244, dem Antrag, der Revision gegen ein Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts, betreffend insbesondere Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt unbefristetem Einreiseverbot, die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, nicht statt. Der Verwaltungsgerichtshof begründete seine Entscheidung damit, dass die für den Revisionswerber mit dem Abwarten der Entscheidung über die Revision in seinem Herkunftsstaat Türkei verbundenen Konsequenzen - nach der unter Bedachtnahme auf alle Umstände des vorliegenden Falles, insbesondere auch darauf, dass in Österreich kein Familienleben im Sinne des Art 8 EMRK bestand, vorgenommenen Abwägung der wechselseitigen Interessen - keinen unverhältnismäßigen Nachteil im Sinne des § 30 Abs 2 VwGG darstelle.

In seiner Entscheidung vom 14.11.2019, Ra 2019/19/0475, gab der Verwaltungsgerichthof dem Antrag, einer gegen ein Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts erhobenen Revision die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, hingegen statt. Der Revisionswerber hatte unter anderem vorgebracht, er werde bei einer Abschiebung in seinen Herkunftsstaat von seiner in Österreich lebenden Familie und im Besonderen von seinem erst im Jahr 2019 geborenen Sohn getrennt. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl habe sich zum Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung innerhalb der gesetzten Frist nicht geäußert. Ausgehend davon sei nicht zu erkennen, dass der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung zwingende oder zumindest überwiegende öffentliche Interessen entgegenstehen.

3.2.3. Im gegenständlichen Fall ist einzelfallspezifisch festzuhalten, dass die revisionswerbende Partei aus einem sicheren Herkunftsstaat iSd § 19 BFA-VG stammt, für den der Grundsatz der normativen Vergewisserung der Sicherheit gilt –woraus ua. folgt, dass der georgische Staat gewillt und befähigt ist, Menschen, die sich auf dem von ihm kontrollierten Territorium befinden vor Übergriffen wirksam und nachhaltig zu schützen und die Grund- und Freiheitsrechte im Wesentlichen garantiert werden-, welcher im gegenständlichen Fall nicht erschüttert wurde.

Weiters verfügt sie in Georgien über eine Existenzgrundlage und bestehen auch keine sonstigen, insbesondere medizinische Rückkehrhindernisse. Auch wenn durch den Grundsatz der normativen Vergewisserung der Sicherheit Georgiens noch nichts über die medizinischen Behandlungsmöglichkeiten gesagt ist (vgl. Erk. des VwGH vom 26.6.2019, Ra 2019/20/0050 bis 0053-10), ist im gegenständlichen Fall auf die eindeutige Berichtslage zu verweisen, woraus sich ergibt, dass die medizinische Versorgung der revisionswerbenden Partei gewährleistet ist.

Es wurde in einer vorgehenden verwaltungsbehördlichen bzw. verwaltungsgerichtlichen Entscheidung rechtskräftig festgestellt, dass die revisionsführende Partei in ihrem Herkunftsstaat keiner Gefahr iSd Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 der GFK, Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention ausgesetzt oder als Zivilperson einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes ausgesetzt wäre und aufenthaltsbeendende Maßnahmen keinen unzulässigen Eingriff in das durch Art. 8 EMRK geschützte Recht- auf ein Privat- und Familienleben darstellen.

Besonders ist darauf hinzuweisen, dass die revisionswerbende Partei im gegenständlichen Fall, nachdem sie ihre Verpflichtung zum Verlassen des Bundesgebiets ignorierte, einen unzulässigen Folgeantrag auf internationalen Schutz stellte, dem die aufschiebende Wirkung für das Beschwerdeverfahren vor dem ho. Gericht lediglich nur deswegen zuzuerkennen war, weil sie unwahre Angaben über die Behandlungsmöglichkeit und Behandlungsqualität in Bezug auf die bestehende Erkrankung in ihrem Herkunftsstaat vorbrachte und zeigt das Verhalten der revisionswerbenden Partei zweifelsfrei, dass dies auf Verfahrensverzögerung ausgerichtet ist.

Auch wenn der sofortige Vollzug eines durch eine außerordentliche Revision angefochtenen Erkenntnisses im Lichte des hoch einzuschätzenden öffentlichen Interesses vor der Entscheidung über die Revision durch das Höchstgericht in manchen Fällen kein zwingendes öffentliches Interesse im hier vorliegenden Sinne darstellen mag, so unterscheiden sich diese Fälle vom gegenständlichen insofern, als dass im gegenständlichen Fall bereits in einem vorausgehenden Verfahren rechtskräftig meritorisch entschieden wurde und eine weiter Verzögerung des Vollzuges zwingendenden öffentlichen Interessen widerstreiten würde, zumal widrigenfalls der revisionswerbenden Partei durch die rechtsmissbräuchliche Stellung eines unzulässigen Folgeantrages die Möglichkeit eingeräumt wurde, den Vollzug einer rechtskräftigen meritorischen Entscheidung weiterhin zu verzögern, wodurch letztlich die Effektivität des Rechtsstaates an sich in Zweifel gezogen würde.

Im gegenständlichen Fall sei auch auf den unionsrechtlich (insbes. RL 2013/32/EU vom 26.06.2013, Erwägungsgrund 20, 36 und 40, sowie Art. 36f, 40f und 46 Abs. 6) sich ergebenden, von den Mitgliedstaaten zwingend zu beachtenden Rechtsgrundsatz des effet utile hingewiesen und ergibt sich aus einer Zusammenschau unionsrechtlicher und nationaler Rechtsvorschriften ein herabgesetztes Rechtsschutzbedürfnis in Bezug auf Staatsangehörige sicherer Herkunftsstaaten, welches im gegenständlichen Fall aufgrund des Vorliegens einer res iudicata nochmals erheblich herabgesetzt wird.

Im Lichte der Berichtslage und des im gegenständlichen Asylverfahren erstatteten Vorbringens stellen sich die von der Vertretung der revisionswerbenden Partei geäußerten Befürchtungen im Falle eines sofortigen Vollzuges des ho. Erkenntnisses vom 27.1.2020, GZ L515 1313814-3/13E als spekulativ dar. Zur Unbeachtlichkeit bloß spekulativ vorliegender Befürchtungen vgl. EKMR, Urteil vom 12.3.1980, Nr. 8897/80: X u. Y gg. Vereinigtes Königreich; ebenso Urteil des EGMR (Große Kammer) vom 27. Mai 2008, N. v. The United Kingdom, Nr. 26.565/05)

Aus den oa. Ausführungen ergibt sich ein zwingendes öffentliches Interesse, das der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Revision entgegensteht und die Umsetzung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme für die revisionswerbende Partei keinen unverhältnismäßigen Nachteil mit sich bringen würde.

Basierend auf den oa. Erwägungen war dem Antrag darauf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 30 Abs. 2 VwGG nicht stattzugeben.

Schlagworte

Asylverfahren aufschiebende Wirkung - Entfall Folgeantrag Interessenabwägung öffentliche Interessen Privat- und Familienleben private Interessen real risk reale Gefahr sicherer Herkunftsstaat unverhältnismäßiger Nachteil Vollstreckbarkeit zwingendes öffentliches Interesse

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:L515.1313814.3.01

Im RIS seit

03.03.2021

Zuletzt aktualisiert am

03.03.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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