TE Bvwg Erkenntnis 2020/11/6 W240 1439144-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 06.11.2020
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Entscheidungsdatum

06.11.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z4
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs4
AsylG 2005 §9 Abs1 Z1
AsylG 2005 §9 Abs4
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z3
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch


W240 1439144-2/15E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Feichter als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 05.04.2019 Zl. 820752805-190232337, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

A)

I.       Der Beschwerde hinsichtlich der Spruchpunkte I. und II., sowie IV. bis VII. wird gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG iVm § 9 Abs. 1 Z 1 2. Fall AsylG 2005 stattgegeben und die Spruchpunkte I. und II., sowie IV. bis VII. werden ersatzlos behoben.

II.     Der Beschwerde gegen Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides wird stattgegeben und aufgrund des Antrages vom 02.10.2018 die Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter um zwei weitere Jahre gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 verlängert.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (BF), ein männlicher Staatsangehöriger Afghanistans, reiste illegal nach Österreich ein und stellte am 20.06.2012 im Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Mit Bescheid vom 13.11.2013 wies das Bundesasylamt (BAA) den Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung von internationalem Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) ab und erkannte ihm gemäß § 8 Abs. 1 AsylG den Status eines subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) zu. Dem BF wurde gemäß § 8 Abs. 4 AsylG eine bis zum 13.11.2014 eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt (Spruchpunkt III.).

Hinsichtlich der Gründe für die Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten wurde seitens der belangten Behörde festgestellt, dass sich Afghanistan in einer schwierigen Umwälzungsphase befinde, wirtschaftlich darniederliege und dem BF die Lebensgrundlage in seinem Herkunftsstaat entzogen sei.

3. Der BF erhob gegen Spruchpunkt I. des Bescheides vom 13.11.2013 Beschwerde. Diese wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 15.05.2015 als unbegründet abgewiesen.

4. Die Aufenthaltsberechtigung des BF wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 27.06.2016 gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 bis zum 13.11.2018 verlängert.

5. Am 02.10.2018 stellte der BF einen Antrag auf eine weitere Verlängerung seiner Aufenthaltsberechtigung. Dieser Antrag wurde zum Anlass genommen zu prüfen, ob die seinerzeitigen Gründe für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten noch aufrecht seien. Hierzu wurde der Beschwerdeführer vom BFA am 05.02.2019 und am 06.03.2019 niederschriftlich einvernommen.

Bei der Einvernahme am 05.02.2019 führte der BF im Wesentlichen aus, dass er keinen Kontakt zu seiner Familie oder seinen Freunden in Afghanistan habe und einen solchen auch nicht herstellen könne. Nebst seiner Kernfamilie habe er in seinem Herkunftsstaat auch noch drei Tanten und einen Onkel. Er gehöre dem Clan der XXXX an, dieser setze sich aus 5000-6000 Personen zusammen, die jedoch über die verschiedensten Provinzen verstreut seien. Auch Kontakt zu anderen Clanmitglidern habe er keinen – weder in Österreich noch in Afghanistan. In seinem Herkunftsstaat gebe es für ihn keine Zukunft, da die Lage dort sehr schlecht und unsicher sei. Er habe in Österreich als Küchengehilfe und Abwäscher gearbeitet und wolle eine Ausbildung zum KFZ Mechaniker machen. In der ersten Zeit nach seiner Flucht habe er seine Familie sehr vermisst, nun sei jedoch sein Hauptziel – sich ein Leben in Österreich aufzubauen – vorrangig.

In der Einvernahme am 06.03.2019 gab er im Wesentlichen an, er sei aktiv auf Arbeitssuche, habe in Österreich ein Netzwerk aus Freunden und nach wie vor keinen Kontakt zu Familie oder Freunden in Afghanistan. Letztmalig habe er 2013 Kontakt zu seiner Mutter gehabt. Er sei noch nie in Kabul, Herat oder Mazar-e Sharif gewesen. Er wolle nicht zurück in seinen Herkunftsstaat, da er in Österreich verwurzelt sowie glücklich sei und es in Afghanistan zu gefährlich sei. Im Inland spiele er Fußball und Kricket, gehe gern spaziere und treffe sich mit seiner Freundin, einer serbischen Staatsangehörigen, mit welcher er bereits über ein Jahr eine Beziehung führe. In seiner Heimat würde er getötet. Er bitte um Verlängerung seiner Aufenthaltsberechtigung, da er Deutsch auf Niveau B1 erlernen wolle, um einen Aufenthaltstitel nach dem NAG erlangen zu können.

6. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 05.04.2019 wurde dem BF der mit Bescheid vom 13.11.2013 zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Absatz 1 Asylgesetz 2005, BGBl I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, von Amts wegen aberkannt (I.). Die mit Bescheid vom 13.11.2013 erteilte befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter wurde dem BF gemäß § 9 Absatz 4 AsylG entzogen (II.). Der Antrag vom 02.10.2018 auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG wurde abgewiesen (III.). Es wurde dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (IV.). Gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 4 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF, wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 3 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr 100/2005 (FPG) idgF, erlassen (V.). Es wurde gemäß § 52 Absatz 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (VI.). Es wurde gemäß § 55 Absatz 1 bis 3 FPG festgestellt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (VII.).

7. Im vorzitierten Bescheid wurde festgehalten, dass dem BF im Bescheid des Bundesasylamtes vom 13.11.2013 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden sei, da ihm aufgrund seiner persönlichen Lebensumstände und der damaligen allgemeinen Lage in seiner Heimat die Lebensgrundlage entzogen gewesen sei und er bei einer Rückkehr in eine ausweglose Lage geraten könnte. Diese Voraussetzungen lägen jedoch nicht mehr vor, da der BF jung, gesund, arbeits- und selbsterhaltungsfähig sei und in seinem Herkunftsstaat über familiäre Anknüpfungspunkte verfüge. Es gebe keinerlei stichhaltige Gründe, dass der BF in Afghanistan nach wie vor einer Gefahr iSd § 8 AsylG 2005 ausgesetzt sei. Ihm drohe dort weder unmenschliche Behandlung noch Todesstrafe. Es lägen innerstaatliche Fluchtalternativen in Kabul, Herat oder Mazar-e Sharif vor. Eine Rückkehr des BF sei demnach zumutbar.

Beweiswürdigend führte die belangte Behörde hinsichtlich der Gründe für die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten im Wesentlichen aus, die Sicherheitslage für sich alleine genommen sei bereits zum Zeitpunkt der Zuerkennung im Hinblick auf Art 2 EMRK ausreichend sicher gewesen und hätte daher grundsätzlich eine Rückkehr nicht ausgeschlossen. Aus den Länderberichten hätten sich keine Hinweise auf eine wesentliche Änderung dieser Sicherheitslage ergeben. Die einstige Gewährung des subsidiären Schutzes sei jedoch lediglich aus einer Verbindung der damaligen allgemeinen Lage im Herkunftsstaat des BF mit der persönlichen Situation des BF erfolgt. Letztere habe sich nunmehr geändert, da der BF über mehrjährige Arbeitserfahrung verfüge und somit selbsterhaltungsfähig sei. Es sei daher nicht mehr anzunehmen, dass der BF im Fall einer Rückkehr in eine ausweglose Situation geraten könnte, die eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellen würde. Dabei handle es sich auch nicht um eine bloß vorübergehende Änderung. Der BF benötige im Grunde kein familiäres und soziales Netzwerk in seinem Herkunftsstaat, habe ein solches jedoch ohnedies aufgrund der Zugehörigkeit zu seinem Clan, welcher ein Auffangbecken für ihn bilde. Zudem sei davon auszugehen, dass der BF Kontakte nach Afghanistan pflege. Innerstaatliche Fluchtalternativen seien gegeben. Auch in Österreich verkehre der BF vorwiegend mit Afghanen und sei daher stets in seinem gewohnten Kulturkreis verankert gewesen. Die Feststellungen zu Afghanistan traf die Behörde im Wesentlichen auf Grundlage einer Zusammenstellung der Staatendokumentation der Behörde.

In der rechtlichen Beurteilung stützte sich die belangte Behörde darauf, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr vorlägen. Die persönlichen Umstände hätten sich maßgeblich geändert, da der BF selbsterhaltungsfähig sei und über neu erlernte berufliche Qualifikationen verfüge, sodass ein Fuß fassen in Afghanistan für den BF ein Leichtes sei.

8. Mit Schriftsatz vom 03.05.2019, beim BFA am selben Tag eingebracht, erhob der BF binnen offener Frist das Rechtsmittel der Beschwerde gegen den Bescheid vom 05.04.2019 und brachte darin im Wesentlichen vor, dass sich die Entscheidung des BF auf veraltete Länderberichte stütze, sich weder die persönliche Lage des BF noch jene in Afghanistan verbessert habe und keine innerstaatlichen Fluchtalternativen vorlägen. Die Umstände hätten sich somit nicht wesentlich und dauerhaft verändert. Im Gegenteil hätten sich die Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan in den vergangenen Jahren zunehmend verschlechtert. Der BF beantrage die Durchführung einer mündlichen Verhandlung, die Behebung des angefochtenen Bescheides sowie die Feststellung, dass kein Grund vorliege die Aufenthaltsberechtigung des BF nicht zu verlängern.

9. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 15.06.2020 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch. Im Rahmen der Beschwerdeverhandlung wurde der Beschwerdeführer insbesondere zu seiner derzeitigen persönlichen Situation, seinen Familienangehörigen und dem Kontakt zu diesen, seiner Volksgruppenzugehörigkeit sowie seinem sozialen Netz befragt. Seitens des BVwG wurden aktuelle Länderbericht ins Verfahren eingebracht und eine Frist für eine Stellungnahme eingeräumt.

10. Am 29.06.2020 langte eine Stellungnahme der ausgewiesenen Vertretung des BF beim BVwG ein. Das BFA habe entgegenrichtlinienkonformer Interpretation eine grundlegende und dauerhafte Änderung jener Umstände, die zur Zuerkennung des subsidiären Schutzes geführt haben, nicht darlegen können. Es sei eine entsprechende Nachhaltigkeit der positiven Veränderung im Herkunftsland des Fremden erforderlich, dies erfordere auch einen längeren Beobachtungszeitraum. Verwiesen wurde darauf, dass der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Zuerkennung des subsidären Schutzes 16 jahre alt und bei der letzten Verlängerung bereist 19 Jahre alt und somit volljährige gewesen sei. Eine nachhaltige wesentliche und dauerhafte Veränderung der Sicherheitslage sei nicht feststellbar und habe der Beschwerdeführer nach wie vor keinen Kontakt zu etwaigen Familienangehörigen in Afghanistan, diesbezüglich wurde auf die Bestätigung des Roten Kreuzes vom 24.06.2020 über den vom Beschwerdeführer gestellten Suchantrag hinsichtlich seiner Familie in Afghanistan, welcher in Kopie übermittelt wurde, verwiesen. Auszugsweise wurden aktuelle Länderberichte über die Situation in Afghanistan, insbesondere auch aufgrund der COVID-19-Pandemie, übermittelt. In eventu sei auch die Zuerkennung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK im Falle des Beschwerdeführers zu prüfen, es wurde diesbezüglich darauf verwiesen, dass der Beschwerdeführer sich seit acht Jahren in Österreich befinde und mit Beschluss eines österreichischen Bezirksgerichts vom XXXX , der übermittelt wurde, das Strafverfahren, welche geegn den Beschwerdeführer eingeleitet worden wäre, eingestellt worden sei.

11. Am 20.07.2020 wurde für den Beschwerdeführer eine Bestätigung aus dem elektronischen Datensammelsystem der Sozialversicherungsträger vorgelegt, wonach der Beschwerdeführer derzeit ab 08.07.2020 als Arbeiter in Österreich angestellt ist.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Zur Person des Beschwerdeführers und zu seinem Leben in Österreich:

1.1 Der BF reiste nach Österreich ein und stellte am 20.06.2012 einen Antrag auf internationalen Schutz. Er ist nunmehr etwa 23 Jahre alt, leidet an keiner lebensbedrohlichen Erkrankung oder sonstigen Beeinträchtigung, er ist gesund und arbeitsfähig. Der BF ist ledig und kinderlos.

1.2. Der BF ist afghanischer Staatsangehöriger und der Volksgruppe der Sunniten zugehörig. Er bekennt sich zum sunnitisch moslemischen Glauben. Die genaue Heimatprovinz des BF konnte nicht festgestellt werden. Es befinden sich noch weitere Verwandte des BF in Afghanistan.

In seinem Herkunftsstaat besuchte er weder eine Schule noch war er berufstätig. Der Vater des BF arbeitete als Koch und versorgte so die Familie. Der BF hat seit 2013 keinen Kontakt mehr zu seiner Kernfamilie (Eltern, Geschwister). Er ist Angehöriger des Clans der XXXX , hat jedoch auch zu Clansmitgliedern keinen Kontakt.

1.3. Der BF war in seinem Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner gegen ihn persönlich gerichteten Verfolgung, sei es durch staatliche Organe oder durch Private, aufgrund seiner Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder seiner politischen Gesinnung (oder aus anderen Gründen) ausgesetzt.

1.4. Dem BF wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 13.11.2013 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt. Begründend wurde darin festgestellt, dass dem BF die Rückkehr nach Afghanistan nicht zumutbar sei, da ihm eine Entziehung der Lebensgrundlage drohe. Gegen diesen Bescheid erhob der BF Beschwerde, welche mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 15.05.2015 als unbegründet abgewiesen wurde. Die Aufenthaltsberechtigung des BF wurde mit Bescheid des BFA vom 27.06.2016 gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 bis zum 13.11.2018 verlängert.

1.5. Der Beschwerdeführer hält sich seit seiner Einreise in Österreich durchgehend im Bundesgebiet auf, ist strafrechtlich unbescholten und aktuell nicht erwerbstätig. Die Muttersprache des BF ist Pashtu. Er besuchte in Österreich die Polytechnische Schule und nahm an einem A1-Deutschkurs teil, hat bislang jedoch kein Deutschzertifikat erlangt. Er hat zwischen 2015 und 2020 in Österreich in verschiedenen Gastronomiebetrieben als Küchenhilfe und Abwäscher gearbeitet.

1.6. Der BF hat in Österreich keine Verwandten oder Familienangehörigen. Der BF führt eine Beziehung zu einer in Österreich aufhältigen serbischen Staatsbürgerin, zu welcher er jedoch in keinem Abhängigkeitsverhältnis steht. Der BF hat Freunde in verschiedenen Gebieten Österreichs. Er lebt mit zwei weiteren afghanischen Staatsangehörigen in einer Wohngemeinschaft.

1.7. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des BFA vom 05.04.2019 wurde der dem BF mit Bescheid vom 13.11.2013 zuerkannte und zuletzt mit Bescheid vom 27.06.2016 verlängerte Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß von Amts wegen aberkannt.

1.8. Die persönliche Situation des BF hat sich nicht entscheidungswesentlich und nachhaltig gebessert. Es wird festgestellt, dass der BF über kein gesichertes unterstützendes familiäres Netzwerk oder einen Bekanntenkreis, der den BF im Falle einer Rückkehr gesicherte Unterstützung zukommen lassen würde, in Afghanistan, insbesondere in Kabul, Herat oder Mazar-e Sharif, verfügt. Eine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts zur Frage der Gewährung subsidiären Schutzes ist im Hinblick auf das individuelle Vorbringen des BF nicht eingetreten.

Zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat Afghanistan:

Politische Lage

Letzte Änderung: 18.5.2020

Afghanistan ist ein Zentralstaat mit 34 Provinzen, die in Distrikte gegliedert sind (AA 15.4.2019). Auf einer Fläche von ca. 632.000 Quadratkilometern (CIA 24.5.2019) leben ca. 32 Millionen Menschen (CSO 2019).

Im Jahr 2004 wurde die neue Verfassung angenommen (BFA 7.2016; vgl. Casolino 2011), die vorsieht, dass kein Gesetz gegen die Grundsätze und Bestimmungen des Islam verstoßen darf und alle Bürgerinnen und Bürger Afghanistans, Mann wie Frau, gleiche Rechte und Pflichten vor dem Gesetz haben (BFA 3.2014; vgl. Casolino 2011, MPI 27.1.2004).

Die Verfassung der islamischen Republik Afghanistan sieht vor, dass der Präsident der Republik direkt vom Volk gewählt wird und sein Mandat fünf Jahre beträgt (Casolino 2011). Implizit schreibt die Verfassung dem Präsidenten auch die Führung der Exekutive zu (AAN 13.2.2015) und die Provinzvorsteher, sowie andere wichtige Verwaltungsbeamte, werden direkt vom Präsidenten ernannt und sind diesem rechenschaftspflichtig. Viele werden aufgrund persönlicher Beziehungen ausgewählt (EC 18.5.2019).

Die ursprünglich für den 20. April 2019 vorgesehene Präsidentschaftswahl wurde mehrfach verschoben, da die Wahlbehörden auf eine landesweite Wahl so kurz nach der Parlamentswahl im Oktober 2018 nicht vorbereitet waren. Der Oberste Gerichtshof Afghanistans konnte die Herausforderungen für die Wahlkommission nachvollziehen und verlängerte die Amtszeit von Präsident Ashraf Ghani bis zu der auf den 28.9.2019 verschobenen Präsidentschaftswahl (DZ 21.4.2019). Die unabhängige afghanische Wahlkommission (Afghanistan’s Independent Election Commission) hat mehr als vier Monate nach der Präsidentschaftswahl in Afghanistan Mohammed Ashraf Ghani zum Sieger erklärt (DW 18.2.2020). Der amtierende Präsident erhielt 50,64% der Stimmen, wie die Kommission verlautbarte (DW 18.2.2020; vgl. REU 25.2.2020; UNGASC 17.3.2020). Da Ghani im ersten Durchgang die Präsidentschaftswahl bereits gewonnen hat, ist keine Stichwahl mehr notwendig (DW 18.2.2020). CEO bzw. Regierungsgeschäftsführer Abdullah Abdullah, kam den Resultaten zufolge auf 39,52% (DW 18.2.2020; vgl. REU 25.2.2020). Die Präsidentenwahl hatte am 28. September stattgefunden. Nach monatelangem, erbittertem Streit um die Richtigkeit von Hunderttausenden von Stimmen waren nur noch 1,8 Millionen Wahlzettel berücksichtigt worden. Hingegen lag die Zahl der registrierten Wähler bei 9,6 Millionen. Afghanistan hat eine geschätzte Bevölkerung von 35 Millionen Einwohnern (DW 18.2.2020).

Wochenlang stritten der amtierende Präsident Ashraf Ghani und sein ehemaliger Regierungsgeschäftsführer Abdullah Abdullah um die Macht in Kabul und darum wer die Präsidentschaftswahl im vergangenen September gewonnen hatte. Abdullah Abdullah beschuldigte die Wahlbehörden, Ghani begünstigt zu haben, und anerkannte das Resultat nicht (NZZ 20.4.2020). Am 9.3.2020 ließen sich sowohl Ghani als auch Abdullah als Präsident vereidigen (NZZ 20.4.2020; vgl. TN 16.4.2020). Nach monatelanger politischer Krise (DP 17.5.2020; vgl. TN 11.5.2020), einigten sich der afghanische Präsident Ashraf Ghani und Abdullah Abdullah auf eine Machtteilung: Abdullah wird die Friedensgespräche mit den Taliban leiten und Mitglieder seines Wahlkampfteams werden ins Regierungskabinett aufgenommen (DP 17.5.2020; vgl. BBC 17.5.2020; DW 17.5.2020).

Anm.: Weitere Details zur Machtteilungsvereinbarung sind zum Zeitpunkt der Aktualisierung noch nicht bekannt (Stand: 18.5.2020) und werden zu einem späteren Zeitpunkt bekannt gegeben (BBC 17.5.2020).

Präsidentschafts- und Parlamentswahlen

Die afghanische Nationalversammlung ist die höchste legislative Institution des Landes und agiert im Namen des gesamten afghanischen Volkes (Casolino 2011). Sie besteht aus zwei Kammern: dem Unterhaus oder Volksvertretung (Wolesi Jirga) mit 250 Abgeordneten (für 5 Jahre gewählt), sowie dem Oberhaus oder Ältestenrat (Meschrano Jirga) mit 102 Abgeordneten (AA 15.4.2019).

Das Oberhaus setzt sich laut Verfassung zu je einem Drittel aus Vertretern der Provinz- und Distrikträte zusammen. Das letzte Drittel der Senatoren wird durch den Präsidenten bestimmt (AA 15.4.2019). Die Hälfte der vom Präsidenten entsandten Senatoren müssen Frauen sein. Weiters vergibt der Präsident zwei Sitze für die nomadischen Kutschi und zwei weitere an behinderte Personen. Auch ist de facto ein Sitz für einen Vertreter der Hindu- bzw. Sikh-Gemeinschaft reserviert (USDOS 13.3.2019).

Die Sitze im Unterhaus verteilen sich proportional zur Bevölkerungszahl auf die 34 Provinzen. Verfassungsgemäß sind für Frauen 68 Sitze, für die Minderheit der Kutschi zehn Sitze und für Vertreter der Hindu- bzw. Sikh-Gemeinschaft ein Sitz reserviert (AAN 22.1.2017; vgl. USDOS 13.3.2019, Casolino 2011).

Die Rolle des Parlaments bleibt begrenzt. Ob das neue Parlament, das sich nach den Wahlen vom Oktober 2018 erst mit erheblicher Verzögerung im April 2019 konstituierte, eine andere Rolle einnehmen kann, muss sich zunächst noch erweisen. Zwar beweisen die Abgeordneten mit kritischen Anhörungen und Abänderungen von Gesetzentwürfen in teils wichtigen Punkten, dass das Parlament grundsätzlich funktionsfähig ist, doch nutzt das Parlament auch seine verfassungsmäßigen Rechte, um die Arbeit der Regierung destruktiv zu behindern, Personalvorschläge der Regierung z.T. über längere Zeiträume zu blockieren und sich Zugeständnisse wohl auch durch finanzielle Zuwendungen an einzelne Abgeordnete abkaufen zu lassen. Insbesondere das Unterhaus hat sich dadurch sowohl die Regierung der Nationalen Einheit als auch die Zivilgesellschaft zum Gegner gemacht. Generell leidet die Legislative unter einem kaum entwickelten Parteiensystem und mangelnder Rechenschaft der Parlamentarier gegenüber ihren Wählern (AA 2.9.2019).

Die Präsidentschaftswahlen und Parlamentswahlen finden gemäß Verfassung alle fünf Jahre statt (USIP 11.2013). Mit dreijähriger Verzögerung fanden zuletzt am 20. und 21. Oktober 2018 – mit Ausnahme der Provinz Ghazni – Parlamentswahlen statt (AA 15.4.2019; vgl. USDOS 13.3.2019). Die letzten Präsidentschaftswahlen fanden am 28. September 2019 statt (RFE/RL 20.10.2019).

Bei den Wahlen zur Nationalversammlung am 20. und 21.10.2018 gaben etwa vier Millionen der registrierten 8,8 Millionen Wahlberechtigten ihre Stimme ab. Die Wahl war durch Unregelmäßigkeiten geprägt, darunter Betrug bei der Wählerregistrierung und Stimmabgabe, Einschüchterung der Wähler, und einige Wahllokale mussten wegen Bedrohungen durch örtliche Machthaber schließen. Die Taliban und andere Gruppierungen behinderten die Stimmabgabe durch Drohungen und Belästigungen (USDOS 13.3.2019).

Wegen Vorwürfen des Betruges und des Missmanagements erklärte Anfang Dezember 2018 die afghanische Wahlbeschwerdekommission (ECC) alle in der Provinz Kabul abgegebenen Stimmen für ungültig (RFE/RL 6.12.2018). Die beiden Wahlkommissionen einigten sich in Folge auf eine neue Methode zur Zählung der abgegebenen Stimmen (TN 12.12.2018). Die Provinzergebnisse von Kabul wurden schließlich am 14.5.2019, fast sieben Monate nach dem Wahltag, veröffentlicht. In einer Ansprache bezeichnete Präsident Ghani die Wahl als „Katastrophe“ und die beiden Wahlkommissionen als „ineffizient“ (AAN 17.5.2019).

Politische Parteien

Die afghanische Verfassung erlaubt die Gründung politischer Parteien, solange deren Programm nicht im Widerspruch zu den Prinzipien des Islam steht (USDOS 29.5.2018). Um den Parteien einen allgemeinen und nationalen Charakter zu verleihen, verbietet die Verfassung jeglichen Zusammenschluss in politischen Organisationen, der aufgrund von ethnischer, sprachlicher (Casolino 2011; vgl. MPI 27.1.2004) oder konfessioneller Zugehörigkeit erfolgt (Casolino 2011; vgl. MPI 27.1.2004; USDOS 29.5.2018). Auch darf keine rechtmäßig zustande gekommene Partei oder Organisation ohne rechtliche Begründung und ohne richterlichen Beschluss aufgelöst werden (MPI 27.1.2004).

Das kaum entwickelte afghanische Parteiensystem weist mit über 70 registrierten Parteien eine starke Zersplitterung auf (AA 2.9.2019). Die politischen Parteien haben ihren Platz im politischen System Afghanistans noch nicht etablieren können (DOA 17.3.2019). Die meisten dieser Gruppierungen erscheinen mehr als Machtvehikel ihrer Führungsfiguren denn als politisch-programmatisch gefestigte Parteien (AA 2.9.2019; vgl. AAN 6.5.2018, DOA 17.3.2019). Ethnische Zugehörigkeit, persönliche Beziehungen und ad hoc geformte Koalitionen spielen traditionell eine größere Rolle als politische Organisationen (AA 2.9.2019).

Das derzeitige Wahlsystem ist personenbezogen, die Parteien können keine Kandidatenlisten erstellen, es sind keine Sitze für die Parteien reserviert und es ist den Parteien untersagt, Fraktionen im Parlament zu gründen. Der Parteivorsitz wird nicht durch parteiinterne Abläufe bestimmt, sondern wird eher wie ein partimoniales Erbgut gesehen, das von einer Generation an die nächste, vom Vater zum Sohn, übergeben wird. Die Menschen vertrauen den Parteien nicht und junge, gebildete Leute sind nicht gewillt, solchen Parteien beizutreten (DOA 17.3.2019).

Friedens- und Versöhnungsprozess

Die afghanischen Regierungskräfte und die Amerikaner können die Taliban, die über rund 60 000 Mann verfügen, nicht besiegen. Auch die Islamisten sind nicht stark genug, um die Regierungstruppen zu überrennen, obwohl sie rund die Hälfte des Landes kontrollieren oder dort zumindest präsent sind. In Afghanistan herrscht fast zwei Jahrzehnte nach dem Sturz des Taliban-Regimes durch die USA eine Pattsituation (NZZ 20.4.2020). Das lang erwartete Abkommen zwischen den Vereinigten Staaten und den Taliban wurde Ende Februar 2020 unterzeichnet (AJ 7.5.2020; vgl. NPR 6.5.2020) – die afghanische Regierung war an dem Abkommen weder beteiligt, noch unterzeichnete sie dieses. Diesem Abkommen zufolge hätten noch vor den für 10.03.2020 angesetzten inneren Friedensgesprächen, von den Taliban bis zu 1.000 Gefangene und von der Regierung 5.000 gefangene Taliban freigelassen werden sollen. Zum einen, verzögern die Unstimmigkeiten zwischen den Taliban und der afghanischen Regierung über Umfang und Umsetzungstempo des Austauschs, die Gespräche (AJ 7.5.2020) [ Anm.: 800 Taliban-Gefangene entließ die afghanische Regierung, während die Taliban 100 der vereinbarten 1.000 Sicherheitskräfte frei ließen – (NPR 6.5.2020)], Andererseits stocken die Verhandlungen auch aufgrund des innerpolitischen Disputes zwischen Ashraf Ghani und Abdullah Abdullah, die beide die Präsidentschaft für sich beanspruchten. Die Taliban haben seit dem unterzeichneten Abkommen im Februar mehr als 4.500 Angriffe verübt. Die von dieser Gewalt am stärksten betroffenen Provinzen sind auch jene Provinzen, die am stärksten von COVID-19-Fällen betroffen sind (AJ 7.5.2020). In den innerafghanischen Gesprächen wird es um die künftige Staatsordnung, eine Machtteilung und die Integration der Aufständischen gehen (NZZ 20.4.2020).

Das Abkommen mit den US-Amerikanern

Das Abkommen zwischen den Vereinigten Staaten und den Taliban enthält das Versprechen der US-Amerikaner, ihre noch rund 13.000 Armeeangehörigen in Afghanistan innerhalb von 14 Monaten abzuziehen. Auch die verbliebenen nichtamerikanischen NATO-Truppen (Stand Ende 2019: rund 6.700 Mann) sollen abgezogen werden. In den ersten 135 Tagen nach der Unterzeichnung werden die US-Amerikaner ihre Truppen in Afghanistan auf 8.600 Mann reduzieren. Der Abzug der ausländischen Truppenangehörigen, von denen die meisten Beratungs- und Ausbildungsfunktionen wahrnehmen, ist abhängig davon, ob die Taliban ihren Teil der Abmachung einhalten. Sie haben im Abkommen zugesichert, terroristischen Gruppierungen wie etwa al-Qaida keine Zuflucht zu gewähren. Die Taliban verpflichteten sich weiter, innerhalb von zehn Tagen nach Unterzeichnung, Gespräche mit einer afghanischen Delegation aufzunehmen (NZZ 20.4.2020; vgl. USDOS 29.2.2020).

Quellen:

•        AA – Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (2.9.2019): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan (Stand: Juli 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/2015806/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Afghanistan_%28Stand_Juli_2019%29%2C_02.09.2019.pdf, Zugriff 11.9.2019

•        AA – Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (15.4.2019): Afghanistan: Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/afghanistan-node/-/204718, Zugriff 7.6.2019

•        AAN – Afghanistan Analysts Network (17.5.2019): The Results of Afghanistan’s 2018 Parliamentary Elections: A new, but incomplete Wolesi Jirga, https://www.afghanistan-analysts.org/the-results-of-afghanistans-2018-parliamentary-elections-a-new-but-incomplete-wolesi-jirga/, Zugriff 7.6.2019

•        AAN – Afghanistan Analysts Network (6.5.2018): Afghanistan‘s Paradoxical Political Party System: A new AAN report, https://www.afghanistan-analysts.org/publication/aan-papers/outside-inside-afghanistans-paradoxical-political-party-system-2001-16/, Zugriff 11.6.2019

•        AAN – Afghanistan Analysts Network (13.2.2015): The President‘s CEO Decree: Managing rather thean executive powers (now with full translation of the document), https://www.afghanistan-analysts.org/the-presidents-ceo-decree-managing-rather-then-executive-powers/, Zugriff 7.6.2019

•        AJ – Al-Jazeera (7.5.2020): US Afghan envoy to meet Taliban in Qatar in new efforts for peace, https://www.aljazeera.com/news/2020/05/afghan-envoy-meet-taliban-qatar-efforts-peace-200507044349083.html, Zugriff 12.5.2020

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•        DP – Die Presse (17.5.2020): Afghanische Rivalen Ghani und Abdullah einigten sich auf Machtteilung, https://www.diepresse.com/5814955/afghanische-rivalen-ghani-und-abdullah-einigten-sich-auf-machtteilung, Zugriff 18.5.2020

•        DW – Deutsche Welle (17.5.2020): Ghani und Abdullah einigen sich auf Machtteilung in Afghanistan, https://www.dw.com/de/ghani-und-abdullah-einigen-sich-auf-machtteilung-in-afghanistan/a-53470528, Zugriff 18.5.2020

•        DZ – Die Zeit (23.8.2019): USA-Taliban-Gespräche in Katar wieder aufgenommen, https://www.zeit.de/news/2019-08/23/usa-taliban-gespraeche-in-katar-wieder-aufgenommen, Zugriff 23.8.2019

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•        NZZ – Neue Züricher Zeitung (20.4.2020): Taliban töten erneut fast 20 Soldaten aus regierungstreuen Kreisen – die neusten Entwicklungen nach der Unterzeichnung des Friedensabkommens in Afghanistan, https://www.nzz.ch/international/afghanistan-die-neuesten-entwicklungen-im-friedensprozess-ld.1541939#subtitle-2-was-steht-in-dem-abkommen-second, Zugriff 20.4.2020

•        RFE/RL – Radio Free Europe / Radio Liberty (20.10.2019): Afghan Presidential Election Results Announcement Delayed, https://www.rferl.org/a/afghanistan-presidential-election-results-delayed/30225843.html, Zugriff 27.10.2019

•        RFE/RL – Radio Free Europe / Radio Liberty (29.5.2019): Afghanistan Postpones Two Local Elections, https://www.rferl.org/a/afghanistan-postpones-two-local-elections/29970772.html, Zugriff 7.6.2019

•        RFE/RL – Radio Free Europe/Radio Liberty (6.12.2018): Afghan Commission Invalidates All Kabul Votes In October Parliamentary Election, https://www.rferl.org/a/afghan-commission-invalidates-all-kabul-votes-in-october-parliamentary-election/29640679.html, Zugriff 7.6.2019

•        TN – Tolonews (11.5.2020): Differences Remain in Proposed Ghani, Abdullah Plan: Sources, https://tolonews.com/afghanistan/differences-remain-proposed-ghani-abdullah-plan-sources, Zugriff 13.5.2020

•        TN - Tolonews (19.5.2019): IEC Finalizes Presidential Elections Timeline, https://www.tolonews.com/elections-2019/iec-finalizes-presidential-elections-timeline, Zugriff 7.6.2019

•        TN - Tolonews (12.12.2018): IEC Resumes Recounting Of Kabul Votes Under New Method, https://www.tolonews.com/index.php/elections-2018/iec-resumes-recounting-kabul-votes-under-new-method, Zugriff 7.6.2019USDOS – United States Department of State (29.2.2020): Agreement for Bringing Peace to Afghanistan between the Islamic Emirate of Afghanistan which is not recognized by the United States as a state and is known as the Taliban and the United States of America, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2020/02/Agreement-For-Bringing-Peace-to-Afghanistan-02.29.20.pdf, Zugriff 20.4.2020

•        USDOS – United States Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Afghanistan, https://www.ecoi.net/en/document/2004129.html, Zugriff 7.6.2019

•        USDOS – United States Department of State (29.5.2018): International Religious Freedom Report for 2017 – Afghanistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/1436774.html, Zugriff 11.6.2019

•        USIP – United States Institute of Peace (11.2013): Special Report 338: 2014 Presidential and Provincial Council Elections in Afghanistan, https://www.usip.org/sites/default/files/SR338-2014%20Presidential%20and%20Provincial%20Council%20Elections%20in%20Afghanistan.pdf, Zugriff 19.6.2019

Sicherheitslage

Letzte Änderung: 22.4.2020

Die Sicherheitslage in Afghanistan ist nach wie vor volatil (UNGASC 17.3.2019). Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, die wichtigsten Bevölkerungszentren und Transitrouten sowie Provinzhauptstädte und die meisten Distriktzentren. Nichtsdestotrotz, hat die afghanische Regierung wichtige Transitrouten verloren (USDOD 12.2019).

Der Konflikt in Afghanistan befindet sich nach wie vor in einer "strategischen Pattsituation", die nur durch Verhandlungen zwischen der afghanischen Regierung und den Taliban gelöst werden kann (SIGAR 30.1.2020). Die afghanische Regierung führte zum ersten Mal persönliche Gespräche mit den Taliban, inhaltlich wurde über den Austausch tausender Gefangener verhandelt; bis dahin hatten die beiden Seiten sich nur per Videokonferenz unterhalten (BBC 1.4.2020). Ein erster Schritt Richtung inner-afghanischer Verhandlungen, welcher Teil eines zwischen Taliban und US-Amerikanern unterzeichneten Abkommens ist (TD 2.4.2020). Die Gespräche fanden vor dem Hintergrund anhaltender Gewalt im Land statt (BBC 1.4.2020).

Für den Berichtszeitraum 8.11.2019-6.2.2020 verzeichnete die UNAMA 4.907 sicherheitsrelevante Vorfälle – ähnlich dem Vorjahreswert. Die Sicherheitslage blieb nach wie vor volatil. Die höchste Anzahl sicherheitsrelevanter Vorfälle wurden in der südlichen Region, gefolgt von den nördlichen und östlichen Regionen, registriert, die alle samt 68% der Zwischenfälle ausmachten. Die aktivsten Konfliktregionen waren in den Provinzen Kandahar, Helmand, Nangarhar und Balkh zu finden. Entsprechend saisonaler Trends, gingen die Kämpfe in den Wintermonaten – Ende 2019 und Anfang 2020 – zurück (UNGASC 17.3.2020).

Die Sicherheitslage im Jahr 2019

Die geographische Verteilung aufständischer Aktivitäten innerhalb Afghanistans blieb, im Vergleich der beiden Jahre 2018 und 2019, weitgehend konstant. Im Jahr 2019 fanden auch weiterhin im Süden und Westen Afghanistans weiterhin schwere Kampfhandlungen statt; feindliche Aktivitäten nahmen zu und breiteten sich in größeren Gebieten des Nordens und Ostens aus. Der Resolute Support (RS) Mision (seit 2015 die Unterstützungsmission der NATO in Afghanistan) zufolge, waren für das Jahr 2019 29.083 feindlich-initiierte Angriffe landesweit zu verzeichnen. Im Gegensatz waren es im Jahr 2018 27.417 (SIGAR 30.1.2020). Mit einer hohen Anzahl an sicherheitsrelevanten Vorfällen – speziell in den südlichen, nördlichen und östlichen Regionen – blieb die Sicherheitslage vorerst volatil, bevor ein Zeitraum der Reduzierung der Gewalt registriert werden konnte. Die UNAMA (Hilfsmission der Vereinten Nationen in Afghanistan) registrierte für das gesamte Jahr 2019 10.392 zivile Opfer, was einem Rückgang von 5% gegenüber 2018 entspricht (UNGASC 17.3.2020).

Seit Ende des Jahres 2019 haben Angriffe durch regierungsfeindliche Elemente erheblich zugenommen. Im September 2019 fanden die afghanischen Präsidentschaftswahlen statt, in diesem Monat wurde auch die höchste Anzahl feindlicher Angriffe eines einzelnen Monats seit Juni 2012 und die höchste Anzahl effektiver feindlicher Angriffe seit Beginn der Aufzeichnung der RS-Mission im Januar 2010 registriert. Dieses Ausmaß an Gewalt setzte sich auch nach den Präsidentschaftswahlen fort, denn im Oktober 2019 wurde die zweithöchste Anzahl feindlicher Angriffe in einem Monat seit Juli 2013 dokumentiert. Betrachtet man jedoch das Jahr 2019 in dessen Gesamtheit, so waren scheinbar feindliche Angriffe, seit Anfang des Jahres, im Zuge der laufenden Friedensgespräche zurückgegangen. Nichtsdestotrotz führte ein turbulentes letztes Halbjahr zu verstärkten Angriffen feindlicher Elemente von insgesamt 6% und effektiver Angriffe von 4% im Jahr 2019 im Vergleich zu den bereits hohen Werten des Jahres 2018 (SIGAR 30.1.2020).

Zivile Opfer

Für das Jahr 2019 registrierte die Hilfsmission der Vereinten Nationen in Afghanistan (UNAMA) als Folge des bewaffneten Konflikts 10.392 zivile Opfer (3.403 Tote und 6.989 Verletzte), was einen Rückgang um 5% gegenüber dem Vorjahr, aber auch die niedrigste Anzahl an zivilen Opfern seit dem Jahr 2013 bedeutet. Nachdem die Anzahl der durch ISKP verursachten zivilen Opfer zurückgegangen war, konnte ein Rückgang aller zivilen Opfer registriert werden, wenngleich die Anzahl ziviler Opfer speziell durch Taliban und internationale Streitkräfte zugenommen hatte. Im Laufe des Jahres 2019 war das Gewaltniveau erheblichen Schwankungen unterworfen, was auf Erfolge und Misserfolge im Rahmen der Friedensverhandlungen zwischen Taliban und den US-Amerikanern zurückzuführen war. In der ersten Jahreshälfte 2019 kam es zu intensiven Luftangriffen durch die internationalen Streitkräfte und Suchaktionen der afghanischen Streitkräfte – insbesondere der Spezialkräfte des afghanischen Geheimdienstes NDS (National Directorate of Security Special Forces) (UNAMA 2.2020).

Aufgrund der Suchaktionen der afghanischen Streitkräfte, gab es zur Jahresmitte mehr zivile Opfer durch regierungsfreundliche Truppen als durch regierungsfeindliche Truppen. Das dritte Quartal des Jahres 2019 registrierte die höchste Anzahl an zivilen Opfern seit 2009, was hauptsächlich auf verstärkte Anzahl von Angriffen durch Selbstmordattentäter und IEDs (improvisierte Sprengsätze) der regierungsfeindlichen Seite – insbesondere der Taliban – sowie auf Gewalt in Zusammenhang mit den Präsidentschaftswahlen zurückzuführen ist. Das vierte Quartal 2019 verzeichnete, im Vergleich zum Jahr 2018, eine geringere Anzahl an zivilen Opfern; wenngleich sich deren Anzahl durch Luftangriffe, Suchoperationen und IEDs seit dem Jahr 2015 auf einem Rekordniveau befand (UNAMA 2.2020).

(UNAMA 2.2020)

Die RS-Mission sammelt ebenfalls Informationen zu zivilen Opfern in Afghanistan, die sich gegenüber der Datensammlung der UNAMA unterscheiden, da die RS-Mission Zugang zu einem breiteren Spektrum an forensischen Daten und Quellen hat. Der RS-Mission zufolge, ist im Jahr 2019 die Anzahl ziviler Opfer in den meisten Provinzen (19 von 34) im Vergleich zum Jahr 2018 gestiegen; auch haben sich die Schwerpunkte verschoben. So verzeichneten die Provinzen Kabul und Nangarhar weiterhin die höchste Anzahl ziviler Opfer. Im letzten Quartal schrieb die RS-Mission 91% ziviler Opfer regierungsfeindlichen Kräften zu (29% wurden den Taliban zugeschrieben, 11% ISKP, 4% dem Haqqani-Netzwerk und 47% unbekannten Aufständischen). 4% wurden regierungsnahen/-freundlichen Kräften zugeschrieben (3% der ANDSF und 1% den Koalitionskräften), während 5% anderen oder unbekannten Kräften zugeschrieben wurden. Diese Prozentsätze entsprechen in etwa den RS-Opferzahlen für Anfang 2019. Als Hauptursache für zivile Opfer waren weiterhin improvisierte Sprengsätze (43%), gefolgt von direkten (25%) und indirekten Beschüssen (5%) verantwortlich – dies war auch schon zu Beginn des Jahres 2019 der Fall (SIGAR 30.1.2020).

High-Profile Angriffe (HPAs)

Sowohl in den ersten fünf Monaten 2019, als auch im letzten Halbjahr 2019 führten Aufständische, Taliban und andere militante Gruppierungen, insbesondere in der Hauptstadtregion weiterhin Anschläge auf hochrangige Ziele aus, um die Aufmerksamkeit der Medien auf sich zu ziehen, die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben und die Wahrnehmung einer weit verbreiteten Unsicherheit zu schaffen (USDOD 12.2019; vgl. USDOD 6.2019). Das Haqqani-Netzwerk führte von September bis zum Ende des Berichtszeitraums keine HPA in der Hauptstadtregion durch. Die Gesamtzahl der öffentlichkeitswirksamen Angriffe ist sowohl in Kabul als auch im ganzen Land in den letzten anderthalb Jahren stetig zurückgegangen (USDOD 12.2019). Zwischen 1.6.2019 und 31.10.2019 fanden 19 HPAs in Kabul statt (Vorjahreswert: 17) (USDOD 12.2019), landesweit betrug die Zahl 88 (USDOD 12.2019).

Öffentlichkeitswirksame Angriffe durch regierungsfeindliche Elemente setzten sich im Berichtszeitraum (8.11.2019-6.2.2020) fort: 8 Selbstmordanschläge wurden verzeichnet; im Berichtszeitraum davor (9.8.-7.11.2019) wurden 31 und im Vergleichszeitraum des Vorjahres 12 Selbstmordanschläge verzeichnet. Der Großteil der Anschläge richtetet sich gegen die ANDSF (afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte) und die internationalen Streitkräfte; dazu zählte ein komplexer Angriff der Taliban auf den Militärflughafen Bagram im Dezember 2019. Im Februar 2020 kam es in Provinz Nangarhar zu einem sogenannten „green-on-blue-attack“: der Angreifer trug die Uniform der afghanischen Nationalarmee und eröffnete das Feuer auf internationale Streitkräfte, dabei wurden zwei US-Soldaten und ein Soldat der afghanischen Nationalarmee getötet. Zu einem weiteren Selbstmordanschlag auf eine Militärakademie kam es ebenso im Februar in der Stadt Kabul; bei diesem Angriff wurden mindestens 6 Personen getötet und mehr als 10 verwundet (UNGASC 17.3.2020). Dieser Großangriff beendete mehrere Monate relativer Ruhe in der afghanischen Hauptstadt (DS 11.2.2020; vgl. UNGASC 17.3.2020).

Die Taliban setzten außerdem improvisierte Sprengkörper in Selbstmordfahrzeugen gegen Einrichtungen der ANDSF in den Provinzen Kandahar, Helmand und Balkh ein (UNGASC 17.3.2020).

Anschläge gegen Gläubige und Kultstätten, religiöse Minderheiten

Nach Unterzeichnung des Abkommens zwischen den USA und den Taliban war es bereits Anfang März 2020 zu einem ersten großen Angriff des ISKP gekommen (BBC 6.3.2020; vgl. AJ 6.3.2020). Der ISKP hatte sich an den Verhandlungen nicht beteiligt (BBC 6.3.2020) und bekannte sich zu dem Angriff auf eine Gedenkfeier eines schiitischen Führers; Schätzungen zufolge wurden dabei mindestens 32 Menschen getötet und 60 Personen verletzt (BBC 6.3.2020; vgl. AJ 6.3.2020).

Am 25.3.2020 kam es zu einem tödlichen Angriff des ISKP auf eine Gebetsstätte der Sikh (Dharamshala) in Kabul. Dabei starben 25 Menschen, 8 weitere wurden verletzt (NYT 26.3.2020; vgl. TN 26.3.2020; BBC 25.3.2020). Regierungsnahe Quellen in Afghanistan machen das Haqqani-Netzwerk für diesen Angriff verantwortlich, sie werten dies als Vergeltung für die Gewalt an Muslimen in Indien (AJ 27.3.2020; vgl. TTI 26.3.2020). Die Taliban distanzierten sich von dem Angriff (NYT 26.3.2020). Am Tag nach dem Angriff auf die Gebetsstätte, detonierte eine magnetische Bombe beim Krematorium der Sikh, als die Trauerfeierlichkeiten für die getöteten Sikh-Mitglieder im Gange waren. Mindestens eine Person wurde dabei verletzt (TTI 26.3.2020; vgl. NYT 26.3.2020).

Regierungsfeindliche Gruppierungen

In Afghanistan sind unterschiedliche regierungsfeindliche Gruppierungen aktiv – insbesondere die Grenzregion zu Pakistan bleibt eine Zufluchtsstätte für unterschiedliche Gruppierungen, wie Taliban, Islamischer Staat, al-Qaida, Haqqani-Netzwerk, Lashkar-e Tayyiba, Tehrik-e Taliban Pakistan, sowie Islamic Movement of Uzbekistan (USDOD 12.2019; vgl. CRS 12.2.2019) und stellt nicht nur für die beiden Länder eine Sicherheitsherausforderung dar, sondern eine Bedrohung für die gesamte regionale Sicherheit und Stabilität (USDOD 12.2019):

Taliban

Der derzeitige Taliban-Führer ist nach wie vor Haibatullah Akhundzada (REU 17.8.2019; vgl. FA 3.1.2018) – Stellvertreter sind Mullah Mohammad Yaqub – Sohn des ehemaligen Taliban-Führers Mullah Omar – und Serajuddin Haqqani (CTC 1.2018; vgl. TN 26.5.2016) Sohn des Führers des Haqqani-Netzwerkes (TN 13.1.2017). Die Taliban bezeichnen sich selbst als das Islamische Emirat Afghanistan (VOJ o.D.). Die Regierungsstruktur und das militärische Kommando sind in der Layha, einem Verhaltenskodex der Taliban definiert (AAN 4.7.2011), welche zuletzt 2010 veröffentlicht wurde (AAN 6.12.2018). Die Taliban sind keine monolithische Organisation (NZZ 20.4.2020); nur allzu oft werden die Taliban als eine homogene Einheit angesehen, während diese aber eine lose Zusammenballung lokaler Stammesführer, unabhängiger Warlords sowie abgekoppelter und abgeschotteter Zellen sind (BR 5.3.2020).

Ein Bericht über die Rekrutierungspraxis der Taliban teilt die Taliban-Kämpfer in zwei Kategorien: professionelle Vollzeitkämpfer, die oft in den Madrassen rekrutiert werden, und Teilzeit-Kämpfer vor Ort, die gegenüber einem lokalen Kommandanten loyal und in die lokale Gesellschaft eingebettet sind (LI 29.6.2017). Die Gesamtstärke der Taliban wurde von einem Experten im Jahr 2017 auf über 200.000 geschätzt, darunter angeblich 150.000 Kämpfer (rund 60.000 Vollzeitkämpfer mobiler Einheiten, der Rest sein Teil der lokalen Milizen). Der Experte schätzte jedoch, dass die Zahl der Vollzeitkämpfer, die gleichzeitig in Afghanistan aktiv sind, selten 40.000 übersteigt (LI 23.8.2017). Im Jänner 2018 schätzte ein Beamter des US-Verteidigungsministeriums die Gesamtstärke der Taliban in Afghanistan auf 60.000 (NBC 30.1.2018). Laut dem oben genannten Experten werden die Kämpfe hauptsächlich von den Vollzeitkämpfern der mobilen Einheiten ausgetragen (LI 23.8.2017; vgl. AAN 3.1.2017; AAN 17.3.2017).

Die Taliban betreiben Trainingslager in Afghanistan. Seit Ende 2014 wurden 20 davon öffentlich zur Schau gestellt. Das Khalid bin Walid-Camp soll12 Ableger, in acht Provinzen betreibt (Helmand, Kandahar, Ghazni, Ghor, Saripul, Faryab, Farah und Maidan Wardak). 300 Militärtrainer und Gelehrte sind dort tätig und es soll möglich sein, in diesem Camp bis zu 2.000 Rekruten auf einmal auszubilden (LWJ 14.8.2019).

Die Mehrheit der Taliban sind immer noch Paschtunen, obwohl es eine wachsende Minderheit an Tadschiken, Usbeken, Belutschen und sogar mehreren hundert Hazara (einschließlich Schiiten) gibt (LI 23.8.2017). In einigen nördlichen Gebieten sollen die Taliban bereits überwiegend Nicht-Paschtunen sein, da sie innerhalb der lokalen Bevölkerung rekrutieren (LI 23.8.2017).

Haqqani-Netzwerk

Das seit 2012 bestehende Haqqani-Netzwerk ist eine teilautonome Organisation, Bestandteil der afghanischen Taliban und Verbündeter von al-Qaida (CRS 12.2.2019). Benannt nach dessen Begründer, Jalaluddin Haqqani (AAN 1.7.2010; vgl. USDOS 19.9.2018; vgl. CRS 12.2.2019), einem führenden Mitglied des antisowjetischen Jihad (1979-1989) und einer wichtigen Taliban-Figur; sein Tod wurde von den Taliban im September 2018 verlautbart. Der derzeitige Leiter ist dessen Sohn Serajuddin Haqqani, der seit 2015, als stellvertretender Leiter galt (CTC 1.2018).

Als gefährlichster Arm der Taliban, hat das Haqqani-Netzwerk, seit Jahren Angriffe in den städtischen Bereichen ausgeführt (NYT 20.8.2019) und wird für einige der tödlichsten Angriffe in Afghanistan verantwortlich gemacht (CRS 12.2.2019).

Islamischer Staat (IS/ISIS/ISIL/Daesh), Islamischer Staat Khorasan Provinz (ISKP)

Erste Berichte über den Islamischen Staat (IS, auch ISIS, ISIL oder Daesh genannt) in Afghanistan gehen auf den Sommer 2014 zurück (AAN 17.11.2014; vgl. LWJ 5.3.2015). Zu den Kommandanten gehörten zunächst oft unzufriedene afghanische und pakistanische Taliban (AAN 1.8.2017; vgl. LWJ 4.12.2017). Schätzungen zur Stärke des ISKP variieren zwischen 1.500 und 3.000 (USDOS 18.9.2018), bzw. 2.500 und 4.000 Kämpfern (UNSC 13.6.2019). Nach US-Angaben vom Frühjahr 2019 ist ihre Zahl auf 5.000 gestiegen. Auch soll der Islamische Staat vom zahlenmäßigen Anstieg der Kämpfer in Pakistan und Usbekistan sowie von aus Syrien geflohenen Kämpfern profitieren (BAMF 3.6.2019; vgl. VOA 21.5.2019).

Der ISKP geriet in dessen Hochburg in Ostafghanistan nachhaltig unter Druck (UNGASC 17.3.2020). Jahrelange konzertierten sich Militäroffensiven der US-amerikanischen und afghanischen Streitkräfte auf diese Hochburgen. Auch die Taliban intensivierten in jüngster Zeit ihre Angriffe gegen den ISKP

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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