TE Bvwg Erkenntnis 2020/11/5 W173 2224946-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 05.11.2020
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Entscheidungsdatum

05.11.2020

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art133 Abs4

Spruch


W173 2224946-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Margit MÖSLINGER-GEHMAYR als Vorsitzende und die Richterin Mag. Angela SCHIDLOF sowie den fachkundigen Laienrichter Franz GROSCHAN als Beisitzer über die Beschwerde von
XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Niederösterreich, vom 8.10.2019, betreffend Grad der Behinderung zu Recht erkannt:

A)

Der Bescheid vom 8.10.2019 wird behoben. Der Grad der Behinderung des BF beträgt 60%.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Begründung:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Bescheid des Versorgungsamtes XXXX aus dem Jahr 1992 wurde der Grad der Behinderung von Herrn XXXX , geb. am XXXX , (in der Folge BF) mit 60% festgelegt. Dieser beruhte auf folgenden Leiden: 1. Umformende Veränderungen der Wirbelsäule mit Nervenwurzelreizungen und Myalgien, Ellenbogengelenkssyndrom beiderseits, 2. Fibromyalgie-Syndrom, 3.Psychovegetative Dystonie, 4.rezidivierende Bronchitis, 5. Schuppenflechte mit chronischem Hautekzem und 6. Ohrgeräusche, Hörminderung. Am 13.8.2019 beantragte der BF die Ausstellungen eines Behindertenpasses unter Vorlage von medizinischen Unterlagen.

2. Die belangte Behörde holte medizinische Sachverständigengutachten ein. Dr. XXXX , FA für HNO, führte im Gutachten vom 6.9.2019 Nachfolgendes aus:

„………………………..

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

Reintonaudiogramm der HNO Fachärzte Meistermann/Strzyzowski/Suchan in 88662 XXXX /BRD vom 02.05.2016: demgemäß bestand bei Obg. zum angeführten Zeitpunkt eine mittelgradige sensoneurale Hörstörung rechts größer links, der prozentuale Hörverlust

betrug 51 % rechts und 44 % links (ermittelt aus dem Reintonaudiogramm nach Röser/Vierfrequenztabelle)

Behandlung/en / Medikamente / Hilfsmittel: Aktengutachten

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos. Nr.

GdB%

1

Hörstörung beidseits

Tabelle Z3/K3 eine Stufe über dem unteren Rahmensatz berücksichtigt die resultierende Diskriminationsschwäche.

12.02.01

30

Gesamtgrad der Behinderung         30%

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung: ---

Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten: -----

Begründung für die Änderung des Gesamtgrades der Behinderung:

X Dauerzustand

…………………“

Im Gutachten von Dr. XXXX XXXX , FÄ für Augenheilkunde, vom 13.9.2019 wurde Nachfolgendes ausgeführt:

„………………………..

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
Augenbefund nach dem Befund des Augenarztes Dr XXXX vom 26.8.19

Visus rechts -1,5sph +1,5cyl92° 1,0p

links -1,25sph +1,Ocyl146° 0,9

Beide Augen: Pseudophakie

Fundi ERM
Augendruck bds normal

Behandlung/en / Medikamente / Hilfsmittel: --------

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos. Nr.

GdB%

1

Zust. nach Grauer Star Op mit Hinterkammerlinsenimplantation beidseits, degenerative Veränderung der Netzhautmitte beidseits, normales Sehvermögen rechts, Sehverminderung auf 0,9 links

Tabelle Kolonne 1 Zeile 1

Kunstlinsenimplantation beidseits +10% inkl

11.02.01

10

Gesamtgrad der Behinderung       10%

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung: ------

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung: --------------

Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:

kein Vorgutachten

Begründung für die Änderung des Gesamtgrades der Behinderung: -------------

X Dauerzustand

…………………….“

Im Gutachten von Dr. XXXX , Arzt für Allgemeinmedizin, wurde basierend auf einer persönlichen Untersuchung des BF im Gutachten vom 1.10.2019 Nachfolgendes ausgeführt.

„………………………………..

Anamnese:
Fibromyalgie seit 1967

Zustand nach Gehörsturz beidseits, Tinnitus seit 1991 Hörgeräte seit 2016 bds.
1991 Schilddrüsen-OP
Anamnestisch Zustand nach Diskusprolaps LWS
Zustand nach ASK re Knie 1999 und 2000
grenzwertig positiver Fructose-Atemtest 2009 - negativer Atemtest 2015

Essentieller Tremor

Derzeitige Beschwerden:

Zittern der OE, Ödemneigung bei heißem Wetter, fallweise Schwindel, Gefühlsminderung in den Zehen.

Fallweise Kniebeschwerden und Beschwerden in den radialen Epicondylen beider Ellenbögen, fallweise Lumbago.
Fallweise brennende Beschwerden am Bauch, die sich durch Bewegung bessern.

Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:
Pravastatin, Propra RTP, B12 Ankermann N3, Crataegutt, Budesonid Easyhaler bei Bedarf,

Sozialanamnese:

verheiratet, 4 Kinder, gelernter Tischler, studierte dann Holztechnik und war in der Holzforschung tätig - pensioniert.

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
Labor Dr. XXXX , 3.8.2009:

Wasserstoff-Atemtest (Fructose): Messwert nach 180 Minuten 21,4ppm, davor durchwegs unter 20ppm.
Kontrolle im selben Labor 16.12.2015:
durchwegs Werte kleiner 5ppm - also negatives Ergebnis

Untersuchungsbefund:

Allgemeinzustand: normal, Ernährungszustand: herabgesetzt

Größe: 179,00 cm, Gewicht: 67,00 kg, Blutdruck: 140/80

Klinischer Status – Fachstatus:

Rechtshänder,
Herz und Lungen auskultatorisch frei,
Haut: unauffällig
Abdomen weich, kein DS, keine Resistenzen
HWS: F 10-0-20, R 70-0-70,

übrige WS: mäßige Skoliose, Becken re -1cm tiefer stehend, Seitneigen 1/2, Rotation ca. 1/3 eingeschränkt, Lasegue bds. negativ.
OE: bds. frei beweglich

UE: bds. frei beweglich, beide Knie bandfest, kein Erguss, kein Krepitieren, Hammerzehen II und III bds.
Fußpulse bds. tastbar, keine Ödeme,

neurologisch auffällig ist ein recht grobschlägiger Aktionstremor und Haltetremor der oberen Extremitäten, in Ruhe nicht vorhanden (essentieller Tremor)

keine motorischen Defizite.

Gesamtmobilität – Gangbild:

jeder Lagewechsel selbstständig und mühelos durchführbar, freier Stand sicher, Einbein-, Zehen- und Fersenstand bds. durchführbar, Gangbild nicht beeinträchtigt.

Status Psychicus:

allseits voll orientiert, Auffassung, Konzentration und Merkfähigkeit nicht beeinträchtigt, Stimmung ausgeglichen, Gedankengang geordnet und zielführend.

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos. Nr.

GdB%

1

Aufbrauchzeichen im Bewegungs- und Stützapparat, Fibromaylgie,

Oberer Rahmensatz, der die Fibromyalgie und eine Somatisierungstendenz berücksichtigt.

02.02.02

40

2

g.z. – Essentieller Tremor der oberen Extremitäten

Mittlerer Rahmensatz, da grobschlägig und mit Einschränkungen beim Schreiben und Essen verbunden.

04.09.01.

30

Gesamtgrad der Behinderung

50 v.H.

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

Das führende Leiden 1 wird durch Leiden 2 um 1 Stufe erhöht, da das Gesamtbild maßgeblich negativ beeinflusst wird.

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:

Eine chronische Bronchitis kann ohne Lungenfacharztbefund nicht verifiziert und eingeschätzt werden.

Eine Fructoseunverträglichkeit liegt laut dem Wasserstoff-Atemtest aus 2015 nicht vor.

Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:

Begründung für die Änderung des Gesamtgrades der Behinderung:

X Dauerzustand

………………“

Im zusammenfassenden Gutachten von Dr. XXXX , Arzt für Allgemeinmedizin, vom 2.10.2019 wurde unter Berücksichtigung der eingeholten Gutachtung Nachfolgendes ausgeführt:

„………………………

Auflistung der Diagnosen aus oa. Einzelgutachten zur Gesamtbeurteilung:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos. Nr.

GdB%

1

Aufbrauchzeichen im Bewegungs- und Stützapparat, Fibromaylgie,

Oberer Rahmensatz, der die Fibromyalgie und eine Somatisierungstendenz berücksichtigt.

02.02.02

40

2

Hörstörung beidseits

Tabelle Z3/K3 eine Stufe über dem unteren Rahmensatz berücksichtigt die resultierende Diskriminationsschwäche

12.02.01

30

3

g.z. – Essentieller Tremor der oberen Extremitäten

Mittlerer Rahmensatz, da grobschlägig und mit Einschränkungen beim Schreiben und Essen verbunden.

04.09.01.

30

4

Zustand nach Grauer Star Op mit Hinterkammerlinsenimplantation beidseits, degenerative Veränderungen der Netzhautmitte beidseits, normales Sehvermögen rechts, Sehverminderung auf 0,9 links

Tabelle Kolonne 1 Zeile 1

Kunstlinsenimplantation beidseits + 10% inkl.

11.02.01.

10

Gesamtgrad der Behinderung

50 v.H.

Gesamtgrad der Behinderung  50 v. H.

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

Das führende Leiden 1 wird durch die Leiden 2 und 3 um 1 Stufe erhöht, da das Gesamtbild maßgeblich negativ beeinflusst wird. Leiden 4 erhöht wegen zu geringer funktioneller Relevanz nicht.

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:

Eine chronische Bronchitis kann ohne Lungenfacharztbefund nicht verifiziert und eingeschätzt werden.

Eine Fructoseunverträglichkeit liegt laut dem Wasserstoff-Atemtest aus 2015 nicht vor.

Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten: ---------

Begründung für die Änderung des Gesamtgrades der Behinderung:

X Dauerzustand

………………………“

3. Die eingeholten Gutachten wurden dem BF mit Schreiben vom 4.10.2019 zur Kenntnis gebracht. Mit Schreiben vom 8.10.2019 wurde dem BF der Behindertenpass im Scheckkartenformat mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 50% übermittelt.

4. Der BF erhob Beschwerde gegen den Bescheid vom 8.10.2019. Begründend wurde vorgebracht, ihm sei bereits 1992 auf Grund seiner Leiden ein Grad der Behinderung von 60% zuerkannt worden. In der Zwischenzeit seien verschiedene Beschwerden dazugekommen und damit hätten sich seine anderen Leiden verstärkt. Es sei befremdend, dass nach XXXX Jahren in einem Alter von XXXX Jahren mit zusätzlich hinzukommenden Leiden keine Verschlechterung eingetreten sei und sein Grad der Behinderung nur 50% betrage. Dazu zählte der BF seine Leiden und Schmerzen und die seit 1962 durchgeführten Operationen auf.

5. Am 30.10.2019 legte die belangte Behörde den Beschwerdeakt dem Bundesverwaltungsgericht vor.

6. Auf Grund des Vorbringens des BF in seiner Beschwerde wurde vom Bundesverwaltungsgericht ein medizinisches Sachverständigengutachten eingeholt. Im Gutachten von Dr. XXXX , Arzt für Allgemeinmedizin, vom 14.5.2020, das auf einer persönlichen Untersuchung basierte, wurde Nachfolgendes ausgeführt:

„………………………………..

Die klinische Untersuchung findet am 17.02.2020 statt. Untersuchungsbeginn: 8:40 Uhr, Untersuchungsende: 9:30 Uhr. Identitätsnachweis erfolgt mittels Reisepass.

Der BF kommt ohne Begleitung und ohne Hilfsmittelverwendung in flüssigem, sicherem und unaufälligem Gangbild in Konfektionsschuhen zur Untersuchung.

Vorliegende Sachverständigengutachten:

HNO-ärztliches aktenmäßiges Sachverständigengutachten von Herrn Dr. XXXX vom 6. September 2019: Hörstörung beidseits 30%.

Augenärztliches aktenmäßiges Sachverständigengutachten von Frau Dr. XXXX vom 19. September 2019: Zustand nach Grauer Star Operation mit Hinterkammerlinsenimplantation beidseits, degenerative Veränderungen der Netzhautmitte beidseits, normales Sehvermögen rechts, Sehverminderung auf links 10%.

Allgemeinmedizinisches Sachverständigengutachten von Herrn Dr. XXXX vom 2. Oktober 2019: Aufbraucherscheinungen im Bewegungs- und Stützapparat, Fibromyalgie 40%, essentieller Tremor der oberen Extremitäten 30%. Gesamtgrad der Behinderung: 50%.

Zusammenfassung der Sachverständigengutachten von Herrn Dr. XXXX vom 3. Oktober 2019: Aufbraucherscheinungen im Bewegungs- und Stützapparat, Fibromyalgie 40%, Hörstörung beidseits 30%, essentieller Tremor der oberen Extremitäten 30%, Zustand nach Grauer Star Operation mit Hinterkammerlinsenimplantation beidseits, degenerative Veränderungen der Netzhautmitte beidseits, normales Sehvermögen rechts, Sehverminderung auf 0,9 links 10 %. Gesamtgrad der Behinderung 50 %.

Medikamentöse Therapie:

Budenosid, Vitamin B12, Crataegutt, Ginseng, Glukosamin, Inderal 40 mg eine halbe Tablette tgl., Aconit Schmerzöl, ThromboAss, Pravastatin, Cardiodoron, Oleovit, Pferdebalsam, Cremen zur Behandlung der Gelenke.

Sozialanamnese: verheiratet, 4 erwachsene Kinder, Pensionist, war 25 Jahre Holztechniker bei der XXXX - XXXX in Deutschland; erlernter Beruf: Tischler, anschließend Studium der Holztechnik. Der BF wohnt in einer Wohnung im Parterre, 4 Stufen müssen überwunden werden. Die Ehefrau sei „schwerstbehindert", benötige einen Rollator. Die Ehefrau wartet während der nunmehrigen Untersuchung im Aufenthaltsraum des Sozialministeriumservice. Die Anreise zum heutigen Termin erfolgte mit öffentlichen Verkehrsmitteln.

Bisherige Operationen (vorgelegt wird eine Liste mit Aufzählung der Vorerkrankungen und Leiden):

Zustand nach Blinddarmoperation, Mandeloperation, Hämorrhoidenoperation, Entfernung eines kalten Schilddrüsenknotens 1991, Zustand nach Prostataoperation 1999, Zustand nach Arthroskopie des rechten Kniegelenks 1999, Zustand nach Arthroskopie des rechten Kniegelenks 2000, Zustand nach Operation an der Hand rechts bei Kontraktur, Zustand nach Leistenbruchoperation rechts 2011, Zustand nach Augenoperation links 2011.

Vorerkrankungen: Zustand nach Gehörsturz 1983, Fibromyalgie seit 1990, Zustand nach Gehörsturz 1991, Bandscheibenvorfall des 3. Lendenwirbels 1999, Zustand nach Schlüsselbeinverletzung links 2000 nach Unfall, seit 2016 wird beidseits ein Hörgerät verwendet.

Subjektive Beschwerden:

Seit 1967 bestehen Beschwerden im Sinne einer Fibromyalgie, er habe überall Schmerzen, diese wechselnd. So bestehen Schmerzen in beiden Kniegelenken, wechselnd in Lokalisation und Intensität. Zudem Schmerzen in der linken Hüfte, Z.n. Sturz vor 15 Jahren, seither wiederholt Schmerzen dort. Es bestehe ein Tremor beider Hände, er könne nicht mehr Schreiben, habe Probleme beim Essen einer Suppe. Therapiemaßnahmen werden derzeit keine durchgeführt, er müsse erst Ärzte finden, da er vor einem dreiviertel Jahr aus XXXX nach Österreich gezogen sei. Die Tochter wohne in Österreich, diese habe ihren Mann verloren. Die Großeltern würden sich um die 4 Kinder der Tochter kümmern. Bereits in Deutschland sei ein Behinderungsgrad von 60 % festgestellt worden. In den Sachverständigengutachten hier in Österreich seien lediglich 50 % festgestellt worden. Eine gutartige Vergrößerung der Prostata sei bekannt, er müsse nachts 5 bis 6-mal Urinieren, habe einen starken Harndrang und sei untertags oftmals zur Harnentleerung (kleiner Mengen) auf der Toilette. Urologische Kontrolle habe er derzeit keine durchgeführt. Der Internist würde die urologischen Probleme kennen. Der Stuhl sei meist fest, nur manchmal dünner. Eine Fructoseintoleranz sei bekannt, mittels Diät gut eingestellt. Bei Diätfehlern bestehen etwas Schmerzen im Bauchbereich, er achte auf die Ernährung und halte die Diät gut ein. Das Körpergewicht sei stabil. Er habe mittels FDH-Diät Gewicht reduziert, hatte früher 90 kg; dies tat er, um die Kniegelenke zu schonen. Neurologische Kontrollen laufen derzeit keine. Zuletzt sei er in Deutschland Anfang 2019 in Kontrolle gewesen. Seit Februar 2019 wohne er in Österreich. Der Orthopäde würde auch Schmerzmittel und Spritzen verabreichen. Der BF sei ängstlich gegenüber Schmerzmitteln, da man immer mehr und mehr davon benötige. Wiederholt bestehe ein Ekzem im Gesicht und an der Kopfhaut. Weiters bestehen Gefühlsstörungen im Bereich der Zehen beidseits. Zustand nach mehrfacher Basaliom-Entfernung an der Nase, zudem vor über 15 Jahren im Brustbereich rechts sowie im Hodenbereich. Die Basaliome seien im Gesunden entfernt worden. Es bestehe eine Bronchitis, er sei fallweise verschleimt. Er habe bis 1960 60 Zigaretten pro Tag geraucht, 1960 sei ein Rauchstopp erfolgreich durchgeführt worden. Teilweise sei der Blutdruck niedriger und er komme dann nicht "in die Gänge". Ein Hörgerät beidseits wird verwendet (Hd0).

Status Präsens:

Das Aus- und Ankleiden erfolgt selbstständig, Allgemeinzustand: gut, Ernährungszustand: schlanker Habitus, Größe: 179 cm, Gewicht: 66,5 kg,

Caput/Hals: HdO-Gerät beidseits, sonst unauffällig, keine Lippenzyanose, Sprache unauffällig, keine Halsvenenstauung, geringe ekzematöse Hautveränderungen am Kinn, Gesicht sonst unauffällig, vereinzelte, geringe ekzematöse Veränderungen am Kopf.

Schilddrüse schluckverschieblich,

Cor: reine Herztöne, rhythmische Herzaktion, Blutdruck: 140/70, Puls 68 pro Minute.

Pulmo: unauffällig, V.A. beidseits, keine Rasselgeräusche, sonorer KS, Basen atemversch., keine Kurzatmigkeit beim Sprechen, keine maßgebliche Kurzatmigkeit bei Bewegungsprüfung im Untersuchungszimmer, Abdomen: unauffällig, weich, keine Druckpunkte, keine pathologischen Resistenzen palp., Leber am Ribo palp., Milz n.p.,

Darmgeräusche normal und unauffällig, blande Narbe rechter Oberbauch nach Basaliom-Entfernung. Nierenlager bds. frei,

HWS: Kopfdrehung und -seitneigung: nach rechts und links frei, Inkl. und Rekl. frei, BWS: gerade, LWS: Rumpfdrehung und -seitneigung altersentsprechend frei,

Extremitäten: obere Extremitäten: Rechtshändigkeit.

Schultergelenk rechts: Armseitheben 120°, Armvorheben 140°, Nackengriff frei, Schürzengriff frei, Schultergelenk links: frei beweglich, Nackengriff frei, Schürzengriff frei, Ellenbogengelenk rechts frei beweglich, Ellenbogengelenk links: frei beweglich, Handgelenke frei beweglich, 4. Finger rechts: im PP-Gelenk geringes Streckdefizit, Beugung frei, Fingergelenke beidseits sonst frei, Daumengelenke bds. frei, Faustschluß bds. durchführbar, Zangengriff bds. durchführbar, Greif- und Haltefunktion beidseits unauffällig, (UE: Hüftgelenk rechts: Beweglichkeit frei, Hüftgelenk links: Beweglichkeit frei, Kniegelenke frei beweglich, bandstabil, Sprunggelenke beidseits frei, Fußheben und -senken frei, Zehenbeweglichkeit unauffällig, Hocke ohne Anhalten gut durchführbar, beide unteren Extremitäten können 70° gut von der Unterlage gut abgehoben werden, Beinpulse beidseits tastbar, Fußpulse beidseits tastbar, Venen: verstärkte Venenzeichnung beidseits, Ödeme: keine.

Neuro: FNV beidseits zielsicher, grobschlägiger Tremor beider Hände - angedeutet rechts stärker als links. Kraftverhältnisse an den oberen und unteren Extremitäten seitengleich unauffällig, Romberg unauffällig, Unterberger unauffällig.

Psych.: Anamneseerhebung und Kommunikation unauffällig und gut möglich. BF ist klar, wach, in allen Qualitäten orientiert. Stimmung ausgeglichen, freundlich. Denkziel wird erreicht.

Gang: ohne Hilfsmittelverwendung unauffälliges, flüssiges und sicheres Gangbild. Der BF trägt Konfektionsschuhe, keine Einlagenversorgung. Aufstehen aus sitzender und liegender Körperhaltung selbstständig unauffällig und gut möglich. Freies Stehen sicher und gut möglich, keine Schwindelsymptomatik, keine Sturmeigung. Mobilität insgesamt unauffällig.

Relevante Befunde:

Folgende Befunde lagen bei Erstellung der Vorgutachten vor:

Augenärztlicher Befund vom 26. August 2019: Pseudophakie beidseits (ca. 2012), ERM os>od. Visus rechts 1,0 p, links 0,9

Labor vom 3. August 2009: H2-Atemtest-Fructose Basalwert 1,4 ppm, 2. Probe 0,0, 3. Probe 16,4, 4. Probe 16,9, 5. Probe 21,4ppm, Referenzbereich <20.

Labor vom 16. Dezember 2015: H2-Atemtest-Fructose Basalwert 0,2 ppm, 2. Probe 2,6, 3. Probe 0,2, 4. Probe 3,7, 5. Probe 3,5 ppm. Referenzbereich < 20.

Augenärztlicher Befund vom 20. April 2011: Macular pucker (LG), Pseudoforamen makulae (LG), Pseudophakie (BG).

Neurologischer Befund vom 18. Januar 2019: essentieller Tremor, Polyneuropathie, Vitamin B12 Mangel. Er vertrage Propranolol, das Zittern sei etwas besser, morgens niedrige Blutdruckwerte, komme dann schlecht in Gang. Das Schreiben sei besser geworden. Nachts plötzlich Schmerzen in den Füßen. Beurteilung: Propranolol wird vertragen. Jetzige Dosis wird unverändert beibehalten, da der Puls grenzwertig ist. Er profitiert jedoch schon unter der jetzigen geringen Propranolol Dosis. Vitamin B12 Substitution wird begonnen.

Audiometrie vom 2. Mai 2016 liegt vor.

Laut Antragsformular eingelangt am SMS am 13. August 2019 bestehen folgende Leiden: Fructose-Intoleranz, Netzhautablöseprobleme, Operation linkes Auge, ohrenärztliche Verordnung einer Hörhilfe, essentieller Tremor, Polyneuropathie (seit der Kindheit aber immer stärker), siehe Abhilfebescheid und Schwerbehindertenausweis. Vorgelegt wird auch ein Gesundheitsprofil des BF, welches die vorliegenden Leiden und Operationen angeführt.

Vorliegend ist ein Schreiben des BF vom 25. September 2019: in einem Bescheid des Versorgungsamtes XXXX wurde 1992 ein Behinderungsgrad von 60 % anerkannt. In der Zwischenzeit seien verschiedene Beschwerden hinzugekommen und andere hätten sich verstärkt. Es sei nicht nachvollziehbar, warum nunmehr ein Behinderungsgrad von nur 50 % festgestellt worden sei.

Der Bescheid des Versorgungsamtes XXXX vom 3. März 1994 liegt vor: umformende Veränderungen der Wirbelsäule mit Nervenwurzelreizungen und Myalgien bei Ellenbogengelenkssyndrom beidseits, Fibromyalgie-Syndrom, psychovegetative Dystonie, rezidivierende Bronchitis, Schuppenflechte und chronisches Hautekzem, Ohrgeräusche und Hörminderung. Grad der Behinderung 60 %.

Anlässlich der aktuellen Untersuchung werden weitere Befunde vorgelegt:

Langzeit-EKG vom 27. Januar 2020: Sinusrhythmus mit einigen supraventrikulären Extrasystolen, ventrikulären Extrasystolen, teils Couplets, Triplets, wenige SV-Salven, keine Pausen über 3 Sekunden.

Belastungs-EKG vom 19. Dezember 2019: Ruhe-EKG normal, altersentsprechende Herzfrequenz-Veränderung unter Belastung, keine pectanginösen Beschwerden, keine Arrhythmien, ansteigende ST-Senkung.

Labor vom 11. Dezember 2019: Senkung unauffällig, Erythrozyten im Normbereich, Hämoglobin 13,6, Leukozyten unauffällig, Thrombozyten unauffällig, Blutzucker unauffällig, Nierenfunktionsparameter unauffällig, Hypercholesterinämie, C-reaktives Protein im Normbereich. Vitamin D-Hypovitaminhose, TSH im Normbereich. Harn unauffällig.

Überweisung zum Koronar-CT vom 4. Februar 2020 zur Abklärung einer Belastungsdyspnoe liegt vor.

Röntgenbefund vom 29. Januar 2020: Lendenwirbelsäule: multisegmentale hochgradig höhengeminderte Bandscheibenfächer, Spondylarthrosen, abgeflachte lumbaler Lordose, diskrete rechtskonvexe Skoliose. Becken: Beckenschiefstand, das linke Caput femoris 17 mm höherstehend, Coxarthrosen beidseits. SI-Gelenksarthrose beidseits. Kniegelenke: beginnende Abnützungen linkes Knie, Fabella beidseits in situ.

Beurteilung und Stellungnahme:

1.1.

Im Vergleich zum zusammenfassenden Sachverständigengutachten vom 3. Oktober 2019 (ABL 22 und 23) erfolgt eine Neuaufnahme von Position Nummer 5 und 6. Hinsichtlich der Leiden 1, 2, 3 und 4 ergeben sich keine Änderungen der Einschätzung bezüglich des Behinderungsgrades.

Da das Hörleiden unter Position 2 ein relevantes zusätzliches Leiden darstellt und der essentielle Tremor der oberen Extremitäten unter Positionsnummer 3 ein weiteres maßgebliches Leiden darstellt, welches mit dem führenden Leiden 1 wechselseitig negativ zusammenwirkt, wird das führende Leiden Nummer 1 durch Leiden 2 und Leiden 3 jeweils um 1 Stufe und damit insgesamt um 2 Stufen erhöht. Somit ergibt sich nunmehr ein Gesamtgrad der Behinderung von 60 %. Der Gesamtgrad der Behinderung wird somit im Vergleich zum Sachverständigengutachten vom 3. Oktober 2019 um eine Stufe erhöht (aktuelle Einschätzung siehe Punkt 1.2. und 1.3.).

1.2. Bewertung und Begründung des GdB für die einzelnen Gesundheitsschädigungen des BF nach der Einschätzungsverordnung:

Einschätzung des Grades der Behinderung:

1. Degenerative Veränderungen des Stütz- und 02.02.02 40%

Bewegungsapparates bei Fibromyalgiesyndrom

Heranziehung dieser Position, da rezidivierende Beschwerdesymptomatik insbesondere im Bereich der Knie- und Hüftgelenke sowie der Wirbelsäule bei Beckenschiefstand bei Fehlen maßgeblicher Funktionseinschränkungen an den Hüft und Kniegelenken sowie der Wirbelsäule bei geringer Funktionsstörung des rechten Schultergelenks sowie geringer Funktionsstörung des 4. Fingers rechts,

Wahl des oberen Rahmensatzes, da kombiniert mit Fibromyalgiesyndrom.

2. Hörstörung beidseits  12.02.01 30%

1 Stufe über dem unteren Rahmensatz berücksichtigt die resultierende Diskriminationsschwäche. Tabelle Zeile 3/Kolonne 3

3.Essentieller Tremor der oberen Extremitäten  g.z. 04.09.01. 30%

Mittlerer Rahmensatz, da grobschlägig mit Störungen insbesondere der Feinmotorik, Hinweise auf Stabilisierungstendenz mittels Medikation.

4.Zustand nach Grauer Star-Operation mit Hinterkammer- 11.02.01. 10%

Linsenimplantation beidseits, degenerative Veränderungen der Netzhautmitte beidseits, normales Sehvermögen rechts, Sehverminderung auf 0,9 links

Kunstlinsenimplantation beidseits +10 % inkl.  Tabelle Kolonne 1, Zeile 1

5.Polyneuropathie      04.06.01. 10%

Unterer Rahmensatz dieser Position, da sensible Störungen in den unteren Extremitäten berichtet werden, maßgebliche motorische Defizite fehlend.

6.Rezidivierende Ekzeme im Gesicht und Kopfbereich 01.01.01. 10%

Wahl dieser Position, da geringgradig.
1.3.Gesamtgrad der Behinderung: 60 v.H.

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

Leiden 2 stellt ein maßgebliches zusätzliches Leiden dar und erhöht das führende Leiden 1 um eine Stufe. Leiden 3 stellt ein weiteres zusätzliches Leiden dar, welches mit dem führenden Leiden 1 wechselseitig negativ zusammenwirkt und erhöht um eine weitere Stufe. Die Leiden 4, 5 und 6 erreichen kein Ausmaß, welches das führende Leiden 1 weiter erhöht.

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:

Die vorliegenden Befunde belegen keine einschätzungsrelevanten Pathologien des Herzens. Der vorliegende Laborbefund vom 16. Dezember 2015 dokumentiert keine

Fructoseintoleranz. Ein einschätzungsrelevantes Magenleiden ist durch diesbezügliche Befunde nicht dokumentiert. Ein Vitamin B1 2 Mangel ist medikamentös kompensierbar und erreicht keinen Behinderungsgrad. Bei auskultatorisch unauffälliger Lunge liegen keine Befunde vor, welche maßgebliche Pathologien der Lunge eindeutig belegen. Ein Zustand nach Entfernung von Basaliomen erreicht keinen Behinderungsgrad, da Fehlen eines Rezidivgeschehens sowie Fehlen funktioneller Einschränkungen. Ein Zustand nach Entfernung eines kalten Knotens im Bereich der Schilddrüse ohne Hinweis auf Bösartigkeit erreicht bei unauffälligem Hormonbefund sowie Fehlen von Komplikationen keinen Behinderungsgrad. Ein Zustand nach Leistenbruchoperation rechts sowie Verletzung des linken Schlüsselbeins ohne Hinweis auf Komplikationen erreicht keinen Behinderungsgrad. Ein Zustand nach Hämorrhoidenoperation ohne Hinweis auf Komplikationen erreicht keinen Behinderungsgrad. Eine gutartige Vergrößerung der Prostata ohne Hinweis auf Restharnbildung bzw. Komplikationen sowie Fehlen dokumentierter maßgeblicher urologischer Pathologien erreicht keinen Behinderungsgrad.

1.4.    Eine ärztliche Nachuntersuchung ist nicht erforderlich.

1.5.Der Gesamtgrad der Behinderung ist ab Antragstellung anzunehmen.

...................................“

7. Das vom Bundesverwaltungsgericht ergänzend eingeholte Gutachten vom 14.5.2020 von Dr. XXXX , Arzt für Allgemeinmedizin, wurde dem Parteiengehör unterzogen. Der BF sah von einer Stellungnahme ab.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1.Im Jahr 1992 hat der BF, der die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt, und damals einen Wohnsitz in Deutschland hatte, über einen Schwerbehindertenausweis mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 60% verfügt. Er litt damals unter umformende Veränderungen der Wirbelsäule mit Nervenwurzelreizungen und Myalgien, an einem Ellenbogengelenkssyndrom beiderseits, an einem Fibromyalgie-Syndrom, an einer Psychovegetative Dystonie, an einer rezidivierenden Bronchitis, an einer Schuppenflechte mit chronischem Hautekzem und an Ohrgeräuschen mit Hörminderung.

1.2.Derzeit leidet der BF führend unter degenerativen Veränderungen des Stütz- und Bewegungsapparates bei Firbromyalgiesyndrom. Er hat dabei redzidivierende Beschwerden insbesondere im Bereich der Knie- und Hüftgelenke sowie der Wirbelsäule bei einem Beckenschiefstand. Die Beeinträchtigungen an den Hüft- und Kniegelenken des BF führen nicht zu maßgeblichen Funktionseinschränkungen. Auch bei der Wirbelsäule liegen geringe Funktionseinschränken vor. Dies gilt auch für das rechte Schultergelenk und den 4.Finger rechts. In Kombination mit dem Fibromyalgiesyndrom ist für das führende Leiden (Leiden 1) der obere Rahmensatz mit der Pos.Nr. 02.02.02. der Einschätzungsverordnung mit einem Grad der Behinderung von 40% heranzuziehen. Die beidseitige Hörstörung bei Berücksichtigung der Diskrminationsschwäche (Leiden 2) ist mit einer Stufe über dem unteren Rahmensatz unter Berücksichtigung der Tabelle Zeile 3/Kolonne 3 unter der Pos.Nr. 12.02.01 mit einem Grad der Behinderung von 30% zu bewerten. Der essentielle Tremor der oberen Extremitäten ist grobschlägig und mit Störungen insbesondere der Feinmotorik verbunden, wobei auf Grund der Medikation eine Stabilisierungstendenz besteht, sodass dieses Leiden dem mittleren Rahmensatz der Pos.Nr. g.Z. 04.09.01 entspricht und mit einem Grad der Behinderung von 30% zu bewerten ist. Bei einem Zustand nach der Grauen Star-Operation mit der Hinterkammer-Linsenimplantation beidsseits und der degenerativen Veränderungen der Netzhautmitte beidseits (Leiden 4) verfügt der BF über ein normales Sehvermögen rechts. Sein Sehvermögen links ist auf 0,9 eingeschränkt. Er hat auch beidseits ein Kunstlinsenimplantat. Unter Berücksichtigung dieser Augenleiden ist eine Einstufung in der Tabelle unter die Kolonne 1 in Zeile 1 und eine Einordnung unter die Pos.Nr. 11.02.01. vorzunehmen, woraus für dieses Leiden 4 ein Grad der Behinderung von 10% resultiert. Das Polyneuropathie-Leiden (Leiden 5) ist bei den unteren Extremitäten mit sensiblen Störungen aber ohne maßgebliche motorische Defiziten verbunden. Für dieses Leiden 5 ist der untere Rahmensatz der Pos.Nr. 04.06.01. mit einem Grad der Behinderung von 10% heranzuziehen. Der BF leidet auch unter rezidivierenden Ekzemen im Gesicht und im Kopfbereich, die allerdings geringgradig sind, sodass dieses Leiden 6 der Pos.Nr. 01.01.01 mit einem Grad der Behinderung von 10% entspricht.

Zum führenden Leiden 1 stellt das Leiden 2 ein maßgebliches zusätzliches Leiden dar, woraus eine Erhöhung des Grades der Behinderung des führenden Leidens um eine Stufe resultiert. Hinzu kommt noch das weitere Leiden 3, das mit dem führenden Leiden wechselseitig zusammenwirkt, woraus sich eine weitere Erhöhung des Grades der Behinderung des führenden Leidens um eine Stufe ergibt. Die restlichen Leiden (Leiden 4-6) bewirken hingegen wegen ihres geringen Ausmaßes keine weitere Erhöhung des führenden Leidens 1. Daraus ergibt sich insgesamt ein Gesamtgrad der Behinderung von 60% für den BF.

Die sonstigen Leiden des BF (Fructose-Intoleranz, Herzen, Magen, Vitamin B12-Mangel, Lunge, entfernte Basaliome, entfernter kalter Knoten bei der Schilddrüse, Zustand nach der Leistenbruchoperation rechts, zur Verletzung des linken Schlüsselbeins, zum Zustand nach der Hämorrhoiden-Operation mit fehlenden Komplikationen, gutartige Vergrößerung der Prostata) erreichen keinen Grad der Behinderung.

Bei den berücksichtigten Leiden des BF handelt es sich um einen Dauerzustand.

1.3.Die belangte Behörde und das Bundesverwaltungsgericht haben die oben wiedergegebenen medizinischen Sachverständigengutachten eingeholt.

1.4. Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt beim BF 60 v.H. Dem BF ist ein Behindertenpass mit einem Grad der Behinderung von 60% auszustellen.

2. Beweiswürdigung

Vorausgeschickt wird, dass anders als im Jahr 1992 in Deutschland, in dem als Maßstab für die Beurteilung des Grades der Behinderung für die Leiden des BF als Rechtsgrundlage § 85 Sozialgerichtsgesetz iVm § 4 Schwerbehindertengesetz diente, ist nunmehr für die Einstufung der Leiden des BF die Einschätzungsverordnung, BGBl II Nr. 261/2010, idgF maßgebend ist.

Dieser Maßstab diente auch im gegenständlichen Verfahren für die Einstufung der Leiden des BF zur Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung und wurde auch vom beigezogenen Sachverständigen Dr. XXXX , der vom Bundesverwaltungsgericht beauftragt wurde, wie auch von den medizinischen Sachverständigen, die von der belangten Behörde beauftragt wurden, herangezogen. Dazu wird auf das oben wiedergegebene vom Bundesverwaltungsgericht eingeholte schlüssige Sachverständigengutachten vom 14.5.2020 (Dr. XXXX ) sowie die oben wiedergegebenen Gutachten der medizinischen Sachverständigen, die von der belangten Behörde beauftragt wurden, verwiesen. Im Gutachten von Dr. XXXX - basierend auf einer vorhergehenden persönlichen Untersuchung des BF - wird auch auf die Art der Leiden des BF und deren Ausmaß ausführlich, schlüssig und widerspruchsfrei eingegangen. Der Gutachter setzte sich auch umfassend und nachvollziehbar mit den vorgelegten Befunden des BF auseinander.

Diese Einschätzungen finden auch Deckung in dem vom Gutachter erhobenen Status des BF im Rahmen der persönlichen Untersuchung des BF durch Dr. XXXX , Arzt für Allgemeinmedizin. Nachvollziehbar legte er dar, dass der Gesamtgrad des BF bei 60% liegt und warum die übrigen Leiden des BF keine Berücksichtigung bei der Feststellung des Gesamtgrades der Behinderung finden.

Das eingeholte Sachverständigengutachten vom 14.5.2020, auf das sich das Bundesverwaltungsgericht stützt, steht mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch. Auch war die Tauglichkeit des befassten Sachverständigen oder dessen Beurteilung bzw. Feststellungen nicht in Zweifel zu ziehen. Das Sachverständigengutachten wird daher in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt.

Es steht dem BF, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch frei, das im Auftrag der Behörde bzw. des Bundesverwaltungsgerichtes erstellte Gutachten, durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. VwGH 27.06.2000, 2000/11/0093).

Der BF ist dem schlüssigen und nachvollziehbaren Gutachten vom 14.5.2019, das vom Bundesverwaltungsgericht eingeholt und das dem Parteiengehör unterzogen wurde, nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten (vgl. VwGH 17.2.2017, Ra 2017/11/0008, 27.06.2000, 2000/11/0093). Vielmehr hat der BF von einer Stellungnahme abgesehen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz – BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz - VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.).

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist. In der gegenständlichen Sachverhaltskonstellation liegen die Voraussetzungen für eine meritorische Entscheidung vor (Vgl. VwGH 26.06.2014, Ro 2014/03/0063; VwGH 10.09.2014, Ra 2014/08/0005).

3.1.Zu Spruchpunkt A)

3.1.1.Rechtsgrundlagen:

Gemäß § 1 Abs. 2 Bundesbehindertengesetz, BGBl Nr. 283/1990, idgF (BBG) ist unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

Gemäß § 40 Abs. 1 BBG ist behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

Gemäß § 41 Abs. 1 BBG gilt als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1.       nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2.       zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3.       ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen (§ 45 Abs. 1 BBG). Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben oder der Pass eingezogen wird (§ 45 Abs. 2 BBG).

Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in § 1 Abs. 2 genannten Eintragungen erfüllt sind, bildet ein Gutachten eines ärztlichen Sachverständigen des Bundessozialamtes. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.

Es wird auf die obigen Ermittlungsergebnisse und die Feststellungen verwiesen. Da festgestellt worden ist, dass die dauernden Gesundheitsschädigungen des BF ein Ausmaß von 60% erreichen, ist dem BF ein Behindertenpass mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 60% auszustellen (vgl VwGH 27.5.2014, Ro 2014/11/0041; 21.9.2010, 2007/11/0228), war spruchgemäß zu entscheiden.

3.1.2.Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn

1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen

Weiters kann das Verw

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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