TE Vwgh Erkenntnis 1997/5/16 95/19/1756

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 16.05.1997
beobachten
merken

Index

19/05 Menschenrechte;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AufG 1992 §3;
AufG 1992 §6 Abs2;
AufG Anzahl der Bewilligungen 1995;
MRK Art8 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Bachler und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde des O in W, vertreten durch den Vormund A, dieser vertreten durch Dr. S, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 12. Oktober 1995, Zl. 111.470/2-III/11/94, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesministerium für Inneres) Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 12. Oktober 1995 wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 19. August 1994 auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gemäß § 6 Abs. 2 sowie § 5 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz (AufG) iVm § 10 Abs. 1 Z. 4 und 6 Fremdengesetz (FrG), abgewiesen.

Die belangte Behörde begründete den angefochtenen Bescheid im Hinblick auf § 6 Abs. 2 AufG folgendermaßen:

"Sie stellten am 19.08.1994 bei der MA 62 einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung.

Die MA 62 hat diesen Antrag mit Bescheid vm 29.08.1994, Zl. MA 62-9/2116008-01-E, zugestellt am 15.09.1994, gemäß § 6 Abs. 2 AufG abgewiesen.

Dagegen haben Sie am 23.09.1994, somit fristgerecht, das Rechtsmittel der Berufung erhoben.

Dazu wurde erwogen:

Gemäß § 6 Abs. 2 AufG ist der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung vor der Einreise nach Österreich zu stellen. Der Antrag auf Verlängerung kann auch vom Inland aus gestellt werden.

Fest steht, daß Sie den "Erstantrag" auf Erteilung einer Bewilligung nach dem AufG nicht vor Ihrer Einreise in das Bundesgebiet eingebracht haben. Dieser Sachverhalt wird von Ihnen in keinster Weise bestritten."

In der Beschwerde bringt der Beschwerdeführer wie schon im Verwaltungsverfahren vor, daß seine Mutter nach dem Tod seines Vaters im Jahr 1987 die Familie verlassen habe. Mit Urteil vom 27. April 1994 sei dem leiblichen Onkel des Beschwerdeführers A, der seit Jahren in Österreich lebe und dem der unbefristete Aufenthalt bewilligt sei, die Vormundschaft über den Beschwerdeführer übertragen worden. Es gebe in der Türkei niemanden mehr, der sich um den Beschwerdeführer kümmern könne. Aus diesem Grund habe der Vormund den Beschwerdeführer im Jahr 1994 zu sich nach Österreich genommen. Dem Beschwerdeführer sei am 8. Juni 1994 von der österreichischen Botschaft in Ankara ein Touristensichtvermerk erteilt worden, womit ihm bis zum 8. September 1994 der Aufenthalt in Österreich gestattet gewesen sei. Der Beschwerdeführer habe die Aufenthaltsbewilligung am 19. August 1994 durch seinen Vormund beim Magistrat der Stadt Wien beantragt. Er habe bereits in der Berufung ausgeführt, daß es sich bei ihm nicht um den "Regelfall" eines erwachsenen Ausländers handle, dem es durchaus zumutbar sei, den Antrag im Ausland zu stellen, sondern um ein 8-jähriges Kind, das in der Türkei von niemandem hätte beaufsichtigt werden können und "deshalb bereits vor seiner Antragstellung nach Österreich eingereist ist". Der Beschwerdeführer argumentiert im Hinblick auf den Abweisungsgrund des § 6 Abs. 2 AufG damit, es sei sinnlos, daß der Vormund des Antragstellers eigens für die Antragstellung ins Ausland fahren und dann wieder nach Österreich einreisen hätte müssen. Bei Antragstellern, die sich seit vielen Jahren legal in Österreich aufhielten, könne die Bewilligung nicht deshalb versagt werden, weil der Antrag nicht vom Ausland aus gestellt würde, weil diesfalls der Rechtsvorschrift ein schikanöser Inhalt beigemessen würde und ein Widerspruch zu Art. 8 MRK vorläge. Im übrigen sei der Beschwerdeführer in Österreich völlig integriert und lebe in geordneten Familienverhältnissen, weshalb dem Beschwerdeführer das Recht, sich in Österreich aufzuhalten, nicht abgesprochen werden könne.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 gebildeten Dreiersenat erwogen:

Der Beschwerdeführer stellt durch sein Vorbringen selbst klar, daß er sich zum Zeitpunkt der Stellung des gegenständlichen Antrages in Österreich aufgehalten hat.

Der Beschwerdeführer verkennt mit seinem gesamten Vorbringen, daß es nicht darauf ankommt, wo sich jene Person, die den Antrag tatsächlich bei der Behörde einbringt, aufhält, sondern daß es ausschließlich auf den Aufenthaltsort derjenigen Person ankommt, für welche die beantragte Aufenthaltsbewilligung erteilt werden soll. Hält sich diese Person bei Antragstellung im Inland auf, hat sie die Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 AufG erster Satz, wonach der Antrag auf Erteilung einer Bewilligung vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen ist, nicht erfüllt, sodaß ihr Antrag zwingend abzuweisen ist (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 17. Oktober 1996, Zl. 96/19/1737 uva.).

Der Vormund des Beschwerdeführers ist sein Onkel. Damit zählt der Beschwerdeführer weder unter den im § 3 AufG genannten Personenkreis, noch unter eine der Ausnahmen des § 6 Abs. 2 dritter Satz bzw. der Verordnung BGBl. Nr. 408/1995.

Infolge der Verkennung des Umstandes, daß es nicht auf die privaten und familiären Bindungen des lange Jahre in Österreich rechtmäßig lebenden Onkels des Beschwerdeführers, sondern auf Bindungen ankommt, die aus einem (legalen) Voraufenthalt des Beschwerdeführers im Inland resultieren, geht der Hinweis des Beschwerdeführers auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 16. Juni 1995, B 1611-1614/94, fehl. Denn der Beschwerdeführer konnte im konkreten Fall mangels eines rechtmäßigen Aufenthaltes vor der gegenständlichen Antragstellung keine relevanten privaten und familiären Bindungen derartiger Intensität zu Österreich besitzen, daß aus diesen eine zu seinen Gunsten erfolgende Interessenabwägung stattfinden könnte. Seine einzige zu berücksichtigende Bindung an Österreich besteht in der Person seines in Österreich lebenden Onkels. Auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat im Falle des angestrebten Nachzuges selbst eines leiblichen Kindes keine Beeinträchtigung der durch Art. 8 MRK geschützten Rechte bei einer Verweigerung der Aufenthaltsbewilligung gesehen (vgl. das Urteil Gül gegen die Schweiz vom 19. Februar 1996, ÖJZ 1996, 593).

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Damit erübrigt sich eine Befassung mit der darüber hinausgehenden Begründung des angefochtenen Bescheides sowie mit dem hiegegen erstatteten Beschwerdevorbringen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert werden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1995191756.X00

Im RIS seit

02.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten