TE Bvwg Erkenntnis 2020/10/1 I405 2155918-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 01.10.2020
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Entscheidungsdatum

01.10.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs3
AsylG 2005 §8 Abs4
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art2
EMRK Art3
EMRK Art8
FPG §46
FPG §50
FPG §52
FPG §55 Abs2
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch


I405 2155918-1/22E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Sirma KAYA als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , StA. Sudan, vertreten durch Asyl in Not, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.04.2017, ZI. 1029424607/14900923, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 09.07.2020, zu Recht:

A) I. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 3 Abs. 1 AsylG als unbegründet abgewiesen.

II. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG wird XXXX der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Sudan zuerkannt.

III. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG wird XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter bis zum 30.09.2021 erteilt.

IV. Der Beschwerde gegen Spruchpunkte III. des angefochtenen Bescheides wird gemäß § 28 Abs. 2 VwVGV stattgegeben und diese ersatzlos behoben.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) stellte in Österreich am 21.08.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Am darauffolgenden Tag wurde er durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes einvernommen. Zu seinem Fluchtgrund gab er an, dass er aus Angst vor dem Krieg in Bengasi geflüchtet sei. Er sei zwar sudanesischer Staatsbürger, habe aber sein ganzes Leben in Libyen verbracht, weswegen er nicht in den Sudan zurück könne und beschlossen habe, ein neues Leben in Europa zu beginnen.

In einer niederschriftlichen Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) am 26.01.2015 gab der BF an, dass die Libyer die eingewanderten Sudanesen umbringen haben wollen, um an ihren Besitz zu kommen. Es sei drei Mal versucht worden, auf ihn zu schießen. Einmal sei er anwesend gewesen, als eine Autobombe hochgegangen sei.

Am 08.03.2017 wurde der BF neuerlich niederschriftlich durch das BFA einvernommen und erklärte er, dass er Libyen verlassen habe, da dort Anarchie und Chaos herrsche und er dort keine Zukunft gesehen habe. In den Sudan könne er nicht zurück, da er dort zwar Verwandte habe, aber nicht wisse, wo sich diese aufhalten würden und nie dort gelebt habe.

Das BFA wies am 20.04.2017 mit Bescheid den Antrag des BF auf internationalen Schutz hinsichtlich des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Sudan (Spruchpunkt II.) als unbegründet ab. Zugleich wurde dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Dazu wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung in den Sudan zulässig ist (Spruchpunkt III.). Das BFA erkannte gemäß § 18 Abs 1 Z 1 BFA-VG einer Beschwerde gegen diese Entscheidung die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt IV.). Das BFA führte aus, dass das Vorbringen in Bezug auf Libyen nicht Prüfgegenstand sei, da Libyen nicht der Herkunftsstaat des BF sei.

Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht am 03.05.2017 Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit erhoben. Es wurde ausgeführt, dass der BF weitschichtige Verwandte in Dafur habe, aber kein Kontakt zu diesen bestehe. Er sei in Libyen sozialisiert worden und kenne die Gesellschaft im Sudan nicht. Zudem sei die Sicherheitslage im Sudan äußerst angespannt.

Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 12.05.2017 wurde der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

Mit Stellungnahme vom 25.06.2020 wurde auf die Integration des BF während seines sechsjährigen Aufenthaltes, seine Lebensgefährtin und seinen im XXXX 2018 geborenen Sohn verwiesen. Bei einer Rückkehr in den Sudan hätte er mangels sozialem Netzwerk keine Chance auf Arbeit. Zudem drohe ihm als Wehrdienstverweigerer eine Gefängnisstrafe und sei die Versorgungslage im Sudan katastrophal.

Am 09.07.2020 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung statt. Der BF gab an, dass das Militär, die bewaffnete Miliz Dschandschawid und die aktuelle Regierung gegen seine Verbringung in den Sudan sprechen würden.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des BF:

Der volljährige BF ist Staatsangehöriger Sudans. Er ist ledig, Angehörige der Volksgruppe der Araber und bekennt sich zum islamischen Glauben. Seine Identität steht fest.

Der BF ist gesund und arbeitsfähig.

Der BF wurde als Kind sudanesischer Eltern in Bengasi, Libyen geboren.

Der BF hat von 1996 bis 2002 die Volksschule, von 2002 bis 2005 die Mittelschule sowie von 2005 bis 2008 das Gymnasium besucht und danach von 2008 bis 2009 ein Jahr an der Wirtschaftsuniversität studiert. Danach hat er bis zu seiner Ausreise 2014 ein Kohlegeschäft auf dem Markt in Bengasi betrieben.

Seine Kernfamilie lebt in Libyen und hat der BF Kontakt zu ihnen. In Dafur, Sudan hat der BF zwar weitschichtige Angehörige, jedoch kennt er diese nicht und hat er keinen Kontakt zu diesen.

Der BF hat den Grundwehrdienst für seine Heimat Sudan nicht abgeleistet, weil er seit seiner Geburt in Libyen gelebt hat.

Der BF ist in Österreich nicht vorbestraft.

1.2. Zu den Fluchtmotiven des BF:

Es ist dem BF nicht gelungen, eine asylrelevante Verfolgung aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung glaubhaft zu machen und hat er auch im Fall einer Rückkehr in den Sudan nicht mit asylrelevanten Verfolgungshandlungen zu rechnen.

1.3. Zur allgemeinen Situation im Sudan:

Die aktuelle Situation im Herkunftsstaat des BF stellt sich im Wesentlichen wie folgt dar:

1.       Neueste Ereignisse – Integrierte Kurzinformationen:

KI vom 18. 9 .2019: Neue Regierung vereidigt (betrifft: Abschnitt 2 – politische Lage):

Am 8.9.2019 wurde die neue Regierung im Sudan vereidigt. Dem 18-köpfigen Kabinett von Regierungschef Abdallah Hamdok gehören Mitglieder des Militärs und Zivilisten an, darunter vier Frauen, unter anderem die erste Außenministerin des Landes (BAMF 9.9.2019; vgl. DF 9.9.2019), die Politikerin Asmaa Abdalla (DF 9.9.2019). Dem Souveränen Rat gehören fünf Militärs und sechs Zivilisten an (DS 21.8.2019; vgl. NZZ 21.8.2019). Geführt wird das Gremium von General Abdel Fattah al-Burhan, der auch dem bisher regierenden Militärrat vorstand. Nach 21 Monaten soll dann ein Zivilist die Führung übernehmen. Für 2022 sind schließlich Wahlen vorgesehen (BAMF 26.8.2019; vgl. DS 21.8.2019; NZZ 21.8.2019). Dem Souveränen Rat gehört auch General Mohammed Hamdan Daglo „Hemeti“ an (DS 21.8.2019; vgl. NZZ 21.8.2019). Als neuer Premierminister wurde Abdallah Hamdok vereidigt. Der Wirtschaftsexperte bezeichnete als seine obersten Prioritäten einen dauerhaften Frieden, die Bekämpfung der Wirtschaftskrise, eine „ausgeglichene Außenpolitik“ (BAMF 26.8.2019; BBC 9.9.2019), wie auch die Lösung der Konflikte in den Bundesstaaten Darfur, Blue Nile und Süd-Kordofan. Das Kabinett von Hamdok muss auch der Korruption ein Ende setzen und den von Islamisten gegründeten „Staat“ im Staat zerschlagen, welcher den Umsturz von Omar al-Bashir 1989 unterstützte (JA 6.9.2019). Die Regierung muss sich auch um die brodelnden Konflikte kümmern, welche al-Bashir durch die Schaffung loyaler Milizen, die ihn an der Macht gehalten haben, angefacht hatte (BBC 9.9.2019). Am 19.8.2019 hat auch der Prozess gegen Ex-Präsident al-Bashir begonnen, der sich u.a. wegen Korruption, Devisenvergehen und Bereicherung verantworten muss (BAMF 26.8.2019).

Nach dem Sturz des langjährigen Staatschefs al-Bashir im April 2019 wurde unter einem Militärrat eine Übergangsregierung gebildet, gegen die es weiterhin zu Protesten kam. Vor allem der Aufstieg von Hemeti, dem langjährigen Führer der Miliz Janjaweed, welcher schwere Kriegsverbrechen in Darfur vorgeworfen werden, wurde kritisiert (DS 17.7.2019). Die aus den Janjaweed hervorgegangenen Rapid Support Forces (RSF) werden beschuldigt, am 3.6.2019 über 120 Demonstranten in Karthum getötet zu haben (NZZ 21.8.2019; vgl. NZZ 24.7.2019). Hemeti, der im militärischen Übergangsrat an zweiter Stelle hinter General Abdel Fattah al-Burhan stand, streitet jede Verantwortung ab (NZZ 24.7.2019). Eine unabhängige Kommission soll das Massaker zwar untersuchen, doch sichert eine Klausel hochrangigen Militärs wie ihm absolute Straffreiheit zu (ZO 24.7.2019).

Mit Unterstützung des äthiopischen Vermittlers Mahmoud Drir (BAMF 24.6.2019) einigten sich Militär und Opposition am 17.7.2019 auf die Bildung einer Übergangsregierung (BAMF 22.7.2019; vgl. DS 17.7.2019) und unterzeichneten am 17.8.2019 eine abschließende Vereinbarung (TS 17.8.2019). Mit dieser Verfassungserklärung wird die Teilung der Macht im Land auf drei Jahre und drei Monate festgeschrieben (BAMF 19.8.2019; vgl. DS 17.7.2019a; TS 17.8.2019). Das Zustandekommen des Abkommens ist auf beiden Seiten mit Erleichterung aufgenommen worden. Die Protestbewegung feierte die Einigung als Sieg ihrer "Revolution", die Generäle schrieben sich zugute, einen Bürgerkrieg verhindert zu haben (TS 17.8.2019). In den wöchentlichen Briefing Notes des BAMF finden sich seit Anfang August hinsichtlich gewaltsamen Vorgehens von Sicherheitskräften keine Meldungen mehr. Zuletzt waren am 29.7.2019 in El-Obeid bei einer Demonstration fünf Menschen – darunter vier Schüler – von Sicherheitskräften erschossen worden (BAMF 5.8.2019; vgl. Reuters 29.7.2019).

Der UN-Sicherheitsrat hat einstimmig beschlossen, die UN-Mission vorerst nicht aus der Region Darfur abzuziehen. Die Lage dort gilt weiterhin als instabil. Aktuelles Ziel ist die Beendigung der Mission im Jahr 2020. Die Afrikanische Union und die UN betreiben in der Region Darfur die gemeinsame Friedensmission Unamid, deren aktuelles Mandat bis zum 31.10.2019 verlängert wurde (ZO 28.7.2019).

Quellen:

-        BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Deutschland (9.9.2019): Briefing Notes 9. September 2019

-        BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Deutschland (26.8.2019): Briefing Notes 26. August 2019

-        BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Deutschland (19.8.2019): Briefing Notes 19. August 2019

-        BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Deutschland (5.8.2019): Briefing Notes 5. August 2019, Zugriff 11.9.2019

-        BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Deutschland (22.7.2019): Briefing Notes 22. Juli 2019, Zugriff 11.9.2019

-        BBC - BBC News Africa (9.9.2019): Sudan's historic post-Bashir cabinet sworn in, https://www.bbc.com/news/topics/cq23pdgvgm8t/sudan, Zugriff 11.9.2019

-        DF - Deutschlandfunk.de (9.9.2019): Sudan - Neue Regierung vereidigt, https://www.deutschlandfunk.de/sudan-neue-regierung-vereidigt.1939.de.html? drn:news_id=1047026, Zugriff 9.9.2019

-        DS - derStandard (21.8.2019): Übergangsphase - Elfköpfiger "Souveräner Rat" im Sudan gebildet, https://www.derstandard.at/story/2000107626252/elfkoepfiger-souveraener-rat-imsudan-gebildet, Zugriff 11.9.2019

-        DS - derStandard (17.7.2019): Lösung in Sicht - Durchbruch im Sudan: Konfliktparteien einigen sich auf Abkommen, https://www.derstandard.at/story/2000106376101/konfliktparteien-im-sudan-einigen-sichauf-abkommen, Zugriff 11.9.2019

-        DS - derStandard (17.7.2019a): Abkommen im Sudan macht Weg frei für Übergangsregierung, https://www.derstandard.at/story/2000107500841/machtuebergabean-zivile- regierung-im-sudan, Zugriff 11.9.2019

-        JA - Jeune Afrique (6.9.2019): Soudan: Abdallah Hamdok dévoile le premier gouvernement post-Béchir, https://www.jeuneafrique.com/825203/politique/soudan-abdallah-hamdokdevoile-le-premier-gouvernement-post-bechir/, Zugriff 11.9.2019

-        NZZ - Neue Zürcher Zeitung (24.7.2019): Der stärkste Mann im Sudan: ungebildet, grausam und reich dank Gold, https://www.nzz.ch/international/genera l-daglo-alias-hemeti- der-staerkste-mann-im-sudan-ld.1497578, Zugriff 11.9.2019

-        NZZ - Neue Zürcher Zeitung (21.8.2019): «Souveräner Rat» von Zivilisten und Militärs im Sudan gebildet, https://www.nzz.ch/international/ernennung-von-souveraenem-rat-imsudan-verzoegert-sich-ld.1502645, Zugriff 11.9.2019

-        Reuters (29.7.2019): Four school children shot dead at Sudan protest -opposition campaigners, https://af.reuters.com/article/topNews/idAFKCN1UO1FF-OZATP, Zugriff 18.9.2019

-        TS - Der Tagespiegel (17.8.2019): Weg für Übergangsregierung ist frei - Militär und Protestbewegung im Sudan unterzeichnen Abkommen, https://www.tagesspiegel.de/politik/ weg-fuer-uebergangsregierung-ist-frei-militaer-und-protestbewegung-im-sudanunterzeichnen-abkommen/24915706.html, Zugriff 11.9.2019

-        ZO - Zeit Online (28.7.2019): UN-Soldaten bleiben im Sudan, https://www.zeit.de/politik/ausland/2019-06/sudan-vereinte-nationen-sicherheitsratafrikanische-union, Zugriff 11.9.2019

-        ZO - Zeit Online (24.7.2019): Warum protestieren die Sudanesen immer noch?, https://www.zeit.de/2019/31/sudan-demonstrationen-uebergangsabkommen-militaerdemokratiebuendnis, Zugriff 11.9.2019

KI vom 4.6.2019: Militär greift zivile Opposition an (betrifft: Abschnitt 2 – politische Lage; 3 – Sicherheitslage; 6 – Folter und unmenschliche Behandlung; 8 – Allgemeine Menschenrechtslage):

Die Lage im Sudan ist eskaliert. Zuerst kam es am 29.5.2019 zu landesweiten Streiks, um das Militär zu einem Einlenken zu bewegen (NZZ 4.6.2019). Nun wurden beim Vorgehen gegen Demonstranten mindestens 35 von ihnen getötet und über 200 verletzt (NZZ 4.6.2019; vgl. DS 4.6.2019, TS 4.6.2019) als Angehörige der Rapid Support Forces (RSF) sowie Bereitschaftspolizei am 3.6.2019 in Khartum das Feuer eröffneten (DS 3.6.2019). Auch in Omdurman und Gedaref ist es zu Angriffen auf Sitzblockaden gekommen (AP 4.6.2019; vgl. TS 4.6.2019).

Seit Wochen forderten Demonstranten in einem Sitzstreik vor dem Armeehauptquartier in Khartum die Auflösung der Militärregierung und den Übergang zu einer Zivilregierung (NZZ 4.6.2019). Dieser Sitzstreik wurde zum Ziel, Bewaffnete umstellten das Streikgelände. Nach Tränengas- und Blendgranaten kam auch scharfe Munition zum Einsatz. In den Wochen davor kam es zwischen militärischem Übergangsrat (TMC) und Opposition zu Verhandlungen über die Bildung einer Übergangsregierung. Allerdings kam es zu keiner Einigung (DS 3.6.2019).

Am 4.6.2019 hat der Vorsitzende des TMC, Abdelfattah al-Burhan, alle bisher mit der Opposition vereinbarten Punkte aufgekündigt. Er hat erklärt, dass binnen 7-9 Monaten Wahlen abgehalten werden sollen (DS 4.6.2019; vgl. TS 4.6.2019, NZZ 4.6.2019). Gleichzeitig hat Burhan die am 3.6.2019 Gestorbenen als „Märtyrer“ bezeichnet, deren Tod er bedauert. Burhan hat den Generalstaatsanwalt mit der Untersuchung der Vorkommnisse beauftragt (CNN 4.6.2019). Gleichzeitig erklärte er aber, dass die Demonstranten für die Eskalation mitverantwortlich seien (AJ 4.6.2019).

Aufgrund der Eskalation hat die Opposition in Form der Sudanesische Berufsvereinigung (SDA) alle Gespräche mit dem TMC abgebrochen. Sie rief die Bevölkerung zum verstärkten Widerstand und zu zivilem Ungehorsam auf (DS 3.6.2019). Die führende Oppositionspartei Umma forderte dazu auf, landesweit Sitzblockaden einzurichten (Zeit 3.6.2019; vgl. TS 4.6.2019). Noch am selben Tag demonstrierten in mehreren Städten des Landes tausende Menschen (DS 3.6.2019). Zugleich errichteten Demonstranten in Khartum, Omdurman und in anderen Orten Straßensperren. Die Pilotenvereinigung und andere Berufsverbände haben mitgeteilt, sich dem Aufruf zum zivilen Ungehorsam anzuschließen (NZZ 4.6.2019).

Quellen:

-        AJ - Al Jazeera (15.4.2019a): After bloody attack, Sudan army scraps agreements with protesters, https://www.aljazeera.com/news/2019/06/bloody-attack-sudan-armyscraps-agreements-protesters-190604005733226.html, Zugriff 4.6.2019

-        AP - Associated Press (4.6.2019): Streets empty in Sudan’s capital after deadly army crackdown, https://www.apnews.com/6aa51b2c638a4302ae2fcd6f2a5bb16c, Zugriff 4.6.2019

-        CNN (15.4.2019): Military chief calls for elections after 35 killed in Sudan crackdown, https://edition.cnn.com/2019/06/04/africa/sudan-military-elections-intl/index.html, Zugriff 4.6.2019

-        DS - Der Standard (4.6.2019): Militärrat kündigt Vereinbarung mit Sudans Protestbewegung auf, https://derstandard.at/2000104299500/Militaerrat-kuendigte-

Vereinbarung-mit-Sudans-Protestbewegung-auf, Zugriff 4.6.2019

-        DS - Der Standard (3.6.2019): Armee im Sudan richtet ein Blutbad an, https://derstandard.at/2000104280064/Armee-im-Sudan-richtet-ein-Blutbad-an, Zugriff 4.6.2019

-        NZZ - Neue Zürcher Zeitung (4.6.2019): Sudans Militärrat kündigt nach Gewalt gegen Demonstranten Neuwahlen an, https://www.nzz.ch/international/im-sudan-schlaegt-diearmee-zurueck-ld.1486411, Zugriff 4.6.2019

-        TS - Tagesschau (4.6.2019): Militärrat kündigt baldige Wahlen an, https://www.tagesschau.de/ausland/sudan-233.html, Zugriff 4.6.2019

-        Zeit (3.6.2019): Opposition will nicht mehr mit Militärrat verhandeln, https://www.zeit.de/politik/ausland/2019-06/proteste-sudan-militaer-gewaltdemonstranten, Zugriff 4.6.2019

KI vom 16.4.2019: Putsch gegen Bashir – aktuelle Lage (betrifft: Abschnitt 2 – politische Lage; 5 – Sicherheitsbehörden; 8 – Allgemeine Menschenrechtslage):

Im Sudan kam es seit Dezember 2018 zu Massenprotesten mit dutzenden Todesopfern (AJ 15.4.2019). Zunächst richteten sich die Proteste gegen Preiserhöhungen bei Benzin und Brot, später gegen die verfehlte Wirtschaftspolitik der Regierung und schließlich direkt gegen Präsident Bashir (WZ 15.4.2019; vgl. AJ 15.4.2019). Anfang April 2019 wurde Bashir dann nach 30 Jahren im Amt vom Militär gestürzt (BBC 15.4.2019), festgenommen und seither an einem unbekannten Ort festgehalten (WZ 15.4.2019; vgl. BBC 15.4.2019). Auch der Innenminister sowie der Chef der bis dahin regierenden National Congress Party (NCP) sind verhaftet worden (CNN 15.4.2019).

Die Putschisten haben einen Militärrat eingerichtet, der zwei Jahre lang regieren soll (CNN 15.4.2019; vgl. DW 15.4.2019, AJ 15.4.2019a), bevor Wahlen abgehalten werden (BBC

15.4.2019). Vorerst war der Rat von General Ibn Auf geführt worden; dieser wurde i.d.F. durch General Burhan ersetzt (BBC 15.4.2019; vgl. AJ 15.4.2019a). Ibn Auf verhängte eine dreimonatige Ausnahmezustand (BBC 15.4.2019; vgl. AJ 15.4.2019a), die damit verbundene nächtliche Ausgangssperre ist allerdings wieder aufgehoben worden (AJ 15.4.2019b; vgl. TNYT 16.4.2019).

Außerdem hat der Militärrat die Führung von Polizei, Armee und Geheimdienst ausgetauscht, Antikorruptionsmaßnahmen sowie die Freilassung politischer Gefangener angekündigt und Zensurmaßnahmen aufgehoben (BBC 15.4.2019).

Zuletzt hat die Armee vergeblich versucht, Teile der seit Tagen bestehenden Sitzblockade vor der Zentrale der Streitkräfte in der Hauptstadt Khartum zu räumen. Soldaten gaben angesichts des Widerstands der Menschen auf dem Platz auf (WZ 15.4.2019; vgl. CNN 15.4.2019, BBC 15.4.2019, TNYT 16.4.2019). Die Demonstranten wollen bleiben, bis es eine Garantie für eine Zivilregierung gibt (CNN 15.4.2019; vgl. BBC 15.4.2019, MEMO 16.4.2019). Die von der Sudanese Professionals‘ Association (SPA) angeführte Protestbewegung verlangt eine sofortige Machtübergabe an eine konsensual bestimmte Zivilregierung (MEMO 16.4.2019). Einige Demonstrantinnen haben ihr Kopftuch abgelegt – zuvor undenkbar (CNN 15.4.2019).

Die Generäle bemühen sich, in Gesprächen mit Vertretern der Opposition eine gemeinsame Übergangsregierung zu bilden. Das Militär hat zugestanden, dass der Ministerpräsident ein von den Parteien ausgesuchter Experte werden soll. Die NCP soll vom Prozess ausgeschlossen bleiben (WZ 15.4.2019; vgl. BBC 15.4.2019). Der Staatspräsident soll aus den Reihen der Streitkräfte kommen. Die SPA und andere Vertreter der Opposition fordern jedoch eine komplett zivile Regierung (WZ 15.4.2019; vgl. DW 15.4.2019) und die Auflösung des regierenden Militärrats (Welt 15.4.2019; vgl. DW 15.4.2019). Die Protestbewegung tritt für eine längere (zivile) Übergangsperiode ein, um übereilte Wahlen – wie in Libyen und Ägypten – und die damit verbundenen Probleme zu vermeiden (TNYT 16.4.2019).

Generell gibt es Befürchtungen, wonach den Sudan das Schicksal Libyens ereilen könnte (TNYT 16.4.2019). Insgesamt ist es jedoch geradezu unmöglich, die Entwicklungen der kommenden Wochen und Monate vorherzusagen. Regionale arabische Mächte werden versuchen, ihnen genehme Lösungen in Khartum zu unterstützen. Außerdem können Beobachter nicht glauben, dass das Militär tatsächlich die Macht an Zivilisten abtreten wird; die konzilianten Töne nach dem Putsch könnten der Armee dazu dienen, hinter dem Vorhang die eigene Macht abzusichern (TRT 16.4. 2019). Es ist unwahrscheinlich, dass die Putschisten Interesse daran haben, dem Militär Macht zu entziehen (AJ 15.4.2019b).

Quellen:

-        AJ - Al Jazeera (15.4.2019a): Sudan's military removes al-Bashir: All the latest updates, https://www.aljazeera.com/news/2019/04/sudan-army-removes-bashir-latestupdates-190411125048555.html, Zugriff 16.4.2019

-        AJ - Al Jazeera (15.4.2019b): Sudan protesters warn 'remnants of Bashir regime' still at work, https://www.aljazeera.com/news/2019/04/sudan-protesters-warn-remnantsbashir-regime-work-190415144622104.html, Zugriff 16.4.2019

-        BBC (15.4.2019): Sudan crisis: Protest leaders demand end of 'deep state', https://www.bbc.com/news/world-africa-47933742, Zugriff 16.4.2019 CNN (15.4.2019): As Bashir faces court, Sudan's protesters keep the music alive, https://edition.cnn.com/2019/04/15/africa/sudan-protest-music-nima-elbagir-intl/ index.html, Zugriff 16.4.2019

DW - Deutsche Welle (15.4.2019): Afrikanische Union stellt Sudans Militär Ultimatum, https://www.dw.com/de/afrikanische-union-stellt-sudans-militär-ultimatum/a-48341288, Zugriff 16.4.2019

MEMO - Middle East Monitor (16.4.2019): Sudan military council excludes al-Bashir’s party from government formation, https://www.middleeastmonitor.com/20190416sudan-military-council-excludes-al-bashirs-party-from-government-formation/, Zugriff 16.4.2019

TNYT - The New York Times (16.4.2019): Amid Euphoria in Sudan, a Delicate Dance Over Who Will Lead: Soldiers or Civilians?, https://www.nytimes.com/2019/04/16/world/ africa/sudan-protests.html, Zugriff 16.4.2019 TRT - TRT World (16.4.2019): Sudan: The counter-revolution will not be televised, https://www.trtworld.com/opinion/sudan-the-counter-revolution-will-not-be-televised25895, Zugriff 16.4.2019 Welt (15.4.2019): Demonstranten im Sudan verlangen Auflösung des Militärrats, https://www.welt.de/newsticker/news2/article191998109/Proteste-Demonstranten-imSudan-verlangen-Aufloesung-des-Militaerrats.html, Zugriff 16.4.2019 WZ - Wiener Zeitung (15.4.2019): Demonstranten im Sudan trotzen dem Militär, https:// www.wienerzeitung.at/nachrichten/politik/welt/2004763-Demonstranten-im-Sudantrotzen-dem-Militaer.html, Zugriff 16.4.2019 

2.       Politische Lage:

Der Sudan ist eine Republik, deren Macht in den Händen des autoritären Präsidenten Omar Hassan al-Bashir konzentriert ist (USDOS 20.4.2018). Der Sudan ist der Verfassung nach ein Bundesstaat, der 17 Bundesstaaten umfasst. Das Zentralstaatsprinzip ist gleichwohl stark ausgeprägt. Staatspräsident ist Feldmarschall Omar Hassan Ahmad al-Baschir. Er ist zugleich Premierminister und Oberbefehlshaber der Streitkräfte, Vorsitzender des obersten Richterrates und Befehlshaber der Polizei. Er kann die Verfassung aussetzen und den Ausnahmezustand erklären (AA 12.2017a).

1983 erklärte Präsident Nimeiri den Sudan zum islamischen Staat und führte die Scharia ein. Der südsudanesische Autonomiestatus wurde aufgehoben. Dies führte zu einem 22 Jahre andauernden Bürgerkrieg. Mehr als zwei Millionen Menschen verloren durch den Krieg und seine direkten Folgen ihr Leben, und mehr als vier Millionen wurden, zum Teil mehrmals, vertrieben. Unter hohem internationalem Druck verhandelten beide Seiten ein Friedensabkommen, das im Januar 2005 unterschrieben und als Comprehensive Peace Agreement (CPA) bekannt wurde. Am 9.7.2011 erklärte der Südsudan unter großer internationaler Aufmerksamkeit und friedlicher Beteiligung des Nordens seine Unabhängigkeit. Der Sudan hat diesen neuen Staat umgehend anerkannt (GIZ 8.2018b).

Die sudanesische Innenpolitik ist maßgeblich durch die notwendigen wirtschaftlichen und politischen Anpassungen nach der Sezession des Südsudan bestimmt (AA 12.2017a; vgl. GIZ 8.2018a). Nach der Unabhängigkeit des Südsudan soll für den Sudan eine neue Verfassung ausgearbeitet werden. Die Neufassung ist immer wieder verschoben worden, soll aber Plänen zufolge stark islamisch geprägt sein. Eine neue Verfassung ist nach wie vor nicht in Sichtweite. Anfang 2015 wurden jedoch Pläne bekannt, umfangreiche Verfassungsänderungen vorzunehmen, die vor allem die Machtbefugnisse des Präsidenten stärken sollen. Die von der Opposition heftig kritisierten und Ende 2016 ratifizierten Vorhaben betreffen u.a. die Ernennung der Provinzgouverneure durch den Präsidenten, die seit den Regionalwahlen im Jahr 2010 erstmalig von der Bevölkerung direkt gewählt wurden und eine Aufwertung des Nationalen Sicherheitsdienstes (NISS) (GIZ 8.2018a).

Sudans Langzeitpräsident Omar Hassan Al-Bashir wurde am 2.6.2015 wiedergewählt und bleibt für weitere fünf Jahre im Amt (GIZ 8.2018a). Der seit 1989 amtierende Präsident Omar Al-Bashir siegte haushoch mit 94,05% der abgegebenen Stimmen. Der zweitplatzierte Kandidat erhielt 1,43%. Da alle ernst zu nehmenden Kandidaten und Parteien der Opposition die Wahl boykottierten, galt bei den Präsidentschaftswahlen die Wiederwahl von Omar Al-Bashir als reine Formsache. Wegen des Wahlboykotts der wichtigsten Oppositionsparteien, wie der Umma-Partei des früheren Ministerpräsidenten Sadiq al-Mahdi und der SPLM-Nord, des sudanesischen Ablegers der südsudanesischen SPLM, gehören unabhängige Kandidaten zu den Gewinnern der Parlamentswahlen. Die Oppositionsparteien und Rebellenorganisationen forderten die internationale Gemeinschaft zur Nichtanerkennung der Wahlergebnisse auf, da diesen die politische Legitimation fehlen würde. Politische Analysten sehen im Boykott der Wahlen durch die wichtigsten Oppositionsparteien eine Gefahr für die demokratischen Strukturen und in den hohen Wahlergebnissen für Präsident und Regierungspartei eher eine Tendenz zum Einparteienstaat (GIZ 8.2018a; vgl. USDOS 20.4.2018).

In seiner Antrittsrede bot Al-Bashir den Rebellengruppen in Darfur eine Amnestie an, sollten diese Friedensverhandlungen zustimmen und kündigte Maßnahmen gegen die grassierende Korruption im Land an (GIZ 8.2018a).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt (12.2017a): Länderinformationen, Sudan, Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/sudan-node/-/203304, Zugriff 9.8.2018

-        GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (8.2018a): Sudan, Geschichte und Staat, http://liportal.giz.de/sudan/geschichte-staat/, Zugriff 10.8.2018

-        GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (8.2018b): Südsudan, Geschichte und Staat, http://liportal.giz.de/suedsudan/geschichte-staat/, Zugriff 10.8.2018

-        USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 – Sudan, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430180.html, Zugriff 10.8.2018

3.       Sicherheitslage:

Die Lage ist in weiten Teilen des Landes angespannt (EDA 10.8.2018). Der Sudan ist seit Loslösung des Südens und dem Verlust eines Großteils seines Öleinkommens in einer schwierigen Situation, die wiederum zu inzwischen chronischen Phasen sozialer Unruhe führt (GIZ 8.2018a). Aufgrund sozialer Spannungen sind Demonstrationen mit gewalttätigen Ausschreitungen daher immer wieder möglich (EDA 10.8.2018; vgl. FD 10.8.2018).

In einigen Landesteilen finden bewaffnete Konflikte statt. In mehreren Landesteilen besteht die Gefahr von Landminen und Blindgängern (EDA 10.8.2018). Es besteht weiterhin eine erhöhte Terrorismusgefahr im gesamten Sudan, auch wenn die letzten Anschlagsversuche einige Jahre zurückliegen. In verschiedenen Landesteilen wurden in den vergangenen Jahren vereinzelte Zellen, die Anschläge geplant hatten, durch sudanesische Behörden aufgedeckt (AA 10.8.2018).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt (10.8.2018): Sudan: Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/sudan-node/sudansicherheit/ 203266, Zugriff 10.8.2018

-        EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (10.12.2015): Reisehinweise für den Sudan, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/vertretungen-undreisehinweise/sudan.html, Zugriff 10.8.2018

-        FD - France Diplomatie (10.8.2018): Conseils aux Voyageurs - Soudan - Sécurité, https://www.diplomatie.gouv.fr/fr/conseils-aux-voyageurs/conseils-par-pays-destination/ soudan/, Zugriff 10.8.2018

-        GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (8.2018a): Sudan, Geschichte und Staat, http://liportal.giz.de/sudan/geschichte-staat/, Zugriff 10.8.2018

3.1.    Spezifische regionale Risiken:

Süden: Nach einem mehr als 21 Jahre dauernden Bürgerkrieg wurde das Land getrennt. Am 9.7.2011 ist im Süden der Südsudan entstanden. Wichtige Fragen bleiben aber noch ungeklärt, wie z.B. der genaue Grenzverlauf, die Zuteilung der Region Abyei zum Norden oder zum Süden, die Aufteilung der Erdöleinnahmen sowie Status und zukünftige Rechte der Südsudanesen, die zurzeit im Norden wohnen und umgekehrt. Die Sicherheitslage in der Grenzregion zwischen Sudan und Südsudan bleibt weiterhin instabil. Es kommt immer wieder zu kriegerischen Auseinandersetzungen. Betroffen sind vor allem die Provinzen Südkordofan und Blue Nile. In Abyei sind seit August 2011 UN-Friedenstruppen stationiert. In diesen Gebieten besteht auch Minengefahr (EDA 27.8.2018). Westen (Darfur): Die schwelenden Stammeskonflikte im Westen des Landes sind seit Ende 2003 zu schweren Kämpfen eskaliert (EDA 10.8.2018). Die Sicherheitslage ist noch immer prekär. Es besteht das Risiko von Entführungen. Von Reisen in alle fünf Darfur-Teilregionen - Nord-, Westund Süd-Darfur sowie nach Nordkordofan wird wegen militärischer Auseinandersetzungen und hoher Bandenkriminalität abgeraten (BMEIA 27.8.2018; vgl. EDA 27.8.2018, FD 27.8.2018). Kämpfe zwischen Regierungstruppen und Rebellen sind wiederkehrend. Außerdem kommt es zu einer Zunahme von Zusammenstößen zwischen den Gemeinschaften und der Zunahme krimineller Gewalttaten (FD 27.8.2018). Zwei Rebellengruppen (Justice and Equality Movement JEM; Sudan Liberation Army - SLA), hervorgegangen aus schwarzafrikanischen Volksgruppen in Darfur, warfen der sudanesischen Regierung vor, die Region zu marginalisieren und die Bevölkerung zu unterdrücken. Die sudanesische Regierung reagierte, unterstützt von arabischen Milizen (den Janjaweed), auf diesen Angriff mit einem bewaffneten Feldzug (GIZ 8.2018a).

Zudem hat die Regierung sich zu einem Friedensschluss mit der bewaffneten Opposition in diesen Gebieten verpflichtet. Hierüber wird im Augenblick unter der Leitung des ehemaligen südafrikanischen Präsidenten Mbeki verhandelt (AA 6.11.2017).

Die an diesen Verhandlungen beteiligte bewaffnete Opposition besteht zurzeit aus „Sudanese People’s Liberation Movement-North“(SPLM-N, aktiv in den „Two Areas“), „Justice and Equality Movement“ (JEM/in Dafur) und „Sudanese Liberation Army-Minni Minnawi“(SLA-MM, in Dafur). Zu größeren Kampfhandlungen ist es zuletzt Mitte 2016 in den Marra-Bergen in Dafur gekommen, bei denen noch einmal ca. 100.000 Menschen vertrieben wurden. Seit dieser Zeit kam es nur noch zu kleineren bewaffneten Auseinandersetzungen, da infolge der Kampfhandlungen in 2016 sowohl JEM und SLA-MM, als auch die sich jeder Verhandlung bis jetzt verweigernde Rebellengruppe von Abdul Wahid Nuer über nur noch unbedeutende militärische Präsenz in Dafur verfügen. Trotz der derzeit ruhigen militärischen Lage ist Dafur noch weit von Frieden und Sicherheit für die dortige Bevölkerung entfernt. Diese Landesteile sind keineswegs befriedet. Die von ihrem Land Vertriebenen haben noch keine Möglichkeit, in ihre Heimat zurückzukehren, da weite Teile Dafurs von Gesetzlosigkeit und der Herrschaft von lokalen Milizen geprägt sind. Die gemeinsame Friedensmission der Afrikanischen Union und der Vereinten Nationen in Darfur (UNAMID) vermag nur in sehr begrenztem Umfang zur Verbesserung der Sicherheitslage beizutragen (AA 6.11.2017). Seit März 2018 haben erneute Kämpfe zwischen der sudanesischen Befreiungsarmee Abdul Wahid (SLA-AW) mit der sudanesischen Armee und den Rapid Support Forces (RSF) jedoch zu einer weiteren Vertreibung von Hunderttausenden von Menschen geführt, die sich in Jebel Marra in schweren humanitären und Menschenrechtskrisen befinden (AI 28.6.2018) Osten (Gedaref, Kassala, Red Sea): Im Oktober 2006 schlossen die lokalen Rebellen und die Regierung ein Friedensabkommen (EDA 27.8.2018). Seit dem East Sudan Peace Agreement (ESPA) von 2006 gibt es im Ostsudan keine bewaffneten Auseinandersetzungen mehr (AA 6.11.2017). Zudem sind nach dem Friedensschluss zwischen der ostsudanesischen „Eastern Front“ und der Regierung in Khartum in der Region viele Sicherheitskräfte präsent (AA 27.8.2018).

Grenzgebiete zu Ägypten und Libyen: In den Grenzgebieten zu Ägypten und Libyen sind Banditen und Schmuggler aktiv (EDA 27.8.2018). Dort kontrollieren ehemalige, jetzt in die Armee integrierte Milizen („Rapid Support Forces“) das Grenzgebiet und liefern sich mit aus Libyen einsickernden Rebellen und Schleuserbanden Gefechte (AA 27.8.2018).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt (6.11.2017): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Sudan, (Stand: Oktober 2017),

https://www.ecoi.net/en/file/local/1419907/4598_1513253244_auswaertiges-amt-berichtueber-sudan-stand-oktober-2017-06-11-2017.pdf, Zugriff 27.8.2018

-        AA - Auswärtiges Amt (27.8.2018): Sudan: Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/sudan-node/sudansicherheit/ 203266, Zugriff 27.8.2018

-        AI - Amnesty International (28.6.2018): Sudan: Down-sized UN Mission for an over-sized human rights crisis,

https://www.ecoi.net/en/file/local/1436980/1226_1530258742_afr5486802018english.pdf, Zugriff 10.8.2018

-        EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (27.8.2018): Reisehinweise für den Sudan, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/vertretungen-undreisehinweise/sudan.html, Zugriff 27.8.2018

-        FD - France Diplomatie (27.8.2018): Conseils aux Voyageurs - Soudan - Sécurité, https://www.diplomatie.gouv.fr/fr/conseils-aux-voyageurs/conseils-par-pays-destination/ soudan/, Zugriff 27.8.2018

-        GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (8.2018a): Sudan, Geschichte und Staat, http://liportal.giz.de/sudan/geschichte-staat/, Zugriff 27.8.2018

4.       Rechtsschutz / Justizwesen:

In rechtsstaatlicher Hinsicht weist der Sudan gravierende Mängel auf. Es gibt keine funktionierende Gewaltenteilung (AA 6.11.2017). Die Justiz ist ineffizient und korrupt (USDOS 20.4.2018). Auch wenn die Interimsverfassung eine unabhängige Justiz vorsieht, ist diese größtenteils dem Präsidenten oder den Sicherheitskräften unterworfen (USDOS 20.4.2018; vgl. AA 6.11.2017) vor allem in Fällen von angeblichen Verbrechen gegen den Staat. Manchmal zeigen die Gerichte einen gewissen Grad an Unabhängigkeit. Allerdings ist politische Einflussnahme allgemein üblich und einige hochrangige Mitarbeiter der Justiz sind gleichzeitig für das Innenministerium oder andere Teile der Exekutive tätig (USDOS 20.4.2018). Die Folge ist, dass Richter oftmals bemüht sind, mit ihren Urteilen politisch nicht anzuecken. Es fehlt u.a. an hinreichender Ausbildung der Mitarbeiter im Justizbereich. Das „Public Grievances Board“, das nominell die Funktion eines Ombudsmanns ausübt, hat in der Praxis keine Bedeutung (AA 6.11.2017).

Das sudanesische Strafrecht basiert auf der Scharia und es können Strafen wie Auspeitschen, Amputationen und Steinigungen trotz verfassungsmäßigen Verbots verhängt werden (USDOS 20.4.2018).

Die verfassungsmäßig zugesicherten Rechte auf ein faires und zügiges Gerichtsverfahren sowie die Unschuldsvermutung werden häufig nicht geachtet. Verhandlungen sind normalerweise öffentlich, außer wenn es sich um Vergehen gegen den Staat oder die Staatssicherheit handelt. Der Angeklagte hat Anspruch auf einen Pflichtverteidiger, jedoch gibt es Berichte darüber, dass Angeklagten dieses Recht manchmal verweigert wird. Militärprozesse, die manchmal geheim und rasch ablaufen, beinhalten keine prozessualen Rechtsstandards. Auf dem Special Courts Act beruhende Sondergerichte bestehen meist aus Zivilrichtern, behandeln jedoch oft sicherheitsrelevante Fälle. Bei diesen Gerichten gibt es nur eingeschränkte Möglichkeiten der Rechtshilfe (USDOS 20.4.2018).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt (6.11.2017): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Sudan, (Stand: Oktober 2017),

https://www.ecoi.net/en/file/local/1419907/4598_1513253244_auswaertiges-amt-berichtueber-sudan-stand-oktober-2017-06-11-2017.pdf, Zugriff 13.8.2018

-        USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 – Sudan, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430180.html, Zugriff 13.8.2018

5.       Sicherheitsbehörden:

Mehrere Regierungsorganisationen sind für die innere Sicherheit verantwortlich: der Nationale Nachrichten- und Sicherheitsdienst NISS, das Innenministerium und das Verteidigungsministerium.

Der NISS ist in allen wichtigen Städten vertreten. Das Innenministerium kontrolliert Polizeikräfte, wie unter anderem die Nationale Polizei, polizeiliche Spezialeinheiten und die Central Reserve Police (CRP) (USDOS 20.4.2018). Die im Jahr 2013 gegründeten Rapid Support Forces (RSF), als Teil des Sicherheitsapparates, fiel mit 2016 unter die Sudanese Armed Forces (SAF), welche direkt dem Präsidenten unterstellt ist. Es handelt sich dabei um eine Einheit, die größtenteils aus ehemaligen Angehörigen darfurischer Milizen (Janjaweed) besteht (USDOS 20.4.2018; vgl. AA 6.11.2017).

Die Polizei agiert häufig willkürlich; eine richterliche Kontrolle polizeilichen Handelns findet kaum statt. Der mächtige NISS ist innerstaatlich de facto ohne demokratische und rechtsstaatliche Kontrolle tätig. Willkürliche Verhaftungen ohne richterlichen Haftbefehl sind Praxis (AA 6.11.2017). Straffreiheit stellt in allen Teilen der Sicherheitskräfte ein verbreitetes Problem dar (USDOS 20.4.2018).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt (6.11.2017): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Sudan, (Stand: Oktober 2017),

https://www.ecoi.net/en/file/local/1419907/4598_1513253244_auswaertiges-amt-berichtueber-sudan-stand-oktober-2017-06-11-2017.pdf, Zugriff 13.8.2018

-        USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 – Sudan, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430180.html, Zugriff 13.8.2018

6.       Folter und unmenschliche Behandlung:

Obwohl die Übergangsverfassung von 2005 Folter und unmenschliche Behandlung verbietet, foltern und belästigen Sicherheitskräfte, Regierungsmilizen und Rebellengruppen politische Gegner weiterhin (USDOS 20.4.2018). Polizei- und Sicherheitskräfte gehen generell mit Härte vor. Konzepte wie Rechtsstaatlichkeit oder Verhältnismäßigkeit sind vielen Sicherheitskräften unbekannt oder werden bewusst außer Acht gelassen. Von rüdem polizeilichem Handeln sind in Khartum lebende afrikanischstämmige Südsudanesen und Binnenvertriebene aus Darfur und den Nubabergen besonders stark betroffen gewesen. Die meisten Südsudanesen haben das Land inzwischen verlassen (AA 6.11.2017). In Darfur und anderen Konfliktregionen kommt es durch Regierungstruppen, Rebellen und Stammesfraktionen zu außergerichtlichen Hinrichtungen (USDOS 20.4.2018). Vor allem der sudanesischen Armee werden systematische Angriffe auf die Zivilbevölkerung als eine zentrale Strategie der Kriegsführung vorgeworfen. So kommt es immer wieder zu Bombardierungen von Dörfern durch die sudanesische Luftwaffe. Weiter stellen sexuelle Gewalt in den Konfliktregionen durch Milizen der Regierung und der sudanesischen Armee und die Rekrutierung von Kindersoldaten, vor allem durch die verschiedenen Rebellenorganisationen, ein immenses Problem dar (GIZ 8.2018a).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt (6.11.2017): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Sudan, (Stand: Oktober 2017),

https://www.ecoi.net/en/file/local/1419907/4598_1513253244_auswaertiges-amt-berichtueber-sudan-stand-oktober-2017-06-11-2017.pdf, Zugriff 13.8.2018

-        GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (8.2018a): Sudan, Geschichte und Staat, http://liportal.giz.de/sudan/geschichte-staat/, Zugriff 13.8.2018

-        USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 – Sudan, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430180.html, Zugriff 13.8.2018

7.       Korruption:

Trotz Antikorruptionsgesetzen (USDOS 20.4.2018) ist die Korruption im Land allgegenwärtig (GIZ 8.2018a; vgl. USDOS 20.4.2018) und durchzieht sämtliche Sektoren der Wirtschaft (GIZ 8.2018a) und des Staatsapparates (GIZ 8.2018a; vgl. USDOS 20.4.2018). Behördenmitarbeiter sind oftmals in korrupte Aktivitäten involviert. Die Regierung unternimmt nur wenig Bemühungen, um Gesetze zur Vermeidung und Verfolgung von Korruption anzuwenden (USDOS 20.4.2018). So rangiert das Land im Korruptionswahrnehmungsindex von Transparency International im weltweiten Vergleich seit Jahren traditionell auf den letzten Rängen, aktuell (CPI 2017), mit Rang 175 von 180. Am meisten wird von Sudanesen die Korruption in Polizei und Behörden beklagt. Die sudanesische Polizei wird unter den weltweit zehn korruptesten Polizeikräften geführt, aber auch die Korruption in der Wirtschaft ist enorm. Nachdem Präsident al-Bashir Anfang 2012 eine AntiKorruptionsbehörde ins Leben gerufen hatte, wurde deren Vorsitzender nach einem Jahr wegen Untätigkeit wieder abgesetzt und dessen Posten bis heute nicht wieder besetzt. Stattdessen wurde von der sudanesischen Regierung eine Untersuchungskommission zur vorherigen Prüfung von Presseveröffentlichungen, in denen Amtsträgern Korruption vorgeworfen wird, eingeführt (GIZ 8.2018a). Fälle von Korruption bei öffentlich Bediensteten werden von einem speziellen Antikorruptionsstaatsanwalt untersucht. Verhängte Strafen werden allerdings kaum exekutiert (USDOS 20.4.2018).

Quellen:

-        GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (8.2018a): Sudan, Geschichte und Staat, http://liportal.giz.de/sudan/geschichte-staat/, Zugriff 13.8.2018

-        USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 – Sudan, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430180.html, Zugriff 13.8.2018

8.       Allgemeine Menschenrechtslage:

Die Verfassung gewährt allen Sudanesen die grundlegenden Menschenrechte. In jüngerer Vergangenheit kam es zu keiner nennenswerten Verbesserung der Menschenrechtslage im Sudan (AA 6.11.2017). Die Menschenrechtslage bleibt im ganzen Land weiterhin prekär (GIZ 8.2018a). Der Regierung und regierungsnahen Organisationen wird eine systematische Missachtung der grundlegendsten Menschenrechte vorgeworfen. Die Menschenrechtslage wird durch die im Land herrschenden bewaffneten Konflikte in Darfur und in den Grenzregionen zum Südsudan verschärft (GIZ 8.2018a).

Meinungs- und Pressefreiheit werden von der Übergangsverfassung gewährleistet. In der Praxis wird auf private oder öffentliche Kritik seitens des Staates mit Repressalien wie etwa Verhaftungen reagiert (USDOS 20.4.2018). Medien – Presse, Radio, und Fernsehen – werden vom Staat kontrolliert. Falls sie nicht der Regierungspartei gehören oder staatlich sind, unterliegen sie einer Zensur (GIZ 8.2018a; vgl. USDOS 20.4.2018). So werden regelmäßig die Veröffentlichungen von Artikeln verboten oder gleich ganze Zeitungsauflagen konfisziert. Sowohl die Verbote von Zeitungsauflagen, die das wirtschaftliche Überleben von Zeitungsverlagen massiv erschweren als auch komplette Schließungen von Zeitungen lassen viele Journalisten arbeitslos werden. Auch wird Druck auf Zeitungsherausgeber ausgeübt, um die Inhalte von Nachrichten zu steuern oder Berufsverbote für Journalisten verhängt. Bei unerwünschter Berichterstattung auch ausländischer Medien reagiert die Staatsgewalt mit der Schließung von deren Büros. Nach Berichten von Reporter ohne Grenzen gehören zu den zahlreichen Tabuthemen z.B. die Berichterstattung über Militäraktionen in den Unruheprovinzen des Landes, Meldungen zu Versorgungsengpässen und Korruptionsvorwürfe gegen Amtsträger (GIZ 8.2018a). Zwar wurde die Pressezensur 2009 formell aufgehoben, weiter bestehende Selbstzensur und administrative Hindernisse verhindern eine wirkliche Pressefreiheit (AA 12.2017a; vgl. AA 6.11.2017).

Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit sind gemäß der Verfassung gewährleistet, werden jedoch seitens der Regierung massiv eingeschränkt. Versammlungen von mehr als fünf Personen ohne Genehmigung werden seitens der Regierung als illegal betrachtet (USDOS 20.4.2018). Menschenrechtsorganisationen werden geschlossen oder an ihrer Arbeit gehindert (AA 12.2017a; vgl. USDOS 20.4.2018). Zahlreiche Menschenrechtsverteidiger haben das Land verlassen. Der Nationale Nachrichten- und Sicherheitsdienst (National Intelligence and Security Service – NISS) überwacht politische Gegner und kann missliebige Personen ohne richterlichen Beschluss verhaften (USDOS 20.4.2018).

Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag (ICC) hat im Jahr 2009 für den sudanesischen Präsidenten Omar Al-Bashir einen Haftbefehl aufgrund vorgeworfener Kriegsverbrechen in Darfur ausgestellt. 2010 wurde dieser um den Tatbestand des Völkermordes erweitert. Omar Al-Bashir ist der einzige amtierende Staatschef, gegen den ein Verfahren am ICC wegen Völkermordes anhängig ist. Haftbefehle des ICC bestehen seit einigen Jahren auch gegen den ehemaligen Innenminister und jetzigen Gouverneur von Südkordofan Ahmad Harun und einen ehemaligen Anführer der Janjaweed-Milizen. Gegen den amtierenden Verteidigungsminister Abdul Rahim Hussein wurde im Zusammenhang mit Kriegsverbrechen in Darfur im März 2012 ebenfalls seitens des ICC ein Haftbefehl ausgestellt. Ende 2014 stoppte der ICC die Ermittlungen zu den Kriegsverbrechen in Darfur wegen mangelnder Unterstützung der internationalen Staatengemeinschaft für eine Festnahme Al-Bashirs. Die Verfahren wurden bisher als endgültig gescheitert angesehen (GIZ 8.2018a).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt (6.11.2017): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Sudan, (Stand: Oktober 2017),

https://www.ecoi.net/en/file/local/1419907/4598_1513253244_auswaertiges-amt-berichtueber-sudan-stand-oktober-2017-06-11-2017.pdf, Zugriff 13.8.2018

-        AA - Auswärtiges Amt (12.2017a): Länderinformationen, Sudan, Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/sudan-node/-/203304, Zugriff 13.8.2018

-        GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (8.2018a): Sudan, Geschichte und Staat, http://liportal.giz.de/sudan/geschichte-staat/, Zugriff 13.8.2018

-        USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 – Sudan, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430180.html, Zugriff 13.8.2018

9.       Haftbedingungen:

Die Haftanstalten sind überfüllt und weisen landesweit menschenunwürdige Zustände auf (Überbelegung von Zellen, mangelhafte sanitäre Einrichtungen, unzureichende medizinische Versorgung, keine durchgängige Trennung von männlichen, weiblichen und jugendlichen Gefangene (AA 6.11.2017; vgl. USDOS 20.4.2018). Es gibt Berichte über Todesfälle aufgrund von Fahrlässigkeit in Gefängnissen und Untersuchungshaftanstalten, aber umfassende Zahlen liegen nicht vor. Die lokale Presse berichtete von Todesfällen infolge des Verdachts auf Folter durch die Polizei. Das Hauptgefängnis in Khartum, das Kober-Gefängnis, enthielt getrennte Abteilungen für politische Gefangene (USDOS 20.4.2018). Begüterte Gefangene können sich die Haftbedingungen erträglicher machen. Das im Dezember 2009 durch die Nationalversammlung verabschiedete Gesetz über Gefängnisvorschriften und die Behandlung von Insassen („The Regulation of Prisons and Treatment of Inmates Act“) entspricht nach Angaben der Vereinten Nationen nicht den VN-Minimalstandards für die Behandlung von Gefangenen (AA 6.11.2017). Die Regierung genehmigt eingeschränkte  Besuche von Gefängnissen durch Menschenrechtsbeobachter. Uneingeschränkter Zugang wird weiterhin verweigert. Das Justizministerium gewährt UNAMID (African Union/United Nations Hybrid Operation in Darfur) gelegentlich Zugang zu Regierungsgefängnissen in Darfur (USDOS 20.4.2018).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt (6.11.2017): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Sudan, (Stand: Oktober 2017),

https://www.ecoi.net/en/file/local/1419907/4598_1513253244_auswaertiges-amt-berichtueber-sudan-stand-oktober-2017-06-11-2017.pdf, Zugriff 16.8.2018

-        USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices

2017 – Sudan, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430180.html, Zugriff 16.8.2018

10.      Todesstrafe:

Der Sudan gehört zu den Staaten, in denen Todesurteile vollstreckt werden. Auch ein Urteil durch Steinigung kann verhängt werden. Im Jahr 2017 und auch im laufenden Jahr sind keine Todesstrafen vollstreckt worden (AI 2018; vgl. GIZ 8.2018a). Mindestens 17 Todesurteile wurden verhängt und 66 Begnadigungen ausgesprochen (AI 2018). 2017 tötete eine junge Frau in Notwehr Ihren Ehemann, als dieser versuchte sie zu vergewaltigen. Am 10.5.2018 wurde die junge Frau zum Tode verurteilt. Das Gericht hat das Todesurteil allerdings wieder aufgehoben und sie stattdessen zu fünf Jahren Gefängnis und einem «Blutgeld» (Dia) in Höhe von 337‘500 Sudanesischen Pfund (etwa 7.500 Euro) verurteilt (AI 26.6.2018). Das Strafgesetzbuch sieht für verschiedene Delikte, einschließlich Abfall vom Islam, Ehebruch, homosexuelle Handlungen (bei der dritten Verurteilung), Vergewaltigung und verschiedene Drogendelikte die Todesstrafe vor. Das Recht sieht auch Amputation von Gliedmaßen bei Eigentumsdelikten sowie Steinigung bei Ehebruch vor. Untere Gerichtsinstanzen verhängen derartige Strafen auch, die jedoch im Instanzenzug aufgehoben werden. Amputationen und Steinigungen haben in den letzten Jahren nicht mehr stattgefunden (AA 6.11.2017).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt (6.11.2017): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Sudan, (Stand: Oktober 2017), https://www.ecoi.net/en/file/local/1419907/4598_1513253244_auswaertiges-amt-berichtueber-sudan-stand-oktober-2017-06-11-2017.pdf, Zugriff 16.8.2018

-        AI - Amnesty International (26.6.2018): Todesurteil für Noura Hussein in Haftstrafe umgewandelt, https://www.amnesty.ch/de/laender/afrika/sudan/dok/2018/todesurteil-fuernoura-hussein-in-haftstrafe-umgewandelt, Zugriff 3.9.2018

-        AI - Amnesty International (2018): Global Report – Death Sentences and Executions 2017, https://www.amnesty.org/download/Documents/ACT5079552018ENGLISH.PDF, Zugriff 16.8.2018

-        GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (8.2018a): Sudan, Geschichte und Staat, http://liportal.giz.de/sudan/geschichte-staat/, Zugriff 16.8.2018

11.      Religionsfreiheit:

Die offizielle Staatsreligion im Sudan ist der durch große politische und gesellschaftliche Bedeutung gekennzeichnete Islam. Zwar herrscht im Sudan verfassungsmäßig Religionsfreiheit, von der die Realität jedoch weit entfernt ist. Dennoch vermischen sowohl die Anhänger des Islam als auch die des Christentums ihre Glaubensvorstellungen oft mit traditionellen religiösen Praktiken (GIZ 8.2018b). Schätzungen zufolge sind 97 Prozent der Bevölkerung im Sudan Muslime, davon fast alle Sunniten. Die restlichen drei Prozent sind vorwiegend Christen (USDOS 29.5.2018).

Die Verfassung gewährt Religionsfreiheit (AA 6.11.2017; vgl. USDOS 29.5.2018). Gesetze und Regierungspraxis bevorzugen allerdings den Islam. Das Ministry of Guidance and Endowments (MGE) regelt die islamische Religionspraxis, einschließlich Aktivitäten wie die Überprüfung von Freitagspredigten in Moscheen, überwacht die Kirchen und ist für die Gewährleistung der Gleichbehandlung aller religiösen Gruppen zuständig. Die MGE gibt auch Empfehlungen an die zuständigen Ministerien in Bezug auf religiöse Fragen, mit denen die Ministerien konfrontiert sind (USDOS 29.5.2018). Durch die 2007 eingesetzte „Nationale Kommission zum Schutz der Rechte von Nicht-Muslimen in der Hauptstadt“ ist der Schutz der Rechte nicht-muslimischer Minderheiten jedenfalls in der Hauptstadt institutionalisiert (AA 6.11.2017). Die seelsorgerische und soziale Tätigkeit der christlichen Kirchen in Khartum, die vor Inkrafttreten des Friedensabkommens häufig behindert wurden, ist derzeit weitgehend frei. Aus anderen Teilen des Nordsudans kommen gelegentlich Meldungen über Schikanen gegenüber christlichen Kirchen, die im muslimisch geprägten Umfeld tätig sind (AA 6.11.2017).

Auf Apostasie, insbesondere den Übertritt eines Muslims zum Christentum, steht nach der 1983 eingeführten Scharia die Todesstrafe, deren Vollstreckung bis zum Vollzug der Hinrichtung durch Sprechen des islamischen Glaubensbekenntnisses abgewendet werden kann (AA 6.11.2017; vgl. USDOS 29.5.2018).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt (6.11.2017): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Sudan, (Stand: Oktober 2017), https://www.ecoi.net/en/file/local/1419907/4598_1513253244_auswaertiges-amt-berichtueber-sudan-stand-oktober-2017-06-11-2017.pdf, Zugriff 16.8.2018

-        GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (8.2018b): Sudan, Gesellschaft, http://liportal.giz.de/sudan / gesellschaft/ , Zugriff 16.8.2018

-        USDOS - US Department of State (29.5.2018): 2017 Report on International Religious Freedom – Sudan, https://www.ecoi.net/de/dokument/1436834.html, Zugriff 16.8.2018

12.      Ethnische Minderheiten:

Der Sudan ist ein Vielvölkerstaat mit etwa fünfzehn größeren Ethnien, ihren mehreren hundert Untergruppen und kleineren Ethnien. Durch die Vielzahl von Konflikten und daraus resultierenden Vertreibungen variieren die Informationen und Statistiken zur ethnischen Gliederung des Landes. Etwa 70 Prozent der Bevölkerung wird zum arabisch-islamischen Bevölkerungsteil gezählt. Größere arabische Gruppen wie z.B. die Ja'aliyin und die Shayqiya, traditionell Bauern und Viehzüchter, stellen zumeist auch die politische und wirtschaftliche Bildungselite der nordsudanesischen Gesellschaft. Größtenteils als Kamel- und Rindernomaden leben die Kababish in Nord-Kordofan und die Baggara im östlichen Darfur und Süd-Kordofan. Immer wieder zu schweren Ausschreitungen führt der Konflikt zwischen den zu den nomadischen Baggara gehörenden Misseriye aus dem Süden Kordofans, die ihre Herden traditionell in die zwischen dem Sudan und Südsudan umstrittene Region Abyei treiben und den hier ansässigen Ngok-Dinka. Zu den bekanntesten nichtarabischen Gruppen des Sudan gehören z.B. die beiderseits der ägyptischsudanesischen Grenze am Nil lebenden Nubier und die Volksgruppen Darfurs, darunter die Zaghawa, deren ökologisch bedingte Abwanderung aus Norddarfur u.a. als einer der Gründe des Darfur-Konflikts angesehen wird und die vornehmlich Hirseanbau betreibenden Fur, die der Region den Namen gaben (Dar Fur - Land der Fur), sowie d

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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