TE Bvwg Erkenntnis 2020/11/6 W217 2235570-1

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Veröffentlicht am 06.11.2020
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Entscheidungsdatum

06.11.2020

Norm

BPGG §21c
B-VG Art133 Abs4
Koordinierung Soziale Sicherheit Art11

Spruch


W217 2235570-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Julia STIEFELMEYER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geboren XXXX , vertreten durch Dr. Elfgund ABEL-FRISCHENSCHLAGER, Rechtsanwältin, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Steiermark, vom 08.07.2020, GZ: XXXX , betreffend Ablehnung des Antrages auf Pflegekarenzgeld zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben. Frau XXXX gebührt für den Zeitraum vom 15.06.2020 bis 17.07.2020 Pflegekarenzgeld in Höhe von € 57,46 täglich.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I.       Verfahrensgang:

1.       Einlangend am 10.06.2020 stellte Frau XXXX (in weiterer Folge: Beschwerdeführerin) einen Antrag auf Pflegekarenzgeld gemäß § 21c Abs. 3 Bundespflegegeldgesetz (BPGG) in der Zeit von 15.06.2020 bis 14.09.2020 für die Sterbebegleitung ihres Lebensgefährten, welcher zum Zeitpunkt der Antragstellung in XXXX (Deutschland) lebte.

2.       Am 08.07.2020 erließ das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Steiermark (in weiterer Folge: belangte Behörde) den nunmehr angefochtenen Bescheid, in dem festgestellt wurde, dass der am 10.06.2020 eingelangte Antrag abgewiesen werde. Begründet wurde die Abweisung, dass nach einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes es sich beim Pflegekarenzgeld um eine Geldleistung für den Gepflegten handle, die zum eigentlichen Pflegegeld akzessorisch sei. Da der in Deutschland wohnhafte Lebensgefährte der Beschwerdeführerin nicht der österreichischen Krankenversicherung unterliege, bestehe kein Anspruch auf Pflegekarenzgeld.

3.       Die Beschwerdeführerin erhob fristgerecht Beschwerde. Sie brachte vor, sie habe bei ihrem Arbeitgeber Krankenhaus XXXX , in A- XXXX , Familienhospizkarenz und Familienhospizfreistellung, bei der belangten Behörde die Zuerkennung von Pflegekarenzgeld (Familienhospizkarenz) für die Pflege ihres schwer kranken Lebensgefährten – mittlerweile am 03.07.2020 verstorbenen Ehemann, der wie sie selbst an der Adresse D- XXXX , XXXX , wohnhaft sei, beantragt. Die Beschwerdeführerin sei daher Grenzgängerin. Es liege ein Fall mit Auslandsberührung vor. Die Rechtsmeinung der belangten Behörde, gemäß der das Pflegekarenzgeld eine dem Pflegegeld akzessorische Leistung sei und daher bei Sachverhalten mit europäischem Auslandsbezug einer Pflegeperson mit Arbeitsstätte in Österreich nur dann gebühre, wenn die betreute Person Anspruch auf Pflegegeld in Österreich hätte, sei verfehlt. Tatsächlich werde das Pflegegeld von der zu pflegenden Person beantragt und dieser bezahlt, das Pflegekarenzgeld sei dagegen eine Leistung, die von der Pflegeperson beantragt und dieser zuerkannt und ausbezahlt werde. Es handle sich um eine Leistung zur Absicherung (sowohl arbeitsrechtlich als auch sozialrechtlich) der pflegenden Person. Wesentlich sei daher bei der Frage der Zuerkennung des Pflegekarenzgeldes der Arbeitsort der Pflegeperson.

Das Pflegekarenzgeld sei europarechtlich als Leistung bei Krankheit anzusehen. Gemäß Art. 11 Abs. 3 lit a VO (EG) 883/2004 sei österreichisches Recht anwendbar, weil die Beschwerdeführerin in Österreich tätig sei. Gemäß Art 21 leg.cit. habe sie Anspruch auf Geldleistungen, die vom – gegenständlich zuständigen - österreichischen Träger erbracht würden, wenn sie sich in einem anderen Mitgliedstaat aufhalte oder dort wohne. Die sozialversicherungsrechtliche Leistung sei zu exportieren.

4.       Die belangte Behörde übermittelte den Beschwerdeakt mit Schreiben vom 24.09.2020 dem Bundesverwaltungsgericht.

5.       Am 03.11.2020 langte eine Stellungnahme der belangten Behörde ein. Darin wurde ausgeführt:

„Aus Sicht des Sozialministeriumservice ist zu bemerken, dass laut der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes das österreichische Pflegegeld als Leistung bei Krankheit im Sinne der VO 883/2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit zu betrachten ist. Mit der Novellierung des § 3a BPGG (BGBI 1 2015/12) wurde diese Bestimmung ab 1. Jänner 2015 um die negative Anspruchsvoraussetzung ergänzt, dass ein solcher Anspruch nur besteht, wenn nicht ein anderer Mitgliedstaat nach der VO 883/2004 für Pflegeleistungen zuständig ist. Damit haben nach § 3a Abs. 1 BPGG im Ergebnis EWRBürger/innen sowie Schweizer Staatsangehörige unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf Pflegegeld nach dem BPGG wie österreichische Staatsbürger/innen.

Im Hinblick auf die Exportierbarkeit des Pflegekarenzgeldes in Staaten des Europäischen Wirtschaftsraumes (EWR) und die Schweiz wurde bislang vom Sozialministerium die Rechtsansicht vertreten, dass das Pflegekarenzgeld als „Leistung bei Krankheit" im Sinne der VO (EG) Nr. 883/2004 anzusehen ist und daher dem sachlichen Anwendungsbereich der VO unterliegt. Das hat zur Folge, dass das Pflegekarenzgeld nach den Vorschriften der Verordnung zu koordinieren ist, insbesondere, dass zwischen Geld- und Sachleistungen zu differenzieren ist. Während Geldleistungen vom zuständigen Mitgliedstaat ins Ausland zu exportieren sind, sind Sachleistungen - unter nachfolgender Rückerstattung durch den zuständigen Mitgliedstaat - vom jeweiligen Wohnortmitgliedstaat zu erbringen.

Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Erkenntnis vom 3. Juli 2018 im Einzelfall XXXX entschieden, dass das Pflegekarenzgeld zum eigentlichen Pflegegeld akzessorisch ist und es sich dabei um keine Sachleistung, sondern um eine Geldleistung handelt und der Beschwerde stattgegeben.

Aus dieser Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes wird für den Export des Pflegekarenzgeldes Folgendes abgeleitet:

Ein Pflegekarenzgeld aufgrund einer Pflegekarenz ist dann in den EWR oder die Schweiz zu exportieren, wenn sich der Wohnsitz der pflegebedürftigen Person in diesen Staaten befindet und ein Pflegegeld nach dem österreichischen Bundespflegegeldgesetz bezogen wird, da Österreich in diesem Fall für Leistungen bei Krankheit im Sinne der VO (EG) 883/2004 zuständig ist.

Ein Pflegekarenzgeld aufgrund einer Familienhospizkarenz wäre dann in den EWR oder die Schweiz zu exportieren, wenn sich der Wohnsitz der zu begleitenden Person in diesen Staaten befindet und eine Zuständigkeit Österreichs für Leistungen bei Krankheit im Sinne der VO (EG) 883/2004 besteht. Das bedeutet, dass die zu begleitende Person der österreichischen Krankenversicherung unterliegen muss.

Kein Anspruch auf Pflegekarenzgeld würde nach dieser Auslegung mehr für pflegebedürftige bzw. zu begleitende Personen bestehen, die ihren Wohnsitz in Österreich haben, aber nicht der österreichischen Krankenversicherung unterliegen, z.B. bei Bezug eines deutschen Pflegegeldes.

Gestützt wird die Rechtsansicht auch durch die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 24. Jänner 2019 in der Rechtssache XXXXX zu einem Pflegekarenzgeld wegen einer Familienhospizkarenz (zu begleitende Person hat Wohnsitz in Italien und unterliegt der italienischen Krankenversicherung). Dabei wurde Folgendes entschieden:

Das Pflegekarenzgeld kann bei einer Familienhospizkarenz als „Leistung bei Krankheit" nur dann in einen anderen EU-Staat exportiert werden, wenn sich eine Zuständigkeit Österreichs für die Leistungen bei Krankheit im Sinne der VO (EG) 883/2004 in Bezug auf die zu pflegende oder zu begleitende Person ergibt. Genau diese Voraussetzung ist jedoch fallbezogen nicht erfüllt.

Die Beschwerdeführerin hat ihren derzeit ordentlichen Wohnsitz in Deutschland in der XXXX , XXXX . Es ist richtig, dass die Karenzvereinbarung mit dem Dienstgeber, Krankenhaus XXXX , abgeschlossen wurde. (…)“

II.       Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.       Feststellungen:

Die Beschwerdeführerin hat mit ihrem Dienstgeber, dem Krankenhaus St. XXXX in A- XXXX , eine Vereinbarung über Familienhospizkarenz und Familienhospizfreistellung für den Zeitraum 15.06.2020 bis 14.09.2020 abgeschlossen.

Der ordentliche Wohnsitz der Beschwerdeführerin befindet sich in Deutschland.

Bei der Beschwerdeführerin handelt es sich um eine Grenzgängerin.

Sie stellte einlangend am 10.06.2020 einen Antrag auf Pflegekarenzgeld für die Sterbebegleitung ihres in Deutschland lebenden Lebensgefährten vom 15.06.2020 bis 14.09.2020.

Dieser hatte die deutsche Staatsangehörigkeit, den Wohnsitz in Deutschland und unterlag zum Antragszeitpunkt keiner österreichischen Krankenversicherung und bezog auch kein österreichisches Pflegegeld.

Der Lebensgefährte (und zuletzt Ehegatte) der Beschwerdeführerin ist am 03.07.2020 verstorben.

2.       Beweiswürdigung:

Die Ausführungen zum Verfahrensgang und den Feststellungen ergeben sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes. Es ist unbestritten, dass die pflegebedürftige Person, zum Antragszeitpunkt der Lebensgefährte der Beschwerdeführerin, nicht der österreichischen Krankenversicherung zugehörte und kein österreichisches Pflegegeld bezog.

Der Todestag der pflegebedürftigen Person ist unstrittig.

Die Wohnsitzverhältnisse der Beschwerdeführerin ergeben sich aus ihrem Antrag sowie aus einer (negativen) Abfrage aus dem Zentralen Melderegister.

Unstrittig ist, dass die pflegebedürftige Person in Deutschland lebte.

3.       Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch einen Senat vorgesehen ist. Somit liegt im gegenständlichen Fall Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Zu A) Stattgabe der Beschwerde

3.1.    Gemäß § 14a Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz (AVRAG), BGBl Nr. 459/1993, kann der Arbeitnehmer schriftlich eine Herabsetzung, eine Änderung der Lage der Normalarbeitszeit oder eine Freistellung gegen Entfall des Arbeitsentgelts zum Zwecke der Sterbebegleitung eines nahen Angehörigen im Sinne des § 16 Abs. 1 letzter Satz UrlG für einen bestimmten, drei Monate nicht übersteigenden Zeitraum unter Bekanntgabe von Beginn und Dauer verlangen, auch wenn kein gemeinsamer Haushalt mit dem nahen Angehörigen gegeben ist. Eine solche Maßnahme kann auch für die Sterbebegleitung von Geschwistern, Schwiegereltern, Schwiegerkindern, Wahl- und Pflegeeltern und von leiblichen Kindern des anderen Ehegatten oder Lebensgefährten verlangt werden.

Gemäß § 21c Abs. 3 Bundespflegegeldgesetz (BPGG), BGBl 110/1993, gebührt Personen, die zum Zwecke der Sterbebegleitung eines nahen Angehörigen oder der Begleitung von schwerst erkrankten Kindern eine Familienhospizkarenz gemäß §§ 14a oder 14b AVRAG in Anspruch nehmen, für die Dauer der Familienhospizkarenz ein Pflegekarenzgeld nach den Bestimmungen dieses Abschnittes.

Gemäß § 21e Abs. 3 BPGG gebührt das Pflegekarengeld nach Wegfall des Grundes der Familienhospizkarenz noch 14 Tage.

Fallbezogen liegt ein Sachverhalt mit EU-Auslandsbezug vor. Es ist die VO (EG) 883/2004 anzuwenden.

Der Bestimmung des § 21c Abs. 3 BPGG ist keine Anspruchsvoraussetzung zu entnehmen, dass die pflegebedürftige Person der österreichischen Krankenversicherung zu unterliegen hat.

3.2.    Soweit die belangte Behörde in ihrem Bescheid ausführt, nach einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes handle es sich beim Pflegekarenzgeld um eine Geldleistung für den Gepflegten, die zum eigentlichen Pflegegeld akzessorisch sei, ist zunächst auf Folgendes hinzuweisen:

Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Erkenntnis vom 03.07.2018, Zl. W228 2169770-1/9E, die im Einzelfall festgestellte Akzessorietät des Pflegekarenzgeldes zum Pflegegeld lediglich als Grundlage für die europarechtliche Einordnung als „Leistung aus Krankheit“ verwendet. Dass diese Akzessorietät eine innerstaatliche Anspruchsvoraussetzung darstellt, wurde hingegen nicht festgestellt oder rechtlich erwogen. Im Gegenteil wurde sogar hinsichtlich des Behördenarguments, dass „für die Dauer der Familienhospizkarenz ein Pflegekarenzgeld zu gewähren ist, und hier die (Sterbe-)Begleitung - und nicht die Pflege - eines nahen Angehörigen im Vordergrund stehe“, explizit darüber hinaus darauf verwiesen, dass „die belangte Behörde nur andere, nicht auf den gegenständlichen Fall zutreffende, Konstellationen auf[zeigt], in den[en] die Akzessorietät zum Pflegegeld nicht gegeben sein könnte.“ Es wurde dann weiters darauf verwiesen, dass dies an der europarechtlichen Einordnung als „Leistung aus Krankheit“, aus weiter genannten Gründen, nichts ändere. (vgl. BVwG vom 26.08.2020, Zl. W228 2232397-1/4E)

Beim Pflegekarenzgeld handelt es sich um eine "Leistung aus Krankheit" im Sinne der VO (EG) 883/2004 und somit wird diese von letzterer umfasst. Nach der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) GH sind Leistungen, wie "Pflegegeld", vgl. Urteil des EuGH vom 05.03.1998, Rs C-160/96, und vom 08.03.2001, Rs C-215/99, oder die "Übernahme der Rentenversicherungsbeiträge des eine pflegebedürftige Person pflegenden Dritten durch die Pflegeversicherung", unter "Leistung aus Krankheit" im Sinne der VO (EG) 883/2004 zu qualifizieren, vgl. dazu Urteil vom 08.07.2004, Rs C-502/01 und 31/02. Diese Urteile sind zwar zur VO (EWG) 1408/71 ergangen, für die gegenständliche Frage ist gegenüber der Regelung in der nunmehr anzuwendenden VO 883/2004 kein wesentlicher Unterschied festzustellen, sodass die oben dargestellte Judikatur anzuwenden ist.

Beim Pflegekarenzgeld handelt es sich um eine Geldleistung gemäß Art 21 der VO (EG) 883/2004 (vgl. hierzu BVwG W228 2169770-1/9E vom 03.07.2018).

Gemäß Art 11 (3) lit a VO (EG) 883/2004 gilt vorbehaltlich der Artikel 12 bis 16 Folgendes:

a) eine Person, die in einem Mitgliedstaat eine Beschäftigung oder selbstständige Erwerbstätigkeit ausübt, unterliegt den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats;

Gemäß Artikel 21 Abs. 1 leg.cit (Geldleistungen) haben ein Versicherter und seine Familienangehörigen, die in einem anderen als dem zuständigen Mitgliedstaat wohnen oder sich dort aufhalten, Anspruch auf Geldleistungen, die vom zuständigen Träger nach den für ihn geltenden Rechtsvorschriften erbracht werden.

3.3.    Da die Beschwerdeführerin in Österreich tätig ist, hat sie sohin Anspruch auf Geldleistungen, die vom österreichischen Träger erbracht werden, wenn sie in einem anderen Mitgliedstaat wohnt.

Im gegenständlichen Fall hat die Beschwerdeführerin eine Familienhospizkarenz gemäß § 14a AVRAG in Anspruch genommen. Ihr gebührt daher ein Pflegekarenzgeld gemäß § 21c Abs. 3 BPGG iVm § 21e Abs. 3 BPGG für den Zeitraum 15.06.2020 (Beginn der Familienhospizkarenz) bis 17.07.2020 (Todestag der zu betreuenden Person am 03.07.2020 plus 14 Tage).

3.4.    Zur Höhe des, der Beschwerdeführerin gebührenden, Pflegekarenzgeldes ist wie folgt auszuführen:

Zur Berechnung der Höhe des Pflegekarenzgeldes sind die beim Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger gespeicherten Beitragsgrundlagen heranzuziehen, wobei das monatliche Einkommen nur bis zu der drei Jahre vor der Geltendmachung des Arbeitslosengeldes für den Arbeitslosenversicherungsbeitrag maßgeblichen Höchstbeitragsgrundlage (§ 2 Abs. 1 AMPFG) zu berücksichtigen ist. Monatlich gebührt das Pflegekarenzgeld mindestens in Höhe der in § 5 Abs. 2 ASVG definierten aktuell gültigen Geringfügigkeitsgrenze.

Das Pflegekarenzgeld gebührt täglich in Höhe von 55 v.H. des täglichen Nettoeinkommens, kaufmännisch gerundet auf einen Cent. Zur Ermittlung des täglichen Nettoeinkommens ist gemäß § 21 Abs. 3 AlVG das ermittelte monatliche Bruttoeinkommen um die zum Zeitpunkt der Geltendmachung für einen alleinstehenden Angestellten maßgeblichen sozialen Abgaben und die maßgebliche Einkommenssteuer unter Berücksichtigung der ohne Antrag gebührenden Freibeträge zu vermindern und sodann mit zwölf zu vervielfachen und durch 365 zu teilen.

Das so festgestellte tägliche Nettoeinkommen der Beschwerdeführerin beträgt € 104,47. Daraus errechnete sich ein Pflegekarenzgeld in Höhe von täglich € 57,46.

Da die Antragstellung vor Beginn der Familienhospizkarenz erfolgte, gebührt die Leistung gemäß § 21d Abs. 3 BPGG ab 15.06.2020. Gemäß § 21e Abs. 3 BPGG gebührt die Leistung bis zum 17.07.2020.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zum Absehen von der mündlichen Verhandlung

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde nicht beantragt.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG konnte das Gericht von der Verhandlung absehen, weil der maßgebliche Sachverhalt ausreichend ermittelt ist und in der Beschwerde und dem Vorlageantrag nicht bestritten wurde. Die Schriftsätze der Parteien und die Akten des Verfahrens lassen erkennen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und dem auch Art 6 Abs. 1 EMRK nicht entgegensteht (vgl. die Entscheidung des EGMR vom 2. September 2004, 68.087/01 [Hofbauer/Österreich ], wo der Gerichtshof unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt hat, dass die Anforderungen von Art 6 EMRK auch bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung oder überhaupt jegliche Anhörung [im Originaltext "any hearing at all"] erfüllt sind, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "technische" Fragen betrifft und in diesem Zusammenhang auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise verwiesen hat, vgl. dazu auch das zuletzt das Erkenntnis des VwGH vom 29.April 2015, Zl. Ro 20015/08/0005. Vielmehr erschien der Sachverhalt zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Bescheides aus der Aktenlage geklärt.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Auslandsbezug Geldleistung Grenzgänger Pflegekarenzgeld Wohnsitz Zuständigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W217.2235570.1.00

Im RIS seit

26.02.2021

Zuletzt aktualisiert am

26.02.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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