TE Bvwg Erkenntnis 2020/10/28 W212 2236093-1

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Veröffentlicht am 28.10.2020
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Entscheidungsdatum

28.10.2020

Norm

AsylG 2005 §5
B-VG Art133 Abs4
FPG §61

Spruch

W212 2236093-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. SINGER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , StA. Türkei, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl EAST Ost vom 06.10.2020, Zahl 1265959707-200565485, zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 5 AsylG 2005 und § 61 FPG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die ordentliche Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerin (in der Folge BF) stellte am 06.07.2020 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge BFA) den vorliegenden Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

2. Aus ihrem Pass war ersichtlich, dass die BF in Besitz eines tschechischen Visums D (gültig vom XXXX bis XXXX ) war.

3. Bei der Erstbefragung am 06.07.2020 gab die BF im Wesentlichen an, der Einvernahme ohne Probleme folgen zu können. Sie hätte ihren Wohnort am 15.02.2020 legal mit ihrem Reisepass per Flugzeug nach Prag verlassen, und hätte sie sich mit einem Visum vom 15.02. bis 18.06.2020 in der Tschechischen Republik aufgehalten. Dort hätte sie ein Studienprogramm absolvieren wollen. Nach Ablauf des Visums hätte sie in die Türkei zurückkehren müssen, was sie jedoch unterlassen habe, da ihr die Gefahr einer Inhaftierung gedroht hätte. Stattdessen sei sie nach Österreich gelangt, da sie hier Verwandte habe.

4. Das BFA richtete am 08.07.2020 ein auf Art. 12 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Dublin III-VO), gestütztes Aufnahmeersuchen an Tschechien.

Mit Schreiben vom 31.08.2020 stimmte die tschechische Dublinbehörde der Aufnahme der BF gemäß Art. 12 Abs. 4 der Dublin III-VO ausdrücklich zu.

5. Bei der niederschriftlichen Einvernahme der BF vor dem BFA am 24.09.2020 gab die BF an, dass ihr Vater in der Türkei der Gülen-Bewegung angehöre. Ihre türkischen Freunde in Tschechien würden davon ausgehen, dass auch sie der Gülen-Bewegung angehöre. Ihre Freunde hätten nichts mehr mit ihr zu tun haben wollen und gehe sie davon aus, dass diese sie beim Konsulat verraten hätten. Die türkischen Geheimdienste würden Informationen von Konsulat bekommen und sei sie daher in Tschechien nicht mehr sicher. Sie selbst hätte keinen Kontakt zu einem Geheimdienst gehabt, sie wisse jedoch aus dem Internet, dass es so sei. An die tschechischen Behörden habe sie sich zu keinem Zeitpunkt gewandt.

In Österreich lebe ihre Tante, glaublich seit 1988, noch bevor die BF zur Welt gekommen wäre. Finanzielle Abhängigkeit bestehe zu ihr nicht. Weiters lebe ein Onkel in Österreich, zu dem sie jedoch keinen Kontakt habe.

Der Vertreter der BF brachte vor, dass der Vater der BF in der Türkei wegen Zugehörigkeit zu einer terroristischen Gruppe verurteilt worden wäre und aufgrund der Sippenhaftung auch die BF in Gefahr wäre. Durch die Freunde bzw. den türkischen Geheimdienst würde ihr Name in der Türkischen Botschaft in Tschechien aufgefallen sein, weswegen Tschechien für die BF kein sicheres Land sei und Österreich verpflichtet wäre das in Asylverfahren der BF einzutreten. Diverse Zeitungsartikel zu Folter, Entführung und Sippenhaftung wurden seitens der Vertretung vorgelegt. Weiters wurde eine Stellungnahme, undatiert, eingebracht.

8. Nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens wies das BFA mit beschwerde-gegenständlichem Bescheid vom 06.10.2020 den Antrag der BF auf internationalen Schutz gemäß § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurück und sprach aus, dass Tschechien gemäß Art. 12 Abs. 4 der Dublin III-VO zur Prüfung des Antrages zuständig sei (Spruchpunkt I.). Weiters ordnete das BFA gemäß § 61 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG), die Außerlandesbringung an und stellte fest, dass demzufolge gemäß § 61 Abs. 2 FPG die Abschiebung nach Tschechien zulässig sei (Spruchpunkt II.).

Der Bescheid enthält ausführliche Feststellungen zum tschechischen Asylverfahren. Diese Feststellungen basieren auf einer aktuellen Zusammenstellung der Staatendokumentation im Sinne des § 5 BFA-G.

Die Sachverhaltsfeststellungen zur Lage in Tschechien wurden im angefochtenen Bescheid im Wesentlichen folgendermaßen zusammengefasst (unkorrigiert):

Allgemeines zu Vorbringen von Asylwerbern in Dublin Verfahren:

Die Asylbehörden haben nicht nachzuprüfen, ob ein Mitgliedstaat generell sicher ist. Nur wenn sich im Einzelfall ergeben sollte, dass Grundrechte des Asylwerbers z.B. durch Kettenabschiebung bedroht sind, so wäre aus innerstaatlichen, verfassungsrechtlichen Gründen das Selbsteintrittsrecht zwingend auszuüben.

(VfGH 17.6.2005, B 336/05, UBAS zu 268.445/3-X/47/06 vom 14.03.2006)

Es ist nicht Aufgabe der österreichischen Asylbehörde, hypothetische Überlegungen über den möglichen Ausgang eines von einem anderen Staat zu führenden Asylverfahrens anzustellen. Auch aus dem Umstand, dass Anerkennungsquoten im Asylverfahren relativ gering seien, kann nicht automatisch darauf geschlossen werden, dass kein ordnungsgemäßes Verfahren geführt wird.

(VwGH, 31.5.2005, Zl. 2002/20/0095)

Die höchstgerichtliche Judikatur ist gerade bei Anträgen ab 01.01.2006 aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen des § 5 Abs. 3 AsylG 2005 von besonderer Bedeutung.

Zu Tschechische Republik werden folgende Feststellungen getroffen:

(Anmerkung: Die Feststellungen sind durch die Staatendokumentation des Bundesamtes zusammengestellt und entsprechen dem Stand vom April 2018).

Allgemeines zum Asylverfahren

Es existiert ein rechtsstaatliches Asylverfahren mit gerichtlicher Beschwerdemöglichkeit (MVCR 5.8.2016; vgl. MVCR o.D.a, MVCR o.D.b für weitere Informationen siehe dieselben Quellen).

Quellen:

-        MVCR – Tschechisches Innenministerium (5.8.2016): Procedure for Granting International Protection in the Czech Republic, http://www.mvcr.cz/mvcren/article/procedure-for-granting-international-protection-in-the-czech-republic.aspx, Zugriff 11.4.2018

-        MVCR – Tschechisches Innenministerium (o.D.a): Course of administrative proceedings for granting international protection, http://www.mvcr.cz/mvcren/article/course-of-administrative-proceedings-for-granting-international-protection.aspx, Zugriff 11.4.2018

-        MVCR – Tschechisches Innenministerium (o.D.b): Court review of actions and cassation complaints filed against decisions issued during administrative proceedings for granting international protection, http://www.mvcr.cz/mvcren/article/court-review-of-actions-and-cassation-complaints-filed-against-decisions-issued-during-administrative-proceedings-for-granting-international-protection.aspx, Zugriff 11.4.2018
Dublin-Rückkehrer

In der Tschechischen Republik werden Take charge-Rückkehrer automatisch in ein Aufnahmezentrum gebracht, wo diese gefragt werden, ob ihr Verfahren in der Tschechischen Republik fortgesetzt werden soll.

•        Wenn ja, wird der Rückkehrer registriert, der Antrag formell eingebracht und das Verfahren fortgesetzt.

•        Wenn der Rückkehrer kein Verfahren in der Tschechischen Republik wünscht, wird dieses formell beendet. Der Rückkehrer könnte beantragen in einem freiwilligen Rückkehrverfahren registriert zu werden, ansonsten fällt er unter das Femdenrecht.

Im Falle von Take back-Rückkehrern deren vorhergehendes Asylverfahren noch läuft, werden diese in ein Asylzentrum gebracht und das Verfahren wird fortgesetzt.

Take back-Rückkehrer deren vorhergehendes Asylverfahren bereits abgeschlossen ist, werden in ein Aufnahmezentrum gebracht und gefragt, ob sie einen neuen Antrag auf internationalen Schutz stellen wollen.

•        Wenn ja, wird der Rückkehrer erneut registriert und der Antrag auf internationalen Schutz formell eingebracht (gilt als Folgeantrag).

•        Wenn kein Asylantrag gestellt wird, wird das Verfahren beendet. Der Rückkehrer könnte beantragen, in einem freiwilligen Rückkehrverfahren registriert zu werden. Ansonsten steht der Status der Person unter dem Alien Act-Verfahren. Der Rückkehrer könnte beantragen in einem freiwilligen Rückkehrverfahren registriert zu werden, ansonsten fällt er unter das Femdenrecht.

Die Versorgung von Dublin-Rückkehrern in der Tschechischen Republik unterscheidet sich nicht von jener für andere Antragsteller (EASO 24.10.2017).

Dublin-Rückkehrer haben Zugang zum Asylverfahren. Wenn ein vorheriges Asylverfahren eingestellt wurde weil sich der Antragsteller dem Verfahren entzogen hat (z.B. Nichterscheinen zum Interview), wird ein neuer Antrag inhaltlich behandelt. Wenn ein Rückkehrer bereits eine inhaltlich negative Asylentscheidung in der Tschechischen Republik erhalten hat, muss ein Folgeantrag neue Elemente enthalten um zulässig zu sein. Dublin-Rückkehrer haben denselben Zugang zu kostenloser Gesundheitsversorgung und Unterbringung wie andere Antragsteller (MVCR 16.8.2016).

Quellen:

-        EASO – European Asylum Support Office (24.10.2017): EASO Query. Subject: Access to Procedures and Reception Conditions for persons transferred back from another Member State of the Dublin regulation, per E-Mail

-        MVCR – Tschechisches Innenministerium (16.8.2016), per E-Mail

Non-Refoulement

Personen, welche die Bedingungen für internationalen Schutz nicht erfüllen, aber wegen eines Risikos ernster Gefährdung nicht in ihr Herkunftsland zurückkehren können, können subsidiären Schutz erhalten (USDOS 3.3.2017).

Quellen:

-        USDOS – US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Czech Republic, https://www.ecoi.net/de/dokument/1395772.html, Zugriff 11.4.2018

Versorgung

Die Tschechische Republik verfügt zur Unterbringung von Asylwerbern über Empfangszentren, Unterbringungszentren und Integrationsasylzentren. Sie alle unterstehen dem tschechischen Innenministerium und werden von der Refugee Facility Administration verwaltet. Zuerst kommen Antragsteller in ein geschlossenes Reception Center (ReC). ReC gibt es in Zastávka u Brna und am Flughafen Prag Ruzyn?. Der Aufenthalt ist dort verpflichtend, es erfolgen Maßnahmen zur Identitätsfeststellung und eine medizinische Untersuchung. Neben der Unterkunft und Verpflegung gibt es in ReC soziale und psychologische Dienste, medizinische Versorgung etc. Danach kommen Asylwerber bis zum rechtskräftigen Ende ihres Verfahrens in ein offenes Residential Center (RC), in dem sie das Recht auf Unterkunft, Verpflegung, rechtliche und psychologische Hilfe usw., sowie ein Taschengeld haben. Sozialarbeit hat einen hohen Stellenwert. RC gibt es in folgenden Gemeinden: Kostelec nad Orlicí und Haví?ov. Wenn Asylwerber über Finanzmittel über dem Existenzminimum verfügen, müssen sie sich an den Kosten für Unterkunft und Essen beteiligen. Asylwerber haben unter bestimmten Voraussetzungen das Recht auch außerhalb des Unterbringungszentrums privat zu wohnen. Schutzsuchende können dann auch, wiederum unter bestimmten Bedingungen, für 3 Monate finanzielle Zuwendungen erhalten (MVCR 5.8.2016; vgl. RFA o.D., NIEM 12.2017). Die Bedürfnisse vulnerabler Personen werden bei der Unterbringung berücksichtigt (AA 11.11.1999). Es gibt darüber hinaus noch drei Schubhafteinrichtungen in B?lá pod Bezd?zem, Vyšní Lhoty und Balková (RFA o.D.; vgl. NIEM 12.2017).

Die Höhe des Taschengeldes liegt in den Zentren in denen Essen bereitgestellt wird, bei 1,20 Euro pro Person und Tag. In den Zentren in denen selbst gekocht werden kann, liegt sie bei 4,50 Euro. Die Qualität der Unterbringung wird alle 6 Monate kontrolliert. Unabhängige Überprüfungen durch den Ombudsmann sowie das Gesundheitsamt sind möglich. Tschechien verfügt über etwa 673 Unterbringungsplätze, inklusive jener für Vulnerable und UMA. In den Empfangszentren gibt es Büchereien, Interneträume, Sportplätze, Gelegenheiten zur künstlerischen, handwerklichen und musischen Betätigung, Bereiche für Kinder und Basis-Sprachkurse. In den offenen Unterbringungszentren gibt es zusätzlich Möglichkeiten außerhalb der Zentren, wie etwa Ausflüge (EMN 2014). Nach Ablauf von sechs Monaten ab Antragstellung, haben Asylwerber legalen Zugang zum Arbeitsmarkt, wenn sie über eine gültige Arbeitserlaubnis der regionalen Niederlassung des Arbeitsmarktservices der Tschechischen Republik verfügen (MVRC 7.3.2017).

Quellen:

-        AA – Asylum Act (11.11.1999), Stand: 3.4.2016, http://www.mvcr.cz/mvcren/file/asylum-act.aspx, Zugriff 11.4.2018

-        EMN – European Migration Network (2014): The Organisation of Reception Facilities for Asylum Seekers in different Member States (veröffentlicht von Europäische Kommission), http://www.emnbelgium.be/sites/default/files/publications/emn_organisation_of_reception_facilities_january_2014_3.pdf, Zugriff 11.4.2018

-        MVCR – Tschechisches Innenministerium (5.8.2016): Procedure for Granting International Protection in the Czech Republic, http://www.mvcr.cz/mvcren/article/procedure-for-granting-international-protection-in-the-czech-republic.aspx?q=Y2hudW09Mw%3D%3D, Zugriff 11.4.2018

-        MVCR – Tschechisches Innenministerium (7.3.2017): Information for employers, http://www.mvcr.cz/mvcren/article/information-for-employers.aspx, Zugriff 11.4.2018

-        NIEM – National Integration Evaluation Mechanism (12.2017): Asylum seekers and beneficiaries of international protection in V4 countries, https://www.clovekvtisni.cz/media/publications/876/file/v4niem-repot-cz-hu-pl-sk-complete.pdf, Zugriff 11.4.2018

-        RFA – Refugee Facilities Administration (o.D.): Facilities aministered by RFA of the Ministry of the Interior, http://www.suz.cz/en/, Zugriff 11.4.2018

6.1.    Medizinische Versorgung

Asylwerber genießen die Leistungen des öffentlichen Krankenversicherungssystems (MVCR o.D.b).

Das tschechische Finanzministerium bezahlt die monatlichen Sozialversicherungsbeiträge für bestimmte Gruppen wirtschaftlich inaktiver Personen, darunter auch Asylwerber (HiT 2015).

MedCOI bearbeitet grundsätzlich keine medizinischen Anfragen zu EU-Mitgliedsstaaten, da die medizinischen Mitarbeiter von MedCOI (Ärzte) davon ausgehen, dass medizinische Behandlungsmöglichkeiten in der EU generell in ausreichendem Maße verfügbar sind. Ausnahmen

von dieser Regel sind nur in sehr spezifischen Einzelfällen möglich (MedCOI 14.12.2016).

Quellen:

-        HiT – European Observatory on Health Systems and Policies: Health Systems in Transition, Vol. 17 No. 1 2015; Czech Republic, Health system review, 2015, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1441871505_czech-hit.pdf, Zugriff 11.4.2018

-        MedCOI – Medical Country of Origin Information (14.12.2016): Auskunft MedCOI, per E-Mail

-        MVCR – Tschechisches Innenministerium (o.D.b): Court review of actions and cassation complaints filed against decisions issued during administrative proceedings for granting international protection, http://www.mvcr.cz/mvcren/article/court-review-of-actions-and-cassation-complaints-filed-against-decisions-issued-during-administrative-proceedings-for-granting-international-protection.aspx, Zugriff 11.4.2018

Der Antrag auf internationalen Schutz sei zurückzuweisen, weil gemäß Art. 12 Abs. 4 Dublin III-VO Tschechien für die Prüfung des Antrages zuständig sei. Ein im besonderen Maße substantiiertes, glaubhaftes Vorbringen betreffend das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände, welche die Gefahr einer Verletzung der EMRK im Falle einer Überstellung der BF ernstlich für möglich erscheinen lassen würden, sei im Verfahren nicht erstattet worden. Die Regelvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG sei nicht erschüttert worden und es habe sich kein Anlass zur Ausübung des Selbsteintrittsrechts gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin-III Verordnung ergeben. Schwere lebensbedrohliche Krankheiten seien von der BF weder behauptet noch belegt worden. Die BF sei nicht als vulnerabel einzustufen. Sie habe keine intensiven verwandtschaftlichen oder sonstigen sozialen Beziehungen zu Österreich dargelegt. Da die BF mit ihrer in Österreich lebenden Tante nicht im gemeinsamen Haushalt wohne und keinerlei Abhängigkeiten zu einander bestehen würden, erfolge kein Eingriff in das Recht auf Achtung des Familienlebens.

9. Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben. Die BF sei der Gefahr ausgesetzt, vom türkischen Geheimdienst entführt zu werden. Das BFA hätte auf der Grundlage der nachvollziehbaren Schilderungen konkrete Recherchen durchführen müssen. Es sei ein Artikel vorgelegt worden, wonach Menschen, die der Gülen-Bewegung zugeordnet würden, aus dem Ausland in die Türkei entführt würden. Auf dieser Stellungnahme wäre von der belangten Behörde nicht eingegangen worden. Außerdem gehe aus dem Länderbericht hervor, dass zurückgeschobene Personen inhaftiert würden und Asylsuchende sechs Monate in einer Situation die einem Gefängnisaufenthalt gleichkomme, leben würden. Religiöse Ernährungsgewohnheiten würden nicht respektiert werden, Asylsuchende würden nur zweimal wöchentlich duschen dürfen und sei im Asylgesetz nicht explizit verankert, dass Asylsuchende über ihre Rechte aufgeklärt werden würden.

Außerdem würden mehrere Verwandte in Österreich leben, nämlich eine Tante, ein Onkel sowie Cousin und Cousine bzw. deren Familien.


10. Die Beschwerdevorlage an die zuständige Gerichtsabteilung des BVwG iSd § 16 Abs. 4 BFA-VG erfolgte am 15.10.2020.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Beweisaufnahme:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch Einsicht in:

- den dem BVwG vorliegenden Verwaltungsakt des BFA, beinhaltend die Niederschrift der Erstbefragung am 06.07.2020, die Niederschrift der Einvernahme vor dem BFA am 24.09.2020 sowie die Beschwerde vom 12.10.2020

- aktenkundliche Dokumentationsquellen betreffend Tschechien im angefochtenen Bescheid

- die Korrespondenz mit Tschechien

- die von der BF vorgelegten Unterlagen.

2. Feststellungen:

2.1. Die BF ist Staatsangehörige der Türkei. Sie reiste zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt in Österreich ein und stellte am 06.07.2020 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Sie ist im Besitz eines tschechischen Visums D, gültig von XXXX und hielt sich ca. 4 Monate zu Studienzwecken in Tschechien auf. .

2.2. Das BFA richtete am 08.07.2020 ein auf Art. 12 Dublin III-VO gestütztes Aufnahmeersuchen an Tschechien, welchem die tschechischen Behörden mit Schreiben vom 31.08.2020 gemäß Art. 12 Abs. 4 Dublin III-VO ausdrücklich zustimmten.

2.3. Das BVwG schließt sich den oben wiedergegebenen Feststellungen des angefochtenen Bescheides zur Allgemeinsituation im Mitgliedstaat Tschechien an. Es kann nicht festgestellt werden, dass die BF im Falle einer Überstellung nach Tschechien Gefahr liefe, einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe beziehungsweise einer sonstigen konkreten individuellen Gefahr unterworfen zu werden.

2.4. Die medizinische und psychologische Versorgung für Asylwerber in Tschechien ist gewährleistet. Akut schwerwiegende oder gar lebensbedrohliche Erkrankungen konnten nicht festgestellt werden und wurden von der BF auch nicht vorgebracht. Die BF hat keine tiefergehenden privaten, familiären oder beruflichen Bindungen zu Österreich oder insbesondere zu ihrer in Österreich lebenden Tante vorgebracht.

Zur aktuell vorliegenden Pandemie aufgrund des Corona-Virus ist notorisch:

COVID-19 ist eine durch das Corona-Virus SARS-CoV-2 verursachte Viruserkrankung, die erstmals im Jahr 2019 in Wuhan/China festgestellt wurde und sich seither weltweit verbreitet. In Österreich gab es mit Stand 28.10.2020, 85.048 bestätigte Fälle von mit dem Corona-Virus infizierten Personen und 988 Todesfälle; in Tschechien wurden zu diesem Zeitpunkt 268.370 Fälle von mit dem Corona-Virus infizierten Personen nachgewiesen und wurden bisher 2.365 Todesfälle bestätigt (WHO, 28.10.2020).

Nach dem aktuellen Stand verläuft die Viruserkrankung bei ca. 80 % der Betroffenen leicht und bei ca. 15 % der Betroffenen schwerer, wenn auch nicht lebensbedrohlich. Bei ca. 5 % der Betroffenen verläuft die Viruserkrankung derart schwer, dass Lebensgefahr gegeben ist und intensivmedizinische Behandlungsmaßnahmen notwendig sind. Diese sehr schweren Krankheitsverläufe treten am häufigsten in den Risikogruppen der älteren Personen und der Personen mit Vorerkrankungen (wie z.B. Diabetes, Herzkrankheiten und Bluthochdruck) auf.

Da sich die epidemiologische Lage innerhalb der EU weitgehend stabilisiert hat, wurden – neben anderen Lockerungen der Corona-Maßnahmen – die Reisebeschränkungen, die eingeführt worden waren, um die Ausbreitung des Coronavirus einzudämmen, wieder schrittweise aufgehoben. Aufgrund steigender Zahlen wurden in letzter Zeit Sicherheitsmaßnahmen wieder verstärkt.

Tschechien war von der Corona-Pandemie zunächst weniger stark betroffen, erlebt jedoch momentan landesweit eine starke Zunahme von Neuinfektionen. Für das ganze Land gilt die Sicherheitsstufe 6 (Reisewarnung).

Die 23-jährige BF leidet an keinerlei Krankheiten oder sonstigen gesundheitlichen Problemen; sie fällt demnach auch nicht unter die obangeführten Risikogruppen.

3. Beweiswürdigung:

3.1. Die Feststellungen zum Reiseweg der BF sowie zu ihren persönlichen Verhältnissen ergeben sich im Speziellen aus dem eigenen Vorbringen in Zusammenhang mit der vorliegenden Aktenlage, insbesondere der Einsicht in ihren Reisepass. Die Feststellungen zum Gesundheitszustand der BF ergeben sich ebenfalls aus der Aktenlage. Diesbezüglich wurde von der BF kein Vorbringen erstattet, welches geeignet wäre, den Schutzbereich des Art. 3 EMRK zu tangieren (siehe Punkt II.4.3.1.2.). Eine die BF konkret treffende Bedrohungssituation in Tschechien wurde nicht substantiiert vorgebracht (siehe dazu die weiteren Ausführungen in Punkt II.4.3.1.1.). Die Feststellung zur familiären Situation der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet ergibt sich aus ihrem eigenen Vorbringen.

Die getroffenen notorischen Feststellungen zur aktuell vorliegenden Pandemie aufgrund des Corona-Virus ergeben sich aus den unbedenklichen aktuellen Berichten und Informationen. Die Länderfeststellungen sind grundsätzlich ausreichend aktuell, sie zeichnen allerdings – angesichts der derzeit sich schnell ändernden Gegebenheiten in Zusammenhang mit dem Ausbruch von COVID-19 – naturgemäß ein Bild der Versorgung von Asylwerbern in Tschechien, welches sich auf den Zeitraum vor Ausbruch der Pandemie bezieht.

Es ist notorisch, dass die Mitgliedstaaten allesamt - wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß - vom Ausbruch der Pandemie betroffen sind, weshalb auch entsprechende Maßnahmen gesetzt werden beziehungsweise wurden (beispielsweise die Verhängung von Ausgangsbeschränkungen und Quarantänemaßnahmen sowie die Vornahme von Grenzschließungen und Einschränkungen im Personen- und Warenverkehr), um die Ausbreitung von COVID-19 hintanzuhalten und gleichzeitig die medizinische Versorgung der Bevölkerung - seien es nun eigene Staatsbürger oder dort ansässige Fremde - möglichst sicherstellen zu können. In diesem Sinne wurde in den Mitgliedstaaten der EU auch die Durchführung von Überstellungen beziehungsweise die Übernahme von Dublin-Rückkehrern temporär ausgesetzt.

Nachdem sich die epidemiologische Lage innerhalb der EU weitgehend stabilisiert hat und vor dem Hintergrund der sukzessiven Aufhebungen von Reisebeschränkungen, sind zahlreiche Mitgliedstaaten, die im regen Austausch miteinander stehen, mittlerweile aber dazu übergegangen, Überstellungen von Dublin-Rückkehrern (sowohl „in“ als auch „out“) wieder durchzuführen.

Zwar verkennt das Gericht nicht, dass die Pandemie noch nicht überstanden ist und Tschechien eines der Länder ist, das – genauso wie Österreich - zurzeit eine starke Zunahme von Neuinfektionen erlebt, es ist aber davon auszugehen, dass etwaig daraus resultierende erneute Überstellungshindernisse jedenfalls in der Maximalfrist der Verordnung (vgl. die in Art. 29 Dublin III-VO geregelte grundsätzliche sechsmonatige Überstellungfrist) überwunden sein werden.

3.2. Die Gesamtsituation des Asylwesens im zuständigen Mitgliedstaat ergibt sich aus den umfangreichen und durch ausreichend aktuelle Quellen belegten Länderfeststellungen im angefochtenen Bescheid, die auf alle entscheidungswesentlichen Fragen eingehen (siehe auch die Erwägungen unter II.4.3.1.1.).

4. Rechtliche Beurteilung:

Die maßgeblichen Bestimmungen des Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) lauten:

„§ 5 (1) Ein nicht gemäß §§ 4 oder 4a erledigter Antrag auf internationalen Schutz ist als unzulässig zurückzuwiesen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzuhalten, welcher Staat zuständig ist. Eine Zurückweisung des Antrages hat zu unterbleiben, wenn im Rahmen einer Prüfung des § 9 Abs. 2 BFA-VG festgestellt wird, dass eine mit der Zurückweisung verbundene Anordnung zur Außerlandesbringung zu einer Verletzung von Art. 8 EMRK führen würde.

(3) Sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesamt oder beim Bundesverwaltungsgericht offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, ist davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.

§ 10 (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn

1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

2. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird,

und in den Fällen der Z1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird sowie in den Fällen der Z1 bis 5 kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt.“

§ 9 Abs. 1 und 2 BFA-VG lauten:

„§ 9 (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war.

2: das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl- Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, indem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.“

§ 61 FPG lautet:

„§ 61 (1) Das Bundesamt hat gegen einen Drittstaatsangehörigen eine Außerlandesbringung anzuordnen, wenn

1. dessen Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 zurückgewiesen wird oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4 a oder 5 AsylG 2005 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG oder

2. …

(2) Eine Anordnung zur Außerlandesbringung hat zur Folge, dass eine Abschiebung des Drittstaatsangehörigen in den Zielstaat zulässig ist. Die Anordnung bleibt binnen 18 Monaten ab Ausreise des Drittstaatsangehörigen aufrecht.

(3) Wenn die Durchführung der Anordnung zur Außerlandesbringung aus Gründen, die in der Person des Drittstaatsangehörigen liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, ist die Durchführung für die notwendendige Zeit aufzuschieben.

(4) Die Anordnung zur Außerlandesbringung tritt außer Kraft, wenn das Asylverfahren gemäß § 28 AsylG 2005 zugelassen wird.“

Die maßgeblichen Bestimmungen der Dublin III-VO lauten:

Gemäß Art. 3 Abs. 1 Dublin III-VO prüfen die Mitgliedstaaten jeden Asylantrag, den ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser im Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaats einschließlich an der Grenze oder in den Transitzonen eines Mitgliedstaats stellt. Der Antrag wird von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird.

Art. 3 Abs. 2 Dublin III-VO normiert, dass sich für den Fall, dass sich anhand der Kriterien dieser Verordnung der zuständige Mitgliedstaat nicht bestimmen lässt, der erste Mitgliedstaat, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde für dessen Prüfung zuständig ist.

Erweist es sich als unmöglich, einen Antragsteller an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedsstaat zu überstellen, da es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass die Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der EU-Grundrechtscharta mit sich bringen, so setzt der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat die Prüfung der in Kapitel III vorgesehenen Kriterien fort, um festzustellen, ob ein anderer Mitgliedstaat als zuständig bestimmt werden kann.

Kann keine Überstellung gemäß diesem Absatz an einen aufgrund der Kriterien des Kapitels III bestimmten Mitgliedsstaat oder an den ersten Mitgliedstaats, in dem der Antrag gestellt wurde, vorgenommen werden, so wird der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat der zuständige Mitgliedstaat.


Gemäß Art. 3 Abs. 3 der Dublin III-VO behält jeder Mitgliedstaat das Recht, einen Antragsteller nach Maßgabe der Bestimmungen und Schutzgarantien der Richtlinie 32/2013/EU in einen sicheren Drittstaat zurück- oder auszuweisen.

In Kapitel III beziehungsweise den Art. 7 ff der Dublin III-VO werden die Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats sowie deren Rangfolge aufgezählt. Bei der Bestimmung des nach den Kriterien dieses Kapitels zuständigen Mitgliedstaats wird von der Situation ausgegangen, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Antragsteller seinen Antrag auf internationalen Schutz zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt.

Art. 13 Abs. 1 Dublin III-VO lautet: „Wird auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß den beiden in Art. 22 Abs. 3 genannten Verzeichnissen, einschließlich der Daten nach der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 festgestellt, dass ein Asylbewerber aus einem Drittstaat kommend die Land-, See- oder Luftgrenze eines Mitgliedstaats illegal überschritten hat, so ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig. Die Zuständigkeit endet zwölf Monate nach dem Tag des illegalen Grenzübertritts.“

Art. 17 Ermessensklauseln:

„(1) Abweichend von Artikel 3 Absatz 1 kann jeder Mitgliedstaat beschließen, einen bei ihm von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen gestellten Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist.

Der Mitgliedstaat, der gemäß diesem Absatz beschließt, einen Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, wird dadurch zum zuständigen Mitgliedstaat und übernimmt die mit dieser Zuständigkeit einhergehenden Verpflichtungen. Er unterrichtet gegebenenfalls über das elektronische Kommunikationsnetz DubliNet, das gemäß Artikel 18 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 eingerichtet worden ist, den zuvor zuständigen Mitgliedstaat, den Mitgliedstaat, der ein Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats durchführt, oder den Mitgliedstaat, an den ein Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuch gerichtet wurde.

Der Mitgliedstaat, der nach Maßgabe dieses Absatzes zuständig wird, teilt diese Tatsache unverzüglich über Eurodac nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 mit, indem er den Zeitpunkt über die erfolgte Entscheidung zur Prüfung des Antrags anfügt.


(2) Der Mitgliedstaat, in dem ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt worden ist und der das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats durchführt, oder der zuständige Mitgliedstaat kann, bevor eine Erstentscheidung in der Sache ergangen ist, jederzeit einen anderen Mitgliedstaat ersuchen, den Antragsteller aufzunehmen, aus humanitären Gründen, die sich insbesondere aus dem familiären oder kulturellen Kontext ergeben, um Personen jeder verwandtschaftlichen Beziehung zusammenzuführen, auch wenn der andere Mitgliedstaat nach den Kriterien in den Artikeln 8 bis 11 und 16 nicht zuständig ist. Die betroffenen Personen müssen dem schriftlich zustimmen.

Das Aufnahmegesuch umfasst alle Unterlagen, über die der ersuchende Mitgliedstaat verfügt, um dem ersuchten Mitgliedstaat die Beurteilung des Falles zu ermöglichen.

Der ersuchte Mitgliedstaat nimmt alle erforderlichen Überprüfungen vor, um zu prüfen, dass die angeführten humanitären Gründe vorliegen, und antwortet dem ersuchenden Mitgliedstaat über das elektronische Kommunikationsnetz DubliNet, das gemäß Artikel 18 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 eingerichtet wurde, innerhalb von zwei Monaten nach Eingang des Gesuchs. Eine Ablehnung des Gesuchs ist zu begründen.

Gibt der ersuchte Mitgliedstaat dem Gesuch statt, so wird ihm die Zuständigkeit für die Antragsprüfung übertragen.“

Art. 18 lautet:

„Pflichten des zuständigen Mitgliedstaats

(1) Der nach dieser Verordnung zuständige Mitgliedstaat ist verpflichtet:

a) einen Antragsteller, der in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat, nach Maßgabe der Artikel 21, 22 und 29 aufzunehmen;

b) einen Antragsteller, der während der Prüfung seines Antrags in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats ohne Aufenthaltstitel aufhält, nach Maßgabe der Artikel 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen;

c) einen Drittstaatsangehörigen oder einen Staatenlosen, der seinen Antrag während der Antragsprüfung zurückgezogen und in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich ohne Aufenthaltstitel im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhält, nach Maßgabe der Artikel 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen;

d) einen Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen, dessen Antrag abgelehnt wurde und der in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats ohne Aufenthaltstitel aufhält, nach Maßgabe der Artikel 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen.

(2) Der zuständige Mitgliedstaat prüft in allen dem Anwendungsbereich des Absatzes 1 Buchstaben a und b unterliegenden Fällen den gestellten Antrag auf internationalen Schutz oder schließt seine Prüfung ab.

Hat der zuständige Mitgliedstaat in den in den Anwendungsbereich von Absatz 1 Buchstabe c fallenden Fällen die Prüfung nicht fortgeführt, nachdem der Antragsteller den Antrag zurückgezogen hat, bevor eine Entscheidung in der Sache in erster Instanz ergangen ist, stellt dieser Mitgliedstaat sicher, dass der Antragsteller berechtigt ist, zu beantragen, dass die Prüfung seines Antrags abgeschlossen wird, oder einen neuen Antrag auf internationalen Schutz zu stellen, der nicht als Folgeantrag im Sinne der Richtlinie 2013/32/EU behandelt wird. In diesen Fällen gewährleisten die Mitgliedstaaten, dass die Prüfung des Antrags abgeschlossen wird.

In den in den Anwendungsbereich des Absatzes 1 Buchstabe d fallenden Fällen, in denen der Antrag nur in erster Instanz abgelehnt worden ist, stellt der zuständige Mitgliedstaat sicher, dass die betreffende Person die Möglichkeit hat oder hatte, einen wirksamen Rechtsbehelf gemäß Artikel 46 der Richtlinie 2013/32/EU einzulegen.“

Art. 23 lautet:

„Wiederaufnahmegesuch bei erneuter Antragstellung im ersuchenden Mitgliedstaat

(1) Ist ein Mitgliedstaat, in dem eine Person im Sinne des Artikels 18 Absatz 1 Buchstaben b, c oder d einen neuen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der Auffassung, dass nach Artikel 20 Absatz 5 und Artikel 18 Absatz 1 Buchstaben b, c oder d ein anderer Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags zuständig ist, so kann er den anderen Mitgliedstaat

ersuchen, die Person wieder aufzunehmen.

(2) Ein Wiederaufnahmegesuch ist so bald wie möglich, auf jeden Fall aber innerhalb von zwei Monaten nach der Eurodac- Treffermeldung im Sinne von Artikel 9 Absatz 5 der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 zu stellen. Stützt sich das Wiederaufnahmegesuch auf andere Beweismittel als Angaben aus dem Eurodac-System, ist es innerhalb von drei Monaten, nachdem der Antrag auf internationalen Schutz im Sinne von Artikel 20 Absatz 2 gestellt wurde, an den ersuchten Mitgliedstaat zu richten. (3) Erfolgt das Wiederaufnahmegesuch nicht innerhalb der in Absatz 2 festgesetzten Frist, so ist der Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig, in dem der neue Antrag gestellt wurde. (4) Für ein Wiederaufnahmegesuch ist ein Standardformblatt zu verwenden, das Beweismittel oder Indizien im Sinne der beiden Verzeichnisse nach Artikel 22 Absatz 3 und/oder sachdienliche Angaben aus der Erklärung der betroffenen Person enthalten muss, anhand deren die Behörden des ersuchten Mitgliedstaats prüfen können, ob ihr Staat auf Grundlage der in dieser Verordnung festgelegten Kriterien zuständig ist. Die Kommission legt im Wege von Durchführungsrechtsakten einheitliche Bedingungen für die Erstellung und Übermittlung von Wiederaufnahmegesuchen fest. Diese Durchführungsrechtsakte werden gemäß dem in Artikel 44 Absatz 2 genannten Prüfverfahren erlassen.“

Art. 25 lautet:

„Antwort auf ein Wiederaufnahmegesuch

(1) Der ersuchte Mitgliedstaat nimmt die erforderlichen Überprüfungen vor und entscheidet über das Gesuch um Wiederaufnahme der betreffenden Person so rasch wie möglich, in jedem Fall aber nicht später als einen Monat, nachdem er mit dem Gesuch befasst wurde. Stützt sich der Antrag auf Angaben aus dem Eurodac-System, verkürzt sich diese Frist auf zwei Wochen.

(2) Wird innerhalb der Frist von einem Monat oder der Frist von zwei Wochen gemäß Absatz 1 keine Antwort erteilt, ist davon auszugehen dass dem Wiederaufnahmegesuch stattgegeben wird, was die Verpflichtung nach sich zieht, die betreffende Person wieder aufzunehmen und angemessene Vorkehrungen für die Ankunft zu treffen.“

4.2. Zur Frage der Unzuständigkeit Österreichs für die Durchführung des gegenständlichen Verfahrens pflichtet das BVwG der Verwaltungsbehörde bei, dass sich aus dem festgestellten Sachverhalt die Zuständigkeit Tschechiens ergibt.

Dies folgt aus den Regelungen der Art. 12 Abs. 4 Dublin III-VO, da die BF mit einem tschechischen Schengen-Visum in das Bundesgebiet eingereist ist. Die tschechischen Behörden haben der Aufnahme der BF ausdrücklich zugestimmt.

Anhaltspunkte dafür, dass die Zuständigkeit Tschechiens in der Zwischenzeit untergangen sein könnte, bestehen nicht. Auch aus Art. 16 (abhängige Personen) und Art. 17 Abs. 2 (humanitäre Klausel) Dublin III-VO ergibt sich im Bundesgebiet keine österreichische Zuständigkeit zur Prüfung des Antrages der BF.

4.3.    Nach der Rechtsprechung des VfGH (zB 17.06.2005, B 336/05; 15.10.2004, G 237/03) und des VwGH (zB 23.01.2007, 2006/01/0949; 25.04.2006, 2006/19/0673) ist aus innerstaatlichen verfassungsrechtlichen Gründen das Selbsteintrittsrecht zwingend auszuüben, sollte die innerstaatliche Überprüfung der Auswirkungen einer Überstellung ergeben, dass Grundrechte des betreffenden Asylwerbers bedroht wären.

Das BFA hat von der Möglichkeit der Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO keinen Gebrauch gemacht. Es war daher zu prüfen, ob von diesem im gegenständlichen Verfahren ausnahmsweise zur Vermeidung einer Verletzung der EMRK oder der GRC zwingend Gebrauch zu machen gewesen wäre.

4.3.1.  Mögliche Verletzung von Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK:

Gemäß Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK darf niemand Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.

Die bloße Möglichkeit einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben werden soll, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat als unzulässig erscheinen zu lassen. Wenn keine Gruppenverfolgung oder sonstige amtswegig zu berücksichtigenden notorischen Umstände grober Menschenrechtsverletzungen in Mitgliedstaaten der EU in Bezug auf Art. 3 EMRK vorliegen (VwGH 27.09.2005, 2005/01/0313), bedarf es zur Glaubhaftmachung der genannten Bedrohung oder Gefährdung konkreter, auf den betreffenden Fremden bezogene Umstände, die gerade in seinem Fall eine solche Bedrohung oder Gefährdung im Fall seiner Abschiebung als wahrscheinlich erscheinen lassen (VwGH 09.05.2003, 98/18/0317; 26.11.1999, 96/21/0499; vgl. auch 16.07.2003, 2003/01/0059). „Davon abgesehen liegt es aber beim Asylwerber, besondere Gründe, die für die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes im zuständigen Mitgliedstaat sprechen, vorzubringen und glaubhaft zu machen. Dazu wird es erforderlich sein, dass der Asylwerber ein ausreichend konkretes Vorbringen erstattet, warum die Verbringung in den zuständigen Mitgliedstaat gerade für ihn die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes, insbesondere einer Verletzung von Art. 3 EMRK, nach sich ziehen könnte, und er die Asylbehörden davon überzeugt, dass der behauptete Sachverhalt (zumindest) wahrscheinlich ist.“ (VwGH 23.01.2007, 2006/01/0949).

Die Vorlage allgemeiner Berichte ersetzt dieses Erfordernis in der Regel nicht (vgl. VwGH 17.02.1998, 96/18/0379; EGMR 04.02.2005, 46827/99 und 46951/99, Mamatkulov und Askarov/Türkei Rz 71-77), eine geringe Anerkennungsquote, eine mögliche Festnahme im Falle einer Überstellung, ebenso eine allfällige Unterschreitung des verfahrensrechtlichen Standards des Art. 13 EMRK, sind für sich genommen nicht ausreichend, die Wahrscheinlichkeit einer hier relevanten Menschenrechtsverletzung darzutun. Relevant wäre dagegen etwa das Vertreten von mit der GFK unvertretbaren rechtlichen Sonderpositionen in einem Mitgliedstaat oder das Vorliegen einer massiv rechtswidrigen Verfahrensgestaltung im individuellen Fall, wenn der Asylantrag im zuständigen Mitgliedstaat bereits abgewiesen wurde. Eine ausdrückliche Übernahmeerklärung des anderen Mitgliedstaates hat in die Abwägung einzufließen (VwGH 25.04.2006, 2006/19/0673; 31.05.2005, 2005/20/0025; 31.03.2005, 2002/20/0582), ebenso weitere Zusicherungen der europäischen Partnerstaaten Österreichs (zur Bedeutung solcher Sachverhalte Filzwieser/Sprung, Dublin II-Verordnung³, K13 zu Art. 19).

Der EuGH sprach in seinem Urteil vom 10.12.2013, C-394/12, Shamso Abdullahi/Österreich Rz 60, aus, dass in einem Fall, in dem ein Mitgliedstaat der Aufnahme eines Asylbewerbers nach Maßgabe des in Art. 10 Abs. 1 Dublin II-VO festgelegten Kriteriums zugestimmt hat, der Asylbewerber der Heranziehung dieses Kriteriums nur damit entgegentreten kann, dass er systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat geltend macht, welche ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass er tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRC ausgesetzt zu werden.

Mit der Frage, ab welchem Ausmaß von festgestellten Mängeln im Asylsystem des zuständigen Mitgliedstaates der Union ein Asylwerber von einem anderen Aufenthaltsstaat nicht mehr auf die Inanspruchnahme des Rechtsschutzes durch die innerstaatlichen Gerichte im zuständigen Mitgliedstaat und letztlich den EGMR zur Wahrnehmung seiner Rechte verwiesen werden darf, sondern vielmehr vom Aufenthaltsstaat zwingend das Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO auszuüben ist, hat sich der EuGH in seinem Urteil vom 21.12.2011, C-411/10 und C-493/10, N.S. ua./Vereinigtes Königreich, befasst und – ausgehend von der Rechtsprechung des EGMR in der Entscheidung vom 02.12.2008, 32733/08, K.R.S./Vereinigtes Königreich, sowie deren Präzisierung mit der Entscheidung vom 21.01.2011 (GK), 30696/09, M.S.S./Belgien und Griechenland – ausdrücklich ausgesprochen, dass nicht jede Verletzung eines Grundrechtes durch den zuständigen Mitgliedstaat, sondern erst systemische Mängel im Asylverfahren und den Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat die Ausübung des Selbsteintrittsrechtes durch den Aufenthaltsstaat gebieten.

Somit ist zum einen unionsrechtlich zu prüfen, ob im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel im Asylverfahren und den Aufnahmebedingungen für Asylwerber vorherrschen, und zum anderen aus verfassungsrechtlichen Erwägungen, ob die beschwerdeführende Partei im Falle der Zurückweisung ihres Antrages auf internationalen Schutz und ihrer Außerlandesbringung gemäß §§ 5 AsylG und 61 FPG – unter Bezugnahme auf ihre persönliche Situation – in ihren Rechten gemäß Art. 3 und/oder Art. 8 EMRK verletzt werden würde, wobei der Maßstab des "real risk" anzulegen ist.

4.3.1.1. Kritik am tschechischen Asylwesen/der Situation in Tschechien:

Der angefochtene Bescheid enthält – wie oben dargestellt – ausführliche Feststellungen zum tschechischen Asylwesen. Diese Länderberichte basieren auf einer aktuellen Zusammenstellung der Staatendokumentation des BFA, zu den einzelnen Passagen sind jeweils detaillierte Quellenangaben angeführt.

Die BF ist der Richtigkeit der Länderberichte nicht auf entsprechendem fachlichen Niveau entgegengetreten.

Es ist festzuhalten, dass kein konkretes Vorbringen erstattet wurde, das geeignet wäre anzunehmen, dass der rechtliche und faktische Standard des tschechischen Asylverfahrens eine Verletzung fundamentaler Menschenrechte erkennen ließe. Relevant wären im vorliegenden Zusammenhang schon bei einer Grobprüfung erkennbare grundsätzliche schwerwiegende Defizite im Asylverfahren des zuständigen Mitgliedstaates (also etwa: grundsätzliche Ablehnung aller Asylanträge oder solcher bestimmter Staatsangehöriger oder Angehöriger bestimmter Ethnien; kein Schutz vor Verfolgung "Dritter", kein Rechtsmittelverfahren).

Solche Mängel (die bei einem assoziierten Mitgliedstaat der Europäischen Union nicht vorausgesetzt werden können, sondern zunächst einmal mit einer aktuellen individualisierten Darlegung der BF plausibel zu machen sind – dies im Sinne der Regelung des § 5 Abs. 3 AsylG) sind schon auf Basis der Feststellungen des BFA nicht erkennbar und auch nicht substantiiert vorgebracht worden.

Ein konkretes detailliertes Vorbringen, das geeignet wäre, anzunehmen, dass Tschechien in Hinblick auf Asylwerber aus der Türkei unzumutbare rechtliche Sonderpositionen vertreten würde, ist nicht erstattet worden. Hinweise auf eine individuelle Vulnerabilität im Verhältnis der tschechischen Asylbehörden zu gerade dieser BF sind weder aus der Aktenlage ersichtlich, noch wurden diese im Beschwerdeschriftsatz vorgebracht.

In diesem Zusammenhang ist nochmals darauf hinzuweisen, dass die BF weder systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylwerber, noch eine ihr widerfahrene unmenschliche Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK in der Tschechischen Republik jemals geltend gemacht hat. Wenn die BF als einzigen Grund, nicht nach Tschechien zurückkehren zu können, ausführt, Angst vor dem türkischen Geheimdienst zu haben, welcher angeblich auf sie aufmerksam gemacht worden wäre, bleibt festzuhalten, dass selbst bei Zutreffen dieser Behauptung von der Schutzfähigkeit und Schutzwilligkeit der tschechischen Sicherheitsorgane auszugehen ist. Kein Asylwerber oder anerkannter Flüchtling ist in Tschechien allfälligen Übergriffen von welcher Seite auch immer schutzlos ausgeliefert. Die BF gab überdies an, niemals persönlich konkret bedroht bzw. direkt angesprochen worden zu sein und sich auch zu keinem Zeitpunkt an die tschechischen Sicherheitsbehörden gewandt zu haben. Warum die BF dann die Schutzfähigkeit und Schutzwilligkeit der tschechischen Behörden anzweifelt, wurde nicht konkret dargelegt. Es bestehen hierfür keinerlei Anhaltspunkte. Wie im Bescheid auch richtig ausgeführt wird, wurden Beweisunterlagen vorgelegt, wonach auch in Österreich der türkische Geheimdienst tätig wäre. Fraglich ist daher auch, warum sich die BF in Österreich sicher fühlen würde, wenn das Tätigkeitsfeld des angeführten Geheimdienstes nicht nur auf das Gebiet der Tschechischen Republik beschränkt sein würde.

Schon vor dem Hintergrund der jüngsten Lagebeurteilung durch UNHCR und der erstinstanzlichen Erwägungen kann nicht erkannt werden, dass im Hinblick auf Asylwerber, die von Österreich im Rahmen der Dublin III-VO nach Tschechien überstellt werden, aufgrund der dortigen Rechtslage und/oder Vollzugspraxis systematische Verletzungen von Rechten gemäß der EMRK erfolgen würden, oder dass diesbezüglich eine maßgebliche Wahrscheinlichkeit im Sinne eines „real risk“ für den Einzelnen bestehen würde.

Eine wie in der Entscheidung des EGMR vom 21.01.2011 in der Rechtssache M.S.S./Belgien und Griechenland in Bezug auf Griechenland beschriebene Situation systematischer Mängel im Asylverfahren in Verbindung mit schweren Mängeln bei der Aufnahme von Asylwerbern kann jedoch in Tschechien im Hinblick auf die erstinstanzlichen Länderfeststellungen nicht erkannt werden. Des Weiteren vermögen einzelne Grundrechtsverletzungen, respektive Verstöße gegen Asylrichtlinien, die Anwendung der Dublin II-VO (und nunmehr der Dublin III-VO) demgegenüber unionsrechtlich nicht zu hindern und bedingen keinen zwingenden, von der Beschwerdeinstanz wahrzunehmenden, Selbsteintritt (EuGH C-411/10 und C-493/10).

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die BF weder systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylwerber, noch eine ihr widerfahrene unmenschliche Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK in Tschechien jemals konkret geltend machte.

Ein individuelles, ausreichend substantiiertes Vorbringen zu einer konkreten Bedrohung in Tschechien wurde durch die BF nicht erstattet. Die BF gab wiederholt an, in Österreich bleiben zu wollen, da hier ihre Tante aufhältig sei.

Das Asyl- und Refoulementschutzverfahren in Tschechien und die Situation von Asylwerbern dort geben jedenfalls keinen Anlass, ein „real risk“ einer Verletzung von Art. 3 EMRK zu befürchten.

4.3.1.2. Medizinische Krankheitszustände; Behandlung in Tschechien:

Bezüglich des Gesundheitszustandes der BF ist unbestritten, dass nach der allgemeinen Rechtsprechung des EGMR zu Art. 3 EMRK und Krankheiten, die auch im vorliegenden Fall maßgeblich ist, eine Überstellung nach Tschechien nicht zulässig wäre, wenn durch die Überstellung eine existenzbedrohende Situation drohen würde. In einem solchen Fall wäre das Selbsteintrittsrecht gemäß Dublin-VO zwingend auszuüben.

In diesem Zusammenhang ist vorerst auf das diesbezügliche Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes (VfGH vom 06.03.2008, Zl. B 2400/07-9) zu verweisen, welches die relevante Rechtsprechung des EGMR zur Frage der Vereinbarkeit der Abschiebung Kranker in einen anderen Staat mit Art. 3 EMRK festhält (D. v. the United Kingdom, EGMR 02.05.1997, Appl. 30.240/96, newsletter 1997,93; Bensaid, EGMR 06.02.2001, Appl. 44.599/98, newsletter 2001,26; Ndangoya, EGMR 22.06.2004, Appl. 17.868/03; Salkic and others, EGMR 29.06.2004, Appl. 7702/04; Ovdienko, EGMR 31.05.2005, Appl. 1383/04; Hukic, EGMR 29.09.2005, Appl. 17.416/05; EGMR Ayegh, 07.11.2006; Appl. 4701/05; EGMR Goncharova & Alekseytsev, 03.05.2007, Appl. 31.246/06).

Zusammenfassend führt der VfGH aus, dass sich aus den erwähnten Entscheidungen des EGMR ergibt, dass im Allgemeinen kein Fremder ein Recht hat, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet oder selbstmordgefährdet ist. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, solange es grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat bzw. in einem bestimmten Teil des Zielstaates gibt. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung in Art. 3 EMRK. Solche liegen etwa vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben (Fall D. v. the United Kingdom).

Die BF gab zu keinem Zeitpunkt an unter Beschwerden oder Erkrankungen zu leiden.

Nach den Länderfeststellungen des angefochtenen Bescheides ist im zuständigen Mitgliedstaat der Zugang zur Gesundheitsversorgung gesichert, sodass davon ausgegangen werden kann, dass für den Fall, dass die BF im Zielstaat eine Behandlung benötigen sollte, eine solche gewährleistet ist.

Schließlich ist auch darauf hinzuweisen, dass die Fremdenpolizeibehörde bei der Durchführung einer Abschiebung im Falle von bekannten Erkrankungen des Fremden durch geeignete Maßnahmen dem jeweiligen Gesundheitszustand Rechnung zu tragen hat. Insbesondere erhalten kranke Personen eine entsprechende Menge der benötigten, verordneten Medikamente. Anlässlich einer Abschiebung werden von der Fremdenpolizeibehörde auch der aktuelle Gesundheitszustand und insbesondere die Transportfähigkeit beurteilt, sowie gegebenenfalls - bei gesundheitlichen Problemen - entsprechende Maßnahmen gesetzt.

4.3.2. Mögliche Verletzung des Art. 7 GRC bzw. 8 EMRK:

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in Ausübung dieses Rechts ist gem

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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