TE Bvwg Erkenntnis 2020/9/29 W235 2229012-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 29.09.2020
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Entscheidungsdatum

29.09.2020

Norm

AsylG 2005 §5
BFA-VG §21 Abs5 Satz1
B-VG Art133 Abs4
FPG §61

Spruch

W235 2229012-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Maga. Sabine MEHLGARTEN-LINTNER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX auch XXXX , geb. XXXX alias (richtig) XXXX , StA. Irak, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.02.2020, Zl. 1253305009-191204875, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 5 AsylG als unbegründet abgewiesen.

Gemäß § 21 Abs. 5 erster Satz BFA-VG wird festgestellt, dass die Anordnung zur Außerlandesbringung zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides rechtmäßig war.

B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1.1. Der Beschwerdeführer, ein irakischer Staatsangehöriger, stellte nach unrechtmäßiger Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 25.11.2019 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Eine Eurodac-Abfrage ergab, dass der Beschwerdeführer am XXXX .11.2019 in Italien erkennungsdienstlich behandelt worden war und zuvor am XXXX .10.2013 in Schweden einen Asylantrag stellte (vgl. AS 8).

1.2. Am Tag der Antragstellung wurde der Beschwerdeführer einer Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes unterzogen, wobei er zunächst angab, an keinen Krankheiten zu leiden. Einer seiner Brüder lebe in Österreich. Darüber hinaus habe er noch einen Bruder und eine Schwester in Schweden. In Schweden sei er von 2007 bis 2015 aufhältig gewesen und habe einen Asylantrag gestellt, der negativ beschieden worden sei. Der Beschwerdeführer sei am XXXX .11.2019 aus dem Herkunftsstaat ausgereist und habe nach Österreich gewollt, weil hier sein Bruder sei. Vom Irak aus sei er über die Türkei nach Italien gelangt und von dort aus nach Österreich weitergereist. Über die durchgereisten Länder könne er nichts sagen. Nunmehr wolle er hierbleiben. Behördlichen Kontakt mit der Polizei oder dem Militär in Italien habe der Beschwerdeführer nicht gehabt. Trotz Vorhalt des Eurodac-Treffers blieb er bei seiner Angabe, keinen Kontakt mit den italienischen Behörden gehabt zu haben.

Dem Beschwerdeführer wurde weiters am 25.11.2019 eine Mitteilung gemäß § 28 Abs. 2 AsylG ausgehändigt, mit der ihm zur Kenntnis gebracht wurde, dass aufgrund von Konsultationen mit Italien die in § 28 Abs. 2 AsylG definierte 20-Tages-Frist für Verfahrenszulassungen nicht mehr gilt. Diese Verfahrensanordnung wurde dem Beschwerdeführer am selben Tag übergeben und von ihm unterfertigt (vgl. AS 17).

1.3. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl richtete am 28.11.2019 ein auf Art. 13 Abs. 1 der Verordnung (EU) 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (= Dublin III-VO) gestütztes Aufnahmegesuch an Italien.

Mit Schreiben vom 29.01.2020 teilte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der italienischen Dublinbehörde mit, dass die Zuständigkeit im Fall des Beschwerdeführers wegen Unterlassung einer fristgerechten Antwort auf das österreichische Aufnahmegesuch auf Italien übergegangen ist (vgl. AS 65).

Mit Verfahrensanordnung gemäß § 29 Abs. 3 AsylG wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 29 Abs. 3 Z 4 AsylG mitgeteilt, dass beabsichtigt ist, seinen Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen, da eine Zuständigkeit des Dublinstaates Italien angenommen wird. Diese Verfahrensanordnung wurde dem Beschwerdeführer nachweislich am 31.01.2020 übergeben (vgl. AS 109).

1.4. Am 04.02.2020 wurde der Beschwerdeführer nach erfolgter Rechtsberatung in Anwesenheit einer Rechtsberaterin im Zulassungsverfahren sowie seines Bruders als Vertrauensperson und unter Beiziehung eines geeigneten Dolmetschers für die Sprache Kurdisch-Sorani vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einvernommen, wobei er zunächst angab, dass es ihm gut gehe und er der Einvernahme ohne Probleme folgen könne. Er sei gesund und benötige keine Medikamente. Er habe einen Bruder in Österreich und einen weiteren Bruder sowie eine Schwester in Schweden. Zu seinem Bruder in Österreich habe er vor seiner Einreise telefonischen Kontakt sowie Kontakt über Messenger gehabt. Eine finanzielle Unterstützung bestehe nicht. Bei der Erstbefragung habe er die Wahrheit gesagt, aber seine Daten würden nicht stimmen.

Der Beschwerdeführer sei über die Türkei und Italien nach Österreich gelangt. Er sei illegal gereist und nie kontrolliert worden. Auf Vorhalt des Eurodac-Treffers gab er an, dass ihm schon Fingerabdrücke in Italien abgenommen worden seien. Er habe einen „Zettel“ bekommen und innerhalb von sieben Tagen das Land verlassen müssen. Zur beabsichtigten Vorgehensweise des Bundesamtes, seine Außerlandesbringung nach Italien zu veranlassen, gab der Beschwerdeführer an, dass sein Ziel Österreich gewesen sei. Er habe zu seinem Bruder gewollt und wolle mit seinem Bruder und der Tochter seines Bruders leben. Im Irak hätten sie sich beide um die Tochter des Bruders gekümmert. In Italien sei er nur einen Tag aufhältig gewesen. Nachdem ihm die Fingerabdrücke abgenommen worden seien, sei er weiter nach Österreich gereist. Konkrete ihn betreffende Vorfälle habe es in Italien nicht gegeben. Zu den vorab ausgefolgten Länderfeststellungen zu Italien brachte er vor, er kenne die Lage in Italien. Dort gebe es Armut und würden die Menschen auf der Straße leben. Das habe er dort selbst gesehen. Die Leute hätten am Bahnhof bzw. im Park geschlafen. Seine 14jährige Nichte in Österreich sei sehr abhängig von ihm und es sei ihr schlecht gegangen als sie gehört habe, dass der Beschwerdeführer nach Italien müsse. Der Beschwerdeführer sei wie ein Ersatzvater und eine Ersatzmutter für sie. Ihre Mutter sei nicht in Österreich. Weil es seiner Nichte schlecht gehe, habe auch er „Stress“. Der Beschwerdeführer wolle gerne bei ihr bleiben. Er koche für sie und kümmere sich um den Haushalt, da sie zusammen wohnen würden. Persönlich habe er seine Nichte zuletzt am XXXX .05.2019 im Iran gesehen. Dann habe es die Familienzusammenführung mit ihrem Vater in Österreich gegeben.

Die während der gesamten Einvernahme anwesende Rechtsberaterin hat von der Möglichkeit Fragen zu stellen keinen Gebrauch gemacht.

Der als Vertrauensperson anwesende Bruder des Beschwerdeführers gab auf Nachfrage an, dass er seit 2015 in Österreich sei. Er sei asylberechtigt und lebe hier mit seiner Frau und seinen Kindern. Seinen Lebensunterhalt bestreite er durch Geld vom Sozialamt. Aktuell lebe er von seiner Frau getrennt und mit seiner Tochter und dem Beschwerdeführer zusammen.

Im Zuge der Einvernahme legte der Beschwerdeführer nachstehende Unterlagen in Kopie vor:

?        Auszug aus seinem irakischen Reisepass lautend auf XXXX , geb. XXXX , ausgestellt am XXXX .02.2018 (vgl. AS 127);

?        Auszug aus dem irakischen Reisepass seiner Nichte, XXXX , geb. XXXX ;

?        Auszug aus dem Konventionspass der Nichte des Beschwerdeführers mit der Nummer: XXXX , ausgestellt am XXXX .08.2019;

?        Auszug aus dem Konventionspass des Bruders des Beschwerdeführers, lautend auf XXXX , geb. XXXX , mit der Nummer XXXX , ausgestellt am XXXX .05.2018 und

?        Befragungsformular der Österreichischen Botschaft Teheran im Einreiseverfahren gemäß § 35 AsylG betreffend die Nichte des Beschwerdeführers vom XXXX .07.2018 mit der Anmerkung, dass diese von ihrem Vater und ihrer Großmutter väterlicherseits großgezogen wurde, da sich die Eltern scheiden lassen haben, diese aktuell bei ihrer Großmutter väterlicherseits lebt und ihre einzige Bezugsperson ihr Vater ist, dessen aktuelle Ehefrau nichts gegen die Zusammenführung einzuwenden hat

2. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Italien gemäß Art. 13 Abs. 1 iVm Art. 22 Abs. 7 Dublin III-VO für die Prüfung dieses Antrages zuständig ist (Spruchpunkt I.). Unter Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wurde gegen den Beschwerdeführer die Außerlandesbringung gemäß § 61 Abs. 1 Z 1 FPG angeordnet und festgestellt, dass demzufolge gemäß § 61 Abs. 2 FPG seine Abschiebung nach Italien zulässig ist.

Begründend wurde im Wesentlichen festgestellt, dass der Beschwerdeführer Staatsangehöriger des Irak sei und an keinen lebensbedrohlichen oder überstellungshinderlichen Krankheiten leide. Am 28.11.2019 habe das Bundesamt ein Konsultationsverfahren mit Italien eingeleitet und sei mit 29.01.2020 die Zuständigkeit gemäß Art. 13 Abs. 1 iVm Art. 22 Abs. 7 Dublin III-VO auf Italien übergegangen. In Österreich lebe der asylberechtigte Bruder des Beschwerdeführers sowie dessen Tochter. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl traf auf den Seiten 8 bis 23 des angefochtenen Bescheides Feststellungen zum italienischen Asylverfahren, einschließlich der Situation von Dublin-Rückkehrern in Italien.

Beweiswürdigend führte das Bundesamt im Wesentlichen aus, dass seinen Angaben betreffend die Staatsangehörigkeit Glauben geschenkt werde. Dass der Beschwerdeführer an schweren, lebensbedrohenden Krankheiten leide, habe er weder behauptet noch sei dies aus der Aktenlage ersichtlich. Die Feststellungen zum Konsultationsverfahren und zum zuständigkeitsbegründenden Sachverhalt würden sich aus dem unbedenklichen Akteninhalt und aus den eigenen Angaben des Beschwerdeführers ergeben. Seine Angaben bezüglich seine Einreise in die Europäische Union seien nachvollziehbar und widerspruchsfrei. Auch sei für die italienischen Behörden offensichtlich belegt, dass Italien für den Asylantrag des Beschwerdeführers zuständig sei, da Italien sonst das österreichische Aufnahmegesuch wohl sofort abgelehnt hätte. Die Angaben zum Privat- und Familienleben hätten sich aus der niederschriftlichen Einvernahme ergeben. Die Feststellungen zu Italien würden auf einer Zusammenstellung der Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl basieren. Zu den Ausführungen, der Beschwerdeführer habe in Italien gesehen, dass Personen auf der Straße leben würden, sei ihm entgegenzuhalten, dass er in Italien keinen Asylantrag gestellt habe, was seine Kritik am italienischen Asylwesen bereits relativiere. Wenn ein Dublin-Rückkehrer bei seinem ersten Aufenthalt in Italien kein Asylgesuch gestellt habe, werde gemäß der Dublin III-VO nach Überstellung ein normales Asylverfahren eingeleitet.

In rechtlicher Hinsicht folgerte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, dass sich aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers und aus dem amtswegigen Ermittlungsverfahren ergeben habe, dass Art. 13 Abs. 1 iVm Art. 22 Abs. 7 Dublin III-VO formell erfüllt sei. Es liege ein Familienbezug (Bruder und Nichte) zu in Österreich anerkannten Flüchtlingen vor. Allerdings deute nichts darauf hin, dass der Beschwerdeführer von seinem Bruder abhängig wäre und habe der Beschwerdeführer eine finanzielle Abhängigkeit verneint. Auch wenn der Beschwerdeführer seit 06.12.2019 bei seinem Bruder und seiner Nichte wohne, könne von keiner Abhängigkeit gesprochen werden. Zum Vorbringen, er habe sich gemeinsam mit seinem Bruder im Irak um die Nichte gekümmert, werde darauf verwiesen, dass der Beschwerdeführer in der Erstbefragung angegeben habe, sich von 2007 bis 2015 in Schweden aufgehalten habe. Sein Bruder habe jedoch bereits im Jahr 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Auch habe er während der Erstbefragung lediglich seinen Bruder, nicht jedoch seine Nichte erwähnt. Weiters gehe aus dem Befragungsformular im Einreiseverfahren der Nichte hervor, dass diese vom Bruder und von der Mutter des Beschwerdeführers im Irak großgezogen worden sei. Aufgrund dieser Erwägungen gehe die Behörde davon aus, dass der Beschwerdeführer keinesfalls eine derart innige Beziehung zu seiner Nichte pflege wie von ihm behauptet. Eine besondere Integration des Beschwerdeführers in Österreich könne aufgrund der kurzen Aufenthaltsdauer ausgeschlossen werden. Es sei daher davon auszugehen, dass die Anordnung zur Außerlandesbringung nicht zu einer Verletzung der Dublin III-VO sowie von Art. 8 EMRK bzw. von Art. 7 GRC führe und die Zurückweisungsentscheidung daher unter diesem Aspekt zulässig sei. Italien sei bereit, den Beschwerdeführer einreisen zu lassen und seinen Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen bzw. die sonstigen, Italien treffenden Verpflichtungen dem Beschwerdeführer gegenüber zu erfüllen. Weiters sei festzuhalten, dass in Italien als Mitgliedstaat der Europäischen Union mit hinreichender Wahrscheinlichkeit die Gefahr einer Verletzung der EMRK im gegenständlichen Zusammenhang nicht eintreten werde. Ein im besonderen Maße substanziiertes, glaubhaftes Vorbringen betreffend das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände, die die Gefahr einer relevanten Verletzung der Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK im Fall einer Überstellung ernstlich möglich erscheinen ließen, sei im Verfahren nicht hervorgekommen. Die Regelvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG treffe daher zu.

3. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer im Wege seiner nunmehr ausgewiesenen Vertretung fristgerecht am 25.02.2020 Beschwerde wegen eines mangelhaften Ermittlungsverfahrens, unrichtiger Feststellungen sowie unrichtiger rechtlicher Beurteilung und stellte einen Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung. Begründend wurde ausgeführt, dass das Bundesamt keine Einzelfallprüfung durchgeführt habe. Der EGMR habe in der Entscheidung Tarakhel gegen die Schweiz vom 04.11.2014 die Überstellung einer afghanischen Familie nach Italien ohne die individuelle Zusicherung der italienischen Behörden betreffend eine adäquate und menschenwürdige Unterkunft als Verletzung des Art. 3 EMRK bewertet. Dies umso mehr, da im gegenständlichen Fall die Zuständigkeit Italiens lediglich aufgrund von Verfristung gegeben sei und der Beschwerdeführer einen ernstzunehmenden Sachverhalt vorgebracht habe. Auch das VG Hannover sei in einem Beschluss vom 22.12.2014 zum Schluss gekommen, dass in allen Fällen – auch bei jungen, gesunden, männlichen Asylwerben- individuelle Zusicherungen eingeholt werden müssen. Eine Überstellung nach Italien verletze daher Art. 3 EMRK. Ferner werde auch auf eine Entscheidung des EuGH vom 16.02.2017 verwiesen. In diesem Fall sei der Gesundheitszustand der Antragstellerin als mögliches Vollstreckungshindernis Gegenstand der Prüfung gewesen. Drohe durch die Überstellung eine wesentliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes, dürfe sie nicht durchgeführt werden.

Weiters würden sich die Länderinformationen zu einem überwiegenden Anteil auf die Darstellung der rechtlichen Vorgaben beschränken, ohne auf die aktuelle tatsächliche Situation für Asylsuchende Rücksicht zu nehmen. Ein Bezug zum Vorbringen des Beschwerdeführers wurde nicht hergestellt. Zudem gehe aus den von der belangten Behörde herangezogenen Länderberichten hervor, dass die Unterbringungssituation gerade für Dublin-Rückkehrer äußerst prekär sei. In den Länderfeststellungen des angefochtenen Bescheides heiße es, dass insbesondere Rückkehrern nach Italien, welche bereits einmal offiziell untergebracht gewesen seien, fehlende Unterbringung und damit Obdachlosigkeit drohe. Daher bringe die Behörde in ihren eigenen Länderfeststellungen zum Ausdruck, dass sie in Betracht ziehe, dass der Beschwerdeführer nach Italien in die Obdachlosigkeit abgeschoben werde. Nur bei Vorlage einer individuellen Zusicherung der italienischen Behörden könne man davon ausgehen, dass der Beschwerdeführer in Italien adäquat versorgt werde. Die Einholung einer derartigen individuellen Zusicherung habe die Behörde verabsäumt. Auch liege eine Verletzung des Art. 8 EMRK vor. Der Beschwerdeführer lebe mit seinem Bruder und mit seiner Nichte in einer gemeinsamen Wohnung. Der Beschwerdeführer unterstütze seinen Bruder bei der Kinderbetreuung seiner Nichte und liege daher ein schützenswertes Privatleben vor.

4. Mit Bericht vom 28.07.2020 gab die Landespolizeidirektion Niederösterreich bekannt, dass der Beschwerdeführer am selben Tag auf dem Luftweg nach Italien überstellt worden war.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist ein irakischer Staatsangehöriger. Er hat seinen Herkunftsstaat Mitte November 2019 verlassen und fuhr in die Türkei, von wo aus er über Italien illegal in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten eingereist ist und dort am XXXX .11.2019 erkennungsdienstlich behandelt wurde. Nach einem nur eintägigen Aufenthalt in Italien reiste der Beschwerdeführer unrechtmäßig in das österreichische Bundesgebiet ein, wo er am 25.11.2019 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte. Bereits am XXXX .10.2013 stellte der Beschwerdeführer in Schweden einen Asylantrag und war dort bis zum Jahr 2015 aufhältig.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl richtete am 28.11.2019 ein auf Art. 13 Abs. 1 gestütztes Aufnahmegesuch an Italien. Aufgrund von Verfristung trat die Zuständigkeit Italiens zur Durchführung des Verfahrens des Beschwerdeführers ein, was der italienischen Dublinbehörde vom Bundesamt mit Schreiben vom 29.01.2020 mitgeteilt wurde. Ein Sachverhalt, der die Zuständigkeit Italiens wieder beendet hätte, liegt nicht vor.

Konkrete, in der Person des Beschwerdeführers gelegene Gründe, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung in Italien sprechen, liegen nicht vor. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Fall einer Überstellung nach Italien Gefahr liefe, einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe bzw. einer sonstigen konkreten individuellen Gefahr unterworfen zu werden.

Festgestellt wird, dass der Beschwerdeführer weder an einer körperlichen noch an einer psychischen Krankheit leidet, die einer Überstellung nach Italien aus gesundheitlichen Gründen entgegensteht bzw. entgegengestanden ist.

In Österreich lebt ein Bruder des Beschwerdeführers mit seiner Tochter (= Nichte des Beschwerdeführers). Beide Angehörige sind anerkannte Konventionsflüchtlinge. Mit seinem Bruder und seiner Nichte lebte der Beschwerdeführer von 06.12.2019 bis 20.05.2020 im gemeinsamen Haushalt. Nach dem 20.05.2020 bis zur Überstellung nach Italien lag kein gemeinsamer Haushalt mehr vor. Es besteht bzw. bestand auch weder ein finanzielles noch ein sonstiges Abhängigkeitsverhältnis zwischen dem Beschwerdeführer und seinen Angehörigen. Darüber hinaus bestehen keine besonders ausgeprägten privaten, familiäre oder berufliche Bindungen des Beschwerdeführers im österreichischen Bundesgebiet.

Am 28.07.2020 wurde der Beschwerdeführer komplikationslos auf dem Luftweg nach Italien überstellt.

1.2. Zum italienischen Asylverfahren einschließlich der Situation von Dublin-Rückkehrern in Italien:

Zum italienischen Asylverfahren sowie zur Situation von Dublin-Rückkehrern in Italien wurden im angefochtenen Bescheid auf den Seiten 8 bis 23 umfangreiche Feststellungen getroffen, welche von der erkennenden Einzelrichterin des Bundesverwaltungsgerichtes geteilt und auch für gegenständliches Erkenntnis herangezogen werden.

Ungeachtet dessen wird explizit festgestellt:

a). Allgemeines:

In Italien existiert ein rechtsstaatliches Asylverfahren mit gerichtlichen Beschwerdemöglichkeiten. Im Oktober 2018 gab es mit Einführung von Gesetzesdekret Nr. 113 vom 4.10.2018 (in Verbindung mit dem Umwandlungsgesetz Nr. 132 vom 1.12.2018 (auch als „Salvini-Dekret“ bzw. „Salvini-Gesetz“ bekannt) einige legislative Änderungen (AIDA 4.2019).

[…]

Mit Stand 27. September 2019 waren in Italien 49.014 Personen in einem Asylverfahren, davon haben 26.240 Personen ihren Asylantrag im Jahr 2019 gestellt (Mdl 27.9.2019).

Im Jahre 2019 haben die italienischen Asylbehörden bis zum 7. Juni 42.916 Asylentscheidungen getroffen, davon erhielten 4.605 Personen Flüchtlingsstatus, 2.790 subsidiären Schutz, 672 humanitären Schutz, 2.340 waren unauffindbar und 32.304 wurden negativ entschieden (Mdl 7.6.2019). Mit Anfang Oktober 2019 waren in Italien 50.298 Asylanträge anhängig (SN 2.10.2019).

Die Asylverfahren nehmen, inklusive Beschwerdephase, bis zu zwei Jahre in Anspruch (USDOS 13.3.2019).

b). Dublin-Rückkehrer:

Wenn Italien einer Überstellung ausdrücklich zustimmt, wird der Flughafen angegeben, welcher der für das konkrete Asylverfahren zuständigen Quästur am nächsten liegt. Wenn Italien durch Fristablauf zustimmt, landen Rückkehrer üblicherweise auf den Flughäfen Rom-Fiumicino und Mailand-Malpensa. Ihnen wird am Flughafen von der Polizei eine Einladung (verbale di invito) ausgehändigt, der zu entnehmen ist, welche Quästur für ihr Asylverfahren zuständig ist. Mit dieser ist dann ein Termin zu vereinbaren. Die Quästuren sind oft weit von den Ankunftsflughäfen entfernt und die Asylwerber müssen auf eigene Faust und oft auch auf eigene Kosten innerhalb weniger Tage dorthin reisen, was bisweilen problematisch sein kann (AIDA 4.2019).

Die Situation von Dublin-Rückkehrern hängt vom Stand ihres Verfahrens in Italien ab.

1.       Wenn ein Rückkehrer noch keinen Asylantrag in Italien gestellt hat, kann er dies tun, so wie jede andere Person auch. Der Rückkehrer könnte aber auch als illegaler Migrant betrachtet und mit einer Anordnung zur Außerlandesbringung konfrontiert werden. Derartige Fälle wurden 2018 vom Flughafen Mailand Malpensa berichtet (AIDA 4.2019).

2.       Wenn das Verfahren eines Antragstellers suspendiert wurde, weil er sich dem Verfahren vor dem Interview entzogen hat, kann der Rückkehrer binnen 12 Monaten ab Suspendierung einen neuen Interviewtermin beantragen. Sind mehr als 12 Monate vergangen und das Verfahren wurde beendet, kann nur ein Folgeantrag gestellt werden, für den seit Oktober 2018 verschärfte Regelungen gelten (AIDA 4.2019).

3.       Wurde das Verfahren des Antragstellers in der Zwischenzeit negativ entschieden und ihm dies zur Kenntnis gebracht, ohne dass er Beschwerde eingelegt hätte, ist für den Rückkehrer eine Anordnung zur Außerlandesbringung und Schubhaft möglich. Wenn dem Antragsteller die negative Entscheidung nicht zur Kenntnis gebracht werden konnte, gilt diese seit Oktober 2018 nach 20 Tagen als zugestellt und ist für den Rückkehrer eine Anordnung zur Außerlandesbringung und Schubhaft möglich (AIDA 4.2019).

Mit Gesetz 132/2018 wurde der humanitäre Schutzstatus stark überarbeitet und der Zugang zu dieser Schutzform eingeschränkt. Abgelaufene (alte) Aufenthaltstitel aus humanitären Gründen werden nicht erneuert (VB 22.2.2019) und können auch nicht mehr verlängert werden. Sie können jedoch bei rechtzeitiger Antragstellung und Erfüllung der Voraussetzungen in einen anderen Titel umgewandelt werden (Aufenthaltstitel für Arbeit, Familienzusammenführung etc. oder in einen humanitären Titel neuer Rechtslage) (VB 25.2.2019). Ansonsten läuft der Titel ab und der Aufenthalt in Italien ist nicht mehr rechtmäßig (VB 22.2.2019). Wenn Dublin-Rückkehrer im Besitz eines humanitären Aufenthalts waren, der nicht fristgerecht in einen der neuen Aufenthaltstitel umgewandelt wurde, sind sie zum Aufenthalt in Italien nicht mehr berechtigt und damit von der Versorgung ausgeschlossen (SFH 8.5.2019).

c). Versorgung:

Mit der Einführung von Gesetzesdekret Nr. 113 vom 4.10.2018 (in Verbindung mit dem Umwandlungsgesetz Nr. 132 vom 1.12.2018 auch als „Salvini-Dekret“ bzw. „Salvini-Gesetz“ bekannt) gibt es auch weitgehende Änderungen im Unterbringungssystem. Das bisherige System (CARA als Erstaufnahme, SPRAR als kommunal organisierte Unterbringung und Integration für Asylwerber und Schutzberechtigte, CAS als Notmaßnahme für Bootsflüchtlinge) wird völlig neu organisiert und nur noch zwischen einer Erstaufnahme und einer sekundären Versorgungsschiene unterschieden (VB 19.2.2019; vgl. AIDA 4.2019).

Erstaufnahmeeinrichtungen („prima accoglienza“) werden CAS und CARA ersetzen. Zielgruppe dieser Einrichtungen sind Asylwerber (auch in einem Beschwerdeverfahren oder in Dublin-out-Verfahren bis zur Überstellung), ausdrücklich auch Dublin-Rückkehrer (VB 19.2.2019) und Vulnerable (mit Ausnahme von UMA) (SFH 8.5.2019). Fremde, die in Italien bereits einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt haben, werden in jener Region untergebracht, in welcher der Antrag ursprünglich eingebracht wurde. In allen anderen Fällen ist jene Region zuständig, in der sich der Flughafen befindet, an dem der Fremde ankommt. Für diese Erstaufnahmeeinrichtungen wurden seitens des italienischen Innenministeriums neue Ausschreibungsspezifikationen ausgearbeitet, die bereits durch den italienischen Rechnungshof genehmigt und an die Präfekturen übermittelt wurden. Die Ausschreibung und staatliche Verwaltung/Kontrolle der Einrichtungen obliegt nach wie vor den Präfekturen. Seitens des italienischen Innenministers wurde betont, dass die Einhaltung sämtlicher europarechtlicher Bestimmungen (hier insbesondere die Aufnahmerichtlinie 2013/33/EU) unter Wahrung der menschlichen Würde jedenfalls sichergestellt ist. Herkunft, religiöse Überzeugung, Gesundheitszustand, Vulnerabilität sowie die Familieneinheit finden Berücksichtigung. Bei den Kernleistungen (Sozialbetreuung, Information, soziokulturelle Mediation, sanitäre Einrichtungen sowie Startpaket, Taschengeld und Telefonkarte) soll es zu keiner Kürzung oder Streichung kommen. Integrationsmaßnahmen werden im neuen System nur noch Schutzberechtigten zukommen. Bei den Ausschreibungsspezifikationen wird zwischen kollektiven und individuellen (z.B. Selbstversorger) Unterbringungsplätzen unterschieden. Die Versorgung sieht unter anderem folgende Leistungen vor:

?        Unterbringung, Verpflegung

?        Sozialbetreuung, Information, linguistisch-kulturelle Mediation

?        notwendige Transporte

?        medizinische Betreuung: Erstuntersuchung, ärztliche Betreuung in den Zentren zusätzlich zum allgemeinen Zugang zum nationalen Gesundheitsdienst

?        Hygieneprodukte

?        Wäschedienst oder Waschprodukte

?        Erstpaket (Kleidung, Bettzeug, Telefonkarte)

?        Taschengeld (€ 2,50/Tag/Person bis zu € 7,50/Tag für eine Kernfamilie)

?        Schulbedarf

?        usw.

Nach Auskunft des italienischen Innenministeriums sind Plätze für Familien sowie allein reisende Frauen (mit Kindern) vorgesehen. In den Spezifikationen sind Personalschlüssel, Reinigungsintervalle, Melde- und Aufzeichnungsverpflichtungen des Betreibers in Bezug auf Leistungen an die Bewohner, An-/Abwesenheiten etc. festgelegt. Die Präfekturen sind zu regelmäßigen, unangekündigten Kontrollen berechtigt und verpflichtet (VB 19.2.2019).

Ende 2018 wurden amtliche Ausschreibungsvorgaben für die Unterbringungseinrichtungen veröffentlicht, die die Standards für die Unterbringung im gesamten Land vereinheitlichen sollen. Die Vorgaben garantieren persönliche Hygiene, Taschengeld (Euro 2,50/Tag in der Erstaufnahme) und Euro 5,- für Telefonwertkarten, jedoch keine Integrationsmaßnahmen mehr (Italienisch-Kurse, Orientierungskurse, Berufsausbildungen oder Freizeitaktivitäten). Ebenso eingespart wird psychologische Betreuung, welche nur noch in Hotspots und Schubhaftzentren verfügbar ist. Rechtsberatung und kulturelle Mediation werden reduziert (AIDA 4.2019; vgl. SFH 8.5.2019).

Die sekundären Aufnahmeeinrichtungen (früher SPRAR) heißen ab sofort SIPROIMI („Sistema di protezione per titolari di protezione internazionale e per minori stranieri non accompagnati“ – Schutzsystem für international Schutzberechtigte und unbegleitete minderjährige Fremde). Asylwerber, mit Ausnahme unbegleiteter Minderjähriger, haben dort keinen Zugang mehr (AIDA 4.2019). SIPROIMI stehen nur noch Personen mit internationalem Schutz, unbegleiteten Minderjährigen sowie Personen zur Verfügung, die nach der neuen Rechtslage einen Aufenthaltstitel wegen besonders berücksichtigungswürdiger Umstände haben („neue“ humanitäre Titel). In diesen Einrichtungen werden zusätzlich zu den oben beschrieben Leistungen auch Maßnahmen mit dem Ziel einer umfassenden Integration (Gesellschaft, Arbeitsmarkt, Sprache, etc.) geboten (VB 19.2.2019).

Nur diejenigen asylsuchenden Personen und Inhaber eines humanitären Status, denen vor dem 4. Oktober 2018 ein Platz in einem SPRAR-Zentrum zugesagt wurde, werden noch in einem SPRAR-Zentrum untergebracht (SFH 8.5.2019). Personen mit humanitärem Schutz nach alter Rechtslage, die sich mit Stichtag 05.10.2018 noch in einem SPRAR/SIPROIMI befanden, können dort für den vorgesehenen Zeitraum bzw. bis zum Ende des Projektzeitraumes weiterhin bleiben. Jene Fremde mit humanitärem Schutz nach alter Rechtslage, die sich noch in einer Erstaufnahmeeinrichtung befinden, verbleiben dort so lange, bis ihnen von der Quästur der Aufenthaltstitel („permesso di soggiorno“) übergeben wurde und werden danach aus dem Aufnahmesystem entlassen (VB 19.2.2019).

In den letzten Jahren war das italienische Aufnahmesystem angesichts der zahlreichen Anlandungen von Migranten von Überforderung und dem Versuch geprägt, möglichst viele Unterbringungsplätze in möglichst kurzer Zeit zu schaffen. Dabei entstanden verschiedene Arten von Unterbringungszentren auf Projektbasis in Gemeinden, Regionen und zentraler Ebene mit nur grob festgelegten Zielgruppen. Mit der Neustrukturierung wurde ein differenziertes Aufnahmesystem geschaffen, das auch der Kritik des italienischen Rechnungshofes Rechnung trägt, der die undifferenzierte Unterbringung bzw. Erbringung insbesondere von kostspieligen Integrationsmaßnahmen an Migranten ohne dauerhaften Aufenthaltstitel bemängel hat. So werden Asylwerber zukünftig in den Erstaufnahmeeinrichtungen untergebracht. Personen mit Schutzstatus bzw. einer der neuen Formen des humanitären Schutzes sowie allein reisende Minderjährige erhalten Zugang zu den sekundären Aufnahmeeinrichtungen, in denen zusätzlich integrative Leistungen angeboten werden (VB 19.2.2019). Ende 2018 wurden amtliche Ausschreibungsvorgaben für Unterbringungseinrichtungen veröffentlicht, die die Standards für die Unterbringung im gesamten Land vereinheitlichen sollen. Durch die neuen Vergabekriterien wurde auch auf den Vorwurf reagiert, dass die Aufnahmeeinrichtungen außerhalb des SPRAR keine einheitlichen Standards sicherstellen. Durch die Staffelung der Strukturen nach Unterbringungsplätzen mit entsprechend angepasstem Personalstand und Serviceleistungen kann seitens der Präfekturen im Rahmen der Vergabeverfahren auf den Bedarf und die Gegebenheiten vor Ort im jeweiligen Fall eingegangen werden, wodurch sich die Kosten von € 35/Person/Tag auf € 21/Person/Tag senken sollen. Die Vorgaben garantieren persönliche Hygiene, Taschengeld (Euro 2,50/Tag in der Erstaufnahme) und Euro 5,- für Telefonwertkarten, jedoch keine Integrationsmaßnahmen mehr (VB 19.2.2019; vgl. AIDA 4.2019). Dass eine solche Restrukturierung ohne Einbußen bei der Qualität oder dem Leistungsangebot (so der Vorwurf bzw. die Befürchtung der Kritiker) machbar ist, erscheint angesichts der vorliegenden Unterlagen aus Sicht des VB nachvollziehbar (VB 19.2.2019). Kritiker meinen hingegen, die neuen Vorgaben würden zu einem Abbau von Personal in den Unterbringungseinrichtungen und zur Reduzierung der gebotenen Leistungen führen. Kleinere Zentren würden unwirtschaftlich und zur Schließung gezwungen, stattdessen würden größere kostensenkende Kollektivzentren geschaffen (SFH 8.5.2019).

Asylwerber dürfen zwei Monate nach Antragstellung legal arbeiten (AIDA 4.2019; vgl. USDOS 13.3.2019). In der Praxis haben Asylwerber jedoch Schwierigkeiten beim Zugang zum Arbeitsmarkt, etwa durch Verzögerungen bei der Registrierung ihrer Asylanträge (die damit einhergehende Aufenthaltserlaubnis ist für den Zugang zum Arbeitsmarkt wichtig), oder durch die anhaltende Wirtschaftskrise, die Sprachbarriere oder die geografische Abgelegenheit der Unterbringungszentren usw. (AIDA 4.2019).

Es gibt Berichte über Diskriminierung und Ausbeutung von Migranten durch Arbeitgeber. Die hohe Arbeitslosigkeit schmälert die Chancen von Migranten auf legale Anstellung (USDOS 13.3.2019).

d). Unterbringung:

Grundsätzlich sind bedürftige Fremde zur Unterbringung in Italien berechtigt, sobald sie den Willen erkennbar machen, um Asyl ansuchen zu wollen. Das Unterbringungsrecht gilt bis zur erstinstanzlichen Entscheidung bzw. dem Ende der Rechtsmittelfrist. Bei Rechtsmitteln mit automatisch aufschiebender Wirkung besteht das Unterbringungsrecht auch bis zur Entscheidung des Gerichts. Bei Rechtsmitteln ohne automatische aufschiebende Wirkung kann diese vom Gericht zuerkannt werden und in einen solchen Fall besteht auch das Unterbringungsrecht weiter. Seit Ende 2018 haben einige Rechtsmittel keine aufschiebende Wirkung mehr. Gemäß der Praxis in den Vorjahren erfolgt der tatsächliche Zugang zur Unterbringung erst mit der formellen Registrierung des Antrags (verbalizzazione), die bis zu einige Monate nach der Antragstellung stattfinden kann, abhängig von Region und Antragszahlen. In dieser Zeit müssen Betroffene alternative Unterbringungsmöglichkeiten finden, was problematisch sein kann. Zum Ausmaß dieses Phänomens gibt es allerdings keine statistischen Zahlen. Betroffene Asylwerber ohne ausreichende Geldmittel sind daher auf Freunde oder Notunterkünfte angewiesen, oder es droht ihnen Obdachlosigkeit. In ganz Italien gibt es auch informelle Siedlungen oder besetzte Häuser, in denen Fremde leben, unter ihnen Asylwerber und Schutzberechtigte (AIDA 4.2019).

[…]

Mit der Einführung von Gesetzesdekret Nr. 113 vom 4.10.2018 (in Verbindung mit dem Umwandlungsgesetz Nr. 132 vom 1.12.2018 auch als „Salvini-Dekret“ bzw. „Salvini-Gesetz“ bekannt) wird festgelegt, dass die Erstaufnahmeeinrichtungen („prima accoglienza“), welche CAS und CARA ersetzen sollen, ausdrücklich auch die reguläre Unterbringungsmöglichkeit für Dublin-Rückkehrer sind (VB 19.2.2019), da für Asylwerber kein Zugang zu den Zentren der zweiten Stufe (SIPROIMI-Zentren) vorgesehen ist (AIDA 4.2019).

[…]

Genauer sollen Dublin-Rückkehrer, die bereits einen Asylantrag in Italien gestellt hatten, bevor sie das Land verließen, vom Flughafen in die Provinz der Antragstellung überstellt werden. Dublin-Rückkehrer, die noch keinen Asylantrag in Italien gestellt haben, sind in der Provinz des Ankunftsflughafens unterzubringen. Die Familieneinheit sollte dabei immer gewahrt bleiben (AIDA 4.2019).

Bezüglich des Verlustes des Rechtes auf Unterbringung gelten noch immer die Regeln aus dem Dekret 142/2015: Verlässt eine Person unerlaubt eine staatliche Unterbringung, so wird von einer freiwilligen Abreise ausgegangen und sie verliert das Recht auf Unterbringung. Dies gilt auch nach einer Dublin-Rückkehr (SFH 8.5.2019). Die Präfektur kann eine neuerliche Unterbringung verweigern (AIDA 4.2019). Solche Personen sind gegebenenfalls auf private oder karitative Unterbringungsmöglichkeiten bzw. Obdachlosenunterkünfte angewiesen. Hat der Rückkehrer vor der Weiterreise kein Asylgesuch in Italien gestellt und tut dies erst nach der Rückkehr, besteht das Recht auf Unterbringung ohne Einschränkung. Da sich die formelle Einbringung des Antrags aber oftmals über Wochen verzögern kann, kann bis zur Unterbringung eine entsprechende Lücke entstehen (SFH 8.5.2019; vgl. AIDA 4.2019).

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat in seiner Entscheidung neben Ausführungen zur Versorgungslage von Asylwerbern in Italien auch Feststellungen zur dortigen Rechtslage unter Berücksichtigung der Neuerungen durch das „Salvini-Dekret“ bzw. das „Salvini-Gesetz“ und Vollzugspraxis von asyl- und fremdenrechtlichen Bestimmungen – darunter konkret auch in Bezug auf Rückkehrer nach der Dublin III-VO – samt dem jeweiligen Rechtsschutz im Rechtsmittelweg getroffen.

Festgestellt wird sohin, dass sich aus diesen Länderinformationen keine ausreichend begründeten Hinweise darauf ergeben, dass das italienische Asylwesen grobe systemische Mängel aufweist. Daher ist aus Sicht der zuständigen Einzelrichterin, insbesondere in Bezug auf die Durchführung des Asylverfahrens, die medizinische Versorgung sowie die generelle Versorgungs- und Unterbringungslage und die Sicherheitslage von Asylwerbern in Italien den Feststellungen des Bundesamtes im angefochtenen Bescheid zu folgen.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers, zu seiner Staatsangehörigkeit, zu seiner Ausreise aus dem Irak, zu seinem weiteren Reiseweg sowie zu seiner illegalen Einreise in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten über Italien, zur Dauer seines dortigen Aufenthalts sowie zu seiner unrechtmäßigen Einreise in das österreichische Bundesgebiet und zur Stellung des gegenständlichen Antrags auf internationalen Schutz ergeben sich aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers sowie aus dem Akteninhalt. Dass der Beschwerdeführer bereits am XXXX .10.2013 in Schweden einen Asylantrag stellte, gründet auf dem diesbezüglichen Eurodac-Treffer, womit sich auch die Feststellung zum Aufenthalt des Beschwerdeführers bis zum Jahr 2015 in Schweden in Einklang bringen lässt, was im Übrigen auch von ihm selbst in der Erstbefragung vorgebracht wurde.

Dass der Beschwerdeführer am XXXX .11.2019 in Italien erkennungsdienstlich behandelt wurde, gründet auf dem unbedenklichen Eurodac-Treffer der Kategorie 2 (vgl. AS 12). Auch wenn der Beschwerdeführer in der Erstbefragung noch jeglichen Kontakt mit italienischen Behörden – trotz Vorhalt des Eurodac-Treffers - abstritt, gab er letztlich in der Einvernahme vor dem Bundesamt doch zu, dass ihm in Italien die Fingerabdrücke abgenommen worden seien (vgl. AS 121). Ferner basiert die Feststellung zur erkennungsdienstlichen Behandlung des Beschwerdeführers bzw. zu seiner unrechtmäßige Einreise in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten über Italien auf dem Umstand, dass die italienische Dublinbehörde dem österreichischen Aufnahmegesuch nicht widersprochen hat. Darauf, dass die Zuständigkeit Italiens beendet worden wäre, finden sich im gesamten Verfahren keine Hinweise, wobei ein derartiges Vorbringen weder vor dem Bundesamt noch in der Beschwerde erstattet wurde.

Die Feststellungen zum Wiederaufnahmegesuch der österreichischen Dublinbehörde und zum Übergang der Zuständigkeit an Italien aufgrund Verfristung sowie zur diesbezüglichen Mitteilung durch das Bundesamt ergeben sich aus den jeweiligen Schreiben bzw. aus der Korrespondenz der Dublinbehörden im Rahmen des Konsultationsverfahrens.

Eine den Beschwerdeführer konkret treffende Bedrohungssituation in Italien wurde nicht ausreichend substanziiert vorgebracht (vgl. hierzu die weiteren Ausführungen unter Punkt II. 3.2.4.2. des gegenständlichen Erkenntnisses).

Die Feststellung zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers bzw. zum Nichtvorliegen schwerwiegender gesundheitlicher Beeinträchtigungen, die seiner Überstellung nach Italien entgegengestanden sind, ergibt sich aus den eigenen Angaben des Beschwerdeführerin im Verfahren, der sowohl im Zuge seiner Erstbefragung als auch im Rahmen seiner Einvernahme vor dem Bundesamt am 04.02.2020 angab, weder an Krankheiten zu leiden sowie gesund zu sein und keine Medikamente zu benötigen (vgl. AS 12 bzw. AS 119).

Die Feststellungen zu den in Österreich lebenden Angehörigen (Bruder und Nichte des Beschwerdeführers) ergeben sich aus seinen eigenen Angaben, die durch den in der Einvernahme als Vertrauensperson anwesenden Bruder bestätigt wurden. Dass sowohl Bruder als auch Nichte in Österreich anerkannte Konventionsflüchtlinge sind, gründet auf der Einsicht in die von ihnen vorgelegten Konventionspässe. Die Feststellungen zum gemeinsamen Haushalt bis zum 20.05.2020 bzw. zum Nichtvorliegen eines gemeinsamen Haushalts nach dem 20.05.2020 basieren auf den vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Auszügen aus dem Zentralen Melderegister betreffend den Beschwerdeführer und seinen Bruder vom 17.06.2020. Dass kein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis besteht bzw. bestanden hat, bracht der Beschwerdeführer in seiner Einvernahme vom dem Bundesamt selbst vor und ist auch aufgrund des Umstandes, dass der Bruder des Beschwerdeführers sein Einkommen lediglich durch Zuwendungen des österreichischen Staates bestreitet, nachvollziehbar. Ebenso wenig ist ein sonstiges Abhängigkeitsverhältnis ersichtlich. Wenn der Beschwerdeführer vorbringt, er kümmere sich um seine Nichte, koche für sie, führe den Haushalt bzw. sei wie ein Ersatzvater und eine Ersatzmutter für sie, ist dies wohl schon alleine aufgrund des Umstandes, dass der Beschwerdeführer nach dem 20.05.2020 – sohin zwei Monate vor seiner Überstellung – nicht mehr mit seiner Nichte und seinem Bruder im gemeinsamen Haushalt gelebt hat, nicht glaubhaft. Ferner ist auch das Vorbringen des Beschwerdeführers, er habe sich im Irak gemeinsam mit seinem Bruder um seine Nichte gekümmert, durch das vorgelegte Befragungsformular der Österreichischen Botschaft Teheran widerlegt, welchem zu entnehmen ist, dass die Nichte von ihrem Vater und ihrer Großmutter großgezogen wurde und ihr Vater ihre einzige Bezugsperson ist (vgl. AS 135).

Letztlich ergibt sich die Feststellung zur komplikationslosen Überstellung des Beschwerdeführers nach Italien am 28.07.2020 aus dem diesbezüglichen Bericht der Landespolizeidirektion Niederösterreich von selben Tag.

2.2. Die Feststellungen zum italienischen Asylverfahren einschließlich der Situation von Dublin-Rückkehrern beruhen auf den im angefochtenen Bescheid angeführten Quellen. Bei diesen vom Bundesamt herangezogenen Quellen handelt es sich um Berichte verschiedener anerkannter und teilweise vor Ort agierender Institutionen, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes, schlüssiges Gesamtbild zum Asylverfahren in Italien ergeben. Nach Ansicht der erkennenden Einzelrichterin handelt es sich bei den Länderfeststellungen im angefochtenen Bescheid um ausreichend ausgewogenes und aktuelles Material. Angesichts der Seriosität der angeführten Erkenntnisquellen und der Plausibilität der Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Darstellung zu zweifeln. Des Weiteren ist darauf zu verweisen, dass die vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl herangezogenen Quellen nach wie vor aktuell bzw. mit späteren Quellen inhaltlich deckungsgleich bzw. zum Teil sogar nahezu wortident sind.

Die Gesamtsituation des Asylwesens in Italien ergibt sich sohin aus den umfangreichen und durch aktuelle Quellen belegten Länderfeststellungen im angefochtenen Bescheid, die auf alle entscheidungswesentlichen Fragen eingehen und insbesondere auch die geänderte Rechtslage nach dem „Salvini-Dekret“ bzw. „Salvini-Gesetz“ berücksichtigen. Individuelle, unmittelbare und vor allem hinreichend konkrete Bedrohungen, welche den Länderberichten klar und substanziell widersprechen, hat der Beschwerdeführer nicht dargelegt. In der Einvernahme vor dem Bundesamt gab er zu den vorab ausgefolgten Länderfeststellungen an, dass er die Lage in Italien kenne. Es gebe Armut und die Menschen würden auf der Straße leben. Er habe selbst gesehen, dass die Leute am Bahnhof bzw. im Park geschlafen hätten. Allerdings stellt sich hier die Frage, wie der Beschwerdeführer dies alles wahrgenommen haben will, wenn er – seinen eigenen Angaben zufolge – lediglich einen Tag in Italien war.

Zum Beschwerdevorbringen, die Länderinformationen würden sich zu einem überwiegenden Anteil auf die Darstellung der rechtlichen Vorgaben beschränken, ohne auf die aktuelle tatsächliche Situation für Asylsuchende Rücksicht zu nehmen, ist auszuführen, dass dieses Vorbringen lediglich unsubstanziiert in den Raum gestellt wurde, da nicht ausgeführt wurde, gegen welche Teile der Länderfeststellungen sich die Kritik des Beschwerdeführers richtet. Hinzu kommt, dass in den Länderberichten durchaus Quellen von NGOs – wie beispielsweise Amnesty International oder die Schweizer Flüchtlingshilfe –herangezogen wurden. Wogegen sich im Einzelnen die Kritik der Beschwerde an den Länderfeststellungen des Bundesamtes richtet, ist sohin nicht erkennbar, zumal sich die Beschwerde selbst auf die Länderberichte des Bundesamtes – insbesondere betreffend die Unterbringungssituation – bezieht. Ferner sind die Beschwerdeausführungen lediglich allgemein gehalten und weisen keinen Bezug zur Person des Beschwerdeführers auf. Beispielsweise wird in der Beschwerde vorgebracht, dass Rückkehrern, die bereits einmal offiziell untergebracht gewesen seien, fehlende Unterbringung und damit Obdachlosigkeit drohe. Dieses Vorbringen passt jedoch nicht zur Person des Beschwerdeführers, da dieser in Italien keinen Asylantrag gestellt hat und sohin gar nicht untergebracht war. Das Beschwerdevorbringen betreffend „drohende Obdachlosigkeit“ geht sohin ins Leere. Mangels konkretem Vorbringen sind die Beschwerdeausführungen daher nicht geeignet, die durch tatsächlich aktuelle Quellen belegten Länderfeststellungen im angefochtenen Bescheid, die ein differenziertes Bild zeichnen und ebenso auf die Situation von Dublin-Rückkehrern Bezug nehmen, zu entkräften.

Die Länderfeststellungen sind grundsätzlich ausreichend aktuell (Aktualisierung am 27.09.2019), sie zeichnen allerdings – angesichts der derzeit sich schnell ändernden Gegebenheiten in Zusammenhang mit dem Ausbruch von COVID-19 – naturgemäß ein Bild der (medizinischen) Versorgung von Asylwerbern in Italien, welches sich auf den Zeitraum vor Ausbruch der Pandemie bezieht. Es ist notorisch, dass die Mitgliedstaaten allesamt – wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß – vom Ausbruch der Pandemie betroffen sind und hier vor großen Herausforderungen im Gesundheitsbereich stehen. Diesbezüglich wurden und werden in den einzelnen Ländern tagesaktuell entsprechende Maßnahmen gesetzt (beispielsweise die Verhängung von Ausgangsbeschränkungen und Quarantänemaßnahmen sowie teilweise die Vornahme von Grenzschließungen und Einschränkungen im Personen- und Warenverkehr sowie auch die teilweise Zurücknahme von bereits erfolgten Lockerungen), die die Ausbreitung von COVID-19 hintanhalten und gleichzeitig die medizinische Versorgung der Bevölkerung – seien es nun eigene Staatsbürger oder dort ansässige Fremde – möglichst sicherstellen sollen.

Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen ist die Heranziehung der Länderfeststellungen zu Italien nicht zu beanstanden; einerseits aufgrund der Annahme, dass dann – und nur dann – Überstellungen durchgeführt werden, wenn Italien für die Einhaltung der einschlägigen asyl- und fremdenrechtlichen Standards garantieren kann, was gegenständlich der Fall ist, da der Beschwerdeführer bereits am 28.07.2020 nach Italien überstellt wurde, und die Länderfeststellungen insofern wieder volle Gültigkeit haben, und andererseits aufgrund des Umstandes, dass es sich beim Beschwerdeführer im Überstellungszeitpunkt um keine besonders vulnerable Person gehandelt hat und keine Anzeichen dafür vorliegen, dass er im besonderen Maße auf eine medizinische Versorgung angewiesen wäre.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da im vorliegenden Verfahren keine Entscheidung durch Senate vorgesehen ist, liegt gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 1 BFA-VG, BGBl. I 2012/87 idgF bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und im FPG bleiben unberührt.

3.2. Zu A)

3.2.1. Gemäß § 5 Abs. 1 AsylG ist ein nicht gemäß §§ 4 oder 4a erledigter Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Eine Zurückweisung des Antrages hat zu unterbleiben, wenn im Rahmen einer Prüfung des § 9 Abs. 2 BFA-VG festgestellt wird, dass eine mit der Zurückweisung verbundene Anordnung zur Außerlandesbringung zu einer Verletzung von Art. 8 EMRK führen würde.

Nach Abs. 2 leg. cit. ist gemäß Abs. 1 auch vorzugehen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung dafür zuständig ist zu prüfen, welcher Staat zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist.

Sofern gemäß Abs. 3 leg. cit. nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesamt oder beim Bundesverwaltungsgericht offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, ist davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird und in den Fällen der Z 1 bis 5 kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt.

§ 9 Abs. 1 und 2 BFA-VG lautet:

(1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1.       die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2.       das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3.       die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4.       der Grad der Integration,

5.       die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6.       die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7.       Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8.       die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9.       die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

Gemäß § 61 Abs. 1 Z 1 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen eine Außerlandesbringung anzuordnen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4a oder 5 AsylG zurückgewiesen wird oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 AsylG folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG.

Eine Anordnung zur Außerlandesbringung hat gemäß Abs. 2 leg. cit. zur Folge, dass eine Abschiebung des Drittstaatsangehörigen in den Zielstaat zulässig ist. Die Anordnung bleibt binnen 18 Monaten ab Ausreise des Drittstaatsangehörigen aufrecht.

Gemäß Abs. 3 leg. cit. ist die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben, wenn die Durchführung der Anordnung zur Außerlandesbringung aus Gründen, die in der Person des Drittstaatsangehörigen liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind.

Die Anordnung zur Außerlandesbringung tritt außer Kraft, wenn das Asylverfahren gemäß § 28 AsylG 2005 zugelassen wird (§ 61 Abs. 4 FPG).

3.2.2. Die maßgeblichen Bestimmungen der Dublin III-VO lauten:

Art. 3 Verfahren zur Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz

(1) Die Mitgliedstaaten prüfen jeden Antrag auf internationalen Schutz, den ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einschließlich an der Grenze oder in den Transitzonen stellt. Der Antrag wird von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird.

(2) Lässt sich anhand der Kriterien dieser Verordnung der zuständige Mitgliedstaat nicht bestimmen, so ist der erste Mitgliedstaat, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, für dessen Prüfung zuständig. Erweist es sich als unmöglich einen Antragsteller an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat zu überstellen, da es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systematische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Artikels 4 der EU-Grundrechtecharta mit sich bringen, so setzt der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat, die Prüfung der in Kapitel III vorgesehenen Kriterien fort, um festzustellen, ob ein anderer Mitgliedstaat als zuständig bestimmt werden kann. Kann keine Überstellung gemäß diesem Absatz an einen aufgrund der Kriterien des Kapitels III bestimmten Mitgliedstaat oder an den ersten Mitgliedstaat, in dem der Antrag gestellt wurde, vorgenommen werden, so wird der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat der zuständige Mitgliedstaat.

(3) Jeder Mitgliedstaat behält das Recht, einen Antragsteller nach Maßgabe der Bestimmungen und Schutzgarantien der Richtlinie 32/2013/EU in einen sicheren Drittstaat zurück- oder auszuweisen.

Art. 7 Rangfolge der Kriterien

(1) Die Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates finden in der in diesem Kapitel genannten Rangfolge Anwendung.

(2) Bei der Bestimmung des nach den Kriterien dieses Kapitels zuständigen Mitgliedstaats wird von der Situation ausgegangen, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Antragsteller seinen Antrag auf internationalen Schutz zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt.

(3) […]

Art. 13 Einreise und/oder Aufenthalt

(1) Wird auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß den beiden in Artikel 22 Absatz 3 dieser Verordnung genannten Verzeichnisse, einschließlich der Daten nach der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 festgestellt, dass ein Antragsteller aus einem Drittstaat kommend die Land-, See- oder Luftgrenze eines Mitgliedstaats illegal überschritten hat, so ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig. Die Zuständigkeit endet zwölf Monate nach dem Tag des illegalen Grenzübertritts.

(2) Ist ein Mitgliedstaat nicht oder gemäß Absatz 1 dieses Artikels nicht länger zuständig und wird auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß den beiden in Artikel 22 Absatz 3 genannten Verzeichnissen festgestellt, dass der Antragsteller – der illegal in die Hoheitsgebiete der Mitgliedstaaten eingereist

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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