TE Bvwg Erkenntnis 2020/11/10 W278 2228018-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 10.11.2020
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Entscheidungsdatum

10.11.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs2
AsylG 2005 §57
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

W278 2226890-1/13E
W278 2221786-1/18E
W278 2226891-1/6E
W278 2228018-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

1. Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. HABITZL als Einzelrichter über die Beschwerde der XXXX , geb. XXXX , StA. Mongolei, vertreten durch Mag. XXXX , Rechtsanwalts-Kommandit-Partnerschaft KG, XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26.11.2019, Zl. 496082703/190430759, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 18.05.2020, zu Recht:

A)       Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)       Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

2. Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. HABITZL als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Mongolei, vertreten durch Mag. XXXX , Rechtsanwalts-Kommandit-Partnerschaft KG, XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.06.2019, Zl. 751738307/180836035, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 16.10.2019 und 18.05.2020, zu Recht:

A)       I.       Die Beschwerde wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass Spruchpunkt I. zweiter Satz des angefochtenen Bescheides zu lauten hat:
„Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG wird gegen Sie eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen.“
II.         Gemäß § 55 Abs. 2 FPG beträgt die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.

B)       Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

3. Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. HABITZL als Einzelrichter über die Beschwerde der XXXX , geb. XXXX , StA. Mongolei, vertreten durch die Erstbeschwerdeführerin, diese vertreten durch Mag. XXXX , Rechtsanwalts-Kommandit-Partnerschaft KG, XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26.11.2019, 1227862703/190430791, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 18.05.2020, zu Recht:

A)       Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)       Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

4. Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. HABITZL als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Mongolei, vertreten durch die Erstbeschwerdeführerin, diese vertreten durch Mag. XXXX , Rechtsanwalts-Kommandit-Partnerschaft KG, XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.12.2019, Zl. 1250696202/191158771, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 18.05.2020, zu Recht:

A)       Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)       Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

1. Verfahrensgang:

Die Beschwerdeführer (in weiterer Folge gemäß der Reihenfolge ihrer Nennung im Spruch kurz als BF bzw. BF1, BF2, BF3 und BF4 bezeichnet) sind Staatsangehörige der Mongolei. Die BF1 ist die Lebensgefährtin des BF2. Die BF3 und der BF4 sind die gemeinsamen Kinder der BF1 und des BF2. Das Leben der BF in Österreich ist untrennbar miteinander verknüpft bzw. beziehen sich die BF auf dieselben Rückkehrhindernisse, weshalb die Entscheidung unter Berücksichtigung des Vorbringens aller BF abzuhandeln ist.

1.1. Zum Zweitbeschwerdeführer:

Der BF2 reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen nach Österreich und stellte am 17.10.2005 einen Antrag auf internationalen Schutz, der mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 29.03.2007 zur Gänze rechtskräftig abgewiesen wurde.

In der Folge begab sich der BF2 in die Niederlande, wo er am 25.04.2007 einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz stellte.

Am 17.07.2007 richtete die niederländische Dublin-Behörde ein Wiederaufnahmegesuch an Österreich.

Am 11.12.2007 teilte die niederländische Dublin-Behörde mit, dass die geplante Rücküberstellung nicht durchgeführt werden könne, weil der BF2 untergetaucht sei. Nachdem er am 27.01.2008 erneut in den Niederlanden angehalten worden war, erfolgte die Rücküberstellung am 04.03.2008.

Am selben Tag verhängte die Bundespolizeidirektion XXXX zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung eines Aufenthaltsverbots und einer Ausweisung sowie zur Sicherung der Abschiebung die Schubhaft gegen den BF2 und erließ mit Bescheid vom 05.03.2008 ein auf die Dauer von drei Jahren befristetes Aufenthaltsverbot.

Am 06.03.2008 trat der BF2 in Hungerstreik, sodass er am 16.03.2008 infolge Haftunfähigkeit aus der Schubhaft entlassen wurde.

Am 18.03.2008 tauchte der BF2 wiederum unter und wurde am 13.04.2010 wegen seines unrechtmäßigen Aufenthaltes erneut in den Niederlanden angehalten.

Infolge eines weiteren Wiederaufnahmegesuchs der niederländischen Dublin-Behörde kehrte der BF am 28.05.2010 nach Österreich zurück.

Zur Sicherung der Abschiebung ordnete die Bundespolizeidirektion XXXX noch am selben Tag die Schubhaft an.

Am 11.06.2010 wurde der BF2 erneut infolge Haftunfähigkeit wegen eines Hungerstreiks aus der Schubhaft entlassen.

Am 13.09.2014 verständigte die Landespolizeidirektion XXXX das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (infolge: BFA) von der gegen den BF2 erhobenen Anzeige wegen des Verdachts des gewerbsmäßigen Diebstahls, des Diebstahls im Rahmen einer kriminellen Vereinigung sowie des Gebrauchs fremder Ausweise.

Am 04.09.2018 wurde der BF2 in Anwesenheit einer Dolmetscherin für die Sprache Mongolisch vor dem BFA einvernommen. Dabei gab er an, dass er seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen sei, weil seine Lebensgefährtin, sein Kind und seine Freunde in Österreich leben würden. Er erhalte alle zwei Monate EUR 700,00 Unterstützung von der Caritas. In der Mongolei sei er zuletzt im Jahr 2004 gewesen. Er werde dort strafrechtlich verfolgt. Er sei von Kindern reicher Familien unter Druck gesetzt worden und hätten ihn diese umbringen wollen. Er wolle in Österreich einen Beruf lernen und danach arbeiten.

Mit Mandatsbescheid vom 11.10.2018 trug das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (infolge: BFA) dem BF2 auf, bis zu seiner Ausreise durchgängig in einer im Bescheid näher bezeichneten Betreuungseinrichtung Unterkunft zu nehmen.

Aufgrund der vom BF2 mit Schriftsatz vom 19.10.2018 erhobenen Vorstellung, leitete das BFA ein ordentliches Verfahren zur Erlassung einer Wohnsitzauflage ein.

Am 13.02.2019 erfolgte in Anwesenheit einer Dolmetscherin für die Sprache Mongolisch sowie des rechtsfreundlichen Vertreters des BF2 eine weitere Einvernahme des BF2 vor dem BFA. Dabei gab er ergänzend an, dass er seine Lebensgefährtin Ende 2015/Anfang 2016 kennengelernt habe. Sie würden in einem Haushalt zusammenleben. Seine Lebensgefährtin beziehe ein geringfügiges Einkommen, das mit gelegentlichen Putztätigkeiten verdiene. Er besuche nun einen Deutschkurs, trainiere in einem Judo-Verein und sei über die Caritas krankenversichert. In der Mongolei habe er als Koch und Schneider gearbeitet. In Österreich habe er ebenfalls sowohl als Koch wie auch in einer Schneiderei zur Probe gearbeitet, mangels Aufenthaltstitels aber keine Anstellung bekommen. Seine Lebensgefährtin erwarte derzeit das zweite gemeinsame Kind.

Mit dem angefochtenen Bescheid erteilte das BFA dem BF2 keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt I.) und stellte fest, dass seine Abschiebung in die Mongolei zulässig sei (Spruchpunkt II.). Der Beschwerde gegen diese Entscheidung wurde die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt III.) und gegen den BF2 ein auf die Dauer von drei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen. Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt (Spruchpunkt IV.).

Dagegen erhob der BF2 fristgerecht Beschwerde und führte im Wesentlichen aus, dass die im Bescheid getroffenen Länderfeststellungen zu allgemein gehalten seien und daraus nicht hervorgehe, ob er in der Mongolei aufgrund seiner in Österreich erfolgten Verurteilung einer Doppelbestrafung ausgesetzt wäre, weshalb die Einholung eines länderkundigen Sachverständigengutachtens beantragt werde. Er habe sich dem fremdenrechtlichen Verfahren gestellt, sich im Bundesgebiet integriert und wolle seinen Rechten und Pflichten für seine Familie nachkommen. Im Hinblick auf die gute Zukunftsprognose hätte die Behörde ein kriminalpsychologisches Gutachten einholen müssen und werde dies angeregt. Der BF1 habe sich seit seiner Verurteilung wohlverhalten und würden seine Straftaten schon länger zurückliegen. Für den Fall der Erteilung eines Aufenthaltstitels würden Mittel zur Verfügung stehen die seine sowie die Existenz seiner Familie sichern würden, weshalb das verhängte Einreiseverbot nicht nachvollziehbar sei. Eine Trennung des BF1 von seinen Kindern und seiner Lebensgefährtin beeinträchtige jedenfalls das Kindeswohl. Zum Nachweis dafür werde die Einholung eines kinderpsychologischen Sachverständigengutachtens beantragt.

Mit Teilerkenntnis vom 30.07.2019 erkannte das Bundesverwaltungsgericht (infolge: BVwG) der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zu.

Am 16.10.2019 fand vor dem BVwG in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Mongolisch, des rechtsfreundlichen Vertreters des BF2 sowie eines Vertreters des BFA eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, in welcher der BF2 ausführlich zu seinem bisherigen Aufenthalt in Österreich, seinem Familienleben, seiner Integration in Österreich, seinen Beziehungen zum Herkunftsstaat sowie seinen Befürchtungen im Falle der Rückkehr befragt und die BF2 zu ihrer Beziehung zum BF1 als Zeugin einvernommen wurde.

1.2. Zur Erstbeschwerdeführerin, der Drittbeschwerdeführerin und dem Viertbeschwerdeführer:

Die BF1 stellte am 12.03.2010 unter falscher Identität einen Antrag auf internationalen Schutz der letztlich zur Gänze abgewiesen wurde, sodass sie im Februar 2011 freiwillig in die Mongolei zurückkehrte.

Die BF1 beantragte 2014 die Erteilung eines Aufenthaltstitels für Studierende, der ihr am 29.07.2014 befristet bis 29.07.2015 ausgestellt und in infolge eines Verlängerungsantrages bis 30.07.2016 verlängert wurde. Einen weiteren Verlängerungsantrag vom 15.07.2016 wies der zuständige Landeshauptmann mit Bescheid vom 18.07.2017 ab.

Am 12.10.2017 stellte die BF1 einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels für Schüler, der letztlich mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichts XXXX vom 20.07.2018 rechtskräftig abgewiesen wurde.

Am XXXX wurde die BF3 im Bundesgebiet geboren.

Am 29.04.2019 stellte die BF1 für sich und die BF3 Erstanträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK und legte dazu ein Konvolut von Unterlagen vor.

Am selben Tag forderte das BFA die BF1 und die BF3 auf, ihre Anträge binnen vier Wochen ausführlich in deutscher Sprache zu begründen.

Mit Stellungnahme vom 03.05.2019 ersuchten die BF1 und die BF3 um Verständigung ihres rechtsfreundlichen Vertreters, falls noch weitere Unterlagen für die positive Erledigung ihrer Anträge erforderlich seien sowie um persönliche Einvernahme der BF1.

Am XXXX wurde der BF4 im Bundesgebiet geboren.

In ihrer in Anwesenheit einer Dolmetscherin für die Sprache Mongolisch vor dem BFA am 12.07.2019 durchgeführten niederschriftlichen Einvernahme gab die BF2 an, dass sie seit September 2014 durchgehend in Österreich sei, neben ihrem Lebensgefährten und ihren beiden Kindern, mit denen sie zusammen im selben Haushalt lebe, ihre Halbschwester im Bundesgebiet habe, die sie finanziell unterstütze und zusätzlich Unterstützung von der Caritas erhalte. Sie habe vor ihrer Schwangerschaft die Handelsakademie besucht, die letzten zweieinhalb Jahre Deutschkurse absolviert und das Niveau B2 erreicht und lebe in einer Mietwohnung, die sie gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten von der Caritas-Unterstützung bezahle. In der Mongolei lebe ihr Vater, der in Pension sei, ihre Mutter sei verstorben. Sie könne nicht zurückkehren, weil es mit zwei Kindern schwierig sei und sie keinen Job bekommen werde.

Mit Schriftsatz vom 25.07.2019 übermittelte die BF1 erstmals die Geburtsurkunde des BF4.

Mit Schriftsatz vom 24.10.2019 übermittelten die BF abermals die Geburtsurkunde des BF4 und brachten dazu vor, dass er noch keinen Reisepass habe. Der BF2 sei in der Geburtsurkunde nicht als Vater eingetragen, weil er sich bei der zuständigen Standesbehörde mangels eines Dokuments nicht habe ausweisen können.

Mit den angefochtenen Bescheiden vom 26.11.2019 wies das BFA die Anträge der BF1 und der BF3 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK ab (Spruchpunkt I.), erließ gegen sie eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt II.) und stellte fest, dass ihre Abschiebung in die Mongolei zulässig sei (Spruchpunkt III.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt (Spruchpunkt IV.).

Mit Schreiben vom selben Tag teilte das BFA dem BF4 mit, dass gegen ihn die Erlassung einer Rückkehrentscheidung beabsichtigt sei und gewährte ihm die Möglichkeit, binnen einer Woche dazu Stellung zu nehmen.

Gegen die Bescheide vom 26.11.2019 erhoben die BF1 und die BF3 fristgerecht Beschwerde und führten im Wesentlichen aus, dass häusliche Gewalt in der Mongolei erst seit 2017 strafbar sei, die mongolische Gesellschaft stark patriarchalisch geprägt sei, der BF1 als Frau und Mutter von zwei Kleinkindern in der Mongolei ein Fortkommen nicht möglich sei, womit sich das BFA nicht auseinandergesetzt habe und daher die Einholung eines länderkundlichen Sachverständigengutachtens beantragt werde. Die BF1 halte sich seit über fünf Jahren in Österreich auf und sei sprachlich, sozial und gesellschaftlich integriert, während zu ihren Angehörigen im Herkunftsstaat kaum Kontakt bestehe.

In seiner schriftlichen Stellungnahme vom 18.12.2019 führte der BF4 aus, dass er in Österreich geboren sei und regte an, sein Verfahren bis zum rechtskräftigen Abschluss der Verfahren der BF1 und der BF3 zu unterbrechen.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 20.12.2019 erteilte das BFA dem BF4 keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt I.), erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt II.) und stellte fest, dass seine Abschiebung in die Mongolei zulässig sei (Spruchpunkt III.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt (Spruchpunkt IV.).

Dagegen erhob der BF4 fristgerecht Beschwerde, beantragte ebenfalls die Einholung eines länderkundlichen Sachverständigengutachtens und führte aus, dass er in Österreich geboren sei und seinen Herkunftsstaat nicht kenne. Seine Familienangehörigen würden alle in Österreich leben. Sein in der Mongolei lebender Großvater könne die Familie nicht versorgen und auch die BF2 könne als Frau und Mutter zweier Kleinkinder nicht das Auslangen finden. Das BFA habe auch keine Feststellungen zur Situation des BF4 als Minderjährigem getroffen.

1.3. Zum Verfahrensgang nach Verbindung der Verfahren:

In der am 18.05.2020 vor dem BVwG in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Mongolisch sowie des rechtsfreundlichen Vertreters der BF durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung wurden ihre Verfahren aus Gründen der Zweckmäßigkeit, Raschheit und Kostenersparnis zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden, die BF1 ausführlich zu ihrem bisherigen Aufenthalt in Österreich, ihrem Familienleben, ihrer Integration, ihren Beziehungen zum Herkunftsstaat sowie ihren Befürchtungen im Falle der Rückkehr befragt sowie der BF2 ergänzend zu seiner Integration und seinem Leben im Herkunftsstaat einvernommen.

Am 02.06.2020 langte beim BVwG eine Stellungnahme der BF zu den in der mündlichen Verhandlung in die Verfahren eingebrachten Länderberichte ein, in welcher die BF im Wesentlichen ausführten, dass die medizinische Versorgung in der Mongolei nicht dem europäischen Standard entsprechen und Tuberkulose wie auch andere gefährliche Infektionskrankheiten weit verbreitet seien. Es sei nicht auszuschließen, dass der BF2 aufgrund seiner strafrechtlichen Verurteilung in der Mongolei überprüft werde. Die BF1 sei zu einer Unterstützung nicht in der Lage, zumal gerade alleinerziehende Mütter täglich um ihre Grundbedürfnisse kämpfen würden. Zugang zu sozialen Leistungen des Staates gebe es so gut wie gar nicht.

2. Feststellungen:

2.1. Zur Person der Beschwerdeführer:

Die BF führen die im Spruch genannten Namen und Geburtsdaten. Die Identität der BF1, der BF3 und des BF4 steht fest, jene des BF2 steht nicht fest. Die BF sind mongolische Staatsangehörige. Ihre Muttersprache ist Mongolisch. Die BF1 ist die Lebensgefährtin des BF2. Die BF3 und der BF4 sind ihre gemeinsamen Kinder.

Die BF1 schloss in der Mongolei ein Dolmetsch-Studium Deutsch ab.

Der BF2 ist in XXXX in der Mongolei geboren, wuchs in einem Waisenhaus auf und besuchte zumindest fünf Jahre die Schule. Anschließend arbeitete er in XXXX in einem Restaurant sowie auf Baustellen und war in der Lage, seinen Lebensunterhalt selbständig zu bestreiten.

Der Vater, zwei Schwestern, eine Halbschwester der BF1 sowie die jüngere Schwester des BF2 leben in der Mongolei. Zu ihnen haben die BF keinen Kontakt.

Die BF sind gesund.

2.2. Zum (Privat-)Leben der Beschwerdeführer in Österreich:

Die BF1 war erstmals im November 2009 in Österreich gemeldet und stellte am 12.03.2010 einen Antrag auf internationalen Schutz, der in zweiter Instanz zur Gänze rechtskräftig abgewiesen wurde. Im Rahmen dieses Verfahrens machte die BF1 wissentliche falsche Angaben sowohl zu ihrer Identität als auch zu ihren Fluchtgründen. Im Februar 2011 kehrte sie freiwillig in die Mongolei zurück.

Am 29.07.2014 wurde der BF1 ein bis 29.07.2015 gültiger Aufenthaltstitel für Studierende ausgestellt, der über entsprechenden Antrag einmalig bis 30.07.2016 verlängert wurde. Einen weiteren Verlängerungsantrag wies der zuständige Landeshauptmann mit Bescheid vom 18.07.2017 ab, weil die BF1 den erforderlichen Nachweis über den Abschluss des Vorstudienlehrgangs „Ergänzungsprüfung Deutsch“ nicht erbracht hatte.

Am 12.10.2017 stellte die BF1 einen Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels für Schüler. Im Laufe des Verfahrens wurde die BF1 mehrmals über die Möglichkeit der Stellung eines Antrags auf Zulassung der Antragstellung im Inland belehrt. Da sie davon keinen Gebrauch machte, wies das Verwaltungsgericht XXXX die gegen die Abweisung ihres Antrags eingebrachte Beschwerde mit Erkenntnis vom 20.07.2018 wegen unzulässiger Antragstellung im Inland ab.

Die BF1 besuchte einen Vorstudienlehrgang für die Ergänzungsprüfung Deutsch, den sie nicht abschloss, anschließend – bis zur Geburt der BF3 – die Handelsakademie, die sie ebenfalls nicht abschloss und beherrscht Deutsch auf Sprachniveau B2. Die BF1 war von 02.12.2014 bis 08.12.2015, von 11.01.2016 bis 26.05.2016 sowie von 16.08.2016 bis 20.07.2017 bei verschiedenen Arbeitgebern geringfügig beschäftigt und hat eine Einstellungszusage der XXXX Restaurant GmbH.

Der BF2 reiste im Jahr 2005 erstmals in Österreich ein und stellte am 17.10.2005 einen Antrag auf internationalen Schutz, der mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 29.03.2007 rechtskräftig abgewiesen wurde.

Am 25.04.2007 stellte der BF2 in den Niederlanden einen Antrag auf internationalen Schutz. Die infolgedessen beabsichtigte Rücküberstellung nach Österreich musste vorübergehend ausgesetzt werden, weil der BF2 untergetaucht war und erfolgte schließlich am 04.03.2008.

Am selben Tag verhängte die Bundespolizeidirektion XXXX gegen den BF2 die Schubhaft und erließ mit Bescheid vom 05.03.2008 ein auf die Dauer von drei Jahren befristetes Aufenthaltsverbot. Aufgrund der durch einen Hungerstreik herbeigeführten Haftunfähigkeit wurde der BF2 am 16.03.2008 aus der Schubhaft entlassen.

Von 18.03.2008 bis 13.04.2010, als der BF2 erneut in den Niederlanden angetroffen wurde, war sein Aufenthaltsort nicht bekannt.

Am 28.05.2010 wurde der BF2 wiederum nach Österreich rücküberstellt, kam am selben Tag in Schubhaft, trat danach erneut in Hungerstreik und wurde am 11.06.2010 infolge der dadurch eingetretenen Haftunfähigkeit aus der Schubhaft entlassen.

Seither hält sich der BF2 durchgehend in Österreich auf, war allerdings von 18.03.2008 bis 13.09.2014, von 10.12.2014 bis 06.02.2015, sowie von 23.02.2016 bis 25.11.2016 behördlich nicht gemeldet und lebte währenddessen im Verborgenen.

Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 19.06.2015, Zl. XXXX , wurde der BF2 wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen Diebstahls (§§ 127, 130 erster Fall StGB), des Vergehens der Urkundenunterdrückung (§ 229 Abs. 1 StGB) sowie des Vergehens des Gebrauchs fremder Ausweise (§ 231 Abs. 1 StGB) zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten verurteilt, wobei der Vollzug von 13 Monaten der Freiheitsstrafe unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde.

Der Verurteilung lag zugrunde, dass der BF2 am 04.11.2013 einer Person eine Geldbörse mit nicht mehr feststellbarem Wert sowie Bargeld in Höhe von EUR 15,00 wegnahm, am 03.09.2014 gemeinsam mit einem Mittäter in einer Drogerie fünf Parfums im Gesamtwert von EUR 740,10 in eine mit Alufolie ausgekleidete Tasche packte und das Geschäftslokal ohne zu bezahlen verließ, ab 04.11.2013 bis 12.09.2014 eine Jahreskarte der Wiener Linien, eine Asylkarte und einen Meldenachweis einer anderen Person bei sich führte, um zu verhindern, dass sie vom Berechtigten zum Beweis der darin zum Ausdruck kommenden Rechte und Tatsachen gebraucht werden und sich am 12.09.2014 nach seiner Festnahme mit der soeben genannten Jahreskarte legitimierte.

Als mildernd berücksichtigte das Gericht den bisher ordentlichen Lebenswandel sowie das teilweise Geständnis, als erschwerend das Zusammentreffen von einem Verbrechen mit zwei Vergehen.

Von 12.09.2014 bis 10.12.2014 befand sich der BF2 in Haft.

Der BF2 ist in der Lage, eine einfache Unterhaltung auf Deutsch zu führen und hat bisher keine Deutschprüfungen abgelegt. Er trainierte zumindest bis Februar 2019 ab und zu im Judoverein eines Freundes, war aber nicht Mitglied.

Die BF3 und der BF4 sind in Österreich geboren. Die BF3 geht in den Kindergarten. Die BF1 und der BF2 kümmern sich gemeinsam um die BF3 und den BF4, wobei die BF1 überwiegend deutsch mit ihnen spricht, der BF2 hingegen mongolisch.

Die BF leben gemeinsam in einer Mietwohnung und sind über die Caritas krankenversichert. Die BF1 und der BF2 erhalten alle zwei Monate jeweils EUR 730,00 von der Caritas und werden in unregelmäßigen Abständen mit Beträgen in unterschiedlicher Höhe von der Halbschwester der BF1 sowie Freunden finanziell unterstützt.

Die BF halten regelmäßig Kontakt zur Halbschwester der BF1, die in Salzburg lebt und ein Daueraufenthaltsrecht hat.

Die BF1 und der BF2 haben der Caritas gegenüber ihr Interesse an einem freiwilligen Engagement bekundet und sich in Österreich einen Freundes- und Bekanntenkreis aufgebaut.

2.3. Zur Situation der Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr:

Die BF können bei einer Rückkehr in die Mongolei grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung und Unterkunft befriedigen, ohne in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten.

Sie sind nicht der Gefahr ausgesetzt, aufgrund ihrer Rasse, Religion, Nationalität, politischen Gesinnung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe in der Mongolei mit der Anwendung von physischer und/oder psychischer Gewalt bedroht zu werden.

2.4. Zur maßgeblichen Situation in der Mongolei:

Aufgrund der in der Beschwerdeverhandlung eingebrachten und mit den BF erläuterten Erkenntnisquellen werden folgende Feststellungen zum Herkunftsstaat getroffen:

2.4.1.  Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zur Mongolei, Stand 25.09.2018, (gekürzt und bereinigt):

„Politische Lage

Die Mongolei ist ein Binnenstaat zwischen der Russischen Föderation und der Volksrepublik China. Mit einer Bevölkerung von knapp über drei Millionen Menschen auf einer Fläche von knapp über 1,5 Millionen Quadratkilometern ist sie einer der am dünnsten besiedelten Staaten der Welt. In der Hauptstadt Ulaanbaatar leben (2018) ca. 1,5 Millionen Menschen (CIA 28.8.2018).

Die Mongolei ist eine parlamentarische Demokratie mit einem Mehrparteiensystem (ÖB Peking 12.2017; vgl. USDOS 20.4.2018). Die Verfassung von 1992 basiert auf den Grundprinzipien Demokratie, Gerechtigkeit, Freiheit, Gleichheit, nationale Einheit, Rechtsstaatlichkeit und Gewaltenteilung (ÖB Peking 12.2018; vgl. AA 3.2018a). In den vergangenen 20 Jahren wurden in der Mongolei 13 erfolgreiche Präsidentschafts-, und Parlamentswahlen abgehalten (USDOS 19.7.2018).

Das Parlament (Großer Staats-Chural) ist ein Einkammernparlament mit 76 Sitzen (ÖB Peking 12.2017). Die 76 Abgeordneten werden in allgemeiner, freier, unmittelbarer und geheimer Wahl im Wege des Mehrheitswahlrechts für vier Jahre gewählt. Bei der letzten Parlamentswahl am 29.6.2016 löste die Mongolische Volkspartei (MVP) die Demokratische Partei (DP) in der Regierung ab. (AA 3.2018a). Die MVP erhielt 65 Mandate, die bisher regierende DP neun, die Mongolische Revolutionäre Volkspartei (MRVP) und der unabhängige Musiker S. Javkhlan erhielten je ein Mandat. Die Wahlbeteiligung lag bei 72,1% (Mongolei Online 10.7.2016; vgl. KAS 1.7.2016). Die Einführung des Mehrheitswahlrechtes nur fünf Wochen vor dem Wahltermin hat auf das Ergebnis Einfluss genommen (Sarantuya/Batmunkh 2017; vgl. ÖB Peking 12.2017). Unter dieser Entscheidung litten vor allem die Chancen von kleinen Parteien und Frauen. So wurde zum Beispiel die Frauenquote von bisher 30% auf 20% gesenkt (KAS 1.7.2016).

Die OSZE war mit etwa 300 Wahlbeobachtern in der Mongolei vertreten und attestierte, dass die Wahl, nach hartem, die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit respektierendem Wahlkampf, geordnet ablief (OSZE 4.10.2016; vgl. AA 3.2018a). Die 2016 gebildete Regierung unter Ministerpräsident Erdenebat bestehend aus 16 Ministern (davon zwei Frauen), einer Reduktion um drei Ämter im Vergleich zur vorherigen Regierung (ÖB Peking 12.2017), wurde bereits im Sommer 2017 aufgrund parteiinterner Machtkämpfe durch eine Regierung unter Ministerpräsident Khurelsukh abgelöst (AA 3.2018a).

Das Staatsoberhaupt ist der Präsident, der in einer Direktwahl für vier Jahre gewählt wird und der selbst den Premierminister nominieren kann. Das Präsidentenamt kann für maximal zwei Amtsperioden bekleidet werden (ÖB Peking 12.2017). Am 10. Juli legte Kh. Battulga im Großen Saal der Staatsversammlung den Amtseid als 5. Präsident der Mongolei ab (LIP 9.2018). Er setzte sich in einer Stichwahl mit 50,6% gegen den Gegenkandidat M. Enkhbold der regierenden Mongolischen Volkspartei (MVP), der 41,2 % der Stimmen erhielt, durch (Reuters 8.7.2017; vgl. AA 3.2018a). Der Staatspräsident ist Vorsitzender des Nationalen Sicherheitsrates (weitere Mitglieder: Premierminister und Parlamentspräsident) und Oberbefehlshaber der Streitkräfte. Er setzt die vom Parlament verabschiedeten Gesetze in Kraft. Er kann Gesetze initiieren und mit seinem Veto verhindern, das nur mit der Zwei-Drittel-Mehrheit des Parlaments überstimmt werden kann (AA 3.2018a).

Sicherheitslage

Im regionalen Vergleich hat die Mongolei nach dem Zerfall des Ostblocks einen vorbildlichen Weg in Richtung Demokratie und Marktwirtschaft eingeschlagen. Seit 1990 finden regelmäßig allgemeine, freie und faire Wahlen statt, die Regierungswechsel verlaufen friedlich. Die Menschenrechte sind in der Mongolei in der Verfassung festgeschrieben und werden allgemein geachtet. Das Land verfügt über eine aktive Zivilgesellschaft mit einer Vielzahl von Bürgerbewegungen und Selbsthilfegruppen (BMZ o.D.).

Der Staat hat im gesamten Staatsgebiet das unangefochtene Gewaltmonopol. Die gesamte Bevölkerung der Mongolei akzeptiert den Nationalstaat als legitim. Es gibt keine organisierten Gruppen, die stark genug wären, das staatliche Gewaltmonopol herauszufordern. Alle bedeutenden politischen Akteure bekennen sich zur Demokratie. Eine geringe Zahl antidemokratischer Akteure wie hypernationalistische Parteien oder Banden haben keinen Einfluss auf die Öffentlichkeit oder die Regierung und werden ausgegrenzt. Die Armee hatte in der Vergangenheit kein Interesse, politische Kontrolle zu übernehmen und es gibt keine Hinweise, dass sie es derzeit hätte (Bertelsmann 2018). Es gibt keine Berichte über terroristische Angriffe oder aktive terroristische Gruppen in der Mongolei (USDOS 10.7.2018).

Es kommt selten zu Unruhen oder politischer Gewalt. In Folge umstrittener Parlamentswahlen im Juli 2008 wurden Proteste, bei denen fünf Personen ums Leben kamen, rasch unter Kontrolle gebracht und die Ordnung wieder hergestellt. Seither kam es zu keinen Vorfällen ähnlichen Ausmaßes mehr (USDOS 19.7.2018). Sozioökonomische Konflikte - primär zwischen der städtischen und ländlichen Bevölkerung - eskalieren nicht, sind jedoch aufgrund einer instabilen politischen Umgebung, angeheizt durch Populismus und Kampagnen in den sozialen Medien, im Ansteigen begriffen (Bertelsmann 2018).

In den vergangenen drei Jahren kam es zu vermehrten Anfeindungen chinesischer, koreanischer und vietnamesischer Staatsbürger, die in der Mongolei leben (USDOS 19.7.2018) und es kam zu einzelnen gewalttätigen Übergriffen durch Ultranationalisten gegen diese Personen (USDOS 19.7.2018; vgl. ÖB Peking 12.2017) sowie gegen LGBTI-Personen (ÖB Peking 12.2017).

Die Binnenlage des Flächenstaates zwischen Russland und China bestimmt die mongolische Außenpolitik, die sich daher um ein gutes, ausgewogenes Verhältnis zu diesen beiden Nachbarn bemüht. So verfolgt die Mongolei eine Politik der Bündnisfreiheit und hat sich 1992 zur kernwaffenfreien Zone erklärt. Gleichzeitig sucht das Land internationale Absicherung, die es in einer immer aktiveren Mitarbeit in internationalen Organisationen, vor allem den Vereinten Nationen, sowie in einer stärkeren Zusammenarbeit mit den USA, Japan und der Europäischen Union (insbesondere Deutschland) zu finden hofft ("Politik des Dritten Nachbarn") (AA 3.2018c).

Rechtsschutz / Justizwesen

Das mongolische Rechtssystem orientiert sich am römisch-germanischen System und kennt eine Unterscheidung zwischen Verwaltungs- und Zivilrecht (ÖB Peking 12.2017). Die Verfassung der Mongolei sieht eine Gewaltenteilung vor, die Justiz ist formell unabhängig. Diese Unabhängigkeit wird jedoch durch systemimmanente Korruption geschwächt (ÖB Peking 12.2017; vgl. FH 2018, USDOS 20.4.2018).

Soum-, Intersoum- und Bezirksgerichte sind Gerichte 1. Instanz und für kleinere Verbrechen sowie für Zivilverfahren unter einem Streitwert von zehn Millionen Tögrök (MNT) zuständig. Aimag-Gerichte sind die Erstinstanz für schwerwiegendere Verbrechen und Zivilverfahren mit einem Streitwert von über zehn Millionen MNT, sowie die Berufungsgerichte für die unteren Gerichte. Der Oberste Gerichtshof ist für alle anderen Verfahren zuständig. Der Verfassungsgerichtshof (Tsets) kann vom Parlament, dem Staatspräsidenten, dem Premier, dem Obersten Staatsanwalt, auf Eigeninitiative oder durch Petitionen durch Bürger befasst werden. Die neun Richter werden durch das Parlament für sechs Jahre ernannt. (ÖB Peking 12.2017).

Der Präsident ernennt die Richter des Obersten Gerichtshofes. Der Judicial General Council (JGC) ist für die Nominierung sowie die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit von Richtern verantwortlich. Er ist jedoch politisch abhängig und hat nicht die Befugnis, bei Vorwürfen von richterlichem Fehlverhalten zu ermitteln (Bertelsmann 2018). Die unabhängige Gerichtsbarkeit sowie das Recht auf ein faires, öffentliches Verfahren ohne Verzögerungen wird in der Regel durchgesetzt. Für Angeklagte gilt die Unschuldsvermutung und sie haben das Recht, über die Vorwürfe gegen sie in Kenntnis gesetzt zu werden. Angeklagte können einen Rechtsbeistand selbst auswählen oder erhalten auf Staatskosten einen solchen gestellt (USDOS 20.4.2018).

NGOs und Privatunternehmen berichten, dass Korruption und Einflussnahme im Justizsystem stattfindet (USDOS 20.4.2018; vgl. Bertelsmann 2018). Die Rechte von Angeklagten wie die Befragung und Einberufung von Zeugen würden in manchen Fällen missachtet. NGOs berichten weiters über Einschüchterung von Zeugen und mangelnde Transparenz bei der Urteilsfindung (USDOS 20.4.2018). Jedoch wurde in der Justice Integrity Study 2016 der Mongolei deutliche Fortschritte bei der Verbesserung der Transparenz der Urteilsfindung attestiert (Bertelsmann 2018).

Gerichte verhängen nur selten Freisprüche oder stellen das Verfahren ein, auch wenn es keine substanziellen Beweise für einen Schuldspruch gibt. Gerichte spielen Fälle häufig an die Staatsanwaltschaft zurück, obwohl ein Freispruch angemessen erscheint. Dadurch wechseln auch einzelne prominente Kriminalfälle jahrelang zwischen Staatsanwaltschaft und Gericht hin und her, ohne dass diese abgeschlossen werden (USDOS 20.4.2018). Haftstrafen sind in der Mongolei schon für kleine Delikte aus generalpräventiven Gründen sehr hoch. Sie reichen für Gewalt-, Raub- und Sexualdelikte deutlich über Strafmaße europäischer Rechtsordnungen hinaus. Die Möglichkeit der vorzeitigen Entlassungen oder der Strafaussetzungen zur Bewährung ist formal vorhanden, aber es wird davon wenig Gebrauch gemacht (ÖB Peking 12.2017).

Sicherheitsbehörden

Dem Ministerium für öffentliche Sicherheit unterstehen das Milizbüro (Polizei) und ein diesem unterstelltes Netz von Polizeiämtern, die Staatssicherheitsverwaltung, das Brandschutzamt, die Fremdenpolizei und die Grenztruppen sowie der Justizvollzugswachkörper (ÖB Peking 12.2017). Die zivilen Behörden üben größtenteils Kontrolle über die internen und externen Sicherheitskräfte aus, jedoch bleiben die Mechanismen zur Untersuchung von Polizeiübergriffen inadäquat. So gibt es Fälle von ungestraftem Missbrauch Verdächtiger durch Sicherheitskräfte. Aufsichtsorgan über nationale und lokale Polizeiaktionen ist die National Police Agency (NPA) (USDOS 20.4.2018).

Sicherheitskräften wird vorgeworfen, willkürliche Verhaftungen und Verkehrsanhaltungen durchzuführen, angehaltene Personen für längere Zeit festzuhalten und Häftlinge zu schlagen (HRW 2018). Obwohl Sicherheitsbeamte für absichtliche Körperverletzung zur Verantwortung gezogen werden, waren Verfolgungen dieser Vergehen selten. Der NPA wurden bis August 2016 insgesamt 24 Beschwerden wegen körperlicher Übergriffe durch die Polizei gemeldet, von denen sechs zu strafrechtlichen Ermittlungen führten (USDOS 20.4.2018).

Die nationale Polizei, die Miliz, welche auch als Kriminalpolizei fungiert, unterhält in jeder Provinz ein Referat und in jedem Bezirk ein Büro. Sie hat alle notwendigen Maßnahmen (Ermittlungen, Zwangsmaßnahmen und Beschlagnahme sowie den Gebrauch von Waffen) einzuleiten, um den Schutz der öffentlichen Ordnung zu gewährleisten. Die Fahndung nach vermissten Personen, die Verkehrssicherheit (durch Verkehrsinspektorate in jedem Milizbüro) und die Brandbekämpfung fallen ebenfalls in die Zuständigkeit der Miliz. Zusammen mit der Lokalverwaltung beaufsichtigen die lokalen Sicherheitsbüros außerdem die Vollstreckung der Zwangsarbeitsstrafen. Das Ministerium für öffentliche Sicherheit ist schließlich auch für die Staatssicherheit (Spionageabwehr, Staatsschutz und Sabotageabwehr) zuständig. Der Fremdenpolizei und den Grenztruppen unterstehen ca. 15.000 Beamte. Sie sind für die Einhaltung der Ein- und Ausreisevorschriften sowie des Fremdenrechts zuständig (ÖB Peking 12.2017).

Folter und unmenschliche Behandlung

Artikel 251 des Strafgesetzbuchs definiert den Straftatbestand der Folter und legt eine Höchststrafe von fünf Jahren Haft und ein Berufsverbot von bis zu drei Jahren fest. In besonders schlimmen Fällen kann die Strafe sogar auf bis zu zehn Jahren ausgeweitet werden. Gemäß Kapitel 11, §44 wird die Entschädigung in Fällen von Folter von der Strafprozessordnung festgelegt. Der Höchste Gerichtshof zitiert in seiner Interpretation dieses Artikels ausdrücklich die Definition der UN-Konvention gegen Folter (ÖB Peking 12.2017).

Dennoch sind Folter und andere Misshandlungen verbreitet (USDOS 20.4.2018; vgl. AI 22.2.2018), insbesondere zum Erzwingen von Geständnissen (USDOS 20.4.2018) in Haftanstalten, wo auch Personen mit Behinderungen oder ausländische Staatsbürger betroffen sind. Seit Juli 2017, mit Inkrafttreten der neuen Strafprozessordnung, fehlen unabhängige Ermittlungsmechanismen, was zu einer unvollständigen Erfassung und einer Straflosigkeit von Folter führt (AI 22.2.2018). Rechtliche Rahmenbedingungen und Maßnahmen zur Verhinderung von Folter sind unzureichend (Bertelsmann 2018).

Auch wird von Drohungen gegen Familienmitglieder berichtet, um Geständnisse zu erzwingen (USDOS 20.4.2018). Im Februar 2015 ratifizierte die Mongolei das Zusatzprotokoll zur UN-Antifolterkonvention (OPCAT). Das UN-Antifolterkomitee (CAT) überprüfte die Mongolei im August 2016 und drückte unter anderem Sorgen über vorherrschende Straflosigkeit in Fällen von Folter aus (ÖB Peking 12.2017).

Korruption

Korruption ist in der gesamten öffentlichen Verwaltung und in der Industrie (Bergbau) weit verbreitet (ÖB 12.2017; vgl. TI 9.7.2018). Die kleine Korruption ist jedoch rückläufig (TI 9.7.2018). Die Nichtregierungsorganisation Transparency International listet die Mongolei in ihrem Korruptionswahrnehmungsindex 2017 auf Platz 103 von 180 analysierten Ländern (TI 21.2.2018); 2016 lag die Mongolei auf Platz 87 von 176 untersuchten Staaten (TI 25.1.2017).

Der Großteil der Bevölkerung ist mit den Anti-Korruptionsmaßnahmen der Regierung unzufrieden (TI 9.7.2018). Auch in der Politik setzt sich zunehmend die Erkenntnis durch, dass Korruption die Entwicklung der Mongolei stark behindert. Es wurden Antikorruptionsgesetze verabschiedet und entsprechende Kontrolleinrichtungen geschaffen. Weitere Reformen und eine konsequente strafrechtliche Verfolgung von Korruption sind jedoch erforderlich (BMZ o.D.).

Das am 1. Juli 2017 in Kraft getretene Strafgesetz führte höhere Strafen für Korruptionsvergehen von öffentlich Bediensteten und Regierungsvertretern sowie deren nächster Verwandtschaft ein. Das Gesetz erfordert von Regierungsvertretern auch die Offenlegung ihrer Vermögen an die Independent Authority Against Corruption (IAAC). Im März 2017 wurde ein staatliches Korruptionsbekämpfungsprogramm mit einer Laufzeit von drei Jahren implementiert (USDOS 19.7.2018).

Seit 2006 wurde das Anti-Korruptionsgesetz mehrfach erweitert, jedoch gibt es noch kein Gesetz zum Schutz von NGOs und anderen Institutionen, die Korruptionsfälle öffentlich machen (USDOS 19.7.2018; vgl. ÖB 12.2017). Eine gesetzliche Schutzvorschrift liegt seit Ende 2016 jedoch im Entwurf vor. Journalisten, die Korruptionsfälle aufdecken, werden mitunter von einflussreichen Betroffenen mittels Diffamierungs-Klagen in den Ruin getrieben (ÖB Peking 12.2017).

Es gibt eine weitreichende Immunität von Amtsträgern gegenüber strafrechtlicher Verfolgung (TI 9.7.2018) und es gibt Bedenken, dass Teile der Justiz und der IAAC weitgehend von politischen Kreisen kontrolliert werden, welche verhindern möchten, durch eine tatsächlich unabhängige Behörde selbst der Korruption bezichtigt zu werden (Bertelsmann 2018).

Allgemeine Menschenrechtslage

Die schwerwiegendsten Menschenrechtsprobleme stellen die Misshandlung von Häftlingen, Korruption, Gewalt gegen LGBTI-Personen und harte Arbeitsbedingungen für Fremdarbeiter, insbesondere aus Nordkorea, dar. Maßnahmen der Regierung zur Bestrafung von Missbrauch oder Korruption im öffentlichen Dienst waren inkonsequent (USDOS 20.4.2018).

Mit 17 der 18 internationalen Menschenrechtsverträge und deren Zusatzprotokolle hat die Mongolei mehr einschlägige Verträge ratifiziert als jedes andere asiatische Land, und um zwei Verträge mehr als Österreich (ÖB Peking 12.2017).

Als neuntes Land in Asien hat die Mongolei im Jahr 2000 eine nationale Menschenrechtskommission eingerichtet. Nach den gesetzlichen Vorgaben besteht diese aus drei für sechs Jahre berufenen Mitgliedern, die vom Obersten Gerichtshof, dem Staatspräsidenten und dem Parlament nominiert werden. Vorsitzender des Gremiums ist ein bisheriger Richter am Obersten Gerichtshof. Die Befugnisse dieser Kommission beziehen sich v.a. auf die Ausarbeitung von Bildungs-, Rechtsverbreitungs- und Forschungsmaßnahmen, aber auch auf die Behandlung von Bürgerbeschwerden. Die Mongolei orientierte sich dabei eng an den Vorschlägen des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte, welches die Anstrengungen der Mongolei auf diesem Gebiet als vorbildlich bezeichnet (ÖB Peking 12.2017).

Haftbedingungen

Die Haftbedingungen in der Mongolei sind nach wie vor dürftig bis harsch, auch wenn es in den letzten Jahren Verbesserungen gab (USDOS 13.4.2016; vgl. ÖB Peking 12.2017) und liegen weit unter europäischen Standards (ÖB Peking 12.2017). Die Gefängnisse waren in der Regel nicht überfüllt (USDOS 20.4.2018) aber es gibt Mängel in Bezug auf medizinische Versorgung, Bekleidung, Betten, Nahrung, Trinkwasser, Heizung, Beleuchtung, Belüftung, Sanitäranlagen und bei der Unterbringung von Personen mit Behinderungen in älteren Anstalten und Untersuchungsgefängnissen. In Gefängnissen in ländlichen Regionen sind die Bedingungen oft schlechter als in neuen und renovierten Anlagen. In Entzugsanstalten der Polizei sind die Bedingungen oft dürftig. Unabhängigen Beobachtern wird der Zutritt zu den Haftanstalten in der Regel gewährt (USDOS 20.4.2018; vgl. ÖB Peking 12.2017; FH 2018).

Männer und Frauen werden in getrennten Anlagen inhaftiert. Männer werden je nach der ihnen zugewiesenen Sicherheitsstufe ihrer Vergehen in entsprechenden Gefängnissen untergebracht. Für Frauen gibt es nur ein Gefängnis (USDOS 20.4.2018). Jugendliche werden oft nicht von erwachsenen Straftätern getrennt (ÖB Peking 12.2017).

Im Jahr 2017 wurden zehn Todesfälle in Haftanstalten gemeldet. Jedoch werden Häftlinge mit Krankheiten im Endstadium regelmäßig aus der Haft entlassen, was die irreführend niedrige Mortalitätsrate in Gefängnissen erklärt. Gemäß Regierungsangaben waren Stand September 2017 34 Häftlinge mit TBC infiziert (USDOS 20.4.2018).

Das Gesetz verbietet, dass Personen willkürlich verhaftet, eingesperrt und der Freiheit beraubt werden. Die meisten Regierungsorganisationen halten sich an dieses Verbot jedoch wird dem Geheimdienst (General Intelligence Agency, GIA) vorgeworfen, manchmal gegen diese Regelung zu verstoßen (USDOS 20.4.2018). Auch der Polizei wird vorgeworfen, willkürliche Verhaftungen durchzuführen. Häftlinge werden oft für längere Zeit festgehalten und geschlagen (FH 2018; vgl. USDOS 20.4.2018). Mit dem neuen Strafgesetz, das am 1.7.2017 in Kraft trat, muss nun jede Festnahme durch einen Staatsanwalt kontrolliert werden (USDOS 20.4.2018).

Die Haftstrafen sind in der Mongolei schon für kleine Delikte aus generalpräventiven Gründen sehr hoch. Sie reichen für Gewalt-, Raub- und Sexualdelikte deutlich über Strafmaße europäischer Rechtsordnungen hinaus. Das Instrument der vorzeitigen Entlassungen oder der Strafaussetzungen zur Bewährung besteht, aber es wird davon wenig Gebrauch gemacht (ÖB Peking 12.2017).

Todesstrafe

Nach einem zweijährigen Moratorium ratifizierte im Jänner 2012 der Staatskhural das 2. Zusatzprotokoll des ICCPR. Mit einer im Dezember 2015 beschlossenen Änderung des Strafgesetzbuchs sollte die Todesstrafe aus dem Gesetz gestrichen werden. Die Abschaffung trat jedoch nicht wie geplant am 1. September 2016 in Kraft. Schlussendlich wurde mit 1. Juli 2017 die Todesstrafe als strafrechtliche Repressalie abgeschafft - jedoch nur strafrechtlich und nicht verfassungsrechtlich (ÖB Peking 12.2017).

Im November 2017 schlug der neu gewählte Präsident dem Justizministerium nach zwei Vergewaltigungs- und Mordfällen die Wiedereinführung der Todesstrafe vor (ÖB 12.2017; vgl. AI 22.2.2018). Im April 2018 plante der Präsident, nach einer einmonatigen Online-Abstimmung auf seiner Webseite, dem Parlament ein entsprechendes Gesetz zur Abstimmung vorzulegen (PoM 2.4.2018). Dieses Thema wurde sowohl von der Bevölkerung als auch von NGOs sehr wichtig genommen und die Wiedereinführung weitgehend abgelehnt (UB Post 9.7.2018).

Relevante Bevölkerungsgruppen

Frauen

Die Verfassung bestimmt, dass keine Person ob ihrer Herkunft, Sprache, Abstammung, Alters, Geschlechts, sozialer Herkunft oder ihres Status diskriminiert werden darf und dass gemäß Art. 16 Abs. 11 VerfG Männer und Frauen in politischen, wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen und familiären Angelegenheiten gleich behandelt werden müssen. Seit 2011 gibt es ein Gesetz zur Geschlechtergleichstellung (ÖB Peking 11.2017). Mongolische Frauen sind an sich emanzipiert, gebildet und nehmen aktiv am gesellschaftlichen und politischen Leben teil. Dennoch ist die mongolische Gesellschaft eine patriarchalische, in der der Mann das Familienoberhaupt ist, auch wenn die Zahl der allein von Frauen geführten Haushalte zunimmt (LIP 7.2018).

Die Mongolei liegt in der Erreichung der genderspezifischen Millenniums-Entwicklungsziele (MDGs - Millennium Development Goals) stark zurück, v.a. die Versorgung im Bereich reproduktive Gesundheit ist schlecht (ÖB Peking 12.2017). Die Zahl der Teenagerschwangerschaften nimmt von Jahr zu Jahr zu. Hatten 2014 3.259 Frauen im Alter zwischen 15 und 19 Jahren ein Kind zur Welt gebracht, waren es 2016 3.829. Als Hauptursachen werden mangelnde Aufklärung und Unkenntnis über Verhütungsmöglichkeiten benannt (LIP 7.2018).

Das gesetzliche Pensionsantrittsalter für Frauen liegt mit 55 Jahren fünf Jahre unter jenem der Männer. Geschiedene Frauen stehen laut Familiengesetz Alimente zu. Es gibt keine Gesetzgebung gegen sexuelle Belästigung (ÖB Peking 12.2017).

Gewalt gegen Frauen, insbesondere im Zusammenhang mit Alkoholmissbrauch, ist laut Berichten von NGOs im Zunehmen begriffen (ÖB Peking 12.2017). Häusliche Gewalt stellt ein schwerwiegendes und weit verbreitetes Problem dar, wobei das neue Strafgesetz, das 2017 in Kraft getreten ist, diese erstmals auch strafrechtlich unter Strafe stellt. Nun sind auch Gefängnisstrafen möglich. Häusliche Gewalttäter werden in einer Datenbank erfasst und beim zweiten Vergehen wird automatisch ein Verfahren nach dem Strafgesetz eingeleitet. Alternative Maßnahmen zum Schutz vor häuslicher Gewalt wie Wegweisungen oder einstweilige Verfügungen sind in der Praxis schwer durchzusetzen. Das National Center Against Violence (NCAV), einer lokalen NGO, die Kampagnen gegen häusliche Gewalt betreibt, berichtet, dass die Reaktion der Polizei auf Meldungen häuslicher Gewalt sich 2017 verbessert hätte, die Strafverfolgung jedoch weiterhin mangelhaft sei (USDOS 20.4.2018). UNFPA, der Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen, führt gemeinsam mit der mongolischen Polizei Projekte zum Kapazitätsaufbau im Bereich häusliche Gewalt und Gewalt gegen Frauen durch (ÖB Peking 12.2017).

Gemäß NCAV gibt es landesweit 17 Notunterkünfte von NGOs und in lokalen Krankenhäusern, wo Opfer häuslicher Gewalt bis zu 72 Stunden Unterkunft bekommen können (USDOS 20.4.2018). Das einzige Frauenhaus des Landes in Ulan Bator wird von einer NGO geführt und erhält keinerlei öffentliche Unterstützung (ÖB 12.2017). Insbesondere im ländlichen Raum stellt die geringe Anzahl von Schutzeinrichtrungen für Schutzsuchende eine Herausforderung dar (USDOS 20.4.2018). Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist kaum davon auszugehen, dass vor familiärer Gewalt flüchtende Frauen in der Mongolei Schutzmöglichkeiten zur Verfügung stehen (ÖB Peking 12.2017). Für alleinerziehende Mütter ist das Risiko, ein Leben in extremer Armut zu führen, generell sehr hoch (ÖB 12.2017).

Die Mongolei ist ein Ursprungs- und Transitland für den illegalen Handel von Personen zur sexuellen Ausbeutung und Zwangsarbeit, sowie Kinderprostitution. China gehört zu den Hauptzielländern. Prostitution, insbesondere von Minderjährigen, ist weitverbreitet. Primär wurde in Richtung Westeuropa in den letzten Jahren vermehrt mit jungen Frauen gehandelt, die mit Arbeit oder Studien im Ausland gelockt wurden. In letzter Zeit gibt es verstärkt Berichte über gezielten Menschenhandel Richtung China, wobei Frauen als Ehefrauen verkauft werden oder Opfer von Organhändlerbanden werden. Mit dem zunehmenden Wohlstand werden auch vermehrt illegale Hausangestellte von den Philippinen in die Mongolei geschleust (ÖB Peking 12.2017).

Die Mongolei erfüllt die Minimumstandards für die Eliminierung von Menschenhandel nur unzureichend, unternimmt in diesem Bereich jedoch große Bemühungen (USDOS 6.2018). Im Jänner 2012 wurde das erste Gesetz gegen den Menschenhandel verabschiedet, allerdings wird dessen mangelnde Umsetzung kritisiert (ÖB Peking 12.2017). Im Juli 2017 trat das neue Strafgesetz in Kraft. Die Artikel 12.3 und 13.1 stellen Menschenhandel zum Zwecke von Arbeit und Sex unter Strafe. Menschenhandel wird mit einem Strafmaß von zwei bis acht Jahren Haft – sind Kinder betroffen fünf bis zwölf Jahre – geahndet. 2017 wurden von den Behörden zwölf Menschenhandelsfälle ermittelt (2016: drei) und sieben Personen angeklagt (2016: 14) (USDOS 6.2018). Der Kampf gegen Menschenhandel wird durch Korruption und mangelnden Willen der Behörden jedoch erschwert (FH 2018; vgl. USDOS 6.2018).

Kinder

Kindesmissbrauch in Form häuslicher Gewalt und sexuellem Missbrauch ist ein bedeutendes Problem. Das neue Strafgesetz (2017) beinhaltet einen Abschnitt zu Verbrechen gegen Kinder, darunter erzwungenes Betteln, Vernachlässigung, Herbeiführen einer Abhängigkeit, Benutzen von Kindern für Straftaten oder Pornografie sowie der Handel und Missbrauch von Kindern. Die Regierungsbehörde Family, Child, and Youth Development Authority (FCYDA) berichtet, dass mit der verpflichtenden Meldung von Kindesmissbrauch, die im neuen Strafgesetz festgelegt ist, die gemeldete Zahl von Fällen häuslicher Gewalt gegen Kinder gestiegen ist (USDOS 20.4.2018).

Einige Kinder sind als Folge armutsbedingter Vernachlässigung oder Misshandlungen durch ihre Eltern verwaist oder von zu Hause weggelaufen. Laut den Angaben der Polizei werden Kinder von misshandelnden Eltern in Schutzhäuser gebracht, einige Beobachter meinen allerdings, dass viele Jugendliche wieder zu ihren misshandelnden Eltern gebracht werden (USDOS 20.4.2018).

Manche mongolischen Kinder sind gezwungen, zu betteln, zu stehlen, oder in informellen Wirtschaftssektoren wie als Jockeys bei Pferderennen, im Bergbau, der Vieh- und Weidewirtschaft, im Bauwesen oder als Müllsucher zu arbeiten. Andere Kinder sind auch dem Sexhandel ausgeliefert. Berichte der letzten Jahre legen nahe, dass Touristen aus Japan und Südkorea zum Zwecke sexueller Aktivitäten mit Kindern in die Mongolei reisen würden. Aufgrund der Fehlannahme vieler mongolischer Regierungsbeamter, dass nur Mädchen Opfer von Sexhandel sein können, werden die Artikel 13.1, 12.3, 113 oder 124 des mongolischen Strafgesetzes selten angewendet, um Missbrauchsfälle von Buben zu ahnden. Stattdessen werden Bestimmungen, die geringere Strafen vorsehen, angewandt (USDOS 6.2018).

Sexuelle Ausbeutung von Minderjährigen, darunter Zwangsprostitution, ist problematisch. NGOs berichten, dass Kinderpornografie verbreitet ist. Die Polizei unternimmt Aktivitäten, um ihre Kapazitäten beim Kampf gegen Kinderpornografie zu verbessern, verfügt jedoch nicht über die notwendige technische Expertise. Der Strafrahmen für das Benutzen von Kindern für pornografische Zwecke wurde mit dem neuen Strafgesetzbuch auf acht Jahre Haft (vorher: fünf) erhöht (USDOS 20.4.2018).

Bewegungsfreiheit

Mongolischen Staatsbürgern ist das Reisen innerhalb des Landes und auch ins Ausland gestattet (FH 2018). Bei Reisen in die Grenzregionen sind besondere Genehmigungen der Grenzorgane erforderlich (BMEIA 17.4.2018). Der Zuzug aus den Provinzen nach Ulaanbaatar ist seit Jänner 2017 untersagt. Eine Wohnsitznahme in der Hauptstadt ist nur mehr unter bestimmten Voraussetzungen möglich (u.A. medizinische Langzeitbehandlung oder Besitz von Wohneigentum) (GoGo 10.1.2017; vgl. Montsame 28.12.2017); diese Regelung wird vorläufig bis 1.1.2020 in Kraft bleiben (Montsame 28.12.2017).

Mongolische Staatsangehörige dürfen ohne Genehmigung das Land verlassen, benötigen jedoch einen Reisepass. An den Grenzkontrollstellen findet eine genaue Überprüfung statt, wobei bei mongolischen Staatsangehörigen auch der Personalausweis als weitere Überprüfungsgrundlage herangezogen werden kann (ÖB Peking 12.2017). Einige hundert Personen, darunter auch ausländische Staatsbürger, sind in Folge laufender Ermittlungen oder Verfahren vom Staatsanwalt mit einem Ausreiseverbot belegt. Gemäß des neuen Strafgesetzes, welches im Juli 2017 in Kraft getreten ist, bedarf die Verhängung eines Ausreiseverbotes nun einer richterlichen Genehmigung, um Willkür zu vermeiden (FH 2018).

Das Straßennetz in der Mongolei ist mangelhaft ausgebaut. Obwohl das Land äußerst dünn besiedelt ist, fehlen vielerorts Verkehrswege (GIZ 3.2016; vgl. BMEIA 17.4.2018).

Grundversorgung

Die Mongolei entwickelt sich seit ihrer politischen Wende Anfang der 1990er-Jahre kontinuierlich von einem Agrar- zu einem Rohstoffexportland und die Umstellung der ehemaligen sozialistischen Planwirtschaft auf eine Marktwirtschaft ist inzwischen sehr weit vorangeschritten. Das Steuerrecht entspricht inzwischen internationalen Maßstäben. Seit 2003 ist auch privater Erwerb von Grund und Boden durch mongolische Staatsbürger möglich, nicht aber durch Ausländer (AA 3.2018b).

Die mongolische Wirtschaft bleibt weiterhin stark vom Bergbau abhängig. Auch im Jahr 2017 war der Bergbausektor mit einem Anteil von rund 23% des Bruttoinlandsprodukts die treibende Kraft, obwohl dieser mit einem Minus von 9% gegenüber dem Vorjahr kein Wachstum zu verzeichnen hatte (ÖB Peking 12.2017). Die Mongolei verfügt über einige der weltweit größten Kupfer-, Kohle- und Goldvorkommen sowie von Zink, Uran, Erdöl, seltenen Metallen und Erden, was die Entwicklung von einem Agrar- zu einem Rohstoffexportland förderte (AA 3.2018b).

Das Wachstum der mongolischen Wirtschaft entwickelt sich solide. Nachdem 2015 die niedrigen Rohstoffpreise und die sinkende Nachfrage des größten Handelspartners China zu rückläufigen Exporten führten, erholten sich 2017 die Weltrohstoffpreise und die ausländischen Direktinvestitionen in die Mongolei. Außerdem stieg der private Konsum wieder an, was 2017 zusammen mit Investitionen zu einem deutlich stärkeren Wirtschaftswachstum führte. Nach dem schwachen Jahr 2016 mit einem Wachstum von lediglich 1,2%, betrug dieses 2017 5,1%. 2016 drohte der Mongolei beinahe der Staatsbankrott. Durch Beistandskredite des Internationalen Währungsfonds (IWF), der Weltbank, der Asiatischen Entwicklungsbank (ADB), Japans und Südkoreas für die nächsten drei Jahre konnte eine weitere Verschlechterung der Situation aber verhindert werden (ÖB Peking 12.2017).

Die Staatsverschuldung ist massiv angestiegen. Lag sie 2011 noch bei rund 32% im Verhältnis zum BIP, ist sie bis September 2016 auf 90% gestiegen und hat sich Stand November 2017 auf 73,8 % des BIP verringert. Seit Mitte 2013 hat sich der Kurs der mongolischen Landeswährung gegenüber US-Dollar und Euro erheblich verschlechtert (AA 3.2018b). Die Inflationsrate wurde 2016 auf 0,6 % und 2017 auf 4,6 % geschätzt (CIA 28.8.2018).

Die Arbeitslosenrate lag 2017 bei 8 %, war jedoch erheblich höher unter Jugendlichen (fast 20 %). Der Mindestlohn liegt bei umgerechnet 90 USD im Monat. Es gibt eine gesetzliche 40-Stundenwoche, jedoch arbeiten geschätzte 60 % der mongolischen Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen in der Schattenwirtschaft (v.a. Landwirtschaft, Bergbau). Die Regierung gewährt aber auch diesen ArbeitnehmerInnen Zugang zu grundlegenden Sozial- und Gesundheitsleistungen (ÖB Peking 12.2017).

Laut ADB 2014 lebten 21,6% der Bevölkerung unter der Armutsgrenze. Viele der Nomaden fliehen angesichts klimatischer Bedingungen in die Hauptstadt, wo sie ein Leben in extremer Armut in Slum-Vierteln am Stadtrand (Gher-Viertel) fristen und viele von ihnen arbeitslos sind (ÖB Peking 12.2017).

Das Welternährungsprogramm der UN (WFP) schätzte im Jahr 2015, dass mehr als 20 Prozent der Bevölkerung unterernährt sind (ÖB Peking 12.2017). Die Hauptstadt Ulaanbaatar zählt 1,2 Mio. Einwohner, von denen 60 % in Gher-Bezirken wohnen, in denen es sanitäre Mängel gibt (ÖB Peking 12.2017; vgl. Bertelsmann 2018). Die Luftverschmutzung in Folge der Verwendung minderwertiger Kohle zum Heizen führt vor allem bei Kindern zu Atemwegserkrankungen (ÖB Peking 12.2017).

Die öffentliche Verwaltung stellt die meisten grundlegenden Dienstleistungen im gesamten Land zur Verfügung. Deren Qualität und der Zugang dazu wurden in den frühen 2010er-Jahren deutlich verbessert. Die geringe Bevölkerungsdichte stellt jedoch den Staat vor große Schwierigkeiten beim Erhalt von Infrastruktur und der Verfügbarmachung von Dienstleistungen wie Gesundheit, Sicherheit und Justiz, insbesondere für die etwa ein Viertel der Bevölkerung umfassenden nomadischen Viehhalter (Bertelsmann 2018).

Es besteht ein sozialpartnerschaftliches trilaterales Komitee für Arbeit und soziale Abkommen. Alle zwei Jahre wird der Mindestlohn vom Arbeitsministerium, in Konsultation mit den Sozialpartnern, angepasst. Zuletzt wurde der Mindestlohn am 1. Jänner 2017 um 25 % auf 240.000 Tögrög (MNT), ca. 93 Euro, angehoben. Die Wirtschaftskrise 2016 führte dazu, dass auch gut qualifizierte Personen nur mehr schwer Arbeit finden. Arbeitsrechtliche Vorschriften werden generell eingehalten, jedoch gibt es Berichte über unerlaubt lange Arbeitszeiten im Baugewerbe und dort kommt es aufgrund mangelnder Einhaltung von Sicherheitsvorschriften immer wieder zu tödlichen Unfällen (ÖB 12.2017)

Sozialbeihilfen

1995 verabschiedete die Große Staatsversammlung das Gesetz über das Sozialversicherungssystem. Dazu gehören die Kranken-, Arbeitslosen- und Rentenversicherungen sowie Sozialhilfeleistungen für Behinderte, Waisen und Halbwaisen. Außerdem wurde im Zuge der steigenden Gewinne aus dem Bergbau ein nationaler Bevölkerungsentwicklungsfonds eingerichtet, aus dem u. a. Beihilfen für Studenten bezahlt werden. 2013 wurde das Sozialversicherungsgesetz ergänzt, damit die noch etwa 44 Tsaatan-Familien (Rentierleute), die fernab fester Siedlungen und ohne geregeltes Einkommen leben, von den Leistungen der Sozialversicherung profitieren können (Renten, finanzielle Unterstützung und Sozialhilfebeiträge für Schwangere, Hochbetagte, Menschen mit Behinderungen, vorübergehend Arbeitsunfähige und für Sonderaufgaben) (LIP 7.2018). Gemäß Asian Development Bank (ADB) umfasst das für Sozialleistungen vorgesehene Budget 2,7% des BIP, was deutlich höher ist als in anderen Schwellenländern (durchschnittlich 1,6 % des BIP) (Bertelsmann 2018).

Eine Sozialversicherung, die auch eine Krankenversicherung umfasst, ist für mongolische Bürger verpflichtend und wird von Dienstgebern und Dienstnehm

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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