TE Bvwg Erkenntnis 2020/11/10 L504 2138041-2

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Veröffentlicht am 10.11.2020
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Entscheidungsdatum

10.11.2020

Norm

AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §58 Abs10
B-VG Art133 Abs4

Spruch


L504 2138041-2/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. R. ENGEL als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , XXXX geb., StA. Irak, vertreten durch RA Mag. German Bertsch, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.03.2020, Zl. XXXX

zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß §§ 55, 58 Abs 10 AsylG idgF als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrenshergang

Die beschwerdeführende Partei [bP] brachte gemeinsam mit ihrer Ehegattin beim Bundesamt 3 Monate nach rechtskräftig abgeschlossenem Asylverfahren, einschließlich einer damit einhergehenden Rückkehrentscheidung mit Pflicht zur freiwilligen Ausreise, am 08.08.2019 durch ihren Rechtsfreund einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung gem. § 55 Abs 2 AsylG ein.

Begründet wurde dies im Wesentlichen damit, dass die beschwerdeführende Partei gemeinsam mit ihrer Ehegattin am 22. Juli 2015 jeweils Anträge auf internationalen Schutz gestellt habe. Mit Bescheiden des Bundesamtes von 5. Oktober 2016 seien deren Anträge zur Gänze abgewiesen und eine Rückkehrentscheidung erlassen worden. Gegen diese beiden Entscheidungen sei fristgerecht Beschwerde erhoben worden.

Am 26. März 2019 habe das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit der bP eine mündliche Verhandlung durchgeführt. Am 7. Mai 2019 seien die Beschwerden der Ehegatten als unbegründet abgewiesen worden. Anträge auf Verfahrenshilfe für die außerordentliche Revision seien vom Verwaltungsgerichtshof am 5. Juli 2019 abgelehnt worden.

Es würden allerdings die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 Abs. 2 Asylgesetz vorliegen. Die beschwerdeführende Partei und ihre Ehegattin würden sich seit fast vier Jahren in Österreich befinden. Sie seien verheiratet und unbescholten. In dieser Zeit hätten sich beide Antragsteller bestens integriert.

Die beschwerdeführende Partei habe vom 3. März 2017 bis 12. Mai 2017 einen Deutschkurs auf Niveau A1.1 sowie vom 22. Mai 2017 bis 4. August 2017 und von 28. August 2017 bis 27. Oktober 2017 einen Deutschkurs auf dem Niveau 1.2 absolviert. Seit Februar 2017 beschäftige sich die beschwerdeführende Partei bei der offenen Jugendarbeit XXXX , insbesondere beim dortigen Projekt XXXX . In diesem Zusammenhang habe sie auch an einem zweitägigen Seminar teilgenommen. Sie habe vom 19. Oktober 2017 bis 21. Dezember 2017 ehrenamtlich einen Computerkurs für arabisch sprechende Teilnehmer abgehalten. Weiters sei sie für die Gemeinde ehrenamtlich als privater Helfer, als Ansprechperson zur Koordination arabisch sprechender Helfer sowie im Bauhof über 40 Stunden eingesetzt. Beschwerdeführende Partei sei auch seit ca. zwei Jahren für den XXXX ehrenamtlich tätig. Von Dezember 2018 bis Jänner 2019 sei sie bei der Theaterproduktion des Theatervereins unterstützend tätig gewesen. Dazu sei sie zusätzlich Elternlotse und im Besitz eines Dienstausweises für Schulweg-Polizeiorgane. Hinzu komme, dass die beschwerdeführende Partei seit Geburt an keine rechte Niere habe. Die beschwerdeführende Partei sei somit so wie auch seine Ehegattin bestens in das soziale Gemeindeleben integriert. Diesbezüglich würden zahlreiche Unterstützungsschreiben sowie Bestätigungsschreiben vorliegen. Der Lebensmittelpunkt sei in Österreich. (AS 63ff)

Mit Schreiben vom 16. Oktober 2019 erteilte das Bundesamt einen Verbesserungsauftrag. Der beschwerdeführenden Partei wurde aufgetragen den gültigen Reisepass im Original, Geburtsurkunde mit beglaubigter Übersetzung im Original sowie Nachweis über ortsübliche Unterkunft vorzulegen. Dies binnen einer Frist von vier Wochen. Mit anwaltlichem Schreiben vom 14. November 2019 erfolgte eine Urkundenvorlage und zugleich Antrag auf Fristerstreckung. Vorgelegt wurden demnach der Reisepass in Kopie, Heiratsurkunde samt beglaubigte Übersetzung in Kopie, Auszug aus dem Personenstandsregister samt beglaubigte Übersetzung, Bestätigung der Caritas über die Unterkunft.

Da sich die genannten Urkunden alle beim Rechtsvertreter befinden würden, sei eine Vorlage im Original binnen vierwöchige Frist nicht mehr möglich.

Mit Schreiben vom 2. Jänner 2020 erging seitens der Behörde eine Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme an die vertretene beschwerdeführende Partei mit dem Auftrag dazu binnen einer Frist von zwei Wochen eine schriftliche Stellungnahme abzugeben.

Die Behörde teilte darin im Wesentlichen mit, dass der Antrag auf internationalen Schutz vom Bundesamt abgewiesen wurde und eine Rückkehrentscheidung samt Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen gewährt worden sei. Nach Durchführung einer Beschwerdeverhandlung habe das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 7. Mai 2019 (rechtskräftig am 8. Mai 2019) die Beschwerde in allen Spruchpunkten abgewiesen. Die beschwerdeführende Partei hätte somit bis 22. Mai 2019 aus dem Bundesgebiet ausreisen müssen. Dies habe sie rechtswidrig unterlassen und sei seither nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig. Unter Aufzählungszählung der bisher vorgelegten Bescheinigungsmittel hat das Bundesamt darauf hingewiesen, dass – vorbehaltlich der einlangenden Stellungnahme - beabsichtigt sei den Antrag gemäß § 58 Asylgesetz zurückzuweisen.

Zur Frage, wie sie ihren Lebensunterhalt bestreite, wurde in der folgenden Stellungnahme angegeben, dass sich die beschwerdeführende Partei und auch die Ehegattin in der staatlichen Grundversorgung befinden. Weiters sei die beschwerdeführende Partei über die Caritas Nachbarschaftshilfe für die Gemeinde gemeinnützig tätig und erhalte dabei monatlich zwischen null und € 100.

Zur Frage welche Integrationsschritte sie in den vergangenen Jahren gemacht habe, wurde angegeben, dass die beschwerdeführende Partei und die Ehegattin zahlreiche Integrations-und Deutschkurse absolviert und freiwillige Arbeit geleistet hätten. Darüber hinaus habe die beschwerdeführende Partei auch einen Computerkurs absolviert. Die Ehegattin sei bei der Institution für Jugendarbeit für den Pflichtschulabschlusskurs Albatros angemeldet und habe bereits einen Platz auf der Warteliste für die Pflichtschule. Sobald ein Platz für die Pflichtschule frei werde, könne die Ehegattin den Unterricht besuchen und die Pflichtschule absolvieren. Des weiteren besuche die Ehegattin derzeit einen B1.1 Sprachkurs. Auch die beschwerdeführende Partei habe sich bereits für die A2. Sprachprüfung sowie einen anschließenden B1 Sprachkurs angemeldet.

Zur Frage was sich seit der negativen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtshofes privat und beruflich verändert habe, wurde angegeben, dass beide Antragsteller sich nach wie vor in der Grundversorgung befinden und teilweise Nachbarschaftshilfe leisten würden. Die beschwerdeführende Partei Versuche Arbeit zu finden, könne doch keiner Beschäftigungmangel seiner Arbeitsbewilligung nachgehen. Sie habe diesbezüglich bereits beim AMS nachgefragt.

Zur Frage ob sie noch Verwandte im Heimatland hätte, wurde angegeben, dass die beschwerdeführende Partei im Irak noch den Vater, Mutter und einen kleinen Bruder sowie drei Schwestern und weitere Verwandte habe, zu welchen jedoch kein Kontakt bestehe.

Die Ehegattin habe im Irak noch ihre Eltern sowie drei Brüder.

Zur Frage ob noch Kontakt zu diesen bestehe wurde angegeben, dass die beschwerdeführende Partei monatlich telefonischen Kontakt mit ihren Eltern habe. Die Ehegattin telefoniere lediglich alle zwei Monate einmal mit ihren Eltern 4 bis 5 Minuten. Zu den übrigen Verwandten bestehe beiderseits kein Kontakt.

Zur Frage wie das Verhältnis zu diesen sei, wurde angegeben, das Verhältnis der beschwerdeführende Partei zu ihren Eltern sei in Ordnung, jedoch bestehe in der elterlichen Wohnung im Irak zu wenig Platz, sodass die beschwerdeführende Partei und die Ehegattin für den Fall einer Rückkehr nicht bei den Eltern unterkommen könnten.

Hinsichtlich Urkunden, wurde eine Bestätigung der Gemeinde über Hilfseinsätze betreffend der beschwerdeführende Partei samt Stundenzettel, Bestätigung über einen Warteplatz für die Ehegattin vom 20. Jänner 2020, Bestätigung über die Teilnahme am B1.1 Sprachkurs betreffend der Ehegattin, Bestätigung der Caritas betreffend bezogene Leistungen für die beschwerdeführende Partei und die Ehegattin vorgelegt.

Mit dem hier angefochtenen Bescheid vom 24.03.2020 hat das Bundesamt den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Artikel 8 EMRK gemäß § 58 Abs. 10 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, gem. § 55 Abs 2 AsylG als unzulässig zurückgewiesen.

Das Bundesamt hat auch den Antrag der Ehegattin als unzulässig zurückgewiesen

Die Behörde begründete die Entscheidung im Wesentlichen damit, dass seit der rk. Erlassung der Rückkehrentscheidung durch das Bundesverwaltungsgericht mit 08.05.2019 nur ein sehr kurzer Zeitraum, nämlich ca. 10 Monate vergangen sei und sich während des seit dieser Entscheidung rechtswidrigen Aufenthaltes unter Nichtbefolgung der Ausreiseverpflichtung kein wesentlich geänderter Sachverhalt hinsichtlich des Privat- und Familienlebens in Österreich ergeben hätte, der für die bP sprechen würde und eine ergänzende oder neue Abwägung gem. Art 8 EMRK erforderlich machen würde. Aus dem Antragsvorbringen gehe somit kein maßgeblich geänderter Sachverhalt hervor und sei somit der Antrag gem § 58 Abs 10 AsylG als unzulässig zurückzuweisen.

Dagegen hat die bP durch ihren Rechtsfreund Beschwerde erhoben. Entgegen der Ansicht der Behörde hätten sich die Lebensumstände sehr wohl wesentlich geändert. Eine Aufenthaltsdauer von 5 Jahren stelle eine wesentliche Grenze für die Beurteilung dar und hätte die belangte Behörde sich schon angesichts der bevorstehenden Dauer von 5 Jahren mit den weiteren Integrationsleistungen inhaltlich auseinander setzen müssen. Die bP sei nach wie vor bemüht Arbeit zu erlangen, sei nach wie vor in der Nachbarschaftshilfe und für die Gemeinde gemeinnützig tätig. Lediglich auf Grund der fehlenden Aufenthaltsberechtigung sei bisher kein richtiges Beschäftigungsverhältnis zustande gekommen. Sie bemühe sich dessen ungeachtet die Sprachkenntnisse zu erweitern und könne nur wegen der Corona-Krise eine Sprachprüfung nicht ablegen. Es lägen somit genügend neue Gründe vor, um sich mit dem Vorbringen neuerlich inhaltlich auseinanderzusetzen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Das BVwG hat durch den Inhalt des übermittelten Verwaltungsaktes der belangten Behörde, einschließlich der Beschwerde Beweis erhoben.

1. Feststellungen (Sachverhalt)

Die Identität steht fest. Die bP ist irakische Staatsangehörige. Sie stellte mit ihrer Ehegattin am 22.07.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Das BVwG hat mit Erkenntnis vom 07.05.2019, nach Durchführung einer Verhandlung, den Antrag auf internationalen Schutz abgewiesen und eine rk. Rückkehrentscheidung mit einer 14tägigen Frist zur freiwilligen Ausreise verfügt. Das VwG hat dabei unter Berücksichtigung des bis dahin hervorgekommen Sachverhaltes betreffend Privat- und Familienleben in der Begründung samt Abwägung ausgeführt, dass die öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung die privaten Interessen an einem Verbleib überwiegen und eine Aufenthaltsbeendigung zwingend notwendig ist.

Im Hinblick auf die Ehegattin hat das BVwG im Rahmen eines Familienverfahrens gleichlautend entschieden.

Die bP hat der auferlegten Ausreiseverpflichtung, so wie ihre Ehegattin, bis dato keine Folge geleistet und hält sich seit der rk. Entscheidung des BVwG (08.05.2019) nicht rechtmäßig im Bundesgebiet auf und hat sie 3 Monate nach Entscheidung durch das BVwG diesen Antrag gestellt. Die Rückkehrentscheidung ist nach wie vor aufrecht.

Das Bundesamt hat bei diesem Antragsverfahren sämtliches Vorbringen (vgl. I.), das die bP zur Begründung dieses Antrages vorbrachte berücksichtigt.

Das Bundesamt hat zu Recht festgestellt, dass für den Zeitraum seit der rechtskräftigen Erlassung der Rückkehrentscheidung durch das BVwG am 08.05.2019 bis zur Entscheidung der belangten Behörde (26.03.2020) kein geänderter, relevanter Sachverhalt vorgebracht wurde, der eine ergänzende oder neue Abwägung gem. Art 8 EMRK erforderlich gemacht hätte.

2. Beweiswürdigung

Der Sachverhalt ergibt sich im Wesentlichen unstreitig aus dem Akteninhalt bzw. aus den von der bP gemachten Angaben und vorgelegten Bescheinigungsmitteln. Die Bescheinigungsmittel wurden von der Behörde und dem BVwG nicht in Zweifel gezogen.

3. Rechtliche Beurteilung

Gegenständlich hat die bP durch ihren Rechtsfreund durch Vorlage des Antragsformulares und eines ergänzenden Schriftsatzes einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gem. § 55 Abs 2 AsylG eingebracht.

Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK

§ 55 AsylG

(1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung plus“ zu erteilen, wenn

1.

dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und

2.

der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955) erreicht wird.

(2) Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist eine „Aufenthaltsberechtigung“ zu erteilen.

Gemäß § 58 Abs 13 AsylG begründen Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gem. § 55 AsylG kein Aufenthalts- oder Bleiberecht und steht der Erlassung und Durchführung aufenthaltsbeendender Maßnahmen nicht entgegen.

Gem. § 58 Abs. 10 erster Satz AsylG 2005, wonach Anträge gemäß § 55 AsylG 2005 als unzulässig zurückzuweisen sind, wenn gegen den Antragsteller eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen wurde und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG ein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, nicht hervorgeht.

Die ErläutRV (1803 BlgNR 24. GP 50) legen dazu dar:

"Der neue (Abs. 10) entspricht im Wesentlichen § 44b NAG in der Fassung BGBl. I Nr. 38/2011. Mit der Neuerrichtung des Bundesamtes und der damit einhergehenden Verfahrensvereinfachung und organisatorischen Umstrukturierung ist die Einbindung der zuständigen Sicherheitsdirektion entfallen. Die Beurteilung bzw. Prüfung erfolgt nun durch das Bundesamt. Dementsprechend sind Anträge als unzulässig zurückzuweisen, wenn gegen den Antragsteller eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß § 52 iVm § 53 Abs. 2 oder 3 FPG besteht und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG ein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, nicht hervorgeht. Diese inhaltliche Neubewertung des Sachverhaltes hat sich lediglich auf den Zeitraum zwischen der rechtskräftigen Entscheidung nach dem FPG bis zur Entscheidung des zugrundeliegenden Antrages auf Erteilung des Aufenthaltstitels zu beziehen. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass - im Rahmen einer Neubewertung - wenn ein maßgeblich geänderter Sachverhalt im Sinne des Art. 8 EMRK vorliegt, ein Aufenthaltstitel zu erteilen sein wird."

§ 9 Abs 2 BFA-VG

Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1.         die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2.         das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3.         die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4.         der Grad der Integration,
5.         die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6.         die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7.         Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8.         die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9.         die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

Die Zurückweisung nach § 58 Abs. 10 AsylG 2005 ist jener wegen entschiedener Sache nachgebildet, sodass die diesbezüglichen (zu § 68 Abs. 1 AVG entwickelten) Grundsätze herangezogen werden können. Demnach ist eine Sachverhaltsänderung dann wesentlich, wenn sie für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen den Schluss zulässt, dass eine andere Beurteilung nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann bzw. eine andere Entscheidung zumindest möglich ist. Die Behörde hat daher eine Prognose anzustellen, in deren Rahmen die Wesentlichkeit der Sachverhaltsänderung nach jener Wertung zu beurteilen ist, die das geänderte Sachverhaltselement seinerzeit erfahren hat. Dabei sind die nach Art. 8 MRK relevanten Umstände einzubeziehen, indem zu beurteilen ist, ob es als ausgeschlossen gelten kann, dass im Hinblick auf früher maßgebliche Erwägungen nun eine andere Beurteilung geboten sein könnte (vgl. VwGH 3.10.2013, 2012/22/0068).

Bei einer kurzen Zeitspanne von bis etwa zwei Jahren kann trotz verbesserter Sprachkenntnisse und Einstellungszusagen eine maßgebliche Sachverhaltsänderung verneint werden (vgl. VwGH 27.1.2015, Ra 2014/22/0094).

Bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 58 Abs. 10 AsylG 2005 hat eine Interessenabwägung iSd Art. 8 MRK zu unterbleiben; das VwG hat bloß die Richtigkeit der in erster Instanz ausgesprochenen Zurückweisung zu prüfen (vgl. VwGH 2013/22/0362).

Ein maßgeblich geänderter Sachverhalt, der einer Antragszurückweisung nach § 58 Abs. 10 AsylG 2005 entgegen steht, liegt schon dann vor, wenn die geltend gemachten Umstände nicht von vornherein eine zu Gunsten des Fremden vorzunehmende neue Beurteilung aus dem Blickwinkel des Art. 8 MRK als ausgeschlossen erscheinen lassen (vgl. VwGH 19.9.2019, 2019/21/0173).

Maßgeblich für die Prüfung sind jene Umstände, die bis zum erstinstanzlichen Zurückweisungsbescheid eingetreten sind (vgl. VwGH 10.12.2013, 2013/22/0362). Das BVwG hat hier nur zu prüfen, ob das Bundesamt zu Recht den Antrag zurückgewiesen hat.

Fallbezogen ergibt sich daraus Folgendes:

Mit Erkenntnis des BVwG vom 07.05.2019 wurde die Rückkehrentscheidung mit Zustellung am 08.05.2019 rechtskräftig und ist nach wie vor aufrecht. Die bP stellten gegenständlichen Antrag 3 Monate nach Erlassung der Rückehrentscheidung am 08.08.2019 und entschied das Bundesamt darüber am 24.03.2020, zugestellt am 26.03.2020.

Maßgeblicher Prüfungszeitraum hinsichtlich allfällig geänderter Umstände in Bezug auf das Privat- und Familienleben in Österreich ist somit von 08.05.2019 bis zur Erlassung des Zurückweisungsbescheides vom Bundesamt am 24.03.2020.

Die bP brachte zur Frage, was sich seit der rk. Rückkehrentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts privat und beruflich verändert habe, in der Stellungnahme (AS 169) vor, dass sie sich nach wie vor in der Grundversorgung befinde und teilweise Nachbarschaftshilfe leisten würde. Die beschwerdeführende Partei versuche Arbeit zu finden, könne doch keiner Beschäftigung mangels einer Arbeitsbewilligung nachgehen. Sie habe diesbezüglich bereits beim AMS nachgefragt. Weiters ergibt sich aus der Stellungnahme, dass die bP ihrer Ansicht nach weiterhin gut integriert sei und sich um Verbesserung derselben bemühe.

Das Bundesamt erachtete zutreffend auf Grund dieser vorgebrachten Fakten und dem kurzen Zeitraum seit der Erlassung der noch immer aufrechten Rückkehrentscheidung sowie unter Berücksichtigung, dass die bP der gesetzlichen Ausreiseverpflichtung nach wie vor nicht nachgekommen ist und sich seither nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, dass hier zu Gunsten der bP kein geänderter Sachverhalt vorliegt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gem. Art 8 EMRK erforderlich machen müsste. So hat der Verwaltungsgerichtshof etwa erkannt, dass bei einer kurzen Zeitspanne von bis etwa zwei Jahren trotz verbesserter Sprachkenntnisse und Einstellungszusagen eine maßgebliche Sachverhaltsänderung zu verneinen ist (vgl. VwGH 27.1.2015, Ra 2014/22/0094).

Aus dem Vorbringen der bP im Verfahren vor dem Bundesamt und in der Beschwerde ergibt sich kein Sachverhalt, der darauf hindeuten würde, dass die Behörde zu Unrecht den Antrag zurückgewiesen hätte.

Es war somit die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Absehen von einer mündlichen Beschwerdeverhandlung

Gemäß § 21 Abs 7 BFA-VG konnte eine mündliche Verhandlung vor dem BVwG unterbleiben, weil der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erschien. Das BVwG hat die von der bP zur Integration vorgelegten Bescheinigungsmittel und Angaben nicht in Zweifel gezogen und so der rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt.

Da es sich der Aktenlage nach bei Deutsch um eine der bP verständliche Sprache handelt, bedurfte es keiner Übersetzung von Spruch und Rechtmittelbelehrung

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung, weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK aufrechte Rückkehrentscheidung Ausreiseverpflichtung Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:L504.2138041.2.00

Im RIS seit

01.03.2021

Zuletzt aktualisiert am

01.03.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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