TE Bvwg Erkenntnis 2020/10/30 W237 2167189-1

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Veröffentlicht am 30.10.2020
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Entscheidungsdatum

30.10.2020

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §54 Abs1 Z2
AsylG 2005 §55 Abs2
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §58 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9 Abs2
BFA-VG §9 Abs3
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §31 Abs1

Spruch

W237 2167189-1/28E

Schriftliche Ausfertigung des am 07.10.2020 mündlich verkündeten Erkenntnisses:

IM NAMEN DER REPUBLIK!

I. Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch den Richter Mag. Martin WERNER über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Russische Föderation, vertreten durch XXXX gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 20.07.2017, Zl. 732734905/151806825, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 04.09.2020 und am 07.10.2020:

A)

Das Verfahren betreffend die Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheids wird gemäß § 28 Abs. 1 iVm § 31 Abs. 1 VwGVG eingestellt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

II. Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Martin WERNER über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Russische Föderation, vertreten durch XXXX gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 20.07.2017, Zl. 732734905/151806825, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 04.09.2020 und am 07.10.2020 zu Recht:

A)

1. Die Beschwerde wird hinsichtlich der Nichterteilung einer „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 57 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

2. Im Übrigen wird der Beschwerde gegen Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheids gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG stattgegeben und festgestellt, dass gemäß § 9 Abs. 2 und 3 BFA-VG eine den Beschwerdeführer betreffende Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist.

3. Dem Beschwerdeführer wird gemäß § 58 Abs. 2 iVm § 55 Abs. 2 und § 54 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 der Aufenthaltstitel „Aufenthaltsberechtigung“ für die Dauer von zwölf Monaten erteilt.

4. Die Spruchpunkte IV. und V. des angefochtenen Bescheids werden ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl leitete aufgrund strafgerichtlicher Verurteilungen des Beschwerdeführers von Amts wegen ein Verfahren zur Aberkennung des ihm zukommenden Status des Asylberechtigten ein. Am 11.05.2017 fand vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eine Einvernahme mit dem Beschwerdeführer statt.

2. Mit Bescheid vom 20.07.2017 erkannte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dem Beschwerdeführer den mit mündlich verkündetem Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenats vom 26.07.2005 zuerkannten Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 ab und stellte gemäß § 7 Abs. 4 AsylG 2005 fest, dass ihm die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukomme (Spruchpunkt I.). Weiters erkannte es dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 den Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zu (Spruchpunkt II.), erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005, erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 3 FPG, stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG iVm § 46 FPG die Zulässigkeit der Abschiebung des Beschwerdeführers in die Russische Föderation fest (Spruchpunkt III.), legte gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest (Spruchpunkt IV.) und erließ schließlich gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG gegenüber dem Beschwerdeführer ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Einreiseverbot (Spruchpunkt V.).

3. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 04.08.2017 durch seinen zur Vertretung im Beschwerdeverfahren bevollmächtigten Rechtsberater vollinhaltlich Beschwerde.

3.1. Der Beschwerdeschriftsatz wurde dem Bundesverwaltungsgericht samt Verwaltungsakten am 10.08.2017 vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vorgelegt.

3.2. Am 04.09.2020 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung mit dem Beschwerdeführer, zwei Rechtsberatern sowie zwei Vertretern der belangten Behörde statt, in welcher der Beschwerdeführer zu seinem Leben und seinen Tätigkeiten in Österreich näher befragt wurde.

3.3. Am 07.10.2020 fand eine neuerliche mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht mit dem Beschwerdeführer, seinem Rechtsberater und einem Vertreter des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl statt, in der der Beschwerdeführer die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. und II. des Bescheids vom 20.07.2017 zurückzog. Nach Schluss der Verhandlung verkündete der erkennende Richter das Erkenntnis samt den wesentlichen Entscheidungsgründen.

3.4. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl beantragte am 09.10.2020 die schriftliche Ausfertigung des mündlich verkündeten Erkenntnisses.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der Beschwerdeführer, ein russischer Staatsangehöriger tschetschenischer Volksgruppenzugehörigkeit mit im Spruch angeführtem Namen und Geburtsdatum, reiste im September 2003 unter Umgehung der Grenzkontrollen mit seiner Ehefrau und seinem erstgeborenen Sohn ins Bundesgebiet ein und stellte einen Antrag auf internationalen Schutz. Mit mündlich verkündetem Bescheid vom 26.07.2005 des Unabhängigen Bundesasylsenates wurde dem Beschwerdeführer Asyl gewährt und seine Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes festgestellt. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl erkannte mit dem unter Pkt. I.2. angeführten Bescheid dem Beschwerdeführer den Status des Asylberechtigten ab und den Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zu, erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ eine Rückkehrentscheidung, stellte die Zulässigkeit der Abschiebung des Beschwerdeführers in die Russische Föderation fest, legte die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest und erließ gegenüber dem Beschwerdeführer ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Einreiseverbot. Der Beschwerdeführer erhob gegen all diese Aussprüche eine Beschwerde, zog diese allerdings hinsichtlich der Statusaberkennung sowie der Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheids) am 07.10.2020 zurück.

1.2. Der Beschwerdeführer wurde in Tschetschenien geboren und wuchs im Dorf XXXX auf, wo er bis zu seiner Ausreise lebte. Er besuchte in seinem Herkunftsstaat elf Jahre die Schule. Seine Mutter, seine Schwester und sein Bruder leben nach wie vor in Tschetschenien; mit ihnen ist der Beschwerdeführer täglich in telefonischem Kontakt. Die Mutter und der Bruder des Beschwerdeführers verfügen jeweils über ein eigenes Haus in XXXX , seine Schwester ist verheiratet und hat eine eigene Familie. Seine Mutter bezieht eine staatliche Pension in der Höhe von umgerechnet 70,– €, sein Bruder arbeitet als Bauarbeiter und seine Schwester handelt mit Textilien.

1.3. Seit September 2003 hält sich der Beschwerdeführer dauerhaft in Österreich auf und hat hier den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen. Er unterbrach seinen Aufenthalt wiederholt für mehrwöchige und -monatige Auslandsreisen; zumindest einmal besuchte er seine Mutter vor drei Jahren für zwei Wochen in Tschetschenien. Der Beschwerdeführer beherrscht die deutsche Sprache fließend und im Wesentlichen uneingeschränkt verständlich, absolvierte jedoch keine Deutschkurse oder Sprachprüfungen. Zumindest in den Jahren 2010 und 2011 arbeitete der Beschwerdeführer als Paketzusteller; in diesem Zusammenhang übte er das freie Gewerbe der Güterbeförderung mit Kraftfahrzeugen mit Anhängern unter einem zulässigen Gesamtgewicht von 3.500 kg, eingeschränkt auf die Verwendung von zwei Kraftfahrzeugen, aus. In den Jahren 2015 bis 2018 war der Beschwerdeführer jeweils für wenige Monate bei unterschiedlichen Arbeitgebern, hauptsächlich geringfügig, als Arbeiter beschäftigt. Zuletzt war er von 03.08.2020 bis 18.08.2020 bei einem Schlüsseldienst tätig; er hat die Aussicht, beim selben Arbeitgeber in naher Zukunft eine Tätigkeit als Bauarbeiter aufzunehmen. Zwischen seinen Beschäftigungen im Bundesgebiet lagen überwiegende Zeiten der Arbeitslosigkeit; derzeit ist der Beschwerdeführer ohne Beschäftigung. Er verfügt über einen Freundes- und Bekanntenkreis im Bundesgebiet, ehrenamtliche Tätigkeiten übte er nie aus.

Mit seiner Ehefrau hat der Beschwerdeführer sechs Kinder, wobei der älteste Sohn volljährig ist und nicht mehr in gemeinsamem Haushalt mit seinen Eltern lebt. Der Beschwerdeführer wohnt mit seiner Ehefrau und weiteren fünf gemeinsamen Kindern im Alter von sechzehn, dreizehn, zehn, drei und eineinhalb Jahren in einer Wohnung in Graz. Die beiden älteren dieser Kinder besuchen ein Gymnasium und der zehnjährige Sohn die vierte Klasse Volksschule; die beiden jüngsten Kinder sind noch nicht eingeschult. Die Ehefrau des Beschwerdeführers und deren sechs gemeinsame Kinder verfügen über den Status von Asylberechtigten in Österreich. Der Beschwerdeführer hat mit einer anderen Frau noch einen weiteren Sohn im Alter von zehn Jahren, der bei seiner Mutter in Wien lebt. Diesen sieht der Beschwerdeführer zwei bis vier Mal im Jahr für mehrere Tage.

1.4. Der Beschwerdeführer wurde im Bundesgebiet wiederholt straffällig:

1.4.1. Im Jänner 2012 eignete sich der Beschwerdeführer mit dem Vorsatz, sich dadurch unrechtmäßig zu bereichern, einen von der Firma XXXX GesmbH geleasten LKW zu, indem er das Fahrzeug nach Südossetien verbrachte.

Das XXXX verurteilte den Beschwerdeführer deswegen mit Urteil vom XXXX wegen des Vergehens der Untreue nach § 133 Abs. 1 und 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zehn Monaten, wobei der Vollzug der Freiheitsstrafe unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde. Das Gericht wertete die bisherige Unbescholtenheit des Beschwerdeführers als mildernd, erschwerend hingegen den hohen Schaden.

1.4.2. Der Beschwerdeführer erbrachte im Zeitraum von 01.05.2010 bis Dezember 2015 für seinen in Wien lebenden minderjährigen Sohn keine der mit monatlichen 74,– € und ab 01.04.2011 mit monatlichen 50,– € festgesetzten Unterhaltsleistungen und ging auch keinem Erwerb nach, der ihm die Erfüllung dieser Pflicht ermöglicht hätte.

Das XXXX verurteilte den Beschwerdeführer deswegen mit Urteil vom XXXX wegen des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Monaten, wobei der Vollzug der Freiheitsstrafe unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde. Das Gericht erachtete das reumütige Geständnis des Beschwerdeführers als mildernd, als erschwerend hingegen seine einschlägige Verurteilung. Mit Beschluss vom selben Tag wurde vom Widerruf der mit Urteil des XXXX vom XXXX gewährten bedingten Strafnachsicht abgesehen und die Probezeit auf 5 Jahre verlängert.

1.4.3. Der Beschwerdeführer verkaufte zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt Mitte/Ende August 2014 im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit einem weiteren Mittäter in Bruck an der Mur und Kapfenberg vorschriftswidrig 500 Gramm Kokain mit einem Reinheitsgehalt von zumindest 20% zu einem nicht mehr feststellbaren Preis einer anderen Person.

Er wurde deshalb vom XXXX am XXXX wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 fünfter Fall SMG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von fünfzehn Monaten verurteilt, wobei ein Teil der verhängten Freiheitsstrafe im Ausmaß von zehn Monaten unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde. Das Gericht berücksichtigte erschwerend, dass der Beschwerdeführer bei der Deliktsverübung die Grenzmenge um ein Vielfaches überschritt und außerdem einschlägig vorbestraft war.

1.4.4. Der Beschwerdeführer verband sich zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt vor dem 20.12.2014 mit mehreren Personen zu einer Gruppierung, die ihren Lebensunterhalt durch das wiederholte entgeltliche Einschleusen von Fremden in und durch die Bundesrepublik Deutschland und andere Länder des Schengenraums erwirtschaften wollten. Dabei war eine arbeitsteilige Vorgehensweise vereinbart, in der einzelne Täter den Kontakt zu einreisewilligen, aber nicht zur Einreise berechtigten Fremden herstellen und von diesen für die Schleusung Beträge von 500,– bis 1.000,– € kassieren sollten. Andere Mitglieder der Gruppe sollten sodann den Transport der Fremden mittels PKW durchführen, wobei auch vorgesehen war, dass Belgleitfahrzeuge eingesetzt würden, die Ausschau nach Polizeikontrollen halten sollten. Die angenommenen Beträge sollten sodann unter den Bandenmitgliedern verteilt werden.

In Umsetzung dieser Abrede kam es dazu, dass zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt vor dem XXXX vier syrische Staatsangehörige Kontakt zu einer Gruppe bestehend aus dem Beschwerdeführer und zwei weiteren Männern aufnahmen und vereinbart wurde, dass diese sie zu einem Preis von 550,– € pro Person von Budapest aus über Österreich und Deutschland nach Norwegen bringen würden. Am XXXX gegen 23:30 Uhr fuhr der Beschwerdeführer mit den beiden anderen Mittätern zusammen mit den syrischen Staatsangehörigen und mindestens einer unbekannten Person in Budapest in insgesamt drei Fahrzeugen los. In der deutschen Ortschaft XXXX wurde der Konvoi durch die Polizei aufgehalten. Die vier syrischen Staatsangehörigen verfügten über keine gültigen Aufenthaltstitel für die Bundesrepublik Deutschland, was dem Beschwerdeführer bei der Ausübung seiner Handlungen bekannt war.

Das Amtsgericht XXXX verurteilte den Beschwerdeführer wegen dieser Handlungen mit Urteil vom XXXX wegen des gewerbs- und bandenmäßigen Einschleusens in vier tateinheitlichen Fällen gemäß § 96 Abs. 1 Nr. 1a und b, § 97 Abs. 2 dt. AufenthG, § 52 dt. StGB zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten. Die Freiheitsstrafe wurde zur Bewährung ausgesetzt, weil der Beschwerdeführer in Österreich sozial integriert sei, über Familie und Arbeit verfüge sowie bereits die Untersuchungshaft für eine Dauer von über fünf Monaten verbüßt habe.

1.4.5. Hinsichtlich der angeführten Strafhandlungen verantwortet sich der Beschwerdeführer heute dahingehend, dass er bestreitet, Kokain – sei es auch nur im Versuch – verkauft zu haben. An die Verurteilung wegen Veruntreuung kann er sich nicht erinnern. Die Unterhaltsverletzung habe er begangen, jetzt komme er aber seinen Unterhaltverpflichtungen stets nach. Auch die Schleppung der vier syrischen Staatsangehörigen bestreitet der Beschwerdeführer nicht; diese Tat sei ein „Blödsinn“ gewesen, den er schon wegen seiner familiären Verpflichtungen keinesfalls wiederholen werde.

1.5. Der Beschwerdeführer ist gesund und leidet unter keinen physischen oder psychischen Beeinträchtigungen.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen zur Identität, Staats- und Volksgruppenzugehörigkeit des Beschwerdeführers, seiner Einreise sowie seinen asylrechtlichen Verfahren ergeben sich unzweifelhaft aus den dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Verfahrensakten. Diesen ist auch zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer im Juni 2014 seinen Vor- und Familiennamen änderte. Er erklärte die Zurückziehung seiner Beschwerde vom 04.08.2017 gegen die Spruchpunkte I. und II. des Bescheids vom 20.07.2017 aus eigenen Stücken und nach Rücksprache mit seinem Rechtsvertreter in der Verhandlung vom 07.10.2020, was aus dem entsprechenden Verhandlungsprotokoll klar ersichtlich ist.

2.2. Die Herkunft und der Werdegang des Beschwerdeführers sowie seine familiären Anknüpfungspunkte in Tschetschenien wurden entsprechend seinen Angaben in der mündlichen Beschwerdeverhandlung am 04.09.2020 festgestellt. Diese Angaben wurden auch durch die belangte Behörde nicht bestritten.

2.3. Die Feststellungen zum Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet und den mehrfachen Aufenthaltsunterbrechungen ergeben sich aus seinen eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung am 04.09.2020, wonach er vor drei Jahren seine Mutter in Tschetschenien für zwei oder drei Wochen besucht habe und ein anderes Mal in Süd-Ossetien unterwegs gewesen sei. Dem Verwaltungsakt sind weiters Dokumente zu entnehmen, denen zufolge der Beschwerdeführer in den Jahren zwischen 2010 und 2014 wiederholt im Ausland unterwegs war; der Beschwerdeführer bestritt Auslandsaufenthalte in diesem Zeitraum in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht auch nicht. Ebenso ergibt sich aus dem Urteil des XXXX , dass sich der Beschwerdeführer für fünf Monate in Deutschland in Untersuchungshaft befand. Dass sein Lebensmittelpunkt allerdings immer in Österreich war, wird angesichts seiner hier lebenden Kernfamilie und einem Auszug aus dem Zentralen Melderegister nicht angezweifelt. Die belangte Behörde vermochte im Beschwerdeverfahren auch nicht substantiiert darzulegen, dass sich der Lebensmittelpunkt des Beschwerdeführers seit dem Jahr 2003 jemals für einen beachtlichen Zeitraum außerhalb Österreichs befand.

Da die Verständigung mit dem Beschwerdeführer in der Verhandlung ohne Dolmetscher problemlos möglich war, ist festzustellen, dass er die deutsche Sprache fließend und – von komplexerem (Fach-)Vokabular abgesehen – im Wesentlichen uneingeschränkt beherrscht. Nach eigenen Angaben hat der Beschwerdeführer weder Deutschkurse noch Deutschprüfungen abgelegt.

Soweit der Beschwerdeführer in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht behauptete, drei Jahre als Paketzusteller bei DHL und DPD gearbeitet zu haben, deckt sich dies nicht gänzlich mit einem ihn betreffenden Versicherungsdatenauszug, aus dem ersichtlich ist, dass er nur von 01.01.2011 bis 30.11.2011 unselbständig als Paketzusteller gearbeitet hat. Allerdings ergibt sich eine selbständige Tätigkeit des Beschwerdeführers als Paketzusteller aus einer vorgelegten Gutschrift vom 30.09.2010 eines Transportunternehmens. Überdies ist aus einem Auszug aus dem Gewerberegister des Landes Steiermark vom 14.09.2010 ersichtlich, dass der Beschwerdeführer das festgestellte freie Gewerbe ausübte. Deshalb war von seiner Tätigkeit als Paketzusteller zumindest im festgestellten Zeitraum auszugehen. Seine Beschäftigungen zwischen 2015 und 2018 sowie seine letzte Arbeit im August 2020 gehen hinreichend klar aus einem Versicherungsdatenauszug hervor, aus dem auch zu ersehen ist, dass der Beschwerdeführer zwischen seinen Tätigkeiten immer wieder für längere Zeit Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe bezogen hat. Dass der Beschwerdeführer die Aussicht hat, bei seinem letzten Arbeitgeber in naher Zukunft eine Tätigkeit als Bauarbeiter aufzunehmen, beruht auf seinen Angaben vor dem Bundesverwaltungsgericht am 04.09. und 07.10.2020, denen die belangte Behörde nicht entgegentrat. Gleichermaßen räumte er in der Verhandlung am 07.10.2020 (also unmittelbar vor der Verkündung der gegenständlichen Entscheidung) ein, momentan beschäftigungslos zu sein.

Schließlich waren auch sämtliche Feststellungen zu seinen Familienangehörigen, Freunden und Bekannten sowie seinen fehlenden ehrenamtlichen oder sozialen Tätigkeiten in Österreich vollinhaltlich gemäß seinen Angaben festzustellen.

2.4. Die Strafhandlungen des Beschwerdeführers wurden zur Gänze entsprechend den dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Strafurteilen des XXXX vom XXXX und XXXX , des XXXX vom XXXX sowie des XXXX vom XXXX festgestellt. Aus diesen gehen die festgestellten Strafhandlungen sowie die mildernden und erschwerenden Umstände ausreichend klar hervor. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes besteht für eine Verwaltungsbehörde und ein Verwaltungsgericht durch ein Strafurteil insoweit eine Bindung, als dadurch (vorbehaltlich einer allfälligen Wiederaufnahme des Strafverfahrens) mit absoluter Wirkung, somit gegenüber jedermann, bindend festgestellt ist, dass die schuldig gesprochene Person die strafbare Handlung entsprechend den konkreten Tatsachenfeststellungen des Strafurteils rechtswidrig und schuldhaft begangen hat (vgl. VwGH 24.10.2019, Ra 2019/21/0288 mwN). Schon deshalb ist (zumindest hinsichtlich der festgestellten Strafhandlungen) nicht weiter auf die Aussagen des Beschwerdeführers dazu in der mündlichen Verhandlung am 04.09.2020 – diese wurden unter Pkt. II.1.4.5. festgestellt – einzugehen. Was die der Verurteilung durch das XXXX zugrundeliegende Straftat betrifft, bestritt der Beschwerdeführer diese nicht und räumte die festgestellte Tathandlung in der Verhandlung am 04.09.2020 vollinhaltlich ein.

2.5. Die Feststellung zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers ergibt sich aus seinen eigenen Angaben in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht.

3. Rechtliche Beurteilung:

Die gegen den angefochtenen Bescheid vom 20.07.2020 am 04.08.2017 per E-Mail an die belangte Behörde übermittelte Beschwerde ist gemäß § 7 Abs. 4 erster Satz VwGVG rechtzeitig (vgl. VfSlg. 20.193/2017).

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl stellte rechtzeitig innerhalb von zwei Wochen nach Ausfolgung der Niederschrift vom 07.10.2020 einen Antrag auf Ausfertigung des mündlich verkündeten Erkenntnisses.

Zu I.A)

§ 7 Abs. 2 VwGVG normiert, dass eine Beschwerde nicht mehr zulässig ist, wenn die Partei nach Zustellung oder Verkündung des Bescheids ausdrücklich auf die Beschwerde verzichtet hat.

Eine Zurückziehung der Beschwerde durch die beschwerdeführende Partei ist in jeder Lage des Verfahrens ab Einbringung der Beschwerde bis zur Erlassung der Entscheidung möglich. Mit der Zurückziehung ist das Rechtsschutzinteresse der beschwerdeführenden Partei weggefallen, womit einer Sachentscheidung die Grundlage entzogen und die Einstellung des betreffenden Verfahrens – in dem von der Zurückziehung betroffenen Umfang – auszusprechen ist (vgl. Götzl/Gruber/Reisner/Winkler, Das neue Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte, 2015, § 7 VwGVG, Rz 20; Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte, 2013, § 7 VwGVG, K 5 ff.).

Die Annahme, eine Partei ziehe die von ihr erhobene Beschwerde zurück, ist nur dann zulässig, wenn die entsprechende Erklärung keinen Zweifel daran offen lässt. Maßgebend ist daher das Vorliegen einer in dieser Richtung eindeutigen Erklärung (vgl. zu Berufungen Hengstschläger/Leeb, AVG, § 63, Rz 75 mit zahlreichen Hinweisen zur Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes).

Eine solche Erklärung liegt im vorliegenden Fall vor, weil der Beschwerdeführer die Zurückziehung seiner Beschwerde im Umfang der Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheids in der mündlichen Beschwerdeverhandlung am 07.10.2020 nach Rücksprache mit seinem Rechtsvertreter aus freien Stücken und im Wissen über die Konsequenzen klar zum Ausdruck gebracht hat; einer Sachentscheidung durch das Gericht ist damit die Grundlage entzogen.

Das Beschwerdeverfahren ist daher im genannten Umfang mit Beschluss einzustellen (vgl. dazu VwGH 29.04.2015, 2014/20/0047, wonach aus den Bestimmungen des § 28 Abs. 1 und § 31 Abs. 1 VwGVG hervorgeht, dass eine bloß formlose Beendigung [etwa durch Einstellung mittels Aktenvermerkes] eines nach dem VwGVG vom Verwaltungsgericht geführten Verfahrens nicht in Betracht kommt).

Zu I.B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Dass bei einer Beschwerdezurückziehung keine Sachentscheidung durch das Gericht mehr getroffen werden kann, entspricht der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

Zu II.A)

3.1. Zur Abweisung der Beschwerde betreffend die Nichterteilung des Aufenthaltstitels „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ gemäß § 57 AsylG 2005:

3.1.1. Gemäß § 58 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 ist die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 von Amts wegen zu prüfen, wenn – wie im vorliegenden Fall – einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt. Mit der Zurückziehung der Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. und II. des Bescheids vom 20.07.2017 erwuchs die Aberkennung des Status des Asylberechtigten sowie die Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Rechtskraft.

§ 57 Abs. 1 AsylG 2005 lautet:

„‘Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz‘

§ 57. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine ‚Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz‘ zu erteilen:
1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,
2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder
3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der ‚Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz‘ zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

(2) – (4) […]“

3.1.2. Die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 liegen nicht vor, weil der Aufenthalt des Beschwerdeführers weder seit mindestens einem Jahr gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG geduldet noch zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig ist; der Beschwerdeführer wurde auch nicht Opfer von Gewalt iSd § 57 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005. Weder behauptete der Beschwerdeführer das Vorliegen eines der Gründe des § 57 Abs. 1 AsylG 2005 (in der Beschwerde finden sich ebenso keine Ausführungen zu Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheids), noch kam ein Hinweis auf das Vorliegen eines solchen Sachverhalts im Ermittlungsverfahren hervor.

Die Beschwerde gegen Spruchpunkt III. des Bescheids vom 20.07.2017 ist damit abzuweisen.

3.2. Zur Feststellung, dass eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist:

3.2.1.1. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 ist eine Entscheidung, mit der einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt, mit einer Rückkehrentscheidung zu verbinden, wenn kein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 erteilt wird und kein Fall der §§ 8 Abs. 3 a oder 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt. Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall gegeben.

3.2.1.2. § 52 FPG lautet auszugsweise:

„Rückkehrentscheidung


§ 52 (1) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich
1.         nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält oder
2.         nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und das Rückkehrentscheidungsverfahren binnen sechs Wochen ab Ausreise eingeleitet wurde.


(2) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

1. dessen Antrag auf internationalen Schutz wegen Drittstaatsicherheit zurückgewiesen wird,

2. dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

3. ihm der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder

4. ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird

und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.


(3) – (8) [...]

(9) Mit der Rückkehrentscheidung ist gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.

(10) – (11) [...]“

3.2.1.3. § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG lautet auszugsweise:

§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.


(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

(4) – (6) […]“

3.2.2. Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffs; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Ausweisung – nunmehr Rückkehrentscheidung – nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden (und seiner Familie) schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.

Bei dieser Interessenabwägung sind die in § 9 Abs. 2 BFA-VG unter Berücksichtigung der Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ausdrücklich normierten Kriterien zu berücksichtigen (vgl. auch VfSlg. 18.224/2007; VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479; 26.01.2006, 2002/20/0423).

3.2.2.1. Was das Familienleben des Beschwerdeführers betrifft, ist Folgendes festzuhalten:

3.2.2.1.1. Vom Prüfungsumfang des Begriffs des „Familienlebens“ in Art. 8 EMRK ist nicht nur die Kernfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern umfasst, sondern z.B. auch Beziehungen zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Eltern und erwachsenen Kindern (etwa EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215). Nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte entsteht ein von Art. 8 Abs. 1 EMRK geschütztes Familienleben zwischen Eltern und Kind mit dem Zeitpunkt der Geburt. Diese besonders geschützte Verbindung kann in der Folge nur unter außergewöhnlichen Umständen als aufgelöst betrachtet werden. Das Auflösen einer Hausgemeinschaft von Eltern und volljährigen Kindern alleine führt jedenfalls nicht zur Beendigung des Familienlebens im Sinn von Art. 8 Abs. 1 EMRK, solange nicht jede Bindung gelöst ist (EGMR 24.04.1996, Boughanemi, Appl 22070/93 [Z33 und 35]). Für das Bestehen eines Familienlebens zwischen Eltern und Kindern im Sinn der Rechtsprechung des EGMR kommt es also nicht darauf an, dass ein „qualifiziertes und hinreichend stark ausgeprägtes Nahverhältnis“ besteht, sondern darauf, ob jede Verbindung gelöst wurde (vgl. VfGH 12.03.2014, U 1904/2013).

3.2.2.1.2. Der Beschwerdeführer lebt mit seiner Ehefrau und fünf gemeinsamen Kindern (im Alter von eineinhalb bis 16 Jahren; der 19-jährige Sohn lebt nicht mehr im gemeinsamen Haushalt), die zum vorliegenden Entscheidungszeitpunkt den Status von Asylberechtigten haben, in Graz in gemeinsamem Haushalt; er sieht diese Personen jeden Tag und bringt sich aktiv in die Kindeserziehung ein. Abgesehen davon hat er mit einer weiteren in Wien lebenden Frau einen gemeinsamen Sohn im Alter von zehn Jahren, den er zwei bis vier Mal pro Jahr für mehrere Tage sieht. Eine Rückkehrentscheidung würde daher einen schwerwiegenden Eingriff in das in Österreich gelebte Familienleben des Beschwerdeführers mit den genannten Angehörigen bedeuten.

3.2.2.2. Was sein Recht auf Achtung seines Privatlebens betrifft, ist Folgendes festzuhalten:

3.2.2.2.1. Unter dem „Privatleben“ sind nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. Sisojeva ua. v. Lettland, EuGRZ 2006, 554). In diesem Zusammenhang kommt dem Grad der sozialen Integration des Betroffenen eine wichtige Bedeutung zu.

3.2.2.2.2. Der Beschwerdeführer führt sein (Privat-)Leben seit 17 Jahren in Österreich und ist bestrebt, dies weiter zu tun. Eine Rückkehrentscheidung greift daher klar in sein Recht auf Achtung seines Privatlebens ein.

3.2.2.3. Ob der durch eine Rückkehrentscheidung erfolgende Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers zulässig ist, ist im Wege einer sämtliche dafür maßgeblichen Aspekte berücksichtigenden Interessenabwägung zu entscheiden. In diesem Sinne lässt sich das Bundesverwaltungsgericht von folgenden Erwägungen leiten:

3.2.2.3.1. Der Beschwerdeführer befindet sich seit September 2003 dauerhaft im Bundesgebiet, wobei sein Aufenthalt zwar häufiger mehrwöchig oder-monatig unterbrochen wurde, er aber den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen jedenfalls seit diesem Zeitpunkt in Österreich hat. Allein diese lange Aufenthaltsdauer von 17 Jahren spricht sehr stark für seinen weiteren Verbleib in Österreich, zumal der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung davon ausgeht, dass bei einem über zehnjährigen Aufenthalt eines Fremden in Österreich regelmäßig von einem Überwiegen seiner persönlichen Interessen an einem Verbleib auszugehen ist (vgl. VwGH 07.03.2019, Ra 2018/21/0134 mwN). Nur dann, wenn der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit überhaupt nicht genützt hat, um sich sozial und beruflich zu integrieren, wurde eine aufenthaltsbeendende Maßnahme ausnahmsweise auch nach so langem Inlandsaufenthalt noch für verhältnismäßig angesehen. Außerdem erachtete der Verwaltungsgerichtshof auch bei einem mehr als zehnjährigen Inlandsaufenthalt in Verbindung mit dem Vorliegen gewisser integrationsbegründender Aspekte ein Überwiegen des persönlichen Interesses eines Fremden an einem Verbleib im Inland dann nicht als zwingend, wenn dem Umstände entgegen stehen, die das gegen diesen Verbleib im Inland sprechende öffentliche Interesse verstärken bzw. die Länge der Aufenthaltsdauer im Inland relativieren (vgl. aus jüngerer Zeit etwa VwGH 22.08.2019, Ra 2018/21/0134, Rn. 20 mwN; 19.12.2019, Ra 2019/21/0243, Rn. 9 mwN).

Im vorliegenden Fall liegt allerdings eine solche erhebliche Verstärkung der öffentlichen Interessen an der Beendigung des Aufenthalts des Beschwerdeführers vor: So wurde er in den vergangenen acht Jahren mehrfach straffällig. Während dabei seine im Jahr 2012 begangene Veruntreuung sowie die Verletzung seiner Unterhaltspflicht im Jahr 2015 weniger ins Gewicht fallen, wirkt sich sein im August 2014 begangener Verstoß gegen das Suchtmittelgesetz (der Beschwerdeführer verkaufte in Bruck an der Mur mit einem Mittäter 500 Gramm Kokain mit einem Reinheitsgehalt von 20% einer anderen Person) stark zu seinen Ungunsten aus, zumal der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung Drogenhandel als schwerwiegendes, gesellschaftszersetzendes Übel erachtet. Besonders gravierend ist aber, dass der Beschwerdeführer am XXXX – gemeinsam mit anderen Mittätern – gegen Entgelt vier syrische Staatsangehörige von Ungarn über Österreich nach Deutschland in einem PKW schleppte. Die Unterwanderung bzw. der bewusste Verstoß des österreichischen und deutschen Zuwanderungswesens durch den zum damaligen Zeitpunkt bereits seit über elf Jahren in Österreich lebenden Beschwerdeführer zeugt von seiner – zumindest damals an den Tag gelegten – gravierenden Missachtung der österreichischen Rechtsordnung zwecks Verschaffung eines persönlichen finanziellen Vorteils.

Angesichts dieser Verfehlungen überwiegen die allein aus seiner 17-jährigen Aufenthaltsdauer erfließenden Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Verbleib im Bundesgebiet die öffentlichen Interessen an seiner Aufenthaltsbeendigung (noch) nicht.

3.2.2.3.2. Zur bloßen Dauer seines Aufenthalts fällt zugunsten des Beschwerdeführers jedoch zusätzlich der Grad seiner in Österreich erworbenen und gelebten Integration ins Gewicht. Tatsächlich spricht der Beschwerdeführer fließend Deutsch, hat mehrere österreichische Freunde und Bekannte und übte in den letzten 17 Jahren unterschiedliche berufliche Tätigkeiten – vor allem als Paketzusteller – aus. Seine gesamte Alltagsstruktur sowie seine Pläne und Lebensvorhaben sind auf einen weiteren Verbleib in Österreich gerichtet.

Diese Integration lässt im vorliegenden Fall jedoch die Erlassung einer Rückkehrentscheidung nicht schlechterdings unverhältnismäßig erscheinen: Zum einen würde dadurch keine bestehende berufliche Beschäftigung des Beschwerdeführers aufgelöst werden. Überhaupt war er in den letzten Jahren die meiste Zeit beschäftigungslos und bezog bzw. bezieht Arbeitslosenunterstützung oder Notstandshilfe. Der Beschwerdeführer war davon abgesehen weder ehrenamtlich tätig noch legte er sonst ein besonderes soziales Engagement an den Tag; dass er die deutsche Sprache fließend beherrscht, kann angesichts seines mittlerweile 17 Jahre andauernden Lebens in Österreich nicht als besondere Integrationsleistung gesehen werden. Zu seinen hier lebenden Freunden und Bekannten könnte der Beschwerdeführer auch von seinem Herkunftsstaat aus Kontakt halten; dass er zu einem dieser Personen in einem derartigen Nahe- oder Abhängigkeitsverhältnis stünde, welches eine räumliche Trennung von ihnen verunmöglichen oder übermäßig erschweren würde, zeigte der Beschwerdeführer im Verfahren nicht auf.

Dazu kommt, dass er nach wie vor Bindungen zu seinem Herkunftsstaat hat, die ihm eine Rückkehr dorthin erleichtern würden. So lebt seine Mutter unter Bezug einer staatlichen Pension in seiner tschetschenischen Heimatortschaft XXXX ; auch sein Bruder und seine Schwester leben in Tschetschenien, wobei sowohl der Bruder als auch die Mutter des Beschwerdeführers ein eigenes Haus haben. Der Beschwerdeführer, der mit seinen Verwandten in regelmäßigem telefonischen Kontakt steht, könnte bei einer Rückkehr in die Russische Föderation durch diese – allenfalls vorübergehend – unterstützt werden. Da er seine Beschwerde betreffend die Aberkennung seines Schutzstatus zurückzog, kann auch nicht ersehen werden, dass eine Unterkunftnahme bei seiner Mutter oder seinem Bruder aus sonstigen Gründen nicht möglich wäre. Abgesehen davon ist der Beschwerdeführer der russischen und tschetschenischen Sprache mächtig und mit den kulturellen Gegebenheiten seines Herkunftsstaats, in dem er bis zu seinem beginnenden 26. Lebensjahr aufwuchs, vertraut. Im vorliegenden Fall kann auch – trotz des langen Aufenthalts des Beschwerdeführers im Bundesgebiet – nicht gesagt werden, dass der Beschwerdeführer bei einem Verbleib in Österreich eine gesichertere wirtschaftliche Existenz hätte, als dies in der Russischen Föderation der Fall wäre.

3.2.2.3.3. Auch unter Berücksichtigung dieser Erwägungen erweist sich allerdings die Erlassung einer den Beschwerdeführer betreffenden Rückkehrentscheidung jedenfalls in Ansehung seines Familienlebens mit seinen sechs minderjährigen Kindern als nicht statthaft:

Wie aufgezeigt, führt der Beschwerdeführer mit zumindest fünf Kindern im Rahmen seiner derzeitigen Partnerschaft ein intensives Familienleben, das ob des diesen zukommenden Asylstatus nicht in der Russischen Föderation fortgesetzt und nach der Rechtsprechung der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts auch – zumindest bei den jüngeren Kindern – nicht durch Kontakt über elektronische Medien substituiert werden kann (vgl. VfGH 03.10.2019, E 3247/2019; VwGH 25.09.2018, Ra 2018/21/0108). Den Beschwerdeführer durch eine Rückkehrentscheidung mit einer Ausreiseverpflichtung zu belegen und damit die Trennung von seinen Kindern zu verfügen, bedürfte fallbezogen – über das bereits aufgezeigte Ausmaß hinausgehender – außergewöhnlich starker öffentlicher Interessen an seiner Außerlandesbringung. Angesichts des Umstands, dass die (wenngleich sehr schwer zu seinen Ungunsten wiegende) Drogen- und Schlepperdelinquenz des Beschwerdeführers bereits sechs bzw. fünfeinhalb Jahre zurückliegt und er sich – unter im Verfahren aufgezeigter Reue bezüglich seiner Schlepperei – seither wohlverhalten hat, erreichen die öffentlichen Interessen nicht ein derart hohes Ausmaß. Dies wurde auch durch die Vertreter des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl in der mündlichen Verhandlung nicht aufgezeigt; der Behördenvertreter trat der (im vorliegenden Erkenntnis näher ausgeführten) Beurteilung des erkennenden Richters in der Verhandlung am 07.10.2020 sogar nach seiner persönlichen rechtlichen Einschätzung bei.

Die getroffene Beurteilung ergibt sich vor allem in Ansehung des zwingend zu berücksichtigenden Kindeswohls jedes einzelnen der fünf Kinder des Beschwerdeführers mit seiner jetzigen Partnerin (vgl. VwGH 25.09.2018, Ra 2018/21/0108): Für diese ist der Beschwerdeführer nicht nur elterlicher Versorger ihrer grundlegenden Lebensbedürfnisse, sondern als in gemeinsamem Haushalt lebender und sich aktiv ins Erziehungsgeschehen einbringender Vater eine tragende Stütze ihrer kindlichen bzw. jugendlichen Entwicklung. Eine Verpflichtung zur Ausreise des Beschwerdeführers würde für seine Kinder eine so schwerwiegende Beeinträchtigung ihres Kindeswohls bedeuten, dass diese durch die – wenngleich sehr gewichtigen – öffentlichen Interessen nicht mehr gerechtfertigt wäre. Bei diesem Ergebnis muss auf die Frage des Kindeswohls seines nicht in gemeinsamem Haushalt lebenden Sohnes mit einer anderen Frau gar nicht mehr eingegangen werden.

3.2.3. Im Sinne dieser zugunsten des Beschwerdeführers ausfallenden Interessenabwägung nach § 9 Abs. 2 BFA-VG ist gemäß Abs. 3 leg.cit. festzustellen, dass eine Rückkehrentscheidung gegen ihn auf Dauer unzulässig ist.

3.3. Zur Erteilung des Aufenthaltstitels „Aufenthaltsberechtigung“ für die Dauer von zwölf Monaten:

3.3.1. Gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung plus“ zu erteilen, wenn

1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und

2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz, BGBl. I Nr. 189/1955) erreicht wird.

Gemäß § 55 Abs. 2 AsylG 2005 ist eine „Aufenthaltsberechtigung“ zu erteilen, wenn nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vorliegt.

3.3.1.1. Das Integrationsgesetz, BGBl. I Nr. 68/2017 idF BGBl. I Nr. 41/2019 (im Folgenden: IntG), lautet auszugsweise:

„Modul 1 der Integrationsvereinbarung

§ 9. (1) Drittstaatsangehörige (§ 2 Abs. 1 Z 6 NAG) sind mit erstmaliger Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 8 Abs. 1 Z 1, 2, 4, 5, 6, 8, 9 oder 10 NAG zur Erfüllung des Moduls 1 der Integrationsvereinbarung verpflichtet. Diese Pflicht ist dem Drittstaatsangehörigen nachweislich zur Kenntnis zu bringen.

(2) Der Erfüllungspflicht gemäß Abs. 1 haben Drittstaatsangehörige binnen zwei Jahren ab erstmaliger Erteilung des Aufenthaltstitels gemäß § 8 Abs. 1 Z 1, 2, 4, 5, 6, 8, 9 oder 10 NAG nachzukommen. Unter Bedachtnahme auf die persönlichen Lebensumstände des Drittstaatsangehörigen kann der Zeitraum der Erfüllungspflicht auf Antrag mit Bescheid verlängert werden. Diese Verlängerung darf die Dauer von jeweils zwölf Monaten nicht überschreiten; sie hemmt den Lauf der Fristen nach § 14.

(3) Für die Dauer von fünf Jahren ab Ablauf der Gültigkeit des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels gemäß § 8 Abs. 1 Z 1, 2, 4, 5, 6, 8, 9 oder 10 NAG werden bereits konsumierte Zeiten der Erfüllungspflicht auf den Zeitraum der Erfüllungspflicht gemäß Abs. 2 angerechnet.

(4) Das Modul 1 der Integrationsvereinbarung ist erfüllt, wenn der Drittstaatsangehörige
1.         einen Nachweis des Österreichischen Integrationsfonds über die erfolgreiche Absolvierung der Integrationsprüfung gemäß § 11 vorlegt,
3.         über einen Schulabschluss verfügt, der der allgemeinen Universitätsreife im Sinne des § 64 Abs. 1 Universitätsgesetz 2002, BGBl. I Nr. 120/2002, oder einem Abschluss einer berufsbildenden mittleren Schule entspricht,
4.         einen Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte“ gemäß § 41 Abs. 1 oder 2 NAG besitzt oder
5.         als Inhaber eines Aufenthaltstitels „Niederlassungsbewilligung – Künstler“ gemäß § 43a NAG eine künstlerische Tätigkeit in einer der unter § 2 Abs. 1 Z 1 bis 3 Kunstförderungsgesetz, BGBl. I Nr. 146/1988, genannten Kunstsparte ausübt; bei Zweifeln über das Vorliegen einer solchen Tätigkeit ist eine diesbezügliche Stellungnahme des zuständigen Bundesministers einzuholen.

Die Erfüllung des Moduls 2 (§ 10) beinhaltet das Modul 1.

(5) Ausgenommen von der Erfüllungspflicht gemäß Abs. 1 sind Drittstaatsangehörige,
1.         die zum Ende des Zeitraums der Erfüllungspflicht (Abs. 2) unmündig sein werden;
2.         denen auf Grund ihres physischen oder psychischen Gesundheitszustands die Erfüllung nicht zugemutet werden kann; der Drittstaatsangehörige hat dies durch ein amtsärztliches Gutachten nachzuweisen;
3.         wenn sie schriftlich erklären, dass ihr Aufenthalt die Dauer von 24 Monaten innerhalb von drei Jahren nicht überschreiten soll; diese Erklärung enthält den unwiderruflichen Verzicht auf die Stellung eines weiteren Verlängerungsantrags im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 11 NAG nach dem ersten Verlängerungsantrag.

(6) Die Behörde kann von Amts wegen mit Bescheid feststellen, dass der Drittstaatsangehörige trotz Vorliegen eines Nachweises gemäß Abs. 4 Z 1 oder 2 das Modul 1 der Integrationsvereinbarung mangels erforderlicher Kenntnisse gemäß § 7 Abs. 2 Z 1 nicht erfüllt hat.

(7) Der Nachweis über die Erfüllung des Moduls 1 gemäß Abs. 4 Z 1 bzw. 2 oder Abs. 4 iVm. § 10 Abs. 2 Z 1 bzw. 2 darf zum Zeitpunkt der Vorlage im Rahmen eines Verlängerungsverfahrens (§ 24 NAG) nicht älter als zwei Jahre sein.

§ 10. […]

Integrationsprüfung zur Erfüllung des Moduls 1

§ 11. (1) Die Integrationsprüfung zur Erfüllung des Moduls 1 wird bundesweit nach einem einheitlichen Maßstab vom Österreichischen Integrationsfonds durchgeführt.

(2) Die Prüfung umfasst Sprach- und Werteinhalte. Mit der Prüfung ist festzustellen, ob der Drittstaatsangehörige über vertiefte elementare Kenntnisse der deutschen Sprache zur Kommunikation und zum Lesen und Schreiben von Texten des Alltags auf dem Sprachniveau A2 gemäß dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen und über Kenntnisse der grundlegenden Werte der Rechts- und Gesellschaftsordnung der Republik Österreich verfügt. Der Prüfungserfolg ist mit „Bestanden“ oder „Nicht bestanden“ zu beurteilen. Zur erfolgreichen Absolvierung der Prüfung muss sowohl das Wissen über Sprach- sowie über Werteinhalte nachgewiesen werden. Wiederholungen von nicht bestandenen Prüfungen sind zulässig. Die Wiederholung von einzelnen Prüfungsinhalten ist nicht zulässig.

(3) Der Prüfungsinhalt, die Modalitäten der Durchführung, die Qualifikationen der Prüfer sowie die Prüfungsordnung zur Erfüllung des Moduls 1 werden durch Verordnung der Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres festgelegt.“

3.3.1.2. Gemäß der Übergangsbestimmung des § 81 Abs. 36 NAG, BGBl. I Nr. 100/2005 iVm BGBl. I Nr. 56/2018, gilt das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 IntG überdies als erfüllt, wenn Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a NAG in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 68/2017 (im Folgenden bloß: NAG) vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 68/2017 erfüllt haben oder von der Erfüllung ausgenommen waren.

Nach der alten Rechtslage war das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a Abs. 4 NAG u.a. erfüllt, wenn der Drittstaatsangehörige einen Deutsch-Integrationskurs besucht und einen Nachweis des Österreichischen Integrationsfonds über den erfolgreichen Abschluss des Deutsch-Integrationskurses vorlegt (Z 1) oder einen allgemein anerkannten Nachweis über ausreichende Deutschkenntnisse gemäß § 14 Abs. 2 Z 1 NAG vorlegt (Z 2).

Das Modul 1 diente gemäß § 14 Abs. 2 Z 1 NAG dem Erwerb von Kenntnissen der deutschen Sprache zur vertieften elementaren Sprachverwendung. Ziel des Deutsch-Integrationskurses (Modul 1 der Integrationsvereinbarung) war gemäß § 7 Abs. 1 IV-V die Erreichung des A2-Niveaus des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen, wie im Rahmencurriculum für Deutsch-Integrationskurse (Anlage A) beschrieben. Den Abschluss des Deutsch-Integrationskurses bildete gemäß § 7 Abs. 2 IV-V eine Abschlussprüfung, zumindest auf dem A2-Niveau des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen, durch den ÖIF. Als Nachweis über ausreichende Deutschkenntnisse gemäß § 14a Abs. 4 Z 2 oder § 14b Abs. 2 Z 1 galten gemäß § 9 IV-V allgemein anerkannte Sprachdiplome oder Kurszeugnisse, insbesondere von Österreichisches Sprachdiplom Deutsch (ÖSD), Goethe-Institut e.V. oder der Telc GmbH, nach erfolgreichem Abschluss einer Prüfung auf A2-Niveau oder B1-Niveau des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen.

3.3.2. Der Beschwerdeführer erfüllt die Voraussetzungen des § 55 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 mangels ausreichenden Verdiensts in einer zum Entscheidungszeitpunkt ausgeübten erlaubten Erwerbstätigkeit und mangels Erfüllung des Moduls 1 der Integrationsvereinbarung nicht; ebenso wenig profitiert er von der Übergangsbestimmung des § 81 Abs. 36 NAG, weil er – unbesehen seiner fließenden Deutschkenntnisse – zu keinem Zeitpunkt eine Prüfung über das Sprachniveau A2 oder B1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen absolvierte.

Dem Beschwerdeführer ist deshalb gemäß § 55 Abs. 2 AsylG 2005 (lediglich) eine „Aufenthaltsberechtigung“ zu erteilen.

3.4. Zur Aufhebung der übrigen Spruchpunkte des angefochtenen Bescheids:

3.4.1. Aufgrund der Erteilung eines Aufenthaltstitels verlieren die durch die belangte Behörde getroffenen Aussprüche über die Frist für eine freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers sowie ein ihn betreffendes Einreiseverbot ihre Grundlage.

3.4.2. Die Spruchpunkte IV. und V. des angefochtenen Bescheids sind deshalb ersatzlos zu beheben.

Zu II.B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten zu Spruchteil II.A wiedergegeben. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr g eltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

Integration Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig strafrechtliche Verurteilung Verfahrenseinstellung Zurückziehung der Beschwerde

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W237.2167189.1.00

Im RIS seit

04.03.2021

Zuletzt aktualisiert am

04.03.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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