Entscheidungsdatum
07.10.2020Norm
AsylG 2005 §12a Abs2Spruch
L524 1433538-3/2E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht fasst durch die Richterin Mag. Veronika SANGLHUBER LL.B. in dem amtswegig eingeleiteten Verfahren über die durch den mündlich verkündeten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30.09.2020, Zl. 608833506-200863770, erfolgte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes betreffend XXXX, geb. XXXX, StA Türkei, vertreten durch RA Mag. Eva VELIBEYOGLU, Columbusgasse 65, 1100 Wien, den Beschluss:
A) Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist gemäß § 12a Abs. 2 AsylG nicht rechtmäßig. Der mündlich verkündete Bescheid wird aufgehoben.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Begründung:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, stellte am 07.11.2012 aus dem Stande der Schubhaft einen ersten Antrag auf internationalen Schutz. Als Fluchtgrund gab er an, dass er wegen der Suche nach Arbeit nach Europa gekommen sei und er familiäre Probleme in der Türkei habe.
2. Mit Bescheid des Bundesasylamtes (BAA) vom 25.02.2013, Zl. 12 16.514-EAST Ost, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurde der Antrag hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Türkei abgewiesen (Spruchpunkt II.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG wurde der Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Türkei ausgewiesen (Spruchpunkt III.). Einer Beschwerde gegen diesen Bescheid wurde gemäß § 38 Abs. 1 AsylG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt IV.).
3. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 25.03.2013, E7 433.538-1/2013/6E, als unbegründet abgewiesen. Dieses Erkenntnis wurde dem Beschwerdeführer am 29.03.2013 zugestellt und erwuchs damit in Rechtskraft.
4. Am 11.08.2020 wurde der unrechtmäßig in Österreich aufhältige Beschwerdeführer einer fremdenrechtlichen Kontrolle unterzogen. Bei einer Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 11.08.2020 zur Prüfung der Verhängung einer Schubhaft gab der Beschwerdeführer an, dass er ein Konto bei der „Asya Bank“ gehabt habe. Er habe gehört, dass viele Personen, die ebenso ein Konto bei dieser Bank gehabt hätten, verhaftet worden seien. Er habe Angst, auch verhaftet zu werden.
5. Der Beschwerdeführer befindet sich seit 11.08.2020 in Schubhaft. Am 22.08.2020 stellte der Beschwerdeführer einen weiteren (zweiten) Antrag auf internationalen Schutz. Dazu wurde er am selben Tag von einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes niederschriftlich einvernommen. Er gab an, dass er Gülenanhänger sei und bei einer Rückkehr in die Türkei sofort in Haft komme. Sein Konto sei gesperrt worden und er werde namentlich gesucht.
6. Dem Beschwerdeführer wurde am 26.08.2020 mit Verfahrensanordnung mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, seinen Antrag auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache zurückzuweisen und den faktischen Abschiebeschutz durch mündlichen Bescheid aufzuheben.
7. Bei der Einvernahme vor dem BFA am 28.09.2020 in Anwesenheit seines Rechtsberaters gab der Beschwerdeführer an, dass er seit ca. einem Jahr eine Freundin habe. Sein jetziges Fluchtvorbringen sei mit seinem Fluchtvorbringen des ersten Asylverfahrens nicht ident. Zusätzlich zu seinen Fluchtgründen aus dem ersten Asylverfahren habe er Probleme wegen seines aufrechten Bankkontos in der Türkei. Personen, die bei dieser Bank ein Konto hätten, würden in der Türkei wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung verfolgt. Auch sein Cousin sei inhaftiert worden, weil er Gülenanhänger sei. Der Beschwerdeführer habe aber keine Funktion innegehabt.
8. Am 30.09.2020 erfolgte eine weitere Einvernahme vor dem BFA. Mit mündlich verkündetem Bescheid vom 30.09.2020 Zl. 608833506/200863770, wurde gemäß § 12a Abs. 2 AsylG der faktische Abschiebeschutz aufgehoben.
Das BFA stellte im Wesentlichen fest, dass der Beschwerdeführer seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz damit begründet habe, dass er zwecks Arbeitssuche nach Frankreich gekommen sei und Probleme mit seiner Familie habe. Als Grund für den zweiten Antrag habe er angegeben, dass er neben den Gründen aus dem ersten Verfahren nun Probleme wegen eines aufrechten Bankkontos in der Türkei habe. Personen, die bei dieser Bank ein Konto hätten, würden wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung verfolgt werden. Er sei auch Gülenanhänger, habe aber keine Funktion innegehabt. Zudem habe er eine Freundin.
Das BFA führte aus, dass sich im Zuge des Folgeantrags kein neuer objektiver Sachverhalt ergeben habe. Der Antrag auf internationalen Schutz werde daher voraussichtlich wegen entschiedener Sache zurückzuweisen sei.
In rechtlicher Hinsicht wurde ausgeführt, dass die mit 29.03.2013 rechtskräftig ausgesprochene Ausweisung aufrecht sei. Der Folgeantrag sei voraussichtlich zurückzuweisen, da der Beschwerdeführer keinen neuen Sachverhalt vorgebracht habe bzw. seinen nunmehr getätigten Angaben kein Glauben geschenkt werde. Die neu vorgetragenen Gründe – Probleme mit der türkischen Regierung aufgrund eines Kontos bei der „Asya Bank“ – seien als nicht glaubhaft zu betrachten. Die allgemeine Lage in der Türkei wie auch die persönlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers hätten sich nicht geändert. Auf Grund der Feststellungen zur Lage im Herkunftsland in Verbindung mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers könne somit davon ausgegangen werden, dass ihm keine Verletzung wie in § 12a Abs. 2 Z 3 AsylG beschrieben, drohe.
9. Die Verwaltungsakten langten am 05.10.2020 bei der zuständigen Gerichtsabteilung ein, worüber das BFA gemäß § 22 Abs. 2 BFA-VG unverzüglich verständigt wurde.
II. Feststellungen:
Im ersten Verfahren zur Gewährung von internationalem Schutz brachte der Beschwerdeführer vor, dass er die Türkei verlassen habe, weil er Arbeit in Europa gesucht habe und Probleme mit seiner Familie gehabt habe.
Mit Bescheid des Bundesasylamtes (BAA) vom 25.02.2013, Zl. 12 16.514-EAST Ost, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurde der Antrag hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Türkei abgewiesen (Spruchpunkt II.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG wurde der Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Türkei ausgewiesen (Spruchpunkt III.). Einer Beschwerde gegen diesen Bescheid wurde gemäß § 38 Abs. 1 AsylG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt IV.).
Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 25.03.2013, E7 433.538-1/2013/6E, als unbegründet abgewiesen. Dieses Erkenntnis wurde dem Beschwerdeführer am 29.03.2013 zugestellt und erwuchs damit in Rechtskraft.
Der Beschwerdeführer befindet sich seit 11.08.2020 in Schubhaft. Am 22.08.2020 stellte er einen Antrag auf internationalen Schutz.
Im gegenständlichen Verfahren zur Gewährung internationalen Schutzes bringt der Beschwerdeführer vor, er habe zusätzlich zu seinen Fluchtgründen aus dem ersten Asylverfahren Probleme wegen seines aufrechten Bankkontos in der Türkei bei der „Asya Bank“. Personen, die bei dieser Bank ein Konto hätten, würden in der Türkei wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung verfolg. Er sei auch Gülenanhänger, habe aber keine Funktion innegehabt. Auch sein Cousin sei inhaftiert worden, weil er Gülenanhänger sei.
III. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen ergeben sich aus den angeführten Bescheiden des BAA, des BFA, dem Erkenntnis des Asylgerichthofes und den Angaben des Beschwerdeführers in den Einvernahme vor dem BFA.
IV. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Aufhebung des Bescheides:
1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 (AsylG) lauten:
„Faktischer Abschiebeschutz bei Folgeanträgen
§ 12a.
(1) […]
(2) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) gestellt und liegt kein Fall des Abs. 1 vor, kann das Bundesamt den faktischen Abschiebeschutz des Fremden aufheben, wenn
1. gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht,
2. der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist, und
3. die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
(3) – (5) […]
(6) Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 FPG bleiben 18 Monate ab der Ausreise des Fremden aufrecht, es sei denn es wurde ein darüber hinausgehender Zeitraum gemäß § 53 Abs. 2 und 3 FPG festgesetzt. Anordnungen zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, Ausweisungen gemäß § 66 FPG und Aufenthaltsverbote gemäß § 67 FPG bleiben 18 Monate ab der Ausreise des Fremden aufrecht. Dies gilt nicht für Aufenthaltsverbote gemäß § 67 FPG, die über einen darüber hinausgehenden Zeitraum festgesetzt wurden.
[…]
Entscheidungen
§ 22. (6) - (8) […]
(10) Entscheidungen des Bundesamtes über die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 ergehen mündlich in Bescheidform. Die Beurkundung gemäß § 62 Abs. 2 AVG gilt auch als schriftliche Ausfertigung gemäß § 62 Abs. 3 AVG. Die Verwaltungsakten sind dem Bundesverwaltungsgericht unverzüglich zur Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG zu übermitteln. Diese gilt als Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht; dies ist in der Rechtsmittelbelehrung anzugeben. Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes hat das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG mit Beschluss zu entscheiden.
[…]
Übergangsbestimmungen
§ 75. (1) – (22) […]
(23) Ausweisungen, die gemäß § 10 in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 87/2012 erlassen wurden, bleiben binnen 18 Monaten ab einer Ausreise des Fremden aufrecht. Diese Ausweisungen gelten als aufenthaltsbeendende Maßnahmen gemäß dem 1. Abschnitt des 8. Hauptstückes des FPG in der Fassung nach dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 87/2012.
(24) – (27) […]“
Die maßgebliche Bestimmung des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG) lautet:
„Überprüfung der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes
§ 22. (1) Eine Entscheidung des Bundesamtes, mit der der faktische Abschiebeschutz eines Fremden aufgehoben wurde (§ 12a Abs. 2 AsylG 2005), ist vom Bundesverwaltungsgericht unverzüglich einer Überprüfung zu unterziehen. Das Verfahren ist ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden. § 20 gilt sinngemäß. § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG ist nicht anzuwenden.
(2) Die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 und eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG sind mit der Erlassung der Entscheidung gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 durchsetzbar. Mit der Durchführung der die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung umsetzenden Abschiebung gemäß § 46 FPG ist bis zum Ablauf des dritten Arbeitstages ab Einlangen der gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 zu übermittelnden Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuzuwarten. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Bundesamt unverzüglich vom Einlangen der Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung und von der im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 getroffenen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes zu verständigen.
(3) Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 hat das Bundesverwaltungsgericht binnen acht Wochen zu entscheiden.“
2. Voraussetzung für die Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes ist, dass gemäß § 12a Abs. 2 Z 1 FPG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht.
Gegen den Beschwerdeführer besteht nach der rechtskräftigen Entscheidung des Asylgerichtshofes vom 25.03.2013, E7 433.538-1/2013/6E, eine Ausweisung. Eine Ausweisung wird in § 12a Abs. 2 Z 1 AsylG nicht ausdrücklich angeführt. Die Übergangsbestimmungen sehen jedoch in § 75 Abs. 23 AsylG vor, dass Ausweisungen, die gemäß § 10 in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 87/2012 erlassen wurden, binnen 18 Monaten ab einer Ausreise des Fremden aufrecht bleiben und diese Ausweisungen als aufenthaltsbeendende Maßnahmen gemäß dem 1. Abschnitt des 8. Hauptstückes des FPG in der Fassung nach dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 87/2012 gelten.
Bei den in § 12a Abs. 2 Z 1 AsylG angeführten Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 FPG, Anordnungen zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, Ausweisungen gemäß § 66 FPG und Aufenthaltsverbote gemäß § 67 FPG handelt es sich um aufenthaltsbeendende Maßnahmen gemäß dem 1. Abschnitt des 8. Hauptstückes des FPG. Die gegen den Beschwerdeführer bestehende Ausweisung, die gemäß § 10 in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 87/2012 erlassen wurde, gilt gemäß § 75 Abs. 23 AsylG als aufenthaltsbeendende Maßnahmen gemäß dem 1. Abschnitt des 8. Hauptstückes des FPG. Auch wenn Ausweisungen, die gemäß § 10 in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 87/2012 erlassen wurden, nicht ausdrücklich in § 12a Abs. 2 Z 1 AsylG angeführt sind, ist dennoch diese Voraussetzungen erfüllt, da eine solche Ausweisung als aufenthaltsbeendende Maßnahmen gemäß dem 1. Abschnitt des 8. Hauptstückes des FPG gilt. Der Beschwerdeführer hat Österreich seit Erlassung der Ausweisung nicht verlassen und die Ausweisung ist damit weiterhin aufrecht.
2. Weitere Voraussetzung für die Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes ist gemäß § 12a Abs. 2 Z 2 AsylG, dass der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist.
Zur Tatbestandsvoraussetzung des § 12a Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 ("wenn der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist") führt der Verwaltungsgerichtshof unter Bezugnahme auf die Gesetzesmaterialien (RV 220 BlgNR 24. GP 13) aus, dass "eine Grobprüfung in Form einer Prognose über die Zulässigkeit des Antrags" zu treffen ist. Zieht man das vom Gesetz angestrebte Ziel in Betracht, den faktischen Abschiebeschutz nur für "klar missbräuchliche Anträge" beseitigen zu wollen, kann damit nur gemeint sein, dass schon bei einer Grobprüfung die (spätere) Zurückweisung des Folgeantrags auf der Hand liegt, weil sich der maßgebliche Sachverhalt nicht entscheidungswesentlich geändert hat. Nicht jeder Folgeantrag, bei dem eine (spätere) Zurückweisung wegen entschiedener Sache gemäß § 68 AVG in Betracht kommen könnte, berechtigt daher zur Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes nach § 12a Abs. 2 AsylG 2005. Es muss sich vielmehr um einen Fall handeln, in dem sich dieser Verfahrensausgang von vornherein deutlich abzeichnet. Nur dann kann auch angenommen werden, dass die Antragstellung in Wirklichkeit den Zweck verfolgt, die Durchsetzung einer vorangegangenen und mit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme verbundenen (rechtskräftigen) Vorentscheidung zu verhindern. Auf einen solchen missbräuchlichen Zweck deutet – unter Bedachtnahme auf Art. 41 Abs. 1 lit. b der Richtlinie 2013/32/EU – etwa auch die mehrfache Folgeantragstellung hin, wenn dieser keine substanziell neuen und eine andere Beurteilung rechtfertigenden Sachverhaltselemente zugrunde liegen. Möglich sind aber auch andere Umstände, die den Schluss zulassen, dass der Fremde mit seinem Folgeantrag eine (bevorstehende) Abschiebung verhindern oder verzögern möchte (vgl. VwGH 26.03.2020, Ra 2019/14/0079).
Nach dieser Rechtsprechung muss also schon bei einer Grobprüfung die (spätere) Zurückweisung des Folgeantrags auf der Hand liegen. Der Beschwerdeführer stellte den Folgeantrag aus dem Stande der Schubhaft. Dies spricht nun dafür, dass der Beschwerdeführer nur seine Abschiebung verhindern möchte.
In seinem Folgeantrag verweist der Beschwerdeführer aber nicht bloß auf seine Gründe im ersten Asylverfahren, sondern bringt einen neuen Fluchtgrund vor und zwar, dass er Probleme wegen seines aufrechten Bankkontos in der Türkei bei der „Asya Bank“ habe. Personen, die bei dieser Bank ein Konto hätten, würden in der Türkei wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung verfolg. Er sei auch Gülenanhänger, habe aber keine Funktion innegehabt. Auch sein Cousin sei inhaftiert worden, weil er Gülenanhänger sei.
Mit diesem Vorbringen setzt sich das BFA im Bescheid umfangreich auseinander, befasst sich dabei auch mit den Länderfeststellungen zur Türkei und legt dar, weshalb dieses Vorbringen nicht glaubhaft ist. Dass sich der Verfahrensausgang von vornherein deutlich abzeichnet, kann angesichts der umfangreichen beweiswürdigenden Überlegungen der belangten Behörde nicht gesagt werden. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes führt nämlich schon die Notwendigkeit, sich umfangreich beweiswürdigend mit den Angaben eines Asylwerbers auseinandersetzen und nicht bloß geringfügige ergänzende Ermittlungen durchführen zu müssen, dazu, dass nicht mehr davon gesprochen werden könne, es liege noch eine Grobprüfung vor und die (spätere) Zurückweisung des Folgeantrags liege auf der Hand (vgl. VwGH 13.02.2020, Ra 2019/19/0472 unter Hinweis auf VwGH Ra 2018/19/0010).
Die nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Voraussetzung, dass schon bei einer Grobprüfung die (spätere) Zurückweisung des Folgeantrags auf der Hand liegt, weil sich der maßgebliche Sachverhalt nicht entscheidungswesentlich geändert hat, liegt somit nicht vor. § 12a Abs. 2 Z 2 AsylG, wonach der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist, ist damit nicht erfüllt.
3. Schließlich ist Voraussetzung für die Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 Z 3 AsylG, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Im gegenständlichen Verfahren vor dem BFA ist nichts hervorgekommen, was gegen die Abschiebung des Beschwerdeführers in seinen Heimatstaat im Sinne dieser Bestimmungen spricht.
Da jedoch die Voraussetzung des § 12a Abs. 2 Z 2 AsylG, dass der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist, nicht erfüllt ist, ist der mündlich verkündete Bescheid des BFA aufzuheben.
Gemäß § 22 Abs. 1 zweiter Satz BFA-VG war ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung mit der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes übereinstimmt.
Schlagworte
aufenthaltsbeendende Maßnahme aufrechte Ausweisung faktischer Abschiebeschutz - Aufhebung nicht rechtmäßig Fluchtgründe Folgeantrag Übergangsbestimmungen VorbringenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:L524.1433538.3.00Im RIS seit
03.03.2021Zuletzt aktualisiert am
03.03.2021