TE Bvwg Erkenntnis 2020/11/9 G305 2158753-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 09.11.2020
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Entscheidungsdatum

09.11.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

G305 2143897-2/13E
G305 2158753-2/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Dr. Ernst MAIER, MAS als Einzelrichter über die Beschwerden 1.) des XXXX , geboren am XXXX , StA.: Irak und 2.) der XXXX , geboren am XXXX , StA.: Ukraine, vertreten durch Dr. LECHENAUER & Dr. SWOZIL, Rechtsanwälte in Salzburg, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl RD XXXX jeweils vom XXXX .07.2018, Zlen: zu 1.) XXXX , und 2.) XXXX betreffend die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz und die Erlassung einer Rückkehrentscheidung, nach Durchführung einer mündlicher Verhandlung am 03.08.2020 zu Recht:

Zu 1.)

A)

Die gegen die Spruchpunkte I., II., III., IV., und V. des angefochtenen Bescheids gerichtete Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1.1. Am XXXX .03.2015 stellte der zum Aufenthalt im Bundesgebiet nicht berechtigte irakische Staatsangehörige XXXX , geboren am XXXX , (in der Folge: Erstbeschwerdeführer oder kurz: BF1), vor Organen der öffentlichen Sicherheitsbehörden einen Antrag auf internationalen Schutz.

1.2. Am XXXX .03.2015 wurde er von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes niederschriftlich einvernommen.

Im Zuge dessen gab er, zu seinen Fluchtgründen und der Fluchtroute befragt, an, dass er schon im XXXX 2008 den Irak mittels PKW nach Damaskus und weiter über Istanbul verlassen hätte und in die Ukraine gegangen wäre, um dort zu studieren. Als er sein Studium abschloss, sei eine Rückkehr in den Irak nicht mehr möglich gewesen, da bereits seine Eltern wegen des IS flüchten hätten müssen. Vier Tage vor seiner Erstbefragung sei er schlepperunterstützt mittels PKW ausgehend von der Ukraine über ihm unbekannte Länder nach Österreich gereist. Nach seiner Ankunft in XXXX habe er den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Wegen der unsicheren Sicherheitslage könne er nicht mehr in den Irak zurück. Zudem brachte er vor, dass er mit einer ukrainischen Staatsangehörigen (Anm.: BF2) verheiratet sei.

Eine von den öffentlichen Sicherheitsorganen durchgeführte EURODAC-Abfrage verlief negativ.

1.3. Am XXXX .08.2015 stellte die zum Aufenthalt im Bundesgebiet nicht berechtigte ukrainische Staatsangehörige und Ehefrau des BF1, XXXX , geboren am XXXX (in der Folge: Zweitbeschwerdeführerin oder kurz: BF2), vor Organen der öffentlichen Sicherheitsbehörden einen Antrag auf internationalen Schutz.

1.4. Sie wurde am XXXX .08.2015 ebenfalls von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes niederschriftlich einvernommen und gab zu ihren Fluchtgründen befragt an, dass alle in der Ukraine verfolgt würden, die einen anderen Glauben hätten. Ihr Ehegatte (Anm.: der BF1) sei Iraker und Moslem, sie selbst zur Hälfte Jüdin. Ein normales Eheleben sei daher nicht möglich gewesen. Ihr Ehemann habe sein Studium in XXXX abgeschlossen, jedoch keine Möglichkeit zur Arbeit bekommen. In den Irak habe er ob des Krieges ebenso nicht zurückkehren können. In XXXX würde er ob seines arabischen Aussehens beschimpft und bedroht, weshalb auch ihr ein Aufenthalt in der Ukraine nicht möglich gewesen sei. Als ihr Ehegatte im XXXX 2015 nach Österreich flüchtete, sei sie ihm gefolgt. Weitere Gründe habe sie nicht. Österreich habe sie legal mit einem Schengenvisum mittels Flugzeug erreicht.

Eine Rückkehr schließe sie aus, da Freunde und Verwandte nichts mehr mit ihr zu tun haben wollten, da sie einen jüdischen Bekanntenkreis habe. Sie habe auch eine jüdische Schule besucht. Da ihr Ehegatte Araber sei, wolle ihre Familie mit ihr nichts mehr zu tun haben. Sie habe niemanden mehr in der Ukraine. Hinweise auf staatliche Sanktionen gebe es bei einer Rückkehr keine.

1.5. Am XXXX .10.2016 wurde der BF1 ab 11:30 Uhr durch Organe des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge BFA oder belangte Behörde) einvernommen.

Bei dieser Einvernahme präzisierte er das Fluchtvorbringen dahingehend, dass er während seines Studiums in der Ukraine im Sommer jeweils einen Monat für sein Praktikum im XXXX von XXXX die Heimat besucht hätte. Im Juni 2014 sei XXXX vom IS eingenommen und auch seine Provinz belagert worden. Einige Tage bevor er die Ukraine verließ, habe er seinen Vater angerufen, der ihm geraten habe, dass er wegen der schlechten Lage im Irak nicht zurückzukehren solle. Der IS töte Menschen und vor allem jene, die ein Studium beendet hätten und Ärzte, die nicht für den IS würden arbeiten wollen. Zudem habe er eine Christin geheiratet. Sein Stamm sei sehr radikal und würden viele Personen den IS unterstützen.

Zudem gab er an, von einem angeblich zum IS gehörenden Iraker in der Ukraine eine Aufenthaltsverlängerung bekommen zu haben. Als Gegenleistung hätte er mit Freunden des Irakers als Übersetzer in den Irak fahren sollen. Da er jedoch die Information erhielt, dass es sich bei diesen Freunden um IS Mitglieder gehandelt haben soll, habe er abgelehnt. Seinen Reisepass, den er übergeben haben wollte, habe er nicht mehr bekommen und sei ihm mit dem Umbringen gedroht worden, wenn er weiter in der Ukraine bleibe.

1.6. Mit zum XXXX .12.2016 datierten Bescheid der belangten Behörde, wies das BFA die Anträge des BF1 hinsichtlich seines Antrages auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) und des Antrages auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt II.) und sprach aus, dass ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt werde, gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm. § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und festgestellt werde, dass gemäß § 53 Abs 9 FPG die Abschiebung in den Irak gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.). Die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.). Seine Entscheidung begründete die belangte Behörde im Wesentlichen kurz zusammengefasst damit, dass dem BF1 im Heimatstaat keine asylrelevante Verfolgung drohe und er unglaubwürdige Angaben gemacht hätte. Zudem könne er in der Ukraine gemeinsam mit seiner Frau ein Familienleben führen. Die Behörde gehe davon aus, dass er die Ukraine aus wirtschaftlichen Gründen verlassen habe. Eine Rückkehr in den Irak sei ob seines familiären Netzes möglich.

1.7. Mit Schriftsatz vom 29.12.2016 erhob er fristgerecht Beschwerde gegen alle Spruchpunkte des in Punkt 1.6. angeführten Bescheides.

1.8. Am XXXX .02.2017 wurde die BF2 ab 09:00 Uhr durch Organe der belangten Behörde einvernommen.

Ihre Fluchtgründe stützte sie ausschließlich auf jene ihres Ehegatten (Anm.: des BF1). Sie habe erst in Österreich davon erfahren, dass dem BF1 gesagt worden sei, dass ihm Leid zugefügt werden könnte, wenn er den Aufforderungen nicht nachkomme. Die BF2 gab an, selbst nie bedroht worden zu sein. Sie fürchte sich jedoch davor, durch die Probleme ihres Ehegatten selbst in Mitleidenschaft gezogen zu werden. Auch gab sie an, dass sich ihre Verwandten väterlicherseits von ihr abgewendet hätten, als sie sich mit dem BF1 verehelicht hätte.

1.9. Mit zum XXXX .05.2017 datierten Bescheid wies das BFA die Anträge der BF2 hinsichtlich ihres Antrages auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status einer Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) und des Antrages auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status einer subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt II.) und sprach aus, dass ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt werde, eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und festgestellt werde, dass die Abschiebung in die Ukraine gemäß § 46 FPG zulässig sei. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt III.). Begründet wurde dies im Wesentlichen kurz zusammengefasst damit, dass sich die BF2 ausschließlich auf die Fluchtgründe des BF1 gestützt hätte und eine Verfolgung insgesamt als nicht wahrscheinlich qualifiziert werden könne, zumal die vorgebrachten Probleme in der Ukraine ausschließlich von Privatpersonen ausgingen.

1.10. Mit Schriftsatz vom 17.05.2017 erhob die BF2 fristgerecht Beschwerde gegen alle Spruchpunkte des Bescheides.

1.11. Mit Erkenntnis vom 16.08.2017, W268 2143897-1, wurde die Beschwerde des BF1 gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheids gemäß § 3 Abs. 1 AsylG als unbegründet abgewiesen und der betroffene Bescheid betreffend die Spruchpunkte II. und III. gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das BFA zurückverwiesen. Gegen dieses Erkenntnis wurde kein Rechtsmittel erhoben, weswegen es in Rechtskraft erwuchs.

1.12. Mit Beschluss vom 16.08.2017, W268 2158753-1, wurde in Erledigung der Beschwerde der BF2 der betroffene Bescheid im angefochtenen Umfang aufgehoben und gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG iVm § 34 Abs 4. AsylG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das BFA zurückverwiesen, da ob der zwischen der BF2 und dem BF1 bestehenden Ehe ein Familienverfahren iSd § 34 AsylG zu führen sei. Gegen diesen Beschluss wurde kein Rechtsmittel erhoben, weswegen dieser in Rechtskraft erwuchs.

1.13. Am XXXX .05.2018 wurden die BF2 ab 09:00 Uhr und ab 13:00 Uhr der BF1 durch Organe des BFA einvernommen.

Anlässlich dieser ergänzenden niederschriftlichen Einvernahme wiederholte die BF2 ihr Vorbringen vom XXXX .02.2017 und gab an, dass ihre Eltern gegen die Ehe mit dem BF1 gewesen seien. Ihr nunmehriger Ehegatte, der BF1, habe sich zudem illegal in der Ukraine aufgehalten. Ihre eigenen Fluchtgründe stützte sie auch diesmal auf jene ihres Ehegatten und darauf, dass gegen sie und ihren Ehegatten in der Ukraine rassistische Ressentiments bestanden hätten.

Anlässlich dieser Einvernahme wiederholte auch der BF1 sein Vorbringen und gab an, dass sein Elternhaus im Irak und auch die XXXX , die Einnahmequelle der Familie, zerstört worden wären. Seine Frau sei keine Muslimin und würde deren Ehe im Irak nicht geduldet werden. Milizen würden sich gegenseitig bekämpfen und sei eine Wohnalternative in XXXX ob seiner arabischen Abstammung nicht möglich. Auch sei ein Familienleben in der Ukraine ob ihrer (des BF1 und der BF2) unterschiedlichen Abstammung ausgeschlossen.

1.14. Mit zum XXXX .07.2018 datiertem Bescheid wies das BFA die Anträge des BF1 hinsichtlich seines Antrages auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt I.) und sprach aus, dass ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt werde (Spruchpunkt II.), gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm. § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und festgestellt werde (Spruchpunkt III.) und die Abschiebung in den Irak gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt IV). Die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt V.). Begründet wurde dies im Kern damit, dass der BF1 in seiner Heimat keiner existenzbedrohenden Situation ausgesetzt sein würde und eine Lebensführung im Irak und auch in der Ukraine - der Heimat seiner Ehegattin - möglich sei.

1.15. Mit zum XXXX .07.2018 datiertem Bescheid wies das BFA die Anträge der BF2 hinsichtlich ihres Antrages auf internationalen Schutz vom XXXX .08.2015 bezüglich der Zuerkennung des Status einer Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) und des Antrages auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status einer subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt II.) und sprach aus, dass ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt werde, und dass gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm. § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und festgestellt werde, dass gemäß § 46 FPG die Abschiebung in die Ukraine zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise betrage gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt III.). Begründet wurde dies wie im Erstbescheid damit, dass sie die BF2 ausschließlich auf die Fluchtgründe des BF1 gestützt habe und eine Verfolgung insgesamt als nicht wahrscheinlich qualifiziert werden könne, zumal die vorgebrachten Probleme in der Ukraine ausschließlich von Privatpersonen ausgehen würden.

1.16. Gegen die zum XXXX .07.2018 datierten Bescheide erhoben die beschwerdeführenden Parteien Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht, die sie mit der Anfechtungserklärung verbanden, die erlassenen - nunmehr verfahrensgegenständlichen - Bescheide gestützt auf die Beschwerdegründe „inhaltliche Rechtswidrigkeit“ und „Verletzung von Verfahrensvorschriften“ vollumfänglich anfechten zu wollen. Die Beschwerde verbanden sie mit den Anträgen, 1.) das BVwG möge in der Sache selbst entscheiden und die angefochtenen Bescheide dahingehend abändern, dass den Anträgen vom XXXX .03.2015 (BF1) und vom XXXX .08.2015 (BF2) stattgegeben werde, 2.) möge eine mündliche Verhandlung anberaumt werden und 3.) der jeweils angefochtene Bescheid behoben und an das BFA zurückverwiesen werden. Zusammengefasst brachten die Beschwerdeführer vor, dass sich das BFA nicht ausreichend mit der jeweiligen Situationen in ihren Herkunftsstaaten auseinandergesetzt hätte. Der BF1 würde bei einer Rückkehr in den Irak entgegen der Ansicht des BFA eine die Existenz bedrohende Situation vorfinden und ob der interkonfessionellen Ehe wäre eine Rückkehr sowohl in die Ukraine als auch in den Irak ausgeschlossen, zumal beide durch einen in der Ukraine lebenden Iraker bedroht würden. Beide BF seien in Österreich integriert und hätten keinerlei Bezug zu ihrer jeweiligen Heimat.

1.17. Anlässlich einer am 03.08.2020 vor dem Bundesverwaltungsgericht durchgeführten mündlichen Verhandlung wurde der BF1 im Beisein eines Dolmetschers für die arabische Sprache einvernommen. Die Verhandlungsniederschrift wurde der BF2 mit hg. Verfahrensanordnung vom 04.08.2020 im Rahmen des Parteiengehörs zur Kenntnis übermittelt und ihr die Gelegenheit zur Äußerung binnen festgesetzter Frist gegeben. Jedoch ließ die BF2 die ihr gewährte Frist zur Stellungnahme reaktionslos verstreichen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Identitätsfeststellungen:

Der BF1 führt die im Spruch angegebene Identität und ist irakischer Staatsangehöriger. Er gehört der Ethnie der irakischen Araber an und bekennt sich zur sunnitisch-islamischen Religionsgemeinschaft. Seine Muttersprache ist Arabisch, er spricht zudem Russisch, Ukrainisch, Englisch und Deutsch [Akt des BF1 AS 535 und S. 15 der VH-Niederschrift].

Er ist seit dem XXXX , sohin nur wenige Tage vor seiner Ausreise aus der Ukraine, standesamtlich mit der BF2 verheiratet. Diese führt die im Spruch genannte Identität.

Sie ist ukrainische Staatsangehörige und gehört der russisch-orthodoxen Glaubensgemeinschaft an. Sie ist nach ihren Angaben halb Jüdin, halb Christin. Ihre Muttersprache ist Russisch. Zudem spricht sie Ukrainisch, Englisch und Deutsch [Akt der BF2 AS 75, 129 und 468]

Die beschwerdeführenden Parteien haben ihren Hauptwohnsitz seit dem XXXX .2015 (BF1) und XXXX .2015 (BF2) im Bundesgebiet, zuletzt seit XXXX .2018 an der Anschrift XXXX , und sind beide strafrechtlich unbescholten [Auszug aus dem Zentralen Melderegister - ZMR; Strafregisterauszug].

Bei den beschwerdeführenden Parteien bestehen keine gesundheitlichen Einschränkungen [Akt der BF AS 498 und S. 3 der VH-Niederschrift].

1.2. Zur Ausreise, Reiseroute und Einreise der beschwerdeführenden Parteien ins Bundesgebiet und der darauf folgenden Asylantragstellung:

Der BF1 stammt aus XXXX in der Provinz XXXX , Irak und reiste im XXXX über Damaskus und Istanbul legal aus seiner Heimat aus, um in der Ukraine XXXX zu studieren. Dort lernte er die BF2 kennen, welche er im XXXX in einer Moschee in XXXX nach muslimischem Ritus und im XXXX in XXXX standesamtlich ehelichte. In den Jahren 2009, 2010, 2011 und 2013 kehrte er jeweils für einen Monat im Sommer in seinen Heimatort zurück, um dort ein Praktikum in einem XXXX in XXXX zu absolvieren. Nachdem er sein Studium erfolgreich beendete, reiste er von der Ukraine durch ihm unbekannte Länder nach Österreich und stellte hier im März 2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz [Akt des BF1 AS 7ff].

Die BF2 stammt aus XXXX und lernte ihren nunmehrigen Ehemann ebendort kennen. Nachdem der BF1 im XXXX 2015 aus der Ukraine ausgereist war, folgte sie ihm mit dem Flugzeug und im Besitz eines gültigem Schengenvisums im August 2015 nach Österreich und stellte sie hier einen Antrag auf internationalen Schutz [Akt der BF2 AS 7ff].

Eine von den öffentlichen Sicherheitsorganen durchgeführte EURODAC-Abfrage verlief jeweils negativ [EURODAC-Abfrage AS 13ff in den jeweiligen Akten].

1.3. Zur individuellen Situation der beschwerdeführenden Parteien im Heimat- und Ausreisestaat:

Im Herkunftsstaat besuchte der BF1 sechs Jahre lang die Grundschule, über einen Zeitraum von drei Jahren die Mittelschule und über einen Zeitraum von weiteren drei Jahren das Gymnasium, alle in XXXX gelegen. Ob seines Notendurchschnitts war ein XXXX im Irak nicht möglich. Nach seiner Ausreise in die Ukraine schloss er dort 2014 ein sechsjähriges XXXX in XXXX mit einem Bachelorgrad ab. Bis zu seiner Ausreise aus dem Irak war er Schüler und wurde er von seinem Vater finanziell und mit den Dingen des täglichen Lebens versorgt; der BF1 ging im Herkunftsstaat keiner Berufstätigkeit nach. Selbst das Studium wurde zu einem Großteil vom Vater finanziert. Ab und zu nahm der BF „Gelegenheitsjobs“ als Koch an, um sich den Lebensunterhalt zu verdienen [VH-Niederschrift S. 5ff]. In der Ukraine wurde er 2008 an der XXXX über ein Studentenvisum aufgenommen und besaß vom XXXX .2014 bis XXXX .2016 eine befristete Niederlassungsbewilligung, die jedoch nicht verlängert wurde [Akt des BF1 AS 395ff]. Allerdings hielt sich der BF1 im Zeitpunkt des Auslaufens der befristeten Niederlassungsbewilligung nicht mehr in der Ukraine auf und stellte er auch keinen Antrag auf Verlängerung derselben.

Die Kernfamilie des BF1 - bestehend aus dessen Eltern, vier Brüdern und drei Schwestern - lebte zuletzt im Flüchtlingslager XXXX nahe der Stadt XXXX an der Grenze zu Jordanien, nachdem das im Eigentum des Vaters befindliche Einfamilienhaus und deren XXXX , die der Vater mit zwei weiteren Personen besaß, durch den IS zerstört wurden. Sie lebten in umfunktionierten Containern und wurden von Hilfsorganisationen mit Lebensmitteln und Wasser versorgt. Zwei Brüder und zwei Schwestern des BF1 sind verheiratet; einer der beiden Brüder und eine der beiden Schwestern hat jeweils zwei Kinder. Der BF1 hat durchschnittlich einmal im Monat Kontakt zu seiner Familie [VH-Niederschrift S. 6ff].

Die BF2 besuchte in ihrer Heimat von 1996 bis 2005 die Grundschule und im Anschluss dran bis 2009 ein Technikum für XXXX und bis 2013 die Universität in XXXX , Fakultät XXXX , welche sie im selben Jahr abschloss [Akt der BF2 AS 131, Studienbestätigungen samt Übersetzungen ab AS 477].

Die Eltern der BF2 sind geschieden und leben beide in der Region XXXX , ihre Halbschwester lebt bei ihrem Vater. Der Vater der BF2 hat in den USA lebende Halbgeschwister, die Schwester der Mutter der BF2 ist bei der Großmutter mütterlicherseits in XXXX wohnhaft und verheiratet [Akt der BF2 AS 131].

Bis zu seiner Ausreise aus der Ukraine im XXXX 2015 lebte der BF1 gemeinsam mit der BF2 in einer Mietwohnung an der Anschrift XXXX . Die BF2 lebte die Monate vor ihrer Ausreise im XXXX 2015 unter der Adresse XXXX in einer im Eigentum ihrer Großmutter stehenden Wohnung; beide Objekte liegen in XXXX [Akt des BF1 AS 536, Akt der BF2 AS 130 und 470]

1.4. Zu den Fluchtgründen der beschwerdeführenden Parteien:

Die bfP gehörten in ihren Heimatländern keiner politischen Bewegung an und hatten weder mit der Polizei, noch mit den Verwaltungsbehörden, noch mit den Gerichten des Herkunftsstaates ein Problem. Keiner von ihnen wurde je von staatlichen Organen oder von einer bewaffneten Gruppierung der jeweiligen Herkunftsstaaten bzw. des Ausreisestaates (in Hinblick auf den BF1) wegen ihres religiösen Bekenntnisses oder aus politischen Gründen, etwa wegen der Zugehörigkeit zu einer politischen Partei des jeweiligen Herkunftsstaates verfolgt oder bedroht [Akt des BF1 AS 125; Akt der BF2 AS 132; VH-Niederschrift S. 9].

Das Fluchtvorbringen des BF1, auf welches sich auch die BF2 stützt, ob der Situation in seiner Heimat Irak und der angeblichen Bedrohung durch Milizen dorthin nicht zurückkehren zu können, und in der Ukraine durch einen irakischen Staatsangehörigen bedroht worden zu sein, erweist sich weder als glaubwürdig, noch als asylrelevant. Aus diesem Grund wurde der Antrag des BF1 auf internationalen Schutz iSd § 3 AsylG bereits im Erstbescheid negativ entschieden und die Beschwerde diesbezüglich durch das BVwG Erkenntnis vom 16.08.2017, W268 2143897-1, unbegründet abgewiesen [Akt des BF1 AS 425ff].

Auch erweist sich das Vorbringen, dass die beschwerdeführenden Parteien in der Ukraine ob ihrer interkonfessionellen Ehe rassistischen Bedrohungen ausgesetzt wären, als nicht asylrelevant. Das diesbezügliche Vorbringen ist unsubstantiiert und gründet sich nicht auf staatliche An- bzw. Übergriffe.

Weitere Fluchtgründe wurden nicht vorgebracht.

Insgesamt vermochten die beschwerdeführenden Parteien nicht glaubhaft zu machen, dass sie in ihren Herkunftsstaaten einer asylrelevanten Bedrohung oder Verfolgung ausgesetzt gewesen wären.

1.5. Zu etwaigen Integrationsschritten der bfP im Bundesgebiet:

Der BF1 hat nachweislich einen Deutschkurs besucht und ein Sprachzertifikat der Stufe B1 erworben. Zudem arbeitete er so wie die BF2 ehrenamtlich als Schülerlotse. Seit Februar 2019 arbeitet er in einer XXXX , wo ihm bei positiver Entscheidung über seinen Nostrifizierungsantrag eine Einstellung in Aussicht gestellt wird. Der BF1 ist seit Oktober 2018 als XXXX an der XXXX angemeldet, um sein in der Ukraine abgeschlossenes Studium und die dort abgeschlossenen Prüfungen nostrifizieren zu lassen. Derzeit fehlt ihm noch eine Prüfung für die endgültige Nostrifizierung [Bestätigungen und Unterstützungsschreiben in Akt des BF1 ab AS 545ff; Studienbestätigungen in OZ 2 und 4; Arbeitsbestätigungen in XXXX in OZ 3 und OZ 6].

Die BF2 verfügt wie ihr Ehemann über ein Sprachzertifikat der Stufe B1 und arbeitete ehrenamtlich als Schülerlotsin und Helferin in der Pfarre. Für sie liegen ebenso Unterstützungsschreiben diverser Privatpersonen und Organisationen bei. Derzeit ist sie in Ausbildung als XXXX an der Schule für XXXX [Bestätigungen und Unterstützungsschreiben in Akt der BF2 ab AS 495; Schulbesuchsbestätigung in OZ 6]

Die bfP sind nicht erwerbstätig und beziehen Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung; beide BF sind strafrechtlich unbescholten [VH-Niederschrift, S. 17; GVS-Auszug Strafregisterauszug].

1.6. Zur Lage im Irak wird festgestellt:

Nachdem es den irakischen Sicherheitskräften (ISF) gemeinsam mit schiitischen Milizen, den sogenannten Popular Mobilisation Forces (PMF), mit Unterstützung durch die alliierten ausländischen Militärkräfte im Laufe des Jahres 2016 gelungen war, die Einheiten der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) sowohl aus den von ihr besetzten Teilen der südwestlichen Provinz Al Anbar bzw. deren Metropolen Fallouja und Ramadi als auch aus den nördlich an Bagdad anschließenden Provinzen Diyala und Salah al Din zu verdrängen, beschränkte sich dessen Herrschaftsgebiet in der Folge auf den Sitz seiner irakischen Kommandozentrale bzw. seines „Kalifats“ in der Stadt Mossul, Provinz Ninava, sowie deren Umgebung bis hin zur irakisch-syrischen Grenze. Ab November 2016 wurden die Umgebung von Mossul sowie der Ostteil der Stadt bis zum Ufer des Tigris sukzessive wieder unter die Kontrolle staatlicher Sicherheitskräfte gebracht, im Westteil wurde der IS von den irakischen Sicherheitskräften und ihren Verbündeten, die aus dem Süden, Norden und Westen in das Zentrum der Stadt vordrangen, in der Altstadt von Mossul eingekesselt. Der sunnitische IS wiederum versuchte parallel zu diesen Geschehnissen durch vereinzelte Selbstmordanschläge in Bagdad und anderen Städten im Süd- sowie Zentralirak seine wenn auch mittlerweile stark eingeschränkte Fähigkeit, die allgemeine Sicherheitslage zu destabilisieren, zu demonstrieren. Anfang Juli 2017 erklärte der irakische Premier Abadi Mossul für vom IS befreit. In der Folge wurden auch frühere Bastionen des IS westlich von Mossul in Richtung der irakisch-syrischen Grenze wie die Stadt Tal Afar durch die Militärallianz vom IS zurückerobert. Zuletzt richteten sich die Operationen der Militärallianz gegen den IS auf letzte Überreste des früheren Herrschaftsgebiets dieser Organisation im äußersten Westen der Provinz Anbar sowie eine Enklave um Hawija südwestlich von Kirkuk.

Die Sicherheitslage innerhalb der drei Provinzen der kurdischen Autonomieregion des Nordiraks, nämlich Dohuk, Erbil und Suleimaniya, ist angesichts der Maßnahmen der regionalen Sicherheitskräfte wie Grenzkontrollen und innerregionale Aufenthaltsbestimmungen als stabil anzusehen. Seit Oktober 2017 befindet sich die kurdische Regionalregierung in Konflikt mit der irakischen Zentralregierung in der Frage der Kontrolle über die von kurdischen Sicherheitskräften bislang besetzt gehaltenen Grenzregionen südlich der Binnengrenze der Autonomieregion zum übrigen irakischen Staatsgebiet, insbesondere die Region um die Stadt Kirkuk betreffend. Zuletzt kam es zu einer Besetzung dieser Region sowie weiterer Landstriche entlang der Binnengrenze durch die irakische Armee und der Zentralregierung nahestehende Volksmobilisierungseinheiten, während sich die kurdischen Sicherheitskräfte aus diesen Bereichen zurückzogen. Eine Einreise in die drei Provinzen der kurdischen Autonomieregion ist angesichts eines Luftraumembargos der Nachbarstaaten Türkei und Iran gegen die kurdische Regionalregierung auf direkte Weise aktuell nur auf dem Landweg möglich.

Die Sicherheitslage in den südirakischen Provinzen, insbesondere in der Provinz Basra, war, als Folge einer Sicherheitsoffensive staatlicher Militärkräfte im Gefolge interkonfessioneller Gewalt im Jahr 2007, ab 2008 stark verbessert und bis 2014 insgesamt stabil. Auch war die Region nicht unmittelbar von der Invasion der Truppen des IS im Irak in 2013 und 2014 betroffen. Die Gegenoffensive staatlicher Sicherheitskräfte und deren Verbündeter gegen den IS in Anbar und den nördlicher gelegenen Provinzen bedingte zuletzt eine Verlagerung von Militär- und Polizeikräften in den Norden, die wiederum eine größere Instabilität im Süden, verbunden vor allem mit einem Anstieg an krimineller Gewalt mit sich brachte.

Die Sicherheitslage im Großraum Bagdad war durch die genannten Ereignisse im Wesentlichen ebenfalls nicht unmittelbar beeinträchtigt. Es waren jedoch vereinzelte Anschläge bzw. Selbstmordattentate auf öffentliche Einrichtungen oder Plätze mit einer teils erheblichen Zahl an zivilen Opfern zu verzeichnen, die, ausgehend vom Bekenntnis des - als sunnitisch zu bezeichnenden - IS dazu, sich gegen staatliche Sicherheitsorgane oder gegen schiitische Wohnviertel und Städte richteten, um dort ein Klima der Angst sowie religiöse Ressentiments zu erzeugen und staatliche Sicherheitskräfte vor Ort zu binden. Hinweise auf eine etwaig religiös motivierte Bürgerkriegssituation finden sich in den Länderberichten nicht, ebenso auch nicht in Bezug auf die Säuberung von ethnischen oder religiösen Gruppierungen bewohnte Gebiete.

Der Islamische Staat (IS) ist im Zentralirak nach wie vor am aktivsten, so sind Ninewa, Salah ad-Din, Kirkuk und Diyala nach wie vor die Hauptaktionsgebiete der Aufständischen.

Das Gouvernement XXXX (in welchem der ehemalige Wohnort des BF liegt), früher ein IS-Zentrum und Schwerpunkt der IS-Aktivitäten, wird nun hauptsächlich für den Transit von IS-Kämpfern zwischen dem Irak und Syrien genutzt. Die Anzahl der sicherheitsrelevanten Vorfälle in XXXX hat bis Mitte 2019 stark fluktuiert und ab Mitte 2019 hat sich XXXX zu einem sekundären Schauplatz entwickelt, mit einem Rückgang der Anzahl sicherheitsrelevanter Vorfälle im einstelligen Bereich.

Im November 2019 gab es im Gouvernement XXXX keine sicherheitsrelevanten Vorfälle. Im Dezember 2019 waren es fünf Vorfälle mit zwölf Toten und zwei. Im Jänner 2020 war XXXX mit einer Steigerung von fünf Vorfällen im Dezember 2019 auf sieben im Jänner 2020, mit acht Toten und 76 Verletzten das einzige Gouvernement mit einer Zunahme an sicherheitsrelevanten Vorfällen, mit einer Steigerung von fünf Vorfällen. Zu diesen Vorfällen zählen der iranische Raketenangriff auf die Militärbasis XXXX , bei dem 64 amerikanische Soldaten verwundet wurden, ein Angriff mit einer Autobombe (VBIED) gegen einen Armeekonvoi, Entführungen und Angriffe mit Schusswaffen. Im Februar 2020 waren es fünf Vorfälle mit je zwei Toten und Verletzten.

Eine landesweite und systematische Verfolgung von Angehörigen der sunnitischen Glaubensgemeinschaft, von Frauen oder Kindern durch diese Miliz ist keinem der zum Irak ergangenen Länderberichte zu entnehmen.

Dass der BF, der sich zur sunnitischen Glaubensgemeinschaft des Islam bekennt, einer asylrelevanten Verfolgung oder Bedrohung durch den IS bzw. durch staatliche Organisationen ausgesetzt gewesen wäre bzw. bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat einer solchen ausgesetzt sein könnte, kam anlassbezogen nicht hervor und wurde bereits durch das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 16.08.2017, W268 2143897-1, negiert, weshalb schon dort die Beschwerde in Bezug auf die Gewährung von internationalem Schutz iSd § 3 AsylG rechtskräftig abgewiesen wurde.

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457267/4598_1548939544_auswaertiges- amt- bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2018-12-01-2019.pdf, Zugriff am 05.11.2020

-        ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation (11.12.2019): ecoi.net-Themendossier zum Irak: Schiitische Milizen, https://www.ecoi.net/en/document/2021156.html, Zugriff am 05.11.2020

-        BFA Staatendokumentation: Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Irak: Von schiitischen Milizen dominierte Gebiete (Ergänzung zum Länderinformationsblatt), 04.01.2018 https://www.ecoi.net/en/file/local/1422124/5618_1516263925_irak-sm-von-schiitischen-milizen-dominierte-gebiete-2018-01-04-ke.doc Zugriff am 05.11.2020

-        Crisis Group (14.12.2018): Reviving UN Mediation on Iraq’s Disputed Internal Boundaries, https://www.crisisgroup.org/middle-east-north-africa/gulf-and-arabian-peninsula/iraq/194-reviving-un-mediation-iraqs-disputed-internal-boundaries, Zugriff 05.11.2020

-        FPRI - Foreign Policy Research Institute (19.8.2019): The Future of the Iraqi Popular Mobilization Forces, https://www.fpri.org/article/2019/08/the-future-of-the-iraqi-popular-mobilization-forces/, Zugriff am 05.11.2020

-        GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (1.2020a): Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/irak/geschichte-staat/, Zugriff am 05.11.2020

-        Joel Wing, Musings on Iraq (3.2.2020): Violence Continues Its Up And Down Pattern In Iraq, https://musingsoniraq.blogspot.com/2020/02/violence-continues-its-up-and-down.html, Zugriff 05.11.2020

-        Rudaw (31.5.2019): Iraqi Security Forces ignore ISIS attacks on Kakai farmlands, https://www.rudaw.net/english/middleeast/iraq/31052019, Zugriff 05.11.2020

-        Süß, Clara-Auguste (21.8.2017): Al-Hashd ash-Sha’bi: Die irakischen „Volksmobilisierungseinheiten“ (PMU/PMF), in BFA Staatendokumentation: Fact Finding Mission Report Syrien mit ausgewählten Beiträgen zu Jordanien, Libanon und Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1410004/5618_1507116516_ffm-bericht-syrien-mit-beitraegen-zu-jordanien-libanon-irak-2017-8-31-ke.pdf, Zugriff 05.11.2020

-        UK Home Office: Country Policy and Information Note Iraq: Sunni (Arab) Muslims, 06/2017 https://www.ecoi.net/en/file/local/1403272/1226_1499246656_iraq-sunni-arabs-cpin-v2-0-june-2017.pdf Zugriff am 05.11.2020

-        UNHCR – UN High Commissioner for Refugees: Iraq: Relevant COI for Assessments on the Availability of an Internal Flight or Relocation Alternative (IFA/IRA); Ability of Persons Originating from (Previously or Currently) ISIS-Held or Conflict Areas to Legally Access and Remain in Proposed Areas of Relocation, 12.04.2017, https://www.ecoi.net/en/file/local/1397131/1930_1492501398_58ee2f5d4.pdf Zugriff am 05.11.2020

-        Wilson Center (27.4.2018): Part 2: Pro-Iran Militias in Iraq, https://www.wilsoncenter.org/article/part-2-pro-iran-militias-iraq, Zugriff am 05.11.2020

1.6.1. Berufsgruppen:

Aus den Länderinformationen zum Herkunftsstaat der bfP geht hervor, dass Polizisten, Soldaten, Journalisten, Menschenrechtsverteidiger, Intellektuelle, Richter und Rechtsanwälte und alle Mitglieder des Sicherheitsapparats besonders gefährdet seien (AA 12.01.2019).

Inhaber von Geschäften, in denen Alkohol verkauft wird - fast ausschließlich Angehörige von Minderheiten, vor allem Jesiden und Christen (AA 12.1.2019; vgl. USDOS 21.6.2019), Zivilisten, die für internationale Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen oder ausländische Unternehmen arbeiten, sowie medizinisches Personal werden ebenfalls immer wieder Ziel von Entführungen oder Anschlägen (AA 12.1.2019).

Der BF war laut eigenen Angaben in seiner Heimat zu keinem Zeitpunkt berufstätig und zuletzt im Jahr 2008 dort länger aufhältig. In den Folgejahren besuchte er seine Heimat auschließlich für Ausbildungszwecke für einen Zeitraum von jeweils etwa einen Monat. Aus seinen Angaben konnte nicht gefolgert werden, dass er einer persönlichen Verfolgung aufgrund seines Berufs als Arzt ausgesetzt gewesen wäre.

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457267/4598_1548939544_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2018-12-01-2019.pdf, Zugriff am 05.11.2020

-        USDOS - US Department of State (21.6.2019): 2018 Report on International Religious Freedom: https://www.ecoi.net/de/dokument/2011175.html, Zugriff am 05.11.2020

1.6.2. Medizinische Versorgung:

Das Gesundheitswesen besteht aus einem privaten und einem öffentlichen Sektor. Grundsätzlich sind die Leistungen des privaten Sektors besser, zugleich aber auch teurer. Ein staatliches Krankenversicherungssystem existiert nicht. Alle irakischen Staatsbürger, die sich als solche ausweisen können - für den Zugang zum Gesundheitswesen wird lediglich ein irakischer Ausweis benötigt - haben Zugang zum Gesundheitssystem. Fast alle Iraker leben etwa eine Stunde vom nächstliegenden Krankenhaus bzw. Gesundheitszentrum entfernt. In ländlichen Gegenden lebt jedoch ein bedeutender Teil der Bevölkerung weiter entfernt von solchen Einrichtungen (IOM 1.4.2019). Staatliche, wie private Krankenhäuser sind fast ausschließlich in den irakischen Städten zu finden. Dort ist die Dichte an praktizierenden Ärzten, an privaten und staatlichen Kliniken um ein Vielfaches größer. Gleiches gilt für Apotheken und medizinische Labore. Bei der Inanspruchnahme privatärztlicher Leistungen muss zunächst eine Art Praxisgebühr bezahlt werden. Diese beläuft sich in der Regel zwischen 15.000 und 20.000 IQD (Anm.: ca. 12-16 EUR). Für spezielle Untersuchungen und Laboranalysen sind zusätzliche Kosten zu veranschlagen. Außerdem müssen Medikamente, die man direkt vom Arzt bekommt, gleich vor Ort bezahlt werden. In den staatlichen Zentren zur Erstversorgung entfällt zwar in der Regel die Praxisgebühr, jedoch nicht die Kosten für eventuelle Zusatzleistungen. Darunter fallen etwa Röntgen- oder Ultraschalluntersuchungen (GIZ 12.2019).

Insgesamt bleibt die medizinische Versorgungssituation angespannt (AA 12.1.2019). Die Erstversorgung ist hier grundsätzlich gegeben; allerdings gilt die Faustformel: Je kleiner und abgeschiedener das Dorf, umso schwieriger die medizinische Versorgung (GIZ 12.2019). In Bagdad arbeiten viele Krankenhäuser mit eingeschränkter Kapazität. Die Ärzte und das Krankenhauspersonal gelten generell als qualifiziert, viele haben aber aus Angst vor Entführung oder Repression das Land verlassen. Die für die Grundversorgung der Bevölkerung besonders wichtigen örtlichen Gesundheitszentren (ca. 2.000 im gesamten Land) sind entweder geschlossen oder wegen baulicher, personeller und Ausrüstungsmängel nicht in der Lage, die medizinische Grundversorgung sicherzustellen (AA 12.1.2019). Spezialisierte Behandlungszentren für Personen mit psychosoziale Störungen existieren zwar, sind jedoch nicht ausreichend (UNAMI 12.2016). Laut Weltgesundheitsorganisation ist die primäre Gesundheitsversorgung nicht in der Lage, effektiv und effizient auf die komplexen und wachsenden Gesundheitsbedürfnisse der irakischen Bevölkerung zu reagieren (WHO o.D.).

Der BF1 bezeichnete sich während der gesamten Verfahrensdauer als gesund und frei von jeglichen Gebrechen, sodass er keine medizinische Versorgung benötigt und bei ihm grundsätzlich Arbeitsfähigkeit vorliegt.

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457267/4598_1548939544_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2018-12-01-2019.pdf, Zugriff am 05.11.2020

-        GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (12.2019): Alltag, https://www.liportal.de/irak/alltag/, Zugriff am 05.11.2020

-        IOM - Internationale Organisation für Migration (1.4.2019): Länderinformationsblatt Irak (Country Fact Sheet 2018), https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/698578/704870/698617/18363939/Irak_%2D_Country_Fact_Sheet_2018%2C_deutsch.pdf?nodeid=20101157&vernum=-2, Zugriff am 05.11.2020

-        UNAMI - United Nations Assistance Mission to Iraq (12.2016): Report on the Rights of Persons with Disabilities in Iraq, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/UNAMI_OHCHR__Report_on_the_Rights_of_PWD_FINAL_2Jan2017.pdf, Zugriff am 05.11.2020

-        WHO - World Health Organization (o.D.): Iraq: Primary Health Care, http://www.emro.who.int/irq/programmes/primary-health-care.html, Zugriff am 05.11.2020

1.6.3. Religiöse Minderheiten:

Schätzungen gehen davon aus, dass heute noch etwa 200.000 bis 400.000 Christen im Irak leben (zum Vergleich 2003: 1,5 Mio.). Nach Angaben christlicher Führer sind weniger als 250.000 Christen im Irak verblieben. Kernland der christlichen Gemeinschaften im Irak ist der Nordwesten des Landes, die Ninewa-Ebene. Ca. 67% der irakischen Christen sind chaldäische Katholiken, fast 20% Mitglieder der Assyrischen Kirche des Ostens. Der Rest sind syrisch-orthodoxe, syrisch-katholische, armenisch-katholische, armenisch-apostolische, anglikanische Christen und andere Protestanten. In der Kurdischen Region im Irak (KRI) gibt es etwa 3.000 evangelikale Christen (Angehörige protestantischer Freikirchen).

Das Christentum ist nach dem irakischen Personenstandsgesetz anerkannt und kann auf den nationalen Identitätsausweisen ausgewiesen werden. Religiöse Angelegenheiten der Christen werden durch das Amt (Diwan) für Religiöse Stiftungen für Christen, Jesiden und Mandäer/Sabäer verwaltet.

Die Situation der Christen (v. a. assyrische sowie mit Rom unierte chaldäische Christen) hat sich kirchlichen Quellen zufolge seit Ende der Diktatur 2003 stark verschlechtert. Viele Christen sehen für sich keine Zukunft im Irak. In den vergangenen Jahren sind daher hunderttausende irakische Christen ins Ausland geflohen. Nach dem Vormarsch des IS auf Mossul und das umliegende christliche Kernland ergriffen im Sommer 2014 zehntausende Christen die Flucht in die Kurdische Region im Irak (KRI) und vereinzelt auch nach Bagdad. Eine begrenzte Anzahl assyrischer und chaldäischer Christen kehrte in ihre Heimat in der Ninewa-Ebene zurück, wie z.B. nach Qaraqosh. Viele warten aber noch darauf, dass die mittlerweile befreiten christlichen Städte um Mossul für eine Rückkehr sicher genug und zumindest teilweise wieder aufgebaut sind. Es mangelt aber an wiederhergestellter Infrastruktur, und es besteht die Gefahr von IS-Sprengfallen und Blindgängern.

Es kommt immer wieder zu Angriffen auf Priester, Bombenanschlägen auf Kirchen und christliche Einrichtungen sowie Übergriffen auf von Christen geführte Lebensmittelgeschäfte, in denen gegebenenfalls auch alkoholhaltige Getränke angeboten werden.

Christen in den von der PMF kontrollierten Städten, insbesondere im mehrheitlich christlichen Distrikt Hamdaniya in Ninewa berichten über Belästigung christlicher Frauen durch PMF-Mitglieder. Christen berichten auch über Versuche von Teilen der Zentralregierung in Bagdad, einen demographischen Wandel zu erleichtern, indem in traditionell christlichen Gebieten Land und Wohnungen für schiitische und sunnitische Muslime zur Verfügung gestellt werden. Die irakische Regierung hat Beschwerden assyrischer und chaldäischer Christen über eine illegale Enteignung ihres Landes im Anschluss an ihre vorübergehende Vertreibung durch den IS im Gouvernement Ninewa weitgehend ignoriert. Heimkehrende christliche Familien sehen sich mit einem Besitzanspruch sunnitischer Araber oder Kurden konfrontiert.

Christen werden von der muslimischen Mehrheitsbevölkerung bei von muslimischen Moralvorstellungen abweichendem Verhalten, wie z.B. Alkoholverkauf, unter Druck gesetzt, manchmal auch durch PMF.

In der KRI haben seit 2003 viele christliche Flüchtlinge aus anderen Landesteilen Zuflucht gefunden. Es gibt dort keine Anzeichen für eine staatliche Diskriminierung. Viele Christen haben bereits seit dem Sturz des Regimes von Saddam Hussein in der KRI Zuflucht gefunden. Es gibt christliche Städte oder auch große christliche Viertel in Großstädten wie beispielsweise Ankawa in Erbil, in denen Christen in Frieden leben können. Die kurdischen Regionalregierung (KRG) hat zusätzlich zu den durch die Zentralregierung anerkannten Religionsgemeinschaften elf evangelikale und andere protestantische Kirchen registriert: die Nahda al-Qadassa Kirche in Erbil und Dohuk, die evangelische Nasari Kirche in Dohuk, die kurdisch-zamanische Kirche in Erbil, die evangelische Ashti Kirche in Sulaymaniyah, die evangelische Freikirche in Dohuk, die Baptistenkirche des Guten Hirten in Erbil, die internationale evangelische al-Tasbih Kirche in Dohuk, die Rasolia Kirche in Erbil, die Vereinigte evangelische Kirche in Erbil, die Assemblies of God in Erbil und die Kirche der Siebenten-Tages-Adventisten in Erbil. Die KRG gestattet die Registrierung neuer christlicher Kirchen ab mindestens 50 Gläubigen. Außerdem können sich christliche Gruppen beim Rat der irakischen christlichen Kirchenführer registrieren, was ihnen Zugang zu Leistungen des kurdischen Ministeriums für Stiftungen und religiöse Angelegenheiten (MERA) und christlichen Stiftung gewährt.

Es gibt 56 syriakische Schulen in der KRI und die syriakische Sprache ist in jenen Verwaltungseinheiten, in denen Christen in großer Dichte auftreten, als Amtssprache anerkannt.

Die Zahl der Juden im Irak ist unklar, es heißt, es gäbe fünf bis sechs erwachsene Mitglieder in Bagdad. In der Kurdischen Region im Irak (KRI) leben 70 bis 80 jüdische Familien. Juden werden durch das Personenstandgesetz anerkannt und ihre Religionszugehörigkeit im nationalen Personalausweis angeführt. Nach dem Strafgesetzbuch dürfen Juden keine Arbeitsplätze in staatlichen Unternehmen haben oder in der Armee dienen.

In Würdigung der Länderberichte zum Irak könnten sich der BF1 und dessen Ehegattin, die BF2, bei einer Ausreise in den Irak in der KRI niederlassen und dort ein unbehelligtes Leben führen.

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457267/4598_1548939544_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2018-12-01-2019.pdf, Zugriff 05.11.2020

-        DIS/Landinfo - Danish Immigration Service; Norwegian Country of Origin Information Center (5.11.2018): Northern Iraq: Security situation and the situation for internally displaced persons (IDPs) in the disputed areas, incl. possibility to enter and access the Kurdistan Region of Iraq (KRI), https://www.ecoi.net/en/file/local/1450541/1226_1542182184_iraq-report-security-idps-and-access-nov2018.pdf, Zugriff 05.11.2020

-        Telegraph, The (22.11.2017): Remembering the last Jews of Iraq, https://www.telegraph.co.uk/men/thinking-man/remembering-last-jews-iraq/, Zugriff 05.11.2020

-        USCIRF - US Commission on International Religious Freedom (4.2019): United States Commission on International Religious Freedom 2019 Annual Report; Country Reports: Tier 2 Countries: Iraq, https://www.ecoi.net/en/file/local/2008186/Tier2_IRAQ_2019.pdf, Zugriff 05.11.2020

-        USDOS - US Department of State (21.6.2019): 2018 Report on International Religious Freedom: https://www.ecoi.net/de/dokument/2011175.html, Zugriff 05.11.2020

1.7. Zur Lage in der Ukraine wird festgestellt:

In den von Separatisten kontrollierten Gebieten Donezk und Luhansk sowie auf der Krim haben ukrainische Behörden und Amtsträger zurzeit keine Möglichkeit, ihre Befugnisse wahrzunehmen und staatliche Kontrolle auszuüben. Die Sicherheitslage außerhalb der besetzten Gebiete im Osten des Landes ist im Allgemeinen stabil. Allerdings gab es in den letzten Jahren eine Reihe von öffentlichkeitswirksamen Attentaten und Attentatsversuchen, von denen sich einige gegen politische Persönlichkeiten richteten.

In den von der ukrainischen Regierung kontrollierten Teilen der Gebiete Donezk und Luhansk wurde nach Wiederherstellung der staatlichen Ordnung der Neuaufbau begonnen. Die humanitäre Versorgung der Bevölkerung ist sichergestellt. Russland hat im März 2014 die Krim annektiert und unterstützt seit Frühjahr 2014 die selbst erklärten separatistischen „Volksrepubliken“ im Osten der Ukraine. Seit Beginn der bewaffneten Auseinandersetzungen im Osten sind über 13.000 Menschen getötet und rund 30.000 Personen verletzt worden, davon laut OHCHR zwischen 7.000 und 9.000 Zivilisten. 1,5 Mio. Binnenflüchtlinge sind innerhalb der Ukraine registriert; nach Schätzungen von UNHCR sind weitere 1,55 Mio. Ukrainer in Nachbarländer (Russland, Polen, Belarus) geflohen. Das im Februar 2015 vereinbarte Maßnahmenpaket von Minsk wird weiterhin nur schleppend umgesetzt. Die Sicherheitslage hat sich seither zwar deutlich verbessert, Waffenstillstandsverletzungen an der Kontaktlinie bleiben aber an der Tagesordnung und führen regelmäßig zu zivilen Opfern und Schäden an der dortigen zivilen Infrastruktur. Schäden ergeben sich auch durch Kampfmittelrückstände (v.a. Antipersonenminen). Mit der Präsidentschaft Selenskyjs hat der politische Prozess im Rahmen der Trilateralen Kontaktgruppe (OSZE, Ukraine, Russland), insbesondere nach dem Pariser Gipfel im Normandie-Format (Deutschland, Frankreich, Ukraine, Russland) am 9. Dezember 2019 wieder an Dynamik gewonnen. Fortschritte beschränken sich indes überwiegend auf humanitäre Aspekte (Gefangenenaustausch). Besonders kontrovers in der Ukraine bleibt die im Minsker Maßnahmenpaket vorgesehene Autonomie für die gegenwärtig nicht kontrollierten Gebiete, die unter anderem aufgrund der Unmöglichkeit, dort Lokalwahlen nach internationalen Standards abzuhalten, noch nicht in Kraft gesetzt wurde. Gleichwohl hat das ukrainische Parlament zuletzt die Gültigkeit des sogenannten „Sonderstatusgesetzes“ bis Ende 2020 verlängert. Ende November 2018 kam es im Konflikt um drei ukrainische Militärschiffe in der Straße von Kertsch erstmals zu einem offenen militärischen Vorgehen Russlands gegen die Ukraine. Das als Reaktion auf diesen Vorfall für 30 Tage in zehn Regionen verhängte Kriegsrecht endete am 26.12.2018, ohne weitergehende Auswirkungen auf die innenpolitische Entwicklung zu entfalten. Die Besatzung der involvierten ukrainischen Schiffe wurde im September 2019 freigelassen, ihre Festnahme bleibt indes Gegenstand eines von der Ukraine angestrengten Verfahrens vor dem Internationalen Seegerichtshof. Der russische Präsident, Vladimir Putin, beschloss am 24.4.2019 ein Dekret, welches Bewohnern der selbsternannten Volksrepubliken Donezk und Luhansk den Erwerb der russischen Staatsbürgerschaft im Eilverfahren erleichtert ermöglicht. Demnach soll die Entscheidung der russischen Behörden über einen entsprechenden Antrag nicht länger als drei Monate dauern. Internationale Reaktionen kritisieren dies als kontraproduktiven bzw. provokativen Schritt. Ukrainische Vertreter sehen darin die Schaffung einer rechtlichen Grundlage für den offiziellen Einsatz der russischen Streitkräfte gegen die Ukraine. Dafür gibt es einen historischen Präzedenzfall. Als im August 2008 russische Truppen in Georgien einmarschierten, begründete der damalige russische Präsident Dmitrij Medwedjew das mit seiner verfassungsmäßigen Pflicht, „das Leben und die Würde russischer Staatsbürger zu schützen, wo auch immer sie sein mögen“. In den Jahren zuvor hatte Russland massenhaft Pässe an die Bewohner der beiden von Georgien abtrünnigen Gebiete Abchasien und Südossetien ausgegeben. Frieden in der Ostukraine gehörte zu den zentralen Versprechen von Wolodymyr Selenskyj während seiner Wahlkampagne 2019. In der Tat gelangen ihm einige Durchbrüche innerhalb der ersten zehn Monate seiner Präsidentschaft. Es kam zu einem mehrmaligen Austausch von Gefangenen, zur Entflechtung der Streitkräfte beider Seiten an drei Abschnitten der Kontaktlinie, zu einer relativ erfolgreichen Waffenruhe im August 2019 und zum Normandie-Treffen unter Teilnahme des russischen, französischen und ukrainischen Präsidenten sowie der deutschen Bundeskanzlerin. An der Dynamik des Konfliktes hat sich jedoch wenig verändert. Im Donbas wird weiterhin geschossen und die gegenwärtigen Verluste des ukrainischen Militärs sind mit denen in den Jahren 2018 und 2019 vergleichbar. In den ersten drei Monaten 2020 starben 27ukrainische Soldaten in den Kampfhandlungen.

Die beiden Beschwerdeführer lebten, bevor sie nach Österreich kamen, um hier einen Asylantrag zu stellen in der Millionenstadt XXXX , der viertgrößten Stadt der Ukraine. Sie liegt außerhalb der oben dargestellten Krisenregionen und ist diese Stadt auch von Anschlägen bzw. Anschlagsversuchen nicht betroffen. XXXX bildet das administrative Zentrum der Oblast XXXX und des Rajon XXXX . In der Stadt mit ihren 986.887 Einwohnern (Stand: 1. November 2015) lebt etwa ein Drittel der 3.258.705 Millionen Einwohnern der Oblast XXXX (Stand: 1. November 2015) und etwa 2,3 Prozent der gesamten ukrainischen Bevölkerung von 42.854.106 Menschen (Stand: 1. Mai 2015). Die Bevölkerungsdichte beträgt 2.437 Einwohner je km² (Stand: 1. November 2015) und ist damit etwa 24 mal so hoch, wie in der Oblast XXXX und etwa 34 mal größer als in der gesamten Ukraine. Die Bevölkerung setzt sich wie folgt zusammen (Stand 2008): Ukrainer (79,3 %), Russen (17,6 %), Sonstige, beispielsweise Weißrussen, Juden, Armenier und Aserbaidschaner (3,1 %).

Die meisten Einwohner von XXXX sind orthodoxe Christen. Sehr viele jüdische Einwohner sind inzwischen in den Westen oder nach Israel ausgewandert, aber eine erhebliche Zahl prägt, wie bereits zur Sowjetzeit, die Kultur und Wirtschaft der Stadt. Daneben lebt in der Stadt auch eine muslimische Minderheit, überwiegend Krim-Tataren.

Quellen:

-        AA – Auswärtiges Amt (29.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Ukraine (Stand: Januar 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2027985/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Ukraine_%28Stand_Januar_2020%29%2C_29.02.2020.pdf, Zugriff 05.11.2020

-        FAZ – Frankfurter Allgemeine Zeitung (26.4.2019): Ein Signal an Selenskyj, https://www.faz.net/aktuell/politik/putin-verteidigt-russische-staatsbuergerschaft-fuer-ukrainer-16157482.html?printPagedArticle=true#pageIndex_0, Zugriff 05.11.2020

-        FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 - Ukraine, https://www.ecoi.net/de/dokument/2025958.html, Zugriff 05.11.2020

-        KAS – Konrad-Adenauer-Stiftung (4.2020): Ukrainische Politik im Schatten der Pandemie: Teil 1, https://www.ecoi.net/en/file/local/2028885/Ukrainische+Politik+im+Schatten+der+Pandemie.+Teil+1.pdf, Zugriff 05.11.2020

-        SO – Spiegel Online (24.4.2019): Putins Provokation, https://www.spiegel.de/politik/ausland/ukraine-wladimir-putin-kuendigt-an-russische-paesse-im-besetzten-donbass-auszuteilen-a-1264280.html, Zugriff 05.11.2020

1.7.1 Allgemeine Menschenrechtslage:

Der Schutz der Menschenrechte ist durch die ukrainische Verfassung gewährleistet. Jedoch bestehen in der Ukraine gegenwärtig noch Unzulänglichkeiten in der Umsetzung und Gewährung der Menschenrechte, was insbesondere die Bereiche Folter, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit, Behandlung von Geflüchteten und sozialen (LGBTQ) bzw. ethnischen Minderheiten (Roma) betrifft. 2019 stufte Freedom House die Ukraine auf „partlyfree“ ab. Menschenrechtsgruppen und die Vereinten Nationen stellten erhebliche Mängel bei den Ermittlungen zu mutmaßlichen Menschenrechtsverletzungen durch staatliche Sicherheitskräfte fest. Die Möglichkeit von NGOs, sich im Bereich Menschenrechte zu betätigen, unterliegt keinen staatlichen Restriktionen. Die Verfassung sieht eine vom Parlament bestellte Ombudsperson vor, den parlamentarischen Menschenrechtsbeauftragten. Das Amt wird derzeit von Lyudmila Denisova bekleidet. Ihr Büro arbeitet bei verschiedenen Projekten zur Überwachung von Menschenrechtspraktiken in Gefängnissen und anderen staatlichen Institutionen häufig mit NGOs zusammen.

Die Verfassung schreibt die Gleichberechtigung von Männern und Frauen ausdrücklich vor. Auch im Übrigen gibt es keine rechtlichen Benachteiligungen. Nach ukrainischem Arbeitsrecht genießen Frauen die gleichen Rechte wie Männer. Tatsächlich werden sie jedoch häufig schlechter bezahlt und sind in Spitzenpositionen unterrepräsentiert.

Frauen und Mitglieder von Minderheitengruppen können am politischen Leben in der Ukraine teilnehmen. Diese Rechte werden jedoch durch Faktoren wie Diskriminierung, den Konflikt im Osten, Analphabetismus und das Fehlen von Ausweisdokumenten (häufig bei Roma) geschmälert.

Die Aktivitäten von Oppositionsparteien und -gruppen sowie die Versammlungs-, Meinungs- und Pressefreiheit unterliegen keinen rechtsstaatlichen Restriktionen. Die Medienlandschaft zeichnet sich durch einen beträchtlichen Pluralismus sowie offene Kritik an der Regierung aus. Meinungs- und Pressefreiheit leiden jedoch weiterhin unter der wirtschaftlichen Schwäche des unabhängigen Mediensektors und dem Übergewicht von Medien, die Oligarchen gehören oder von ihnen finanziert werden. Repressionen und Angriffe gegenüber Journalisten sind insgesamt rückläufig. Diverse russische soziale Medien und populäre Onlinedienste bleiben seit einem Dekret von Mai 2017 weiter verboten. Aus diesen Gründen verbleibt die Ukraine trotz großer Fortschritte gegenüber den Jahren vor dem Euromaidan im „Reporter ohne Grenzen“-Index auf Platz 102 von 180 Staaten. Im Jahr 2018 erneuerten die Behörden bestehende Maßnahmen gegen eine Reihe russischer Nachrichtenagenturen und ihre Journalisten. Verschiedene Sprachgesetze schreiben Nachrichtenagenturen vor, dass bestimmte Inhalte in ukrainischer Sprache verfasst sein müssen.

Von einigen Ausnahmen abgesehen, können Einzelpersonen im Allgemeinen öffentlich und privat Kritik an der Regierung üben und Angelegenheiten von öffentlichem Interesse diskutieren, ohne offizielle Repressalien befürchten zu müssen. Das Gesetz verbietet jedoch Aussagen, die die territoriale Integrität bzw. nationale Sicherheit des Landes bedrohen, den Krieg fördern, einen Rassen- oder Religionskonflikt befeuern oder die russische Aggression gegen das Land unterstützen, und die Regierung verfolgt Personen nach diesen Gesetzen. Gewalt und Drohungen gegen Journalisten bleiben weiterhin ein Problem. Das unabhängige Institut für Masseninformation registrierte von Januar bis Anfang Dezember 2019 226 Verstöße gegen die Medienfreiheit, darunter die Ermordung eines Journalisten. Weitere Verstöße waren 20 Fälle von Schlägen, 16 Cyberangriffe, 93 Fälle von Einmischung, 34 Fälle von Bedrohung und 21 Fälle von Einschränkung des Zugangs zu öffentlichen Informationen. Die Qualität des ukrainischen Journalismus leidet nicht nur unter russischer Propaganda, Verflechtungen zwischen Wirtschaft und Politik sowie der wirtschaftlichen Krise, sondern auch unter einer nicht zufriedenstellenden Ausbildung und Einhalten von journalistischen Standards.

Die Verfassung sieht die Versammlungsfreiheit vor und die Regierung respektiert dieses Recht im Allgemeinen. Gelegentlich wird berichtet, dass die Polizei übermäßige Gewalt anwendet, um Proteste aufzulösen. In Kiew, Odessa und Charkiw fanden groß angelegte LGBT-Veranstaltungen weitgehend friedlich und unter dem Schutz tausender Polizeibeamter statt. Bisweilen schützte die Polizei die Teilnehmer vor oder nach diesen Veranstaltungen nicht ausreichend vor Angriffen, und auch kleinere Demonstrationen, insbesondere von Minderheiten oder oppositionellen politischen Bewegungen, wurden nicht ausreichend geschützt. Veranstaltungen von Frauenrechtsaktivisten oder der LGBT-Gemeinschaft wurden regelmäßig von Mitgliedern gewalttätiger radikaler Gruppen gestört. Zu den Pflichten des Veranstalters von friedlichen Versammlungen zählt unter anderem die Anmeldung der Veranstaltung im Vorfeld bei den örtlich zuständigen Behörden. Die Fristen, die in diesem Zusammenhang anzuwenden sind, sind jedoch nicht klar geregelt und variieren je nach vertretener Auffassung zwischen drei und zehn Tagen. Diese Unklarheit lässt den öffentlichen Behörden einen relativ großen Freiraum, Versammlungen zu untersagen. Tatsächlich wird die Abhaltung von friedlichen Versammlungen von den Behörden regelmäßig abgelehnt. Als gängige Begründungen dienen die zu späte Ankündigung der Demonstration, der Mangel an verfü

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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