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19/05 Menschenrechte;Norm
AufG 1992 §5 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Bachler, Dr. Zens, Dr. Bayjones und Dr. Schick als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde des M in E, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 25. August 1995, Zl. 302.721/2-III/11/95, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesministerium für Inneres) Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 25. August 1995 wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 14. November 1994 auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gemäß § 6 Abs. 2 sowie § 5 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz (AufG) iVm § 10 Abs. 1 Z. 4 Fremdengesetz (FrG) abgewiesen.
Begründend führte die belangte Behörde aus, aufgrund der auch auf den eigenen Angaben des Beschwerdeführers beruhenden Aktenlage stehe fest, daß er sich seit 12. Juni 1991 in Österreich aufhalte. Er habe einen Sichtvermerk gültig vom 2. Juli 1991 bis 2. Juli 1993 besessen. Nach dessen Ablauf halte er sich unerlaubt im Bundesgebiet auf. Er habe sich lediglich zum Zweck der Stellung des gegenständlichen Antrages kurzfristig ins Ausland begeben. Damit erfülle er einerseits das gesetzliche Erfordernis des § 6 Abs. 2 AufG nicht, wobei auf ihn keiner der Fälle, bei denen eine Erstantragstellung im Inland durch Gesetz vorgesehen bzw. durch die Judikatur ermöglicht werde, zutreffe. Andererseits stelle sein Verhalten eine Gefährdung für die öffentliche Ordnung, Ruhe oder Sicherheit dar, da dieses "auf andere Fremde durchaus Beispielwirkung haben" könne. Durch den Aufenthalt der Eltern und der Schwester des Beschwerdeführers im Bundesgebiet bestünden unabsprechbare private und familiäre Beziehungen zu Österreich. Lediglich eine kurzfristige Versäumung der Frist zur rechtzeitigen Antragstellung berechtige gemäß § 6 Abs. 2 letzter Satz AufG nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ausnahmsweise zur Inlandsantragstellung, wenn sich der Fremde jahrelang bzw. seit Geburt rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten habe. Es stehe aber fest, daß der Beschwerdeführer die Frist zur Stellung des Antrages auf Verlängerung seiner Aufenthaltsberechtigung 14 Monate versäumt habe, weshalb eine analoge Heranziehung des § 6 Abs. 2 letzter Satz AufG ausgeschlossen und dies auch mit Art. 8 MRK vereinbar sei. Im Hinblick darauf, daß eine analoge Anwendung des § 6 Abs. 2 erster Satz AufG geboten sei, und daß weiters aufgrund des illegalen Aufenthaltes § 5 Abs. 1 AufG iVm § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG zum Tragen komme, sei die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung ausgeschlossen. Auf obige Überlegungen bezogen sei die Ablehnung des Antrages bezüglich des Art. 8 MRK verfassungskonform.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Insoweit der Beschwerdeführer als Verfahrensmangel geltend macht, er sei nicht darauf hingewiesen worden, daß es für die Bewilligung eines Antrages vonnöten wäre nachzuweisen, daß sein Lebensunterhalt in Österreich gesichert sei und diesbezügliche Bürgschaftserklärungen bzw. Bestätigungen durch ihn "ohne weiteres beizubringen" gewesen wären, verkennt der Beschwerdeführer, daß die belangte Behörde den Antrag nicht mangels des für die Dauer des angestrebten Aufenthaltes gesicherten Lebensunterhaltes abgewiesen hat.
Insofern der Beschwerdeführer rügt, es werde der "Verwaltungsgrundsatz der Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit negiert", er sei während seines gesamten Aufenthaltes in Österreich mit Ausnahme des gegenständlichen Verfahrens niemals mit den Behörden in Konflikt geraten und die Verlängerung seiner Aufenthaltsbewilligung sei durch ihn übersehen worden, verkennt der Beschwerdeführer, daß der Behörde im Falle des Vorliegens eines Sichtvermerksversagungsgrundes oder des Fehlens der Voraussetzung des § 6 Abs. 2 erster Satz AufG durch das Gesetz keine Ermessensübung erlaubt ist.
Im übrigen bestreitet der Beschwerdeführer, daß sein Aufenthalt die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde, da sein Verhalten auf andere Fremde durchaus Beispielwirkung haben könne.
Unbestritten und mit dem Akteninhalt im Einklang ist die Annahme der belangten Behörde, daß der Beschwerdeführer, dessen gewöhnlicher Sichtvermerk vom 2. Juli 1991 bis 2. Juli 1993 gültig war, nach dessen Ablauf weiterhin in Österreich bei seiner Mutter wohnhaft blieb. Anläßlich der niederschriftlichen Einvernahme vom 7. Februar 1995 vor der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung gab der Beschwerdeführer an, er sei seit Ablauf seines Sichtvermerkes in Österreich immer aufhältig gewesen. Er habe keinen Grund gesehen, diesen Sichtvermerk zu verlängern, weil er keine Arbeit mehr gehabt habe und der Meinung gewesen sei, daß er somit keinen Sichtvermerk benötige. Er wohne bei seiner Mutter, die für seinen Unterhalt aufkomme. In einer Stellungnahme vom 11. April 1995 gab er an, daß er vom 21. Oktober 1991 bis 10. März 1993 gearbeitet habe und sich seither "im unbeschäftigten Zustand" befinde. Er komme aus Bosnien-Herzegowina und könne während der Kriegszeit nicht in seine Heimat zurückkehren, seine Eltern und seine Schwester seien hier beschäftigt.
In seiner Berufung wiederholte der Beschwerdeführer die bereits genannten Gründe, weshalb er in Österreich bleiben wolle.
Damit ist die Annahme der belangten Behörde, der Beschwerdeführer halte sich seit Ablauf seines letztgültigen gewöhnlichen Sichtvermerkes im Bundesgebiet auf, nicht als rechtswidrig zu erkennen. Der Beschwerdeführer ist zudem nach seinen Angaben nicht willens, seinen bis (zumindest) zur Entscheidung der belangten Behörde in Österreich aufrecht erhaltenen Hauptwohnsitz zu beenden.
Die Bestimmung des § 6 Abs. 2 erster Satz AufG, wonach der Antrag auf Erteilung einer Bewilligung vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen ist, enthält eine grundsätzliche Bewilligungsvoraussetzung, deren Nichterfüllung zwingend die Abweisung des Antrages nach sich zieht (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 3. März 1994, Zl. 94/18/0064). Der Fremde hat die Entscheidung über seinen im Ausland zu stellenden Antrag im Regelfall auch vom Ausland aus abzuwarten (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom 18. Oktober 1995, Zl. 95/21/0026, vom 20. Oktober 1995, Zl. 95/19/0986, und vom 18. April 1997, Zl. 95/19/1065).
Aus dem Verwaltungsakt sind keine Hinweise darauf hervorgekommen und werden vom Beschwerdeführer in der Beschwerde auch nicht vorgebracht, daß ihm ein Aufenthaltsrecht gemäß § 12 AufG zukäme. Ein solches ist auch angesichts der Einreise des Beschwerdeführers am 12. Juni 1991 und des Umstandes, daß die bewaffneten Konflikte in Bosnien erst Ende des Jahres 1991 ausbrachen (Bosnien hat am 15. Oktober 1991 seine Souveränität erklärt, vgl. Fischer Welt-Almanach 1993, Seite 34 f), nicht anzunehmen, weshalb dem Beschwerdeführer auch nicht die ausnahmsweise Antragstellung vom Inland aus erlaubt war.
Der Hinweis des Beschwerdeführers auf seine privaten und familiären Bindungen zu Österreich führt die Beschwerde nicht zum Erfolg. Die Begründung des angefochtenen Bescheides bringt zum Ausdruck, daß die belangte Behörde angenommen hat, durch die Nichterteilung der Aufenthaltsbewilligung erfolge ein relevanter Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers. Die belangte Behörde hat aber auch zum Ausdruck gebracht, daß die persönlichen und familiären Interessen des Beschwerdeführers gegenüber den öffentlichen Interessen an der Versagung einer Aufenthaltsbewilligung hintanzustellen seien. Unabhängig davon, ob der Gesetzgeber der Aufenthaltsgesetz-Novelle BGBl. Nr. 351/1995 mit den Bestimmungen des § 2 Abs. 3 Z. 4 AufG und des § 6 Abs. 2 dritter Satz leg. cit. sowie der darin enthaltenen - von der Bundesregierung auch genützen - Verordnungsermächtigung nicht ohnehin eine auf die Schutzgüter des Art. 8 MRK Bedacht nehmende Regelung getroffen hat, deren Anwendungsbereich auch den konkreten Fall erfaßt, ist die Beurteilung der belangten Behörde bereits aus folgenden Gründen nicht als rechtswidrig zu erkennen: Einerseits kommt der für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen und deren Befolgung durch den Normadressaten aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 MRK) ein sehr hoher Stellenwert zu. Andererseits sind die persönlichen und familiären Interessen des Beschwerdeführers an der Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung angesichts seines mehr als 26 Monate dauernden unrechtmäßigen Aufenthaltes im Bundesgebiet, dem ein rechtmäßiger Aufenthalt von 24 Monaten voranging, nicht so stark ausgeprägt, und zwar auch nicht unter Bedachtnahme auf seine familiäre Situation (Aufenthalt seiner Eltern und seiner Schwester in Österreich), daß sich der Eingriff in die Ausübung des im Art. 8 Abs. 1 MRK gewährleisteten Rechtes nicht als gerechtfertigt (weil erforderlich) im Sinne des Art. 8 Abs. 2 MRK erwiese.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1995191367.X00Im RIS seit
02.05.2001