TE Bvwg Erkenntnis 2020/11/12 W235 2233437-1

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Veröffentlicht am 12.11.2020
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Entscheidungsdatum

12.11.2020

Norm

AsylG 2005 §5
B-VG Art133 Abs4
FPG §61

Spruch

W235 2233433-1/11E

W235 2233437-1/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Maga. Sabine MEHLGARTEN-LINTNER als Einzelrichterin über die Beschwerde von 1. XXXX , geb. XXXX und 2. XXXX , geb. XXXX , beide StA. Iran, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.07.2020, Zl. 1263217710-200283170 (ad 1.) und Zl. 1263219802-200283153 (ad 2.) zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 5 AsylG und gemäß § 61 FPG als unbegründet abgewiesen.

B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1.1. Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin sind ein Ehepaar und Staatsangehörige des Iran. Nach gemeinsamer Einreise in das österreichische Bundesgebiet stellten beide Beschwerdeführer am 12.03.2020 die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz.

Ein Abgleich im VIS System des Bundesministeriums für Inneres hat ergeben, dass beiden Beschwerdeführern von der italienischen Botschaft in Teheran am XXXX .01.2020 Schengen-Visa für 13 Tage im Zeitraum XXXX .02.2020 bis XXXX .03.2020 erteilt worden waren.

1.2. Am Tag der Antragstellung wurden beide Beschwerdeführer einer Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes unterzogen, wobei sie zunächst angaben, über keine Familienangehörigen in Österreich zu verfügen. Übereinstimmend gaben die Beschwerdeführer weiters an, dass sie gemeinsam am XXXX .02.2020 mit Visa, die der Schlepper über die italienische Botschaft organisiert habe, mit ihren eigenen Reisepässen von Teheran nach Mailand geflogen seien. Persönlich seien sie nicht in der italienischen Botschaft gewesen und seien ihnen ihre Reisepässe in Österreich von einem Schlepper abgenommen worden. Von Mailand aus seien sie direkt mit dem Zug nach Wien gefahren, wo sie am XXXX .03.2020 angekommen seien.

In seiner eigenen Erstbefragung gab der Erstbeschwerdeführer an, dass er gesund sei und sich nicht krank fühle. In Italien hätten sie sich einen Tag aufgehalten und hätten keinen Kontakt zu Behörden oder der Polizei gehabt. Sie seien nur durchgereist.

Die Zweitbeschwerdeführerin brachte darüber hinaus vor, dass bei ihr im Sommer 2019 Gebärmutterhalskrebs diagnostiziert worden sei. Sonst habe sie keine Krankheit und habe auch kein Fieber. Sie sei nicht schwanger. Über Italien könne sie keine Angaben machen.

Den Beschwerdeführern wurde weiters am 12.03.2020 eine Mitteilung gemäß § 28 Abs. 2 AsylG ausgehändigt, mit der ihnen zur Kenntnis gebracht wurde, dass aufgrund von Konsultationen mit Italien die in § 28 Abs. 2 AsylG definierte 20-Tages-Frist für Verfahrenszulassungen nicht mehr gilt. Diese Verfahrensanordnungen wurden beiden Beschwerdeführern am selben Tag übergeben und von ihnen unterfertigt.

1.3. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl richtete am 16.03.2020 auf Art. 12 Abs. 4 der Verordnung (EU) 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (= Dublin III-VO) gestützte Aufnahmegesuche an Italien.

Mit Schreiben vom 19.05.2020 teilte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der italienischen Dublinbehörde mit, dass die Zuständigkeit im Fall der Beschwerdeführer wegen Unterlassung einer fristgerechten Antwort auf das österreichische Aufnahmegesuch auf Italien übergegangen ist.

Mit Verfahrensanordnungen gemäß § 29 Abs. 3 AsylG wurde den Beschwerdeführern gemäß § 29 Abs. 3 Z 4 AsylG mitgeteilt, dass beabsichtigt ist, ihre Anträge auf internationalen Schutz zurückzuweisen, da eine Zuständigkeit des Dublinstaates Italien angenommen wird. Diese Verfahrensanordnung wurde dem Erstbeschwerdeführer am 16.06.2020 und der Zweitbeschwerdeführerin am 17.06.2020 nachweislich zugestellt.

1.4. Am 01.07.2020 wurden beide Beschwerdeführer nach erfolgter Rechtsberatung in Anwesenheit einer Rechtsberaterin im Zulassungsverfahren und unter Beiziehung eines geeigneten Dolmetschers für die Sprache Farsi vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einvernommen.

Eingangs seiner eigenen Einvernahme gab der Erstbeschwerdeführer an, dass er sich psychisch und physisch in der Lage fühle, Angaben zu seinem Asylverfahren zu machen. Beweismittel könne er nicht vorlegen. In Österreich habe er nur die Zweitbeschwerdeführerin als Angehörige. Zur beabsichtigten Vorgehensweise des Bundesamtes, ihn nach Italien auszuweisen, brachte der Erstbeschwerdeführer vor, dass er drei bis vier Monate im Iran auf der Flucht gewesen sei und er „es“ sich nicht habe aussuchen können. Daher sei er ungewollt nach Italien gekommen. Zu den vorab zur Kenntnis gebrachten Länderfeststellungen des Bundesamtes zu Italien gab der Erstbeschwerdeführer an, dass in Italien keine Menschenrechte existieren würden. Die Zweitbeschwerdeführerin sei krank und der Erstbeschwerdeführer wisse nicht, ob sie dort behandelt werden könne oder nicht. Er sei aus politischen und religiösen Gründen aus dem Iran geflohen und es könne sein, dass Italien ihn wieder in den Iran zurückschiebe. Im Iran habe der Erstbeschwerdeführer Medikamente genommen, weil es ihm psychisch nicht gut gegangen sei. Jetzt gehe es ihm gut, aber wenn der Druck wieder mehr werde, könne es sein, dass er wieder Medikamente nehmen müsse. Für den Fall einer negativen Entscheidung werde er zurück nach Italien gehen, wenn der Gesetzgeber das sage. Der Erstbeschwerdeführer sei kein Mensch, der Gesetze breche. Österreich sei nicht sein Zielland gewesen; er habe eigentlich nach Deutschland oder in die Niederlande gewollt, aber dann sei die Corona-Krise gekommen.

Die Zweitbeschwerdeführerin brachte in ihrer eigenen Einvernahme vor, dass sie seit ca. eineinhalb Jahren krank und in Behandlung sei. Im Iran sei festgestellt worden, dass sie im Unterleib einen Tumor habe. Die Mediziner hätten gesagt, sie solle mehr Untersuchungen machen, aber da sich die Lage im Iran geändert habe und sie auf der Flucht gewesen seien, habe sie sich nicht mehr behandeln lassen können. Nach drei Wochen Aufenthalt in Österreich sei sie zum Arzt gegangen, weil sie nicht gewusst habe, dass es so einfach sei, sich hier behandeln zu lassen. Der Arzt habe die Zweitbeschwerdeführerin zum Frauenarzt geschickt, bei dem sie vor zehn Tagen einen Termin gehabt habe. Dort habe man ihr gesagt, dass die Krankheit nicht tödlich sei und auch behandelt werden könne. Allerdings werde die Zweitbeschwerdeführerin ihr Leben lang Schmerzen haben. An Medikamenten seien ihr Schmerzmittel verschrieben worden, die sie nehmen solle, falls sie Schmerzen bekomme. Beweismittel könne sie nicht vorlegen und habe auch ihre Befunde noch nicht abgeholt. Abgesehen vom Erstbeschwerdeführer habe sie in Österreich keine Angehörigen. Zur beabsichtigten Vorgehensweise des Bundesamtes, sie nach Italien auszuweisen, brachte die Zweitbeschwerdeführerin vor, dass sie weder Österreich noch Italien als Fluchtland gewählt hätten. Sie seien zufällig nach Italien und dann nach Österreich gelangt. Sie glaube nicht, dass sie in Italien auch so gut medizinisch und menschlich betreut werden würde. Im Internet habe sie recherchiert und festgestellt, dass es Abkommen zwischen den iranischen und den italienischen Behörden gebe. Auch würden „sie“ iranische Flüchtlinge in den Iran zurückschieben und dem Geheimdienst übergeben. Die Zweitbeschwerdeführerin glaube, dass es in Österreich sicherer sei als in Italien. Zu den vorab zur Kenntnis gebrachten Länderfeststellungen des Bundesamtes zu Italien gab die Zweitbeschwerdeführerin an, dass die Behandlung und Betreuung von Flüchtlingen in Italien sehr schlecht sei. Das habe sie im Internet gelesen. Die Zweitbeschwerdeführerin mache sich große Sorgen wegen der Sicherheit in Italien. Der Schlepper, der sie nach Italien gebracht habe, habe gesagt, dass sie nicht dort bleiben müssten.

Die während der gesamten Einvernahme anwesende Rechtsberaterin hatte weder an den Erst- noch an die Zweitbeschwerdeführerin Fragen.

Am 08.07.2020 langte ohne bezughabendes Vorbringen beim Bundesamt ein Befund von „ XXXX “ vom XXXX .06.2020 betreffend die Zweitbeschwerdeführerin ein, dem als Ergebnis einer Sonographie des Unterbauches eine zystische Struktur im Bereich der Ovarialloge (= Eierstockzyste) zu entnehmen ist und ein gynäkologisches Konsil indiziert wird.

2. Mit den angefochtenen Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurden die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Italien gemäß Art. 12 Abs. 4 iVm Art. 22 Abs. 7 Dublin III-VO für die Prüfung dieser Anträge zuständig ist (Spruchpunkte I.). Unter den jeweiligen Spruchpunkten II. der angefochtenen Bescheide wurde gegen die Beschwerdeführer die Außerlandesbringung gemäß § 61 Abs. 1 Z 1 FPG angeordnet und festgestellt, dass demzufolge gemäß § 61 Abs. 2 FPG ihre Abschiebung nach Italien zulässig ist.

Begründend wurde betreffend beide Beschwerdeführer zunächst ausgeführt, dass nicht festgestellt werden könne, dass in den Fällen der Beschwerdeführer schwere psychische Störungen und/oder schwere oder ansteckende Krankheiten bestünden. Hinsichtlich der Zweitbeschwerdeführerin wurde festgestellt, dass sie laut ihren Angaben seit eineinhalb Jahren an einem Tumor im Unterleib leide. Dem Röntgenbefund vom XXXX .06.2020 sei zu entnehmen, dass bei ihr eine zystische Struktur im Bereich der Ovarialloge festgestellt worden sei. Sonstige Befunde habe sie nicht vorgelegt. Die Zweitbeschwerdeführerin sei 33 Jahre alt und nicht immungeschwächt. Der Erstbeschwerdeführer sei 46 Jahre alt und nicht immungeschwächt. Ferner wurde betreffend beide Beschwerdeführer festgestellt, dass die Einreise der Beschwerdeführer in das Gebiet der Europäischen Union vom Iran kommend unter Verwendung eines italienischen Visums, gültig von XXXX .02.2020 bis XXXX .03.2020 erfolgt sei. Die Zuständigkeit Italiens sei seit dem Abschluss des Konsultationsverfahrens gemäß der Dublin III-VO gegeben und sei Italien mit einem gesonderten Schreiben auf diesen Umstand hingewiesen worden. Es liege ein Familienverfahren vor. Es könne nicht festgestellt werden, dass eine besondere Integrationsverfestigung der Beschwerdeführer in Österreich bestehe. Auch könne nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführer in Italien systematischen Misshandlungen bzw. Verfolgungen ausgesetzt wären oder diese dort zu erwarten hätten. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl traf in den angefochtenen Bescheiden Feststellungen zum italienischen Asylverfahren, einschließlich der Lage von Dublin-Rückkehrern in Italien sowie zur Situation aufgrund der COVID-19-Pandemie.

Beweiswürdigend führte das Bundesamt im Wesentlichen aus, dass sich die Feststellung zum Vorliegen der zystischen Struktur im Bereich der Ovarialloge bei der Zweitbeschwerdeführerin aus dem Röntgenbefund vom XXXX .06.2020 ergeben habe. Unter Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen hätten sich bei beiden Beschwerdeführern keine Hinweise auf eine schwere körperliche Krankheit oder auf eine schwere psychische Störung ergeben. Die Feststellungen zur COVID-19-Pandemie hätten sich aus dem Amtswissen ergeben. Beide Beschwerdeführer würden nicht unter die Risikogruppen der älteren Personen, der Personen mit Vorerkrankungen oder der Personen mit sonstigen Risikofaktoren fallen. Die Feststellung, dass die Beschwerdeführer in Besitz italienischer Visa, gültig von XXXX .02.2020 bis XXXX .03.2020, seien, ergebe sich aus der VIS-Abfrage und aus den Angaben der Beschwerdeführer im Verfahren. Die Feststellungen zum Konsultationsverfahren und zum zuständigkeitsbegründenden Sachverhalt würden sich aus den unbedenklichen Akteninhalten ergeben. Die Feststellungen zum Privat- und Familienleben seien aufgrund der nicht anzuzweifelnden Angaben der Beschwerdeführer getroffen worden. Dass offenbar keine besondere Integrationsverfestigung der Beschwerdeführer vorliege, ergebe sich schon aus der Kürze des bisherigen Aufenthalts in Österreich. Die Feststellungen zu Italien würden auf einer Zusammenstellung der Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl basieren. Aus den Angaben der Beschwerdeführer seien keine stichhaltigen Gründe für die Annahme glaubhaft gemacht worden, dass sie tatsächlich Gefahr liefen, in Italien einer Art. 3 EMRK-widrigen Behandlung unterworfen zu werden. Ferner habe sich aus den Angaben der Zweitbeschwerdeführerin auch kein Hinweis darauf ergeben, dass ihr in Italien in einer der EMRK widersprechenden Weise eine erforderliche medizinische Versorgung vorenthalten werden könnte. Es könne nicht erkannt werden, dass den Beschwerdeführern der Zugang zum Asylverfahren in Italien verweigert werden würde. Eine Schutzverweigerung in Italien könne daher auch nicht erwartet werden.

In rechtlicher Hinsicht folgerte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu den Spruchpunkten I. der angefochtenen Bescheide, dass sich aus dem Vorbringen der Beschwerdeführer und aus dem amtswegigen Ermittlungsverfahren ergeben habe, dass Art. 12 Abs. 4 Dublin III-VO formell erfüllt sei. Im vorliegenden Fall handle es sich um ein Familienverfahren und habe sich für beide Beschwerdeführer dieselbe Ausweisungsentscheidung ergeben. Daher stelle diese keinen Eingriff in das in Art. 8 EMRK gewährleistete Recht auf Familienleben dar. Die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet vermöge kein im Sinne des Art. 8 EMRK relevantes Recht auf Achtung des Privatlebens zu begründen. Es sei daher davon auszugehen, dass die Anordnung zur Außerlandesbringung nicht zu einer Verletzung von Art. 8 EMRK bzw. von Art. 7 GRC führe und die Zurückweisungsentscheidung daher unter diesem Aspekt zulässig sei. Italien sei bereit, die Beschwerdeführer einreisen zu lassen und ihre Anträge auf internationalen Schutz zu prüfen bzw. die sonstigen, Italien treffenden Verpflichtungen den Beschwerdeführern gegenüber zu erfüllen. Weiters sei festzuhalten, dass in Italien als Mitgliedstaat der Europäischen Union mit hinreichender Wahrscheinlichkeit die Gefahr einer Verletzung der EMRK im gegenständlichen Zusammenhang nicht eintreten werde. Ein im besonderen Maße substanziiertes, glaubhaftes Vorbringen betreffend das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände, die die Gefahr einer relevanten Verletzung der Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK im Fall einer Überstellung ernstlich möglich erscheinen ließen, sei in den Verfahren nicht hervorgekommen. Die Regelvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG treffe daher zu. Im Bescheid betreffend die Zweitbeschwerdeführerin wurde unter Verweis bzw. Zitierung der wesentlichen Judikatur zur Überstellungszulässigkeit nach Italien im Hinblick auf den psychischen und physischen Zustand der Zweitbeschwerdeführerin ausgeführt, dass sie sich nicht in einem lebensbedrohenden Zustand befinde und darüber hinaus in Italien Behandlungsmöglichkeiten gegeben seien. Daher würde die Überstellung der Zweitbeschwerdeführerin nach Italien keine Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte darstellen. Zu den jeweiligen Spruchpunkten II. der angefochtenen Bescheide wurde ausgeführt, dass die gegenständliche Zurückweisungsentscheidung gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG mit einer Anordnung zur Außerlandesbringung zu verbinden sei. Eine Anordnung zur Außerlandesbringung habe gemäß § 61 Abs. 2 FPG zur Folge, dass die Abschiebung in den Zielstaat zulässig sei.

3. Gegen diese Bescheide erhoben die Beschwerdeführer im Wege ihrer damals ausgewiesenen Vertretung fristgerecht Beschwerde aus den Gründen der unrichtigen Beweiswürdigung, Tatsachenfeststellung sowie rechtlichen Beurteilung und regten an, von Amtswegen die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Begründend wurde im Wesentlichen und zusammengefasst ausgeführt, dass die Beschwerdeführer nicht nach Italien zurückwollen würden, da die Zweitbeschwerdeführerin an einer schweren Erkrankung leide und die Lebensbedingungen für die Beschwerdeführer in Italien schlecht gewesen seien. Unter Anführung bzw. Verweis auf diverse Berichte wurde zur Situation in Italien ausgeführt, dass Asylwerber rechtlich gesehen umgehend nach Antragstellung Anspruch auf Versorgung hätten, was jedoch in der Praxis oft erst nach der förmlichen Registrierung gewährt werde. Daher würden schon zu Beginn des Asylverfahrens viele Asylwerber nicht in einer Unterkunft aufgenommen werden. Ärzte ohne Grenzen habe im Feber 2018 berichtet, dass mindestens 10.000 Personen von Quartieren ausgeschlossen seien. Auch Dublin-Rückkehrer seien mit erheblichen Problemen konfrontiert, da es in vielen Fällen aufgrund mangelnder freier Plätze zu lange dauere, bis ein freier Platz gefunden werde. Ärzte ohne Grenzen habe berichtet, dass es 2017 in Rom zu einer Zunahme von Dublin-Rückkehrern unter obdachlosen Migranten gekommen sei. In der Folge wurde die Unterbringung in Italien – unter Erwähnung der SPRAR-Einrichtungen und der CAS-Strukturen – kritisiert. Ferner sei auch der Zugang zu medizinischen Leistungen mangelhaft. Auch beim Recht auf medizinische Hilfe, die ein Asylwerber mit der Registrierung seines Antrags erhalte, könne es zu erheblichen Verzögerungen kommen. Insgesamt könne festgestellt werden, dass die Situation der Flüchtlinge in Italien im Allgemeinen nicht den Standards genüge, die das EU-Recht vorschreibe. Daher hätte Österreich von seinem Selbsteintrittsrecht Gebrauch machen müssen.

Neben der Vollmacht für die einschreitende Rechtsberaterorganisation und dem bereits vorgelegten Röntgenbefund vom XXXX .06.2020 wurden der Beschwerde ohne weiteres Vorbringen nachstehende Unterlagen beigelegt:

?        Klientenkarte der Zweitbeschwerdeführerin vom XXXX .03.2020 mit einer Überweisung an ein MRT-Institut;

?        MR-Zuweisung an einen Facharzt für Radiologie betreffend die Zweitbeschwerdeführerin vom XXXX .07.2020 mit der Abgrenzung „Unterbauch“ und

?        zwei unleserliche Seiten, auf denen lediglich schwarze Streifen zu erkennen sind

4. Mit E-Mail vom 14.09.2020 gab das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dem Bundesverwaltungsgericht bekannt, dass die Beschwerdeführer seit 09.09.2020 unbekannten Aufenthalts seien, da die geplante Dublinüberstellung nach Italien abgebrochen habe werden müssen und die Beschwerdeführer in der Folge nicht in die Unterkunft zurückgekehrt seien. Daher werde das Verfahren ausgesetzt und die Überstellungsfrist verlängere sich auf 18 Monate. Dem E-Mail beigelegt war die diesbezügliche Information an die italienischen Behörden vom 14.09.2020.

5. Am 17.09.2020 wurden durch die nunmehr bevollmächtigte Vertretung der Beschwerdeführer Anträge auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gestellt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zu den Beschwerdeführern:

Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin sind miteinander verheiratet und Staatsangehörige des Iran. Beiden Beschwerdeführern wurden von der italienischen Botschaft in Teheran am XXXX .01.2020 Schengen-Visa für 13 Tage im Zeitraum XXXX .02.2020 bis XXXX .03.2020 erteilt. In Besitz dieser Visa reisten die Beschwerdeführer gemeinsam in das österreichische Bundesgebiet ein und stellten am 12.03.2020 die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz. Festgestellt wird sohin, dass die Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Antragstellung in Österreich in Besitz italienischer Visa waren, die seit weniger als sechs Monaten abgelaufen sind.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl richtete am 16.03.2020 ein auf Art. 12 Abs. 4 Dublin III-VO gestütztes Aufnahmegesuch an Italien. Aufgrund von Verfristung trat die Zuständigkeit Italiens zur Durchführung der Verfahren der Beschwerdeführer ein, was der italienischen Dublinbehörde vom Bundesamt mit Schreiben vom 19.05.2020 mitgeteilt wurde. Ein Sachverhalt, der die Zuständigkeit Italiens wieder beendet hätte, liegt nicht vor. Ferner hat sich die Überstellungsfrist in den gegenständlichen Fällen auf 18 Monate verlängert, da die Beschwerdeführer flüchtig sind. Dieser Umstand wurde der italienischen Dublinbehörde vom Bundesamt mit Schreiben vom 14.09.2020 mitgeteilt.

Konkrete, in den Personen der Beschwerdeführer gelegene Gründe, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung in Italien sprechen, liegen nicht vor. Es kann nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführer im Fall einer Überstellung nach Italien Gefahr liefen, einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe bzw. einer sonstigen konkreten individuellen Gefahr unterworfen zu werden.

Bei der Zweitbeschwerdeführerin wurde eine zystische Struktur im Bereich der Ovarialloge diagnostiziert und sie wurde an einen Facharzt für Radiologie zur Durchführung einer Magnetresonanztomografie verwiesen. Dass sie diese auch tatsächlich durchführen hat lassen bzw. dass sie weitere medizinische Hilfe in Anspruch genommen hat, kann nicht festgestellt werden. Auch eine aktuelle Behandlungsbedürftigkeit wird nicht festgestellt. Der Erstbeschwerdeführer ist gesund. Festgestellt wird sohin, dass die Beschwerdeführer weder an körperlichen noch an psychischen Erkrankungen leiden, die einer Überstellung nach Italien aus gesundheitlichen Gründen entgegenstehen.

Es bestehen keine besonders ausgeprägten privaten, familiäre oder berufliche Bindungen der Beschwerdeführer im österreichischen Bundesgebiet. Festgestellt wird, dass die Beschwerdeführer seit dem 12.09.2020 über keine aktuelle Meldung mehr im Bundesgebiet verfügen.

1.2. Zum italienischen Asylverfahren einschließlich der Situation von Dublin-Rückkehrern in Italien:

Zum italienischen Asylverfahren sowie zur Situation von Dublin-Rückkehrern in Italien wurden in den angefochtenen Bescheiden umfangreiche Feststellungen getroffen, welche von der erkennenden Einzelrichterin des Bundesverwaltungsgerichtes geteilt und auch für gegenständliches Erkenntnis herangezogen werden.

Ungeachtet dessen wird explizit festgestellt:

a). Allgemeines:

In Italien existiert ein rechtsstaatliches Asylverfahren mit gerichtlichen Beschwerdemöglichkeiten. Im Oktober 2018 gab es mit Einführung von Gesetzesdekret Nr. 113 vom 4.10.2018 (in Verbindung mit dem Umwandlungsgesetz Nr. 132 vom 1.12.2018 (auch als „Salvini-Dekret“ bzw. „Salvini-Gesetz“ bekannt) einige legislative Änderungen (AIDA 4.2019).

[…]

Mit Stand 27. September 2019 waren in Italien 49.014 Personen in einem Asylverfahren, davon haben 26.240 Personen ihren Asylantrag im Jahr 2019 gestellt (Mdl 27.9.2019).

Im Jahre 2019 haben die italienischen Asylbehörden bis zum 7. Juni 42.916 Asylentscheidungen getroffen, davon erhielten 4.605 Personen Flüchtlingsstatus, 2.790 subsidiären Schutz, 672 humanitären Schutz, 2.340 waren unauffindbar und 32.304 wurden negativ entschieden (Mdl 7.6.2019). Mit Anfang Oktober 2019 waren in Italien 50.298 Asylanträge anhängig (SN 2.10.2019).

Die Asylverfahren nehmen, inklusive Beschwerdephase, bis zu zwei Jahre in Anspruch (USDOS 13.3.2019).

b). Dublin-Rückkehrer:

Wenn Italien einer Überstellung ausdrücklich zustimmt, wird der Flughafen angegeben, welcher der für das konkrete Asylverfahren zuständigen Quästur am nächsten liegt. Wenn Italien durch Fristablauf zustimmt, landen Rückkehrer üblicherweise auf den Flughäfen Rom-Fiumicino und Mailand-Malpensa. Ihnen wird am Flughafen von der Polizei eine Einladung (verbale di invito) ausgehändigt, der zu entnehmen ist, welche Quästur für ihr Asylverfahren zuständig ist. Mit dieser ist dann ein Termin zu vereinbaren. Die Quästuren sind oft weit von den Ankunftsflughäfen entfernt und die Asylwerber müssen auf eigene Faust und oft auch auf eigene Kosten innerhalb weniger Tage dorthin reisen, was bisweilen problematisch sein kann (AIDA 4.2019).

Die Situation von Dublin-Rückkehrern hängt vom Stand ihres Verfahrens in Italien ab.

1.       Wenn ein Rückkehrer noch keinen Asylantrag in Italien gestellt hat, kann er dies tun, so wie jede andere Person auch. Der Rückkehrer könnte aber auch als illegaler Migrant betrachtet und mit einer Anordnung zur Außerlandesbringung konfrontiert werden. Derartige Fälle wurden 2018 vom Flughafen Mailand Malpensa berichtet (AIDA 4.2019).

2.       Wenn das Verfahren eines Antragstellers suspendiert wurde, weil er sich dem Verfahren vor dem Interview entzogen hat, kann der Rückkehrer binnen 12 Monaten ab Suspendierung einen neuen Interviewtermin beantragen. Sind mehr als 12 Monate vergangen und das Verfahren wurde beendet, kann nur ein Folgeantrag gestellt werden, für den seit Oktober 2018 verschärfte Regelungen gelten (AIDA 4.2019).

3.       Wurde das Verfahren des Antragstellers in der Zwischenzeit negativ entschieden und ihm dies zur Kenntnis gebracht, ohne dass er Beschwerde eingelegt hätte, ist für den Rückkehrer eine Anordnung zur Außerlandesbringung und Schubhaft möglich. Wenn dem Antragsteller die negative Entscheidung nicht zur Kenntnis gebracht werden konnte, gilt diese seit Oktober 2018 nach 20 Tagen als zugestellt und ist für den Rückkehrer eine Anordnung zur Außerlandesbringung und Schubhaft möglich (AIDA 4.2019).

Mit Gesetz 132/2018 wurde der humanitäre Schutzstatus stark überarbeitet und der Zugang zu dieser Schutzform eingeschränkt. Abgelaufene (alte) Aufenthaltstitel aus humanitären Gründen werden nicht erneuert (VB 22.2.2019) und können auch nicht mehr verlängert werden. Sie können jedoch bei rechtzeitiger Antragstellung und Erfüllung der Voraussetzungen in einen anderen Titel umgewandelt werden (Aufenthaltstitel für Arbeit, Familienzusammenführung etc. oder in einen humanitären Titel neuer Rechtslage) (VB 25.2.2019). Ansonsten läuft der Titel ab und der Aufenthalt in Italien ist nicht mehr rechtmäßig (VB 22.2.2019). Wenn Dublin-Rückkehrer im Besitz eines humanitären Aufenthalts waren, der nicht fristgerecht in einen der neuen Aufenthaltstitel umgewandelt wurde, sind sie zum Aufenthalt in Italien nicht mehr berechtigt und damit von der Versorgung ausgeschlossen (SFH 8.5.2019).

c). Non-Refoulement:

Medienberichten zufolge wurden 2018 über 100 auf See aufgelesene Migranten nach Libyen zurückgebracht. Italienische Gerichte haben Überstellungen von afghanischen Asylwerbern in EU-Mitgliedstaaten, in denen Asylverfahren der besagten Afghanen bereits negativ erledigt worden waren, unter Verweis auf ein Ketten-Refoulement nach Afghanistan annulliert (AIDA 4.2019).

Mit Gesetz 132/2018 wurde auch das Prinzip der sicheren Herkunftsstaaten in Italien eingeführt. Da aber bislang keine entsprechende Liste sicherer Herkunftsstaaten beschlossen wurde, wird das Konzept in der Praxis derzeit nicht angewendet (AIDA 4.2019).

Es gibt Berichte über ignorierte Versuche Asyl zu beantragen und kollektive Kettenabschiebungen nach Slowenien und weiter nach Bosnien-Herzegowina (AI 1.3.2019).

d). Versorgung:

Mit der Einführung von Gesetzesdekret Nr. 113 vom 4.10.2018 (in Verbindung mit dem Umwandlungsgesetz Nr. 132 vom 1.12.2018 auch als „Salvini-Dekret“ bzw. „Salvini-Gesetz“ bekannt) gibt es auch weitgehende Änderungen im Unterbringungssystem. Das bisherige System (CARA als Erstaufnahme, SPRAR als kommunal organisierte Unterbringung und Integration für Asylwerber und Schutzberechtigte, CAS als Notmaßnahme für Bootsflüchtlinge) wird völlig neu organisiert und nur noch zwischen einer Erstaufnahme und einer sekundären Versorgungsschiene unterschieden (VB 19.2.2019; vgl. AIDA 4.2019).

Erstaufnahmeeinrichtungen („prima accoglienza“) werden CAS und CARA ersetzen. Zielgruppe dieser Einrichtungen sind Asylwerber (auch in einem Beschwerdeverfahren oder in Dublin-out-Verfahren bis zur Überstellung), ausdrücklich auch Dublin-Rückkehrer (VB 19.2.2019) und Vulnerable (mit Ausnahme von UMA) (SFH 8.5.2019). Fremde, die in Italien bereits einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt haben, werden in jener Region untergebracht, in welcher der Antrag ursprünglich eingebracht wurde. In allen anderen Fällen ist jene Region zuständig, in der sich der Flughafen befindet, an dem der Fremde ankommt. Für diese Erstaufnahmeeinrichtungen wurden seitens des italienischen Innenministeriums neue Ausschreibungsspezifikationen ausgearbeitet, die bereits durch den italienischen Rechnungshof genehmigt und an die Präfekturen übermittelt wurden. Die Ausschreibung und staatliche Verwaltung/Kontrolle der Einrichtungen obliegt nach wie vor den Präfekturen. Seitens des italienischen Innenministers wurde betont, dass die Einhaltung sämtlicher europarechtlicher Bestimmungen (hier insbesondere die Aufnahmerichtlinie 2013/33/EU) unter Wahrung der menschlichen Würde jedenfalls sichergestellt ist. Herkunft, religiöse Überzeugung, Gesundheitszustand, Vulnerabilität sowie die Familieneinheit finden Berücksichtigung. Bei den Kernleistungen (Sozialbetreuung, Information, soziokulturelle Mediation, sanitäre Einrichtungen sowie Startpaket, Taschengeld und Telefonkarte) soll es zu keiner Kürzung oder Streichung kommen. Integrationsmaßnahmen werden im neuen System nur noch Schutzberechtigten zukommen. Bei den Ausschreibungsspezifikationen wird zwischen kollektiven und individuellen (z.B. Selbstversorger) Unterbringungsplätzen unterschieden.

Die Versorgung sieht unter anderem folgende Leistungen vor:

?        Unterbringung, Verpflegung

?        Sozialbetreuung, Information, linguistisch-kulturelle Mediation

?        notwendige Transporte

?        medizinische Betreuung: Erstuntersuchung, ärztliche Betreuung in den Zentren zusätzlich zum allgemeinen Zugang zum nationalen Gesundheitsdienst

?        Hygieneprodukte

?        Wäschedienst oder Waschprodukte

?        Erstpaket (Kleidung, Bettzeug, Telefonkarte)

?        Taschengeld (€ 2,50/Tag/Person bis zu € 7,50/Tag für eine Kernfamilie)

?        Schulbedarf

?        usw.

Nach Auskunft des italienischen Innenministeriums sind Plätze für Familien sowie allein reisende Frauen (mit Kindern) vorgesehen. In den Spezifikationen sind Personalschlüssel, Reinigungsintervalle, Melde- und Aufzeichnungsverpflichtungen des Betreibers in Bezug auf Leistungen an die Bewohner, An-/Abwesenheiten etc. festgelegt. Die Präfekturen sind zu regelmäßigen, unangekündigten Kontrollen berechtigt und verpflichtet (VB 19.2.2019).

Ende 2018 wurden amtliche Ausschreibungsvorgaben für die Unterbringungseinrichtungen veröffentlicht, die die Standards für die Unterbringung im gesamten Land vereinheitlichen sollen. Die Vorgaben garantieren persönliche Hygiene, Taschengeld (Euro 2,50/Tag in der Erstaufnahme) und Euro 5,- für Telefonwertkarten, jedoch keine Integrationsmaßnahmen mehr (Italienisch-Kurse, Orientierungskurse, Berufsausbildungen oder Freizeitaktivitäten). Ebenso eingespart wird psychologische Betreuung, welche nur noch in Hotspots und Schubhaftzentren verfügbar ist. Rechtsberatung und kulturelle Mediation werden reduziert (AIDA 4.2019; vgl. SFH 8.5.2019).

Die sekundären Aufnahmeeinrichtungen (früher SPRAR) heißen ab sofort SIPROIMI („Sistema di protezione per titolari di protezione internazionale e per minori stranieri non accompagnati“ – Schutzsystem für international Schutzberechtigte und unbegleitete minderjährige Fremde). Asylwerber, mit Ausnahme unbegleiteter Minderjähriger, haben dort keinen Zugang mehr (AIDA 4.2019). SIPROIMI stehen nur noch Personen mit internationalem Schutz, unbegleiteten Minderjährigen sowie Personen zur Verfügung, die nach der neuen Rechtslage einen Aufenthaltstitel wegen besonders berücksichtigungswürdiger Umstände haben („neue“ humanitäre Titel). In diesen Einrichtungen werden zusätzlich zu den oben beschrieben Leistungen auch Maßnahmen mit dem Ziel einer umfassenden Integration (Gesellschaft, Arbeitsmarkt, Sprache, etc.) geboten (VB 19.2.2019).

Nur diejenigen asylsuchenden Personen und Inhaber eines humanitären Status, denen vor dem 4. Oktober 2018 ein Platz in einem SPRAR-Zentrum zugesagt wurde, werden noch in einem SPRAR-Zentrum untergebracht (SFH 8.5.2019). Personen mit humanitärem Schutz nach alter Rechtslage, die sich mit Stichtag 05.10.2018 noch in einem SPRAR/SIPROIMI befanden, können dort für den vorgesehenen Zeitraum bzw. bis zum Ende des Projektzeitraumes weiterhin bleiben. Jene Fremde mit humanitärem Schutz nach alter Rechtslage, die sich noch in einer Erstaufnahmeeinrichtung befinden, verbleiben dort so lange, bis ihnen von der Quästur der Aufenthaltstitel („permesso di soggiorno“) übergeben wurde und werden danach aus dem Aufnahmesystem entlassen (VB 19.2.2019).

In den letzten Jahren war das italienische Aufnahmesystem angesichts der zahlreichen Anlandungen von Migranten von Überforderung und dem Versuch geprägt, möglichst viele Unterbringungsplätze in möglichst kurzer Zeit zu schaffen. Dabei entstanden verschiedene Arten von Unterbringungszentren auf Projektbasis in Gemeinden, Regionen und zentraler Ebene mit nur grob festgelegten Zielgruppen. Mit der Neustrukturierung wurde ein differenziertes Aufnahmesystem geschaffen, das auch der Kritik des italienischen Rechnungshofes Rechnung trägt, der die undifferenzierte Unterbringung bzw. Erbringung insbesondere von kostspieligen Integrationsmaßnahmen an Migranten ohne dauerhaften Aufenthaltstitel bemängel hat. So werden Asylwerber zukünftig in den Erstaufnahmeeinrichtungen untergebracht. Personen mit Schutzstatus bzw. einer der neuen Formen des humanitären Schutzes sowie allein reisende Minderjährige erhalten Zugang zu den sekundären Aufnahmeeinrichtungen, in denen zusätzlich integrative Leistungen angeboten werden (VB 19.2.2019). Ende 2018 wurden amtliche Ausschreibungsvorgaben für Unterbringungseinrichtungen veröffentlicht, die die Standards für die Unterbringung im gesamten Land vereinheitlichen sollen. Durch die neuen Vergabekriterien wurde auch auf den Vorwurf reagiert, dass die Aufnahmeeinrichtungen außerhalb des SPRAR keine einheitlichen Standards sicherstellen. Durch die Staffelung der Strukturen nach Unterbringungsplätzen mit entsprechend angepasstem Personalstand und Serviceleistungen kann seitens der Präfekturen im Rahmen der Vergabeverfahren auf den Bedarf und die Gegebenheiten vor Ort im jeweiligen Fall eingegangen werden, wodurch sich die Kosten von € 35/Person/Tag auf € 21/Person/Tag senken sollen. Die Vorgaben garantieren persönliche Hygiene, Taschengeld (Euro 2,50/Tag in der Erstaufnahme) und Euro 5,- für Telefonwertkarten, jedoch keine Integrationsmaßnahmen mehr (VB 19.2.2019; vgl. AIDA 4.2019). Dass eine solche Restrukturierung ohne Einbußen bei der Qualität oder dem Leistungsangebot (so der Vorwurf bzw. die Befürchtung der Kritiker) machbar ist, erscheint angesichts der vorliegenden Unterlagen aus Sicht des VB nachvollziehbar (VB 19.2.2019). Kritiker meinen hingegen, die neuen Vorgaben würden zu einem Abbau von Personal in den Unterbringungseinrichtungen und zur Reduzierung der gebotenen Leistungen führen. Kleinere Zentren würden unwirtschaftlich und zur Schließung gezwungen, stattdessen würden größere kostensenkende Kollektivzentren geschaffen (SFH 8.5.2019).

Asylwerber dürfen zwei Monate nach Antragstellung legal arbeiten (AIDA 4.2019; vgl. USDOS 13.3.2019). In der Praxis haben Asylwerber jedoch Schwierigkeiten beim Zugang zum Arbeitsmarkt, etwa durch Verzögerungen bei der Registrierung ihrer Asylanträge (die damit einhergehende Aufenthaltserlaubnis ist für den Zugang zum Arbeitsmarkt wichtig), oder durch die anhaltende Wirtschaftskrise, die Sprachbarriere oder die geografische Abgelegenheit der Unterbringungszentren usw. (AIDA 4.2019).

Es gibt Berichte über Diskriminierung und Ausbeutung von Migranten durch Arbeitgeber. Die hohe Arbeitslosigkeit schmälert die Chancen von Migranten auf legale Anstellung (USDOS 13.3.2019).

e). Unterbringung:

Grundsätzlich sind bedürftige Fremde zur Unterbringung in Italien berechtigt, sobald sie den Willen erkennbar machen, um Asyl ansuchen zu wollen. Das Unterbringungsrecht gilt bis zur erstinstanzlichen Entscheidung bzw. dem Ende der Rechtsmittelfrist. Bei Rechtsmitteln mit automatisch aufschiebender Wirkung besteht das Unterbringungsrecht auch bis zur Entscheidung des Gerichts. Bei Rechtsmitteln ohne automatische aufschiebende Wirkung kann diese vom Gericht zuerkannt werden und in einen solchen Fall besteht auch das Unterbringungsrecht weiter. Seit Ende 2018 haben einige Rechtsmittel keine aufschiebende Wirkung mehr. Gemäß der Praxis in den Vorjahren erfolgt der tatsächliche Zugang zur Unterbringung erst mit der formellen Registrierung des Antrags (verbalizzazione), die bis zu einige Monate nach der Antragstellung stattfinden kann, abhängig von Region und Antragszahlen. In dieser Zeit müssen Betroffene alternative Unterbringungsmöglichkeiten finden, was problematisch sein kann. Zum Ausmaß dieses Phänomens gibt es allerdings keine statistischen Zahlen. Betroffene Asylwerber ohne ausreichende Geldmittel sind daher auf Freunde oder Notunterkünfte angewiesen, oder es droht ihnen Obdachlosigkeit. In ganz Italien gibt es auch informelle Siedlungen oder besetzte Häuser, in denen Fremde leben, unter ihnen Asylwerber und Schutzberechtigte (AIDA 4.2019).

[…]

Mit der Einführung von Gesetzesdekret Nr. 113 vom 4.10.2018 (in Verbindung mit dem Umwandlungsgesetz Nr. 132 vom 1.12.2018 auch als „Salvini-Dekret“ bzw. „Salvini-Gesetz“ bekannt) wird festgelegt, dass die Erstaufnahmeeinrichtungen („prima accoglienza“), welche CAS und CARA ersetzen sollen, ausdrücklich auch die reguläre Unterbringungsmöglichkeit für Dublin-Rückkehrer sind (VB 19.2.2019), da für Asylwerber kein Zugang zu den Zentren der zweiten Stufe (SIPROIMI-Zentren) vorgesehen ist (AIDA 4.2019).

[…]

Genauer sollen Dublin-Rückkehrer, die bereits einen Asylantrag in Italien gestellt hatten, bevor sie das Land verließen, vom Flughafen in die Provinz der Antragstellung überstellt werden. Dublin-Rückkehrer, die noch keinen Asylantrag in Italien gestellt haben, sind in der Provinz des Ankunftsflughafens unterzubringen. Die Familieneinheit sollte dabei immer gewahrt bleiben (AIDA 4.2019).

Bezüglich des Verlustes des Rechtes auf Unterbringung gelten noch immer die Regeln aus dem Dekret 142/2015: Verlässt eine Person unerlaubt eine staatliche Unterbringung, so wird von einer freiwilligen Abreise ausgegangen und sie verliert das Recht auf Unterbringung. Dies gilt auch nach einer Dublin-Rückkehr (SFH 8.5.2019). Die Präfektur kann eine neuerliche Unterbringung verweigern (AIDA 4.2019). Solche Personen sind gegebenenfalls auf private oder karitative Unterbringungsmöglichkeiten bzw. Obdachlosenunterkünfte angewiesen. Hat der Rückkehrer vor der Weiterreise kein Asylgesuch in Italien gestellt und tut dies erst nach der Rückkehr, besteht das Recht auf Unterbringung ohne Einschränkung. Da sich die formelle Einbringung des Antrags aber oftmals über Wochen verzögern kann, kann bis zur Unterbringung eine entsprechende Lücke entstehen (SFH 8.5.2019; vgl. AIDA 4.2019).

f). Medizinische Versorgung:

Mit Einführung von Gesetzesdekret Nr. 113 vom 4.10.2018 (in Verbindung mit dem Umwandlungsgesetz Nr. 132 vom 1.12.2018; auch als „Salvini-Dekret“ bzw. „Salvini-Gesetz bekannt) ist die medizinische Versorgung von Asylwerbern weiterhin gewährleistet. Es wurde oft kritisiert, dass durch das neue Gesetz Asylwerber von der medizinischen Versorgung abgeschnitten würden, weil deren Registrierung bei den Gemeinden („residenza“) nicht mehr vorgesehen ist. Letzteres ist grundsätzlich richtig, allerdings unterscheidet Italien beim „Wohnsitz“ zwischen „residenza“ und „domicilio“ (VB 19.2.2019). Nach der neuen Rechtslage ist die Einschreibung beim Nationalen Gesundheitsdienst für Asylwerber auf Basis des „domicilio“ garantiert (CILD 1.2.2019), welcher üblicherweise im Aufnahmezentrum liegt. Somit ist auch für Asylwerber weiterhin die Ausstellung einer Gesundheitskarte („tessera sanitaria“) möglich, mit welcher sie Zugang zu den medizinischen Leistungen erhalten. Zusätzlich sind in den Erstaufnahmezentren Ärzte beschäftigt, die neben medizinischen Erstuntersuchungen und Notfallmaßnahmen auch die nationalen Gesundheitsdienste entlasten sollen. Der Zugang zu medizinischer Notversorgung in öffentlichen Spitälern bleibt weiterhin bestehen, auch für illegale Migranten (VB 19.2.2019).

Asylwerber und Personen mit einem Schutzstatus in Italien müssen sich beim italienischen nationalen Gesundheitsdienst registrieren und haben dann in Bezug auf medizinische Versorgung dieselben Rechte und Pflichten wie italienische Staatsbürger. Das gilt unabhängig davon, ob sie staatliche Versorgung genießen oder nicht. Das Recht auf medizinische Versorgung entsteht formell im Moment der Registrierung eines Asylantrags, wobei es aber in der Praxis in einigen Regionen bis zu einigen Monaten Verzögerung kommen kann (AIDA 4.2019), weil bei bestimmten Quästuren die Zuweisung des Steuer-Codes (codice fiscale), die im Zuge der Formalisierung des Asylantrags erfolgt und für den Zugang zur medizinischen Versorgung wichtig ist, länger dauert. Bis dahin haben die betroffenen Asylsuchenden nur Zugang zu medizinischen Basisleistungen wie etwa einer Notfallversorgung, wie sie gemäß Artikel 35 des Einwanderungsgesetzes (TUI) auch illegalen Migranten zusteht. Die Anmeldung beim italienischen nationalen Gesundheitsdienst erfolgt im zuständigen Büro des lokalen Gesundheitsdienstes (Azienda sanitaria locale, ASL), in der Gemeinde, in der der Asylwerber seinen Wohnsitz (dimicilio) hat. Im Zuge der Registrierung wird eine europäische Gesundheitskarte (tessera europea di assicurazione malattia) ausgestellt. Die Registrierung berechtigt zu folgenden Leistungen: freie Wahl eines Hausarztes bzw. Kinderarztes (kostenlose Arztbesuche, Hausbesuche, Rezepte, usw.); Geburtshilfe und gynäkologische Betreuung bei der Familienberatung (consultorio familiare) ohne allgemeinärztliche Überweisung; kostenlose Aufenthalte in öffentlichen Krankenhäusern. Das Recht auf medizinische Versorgung sollte im Rahmen der Erneuerung der Aufenthaltserlaubnis nicht erlöschen. Wenn die Aufenthaltserlaubnis abgelaufen ist, besteht keine Garantie auf Zugang zu nicht notwendiger medizinischer Versorgung bis zur Erneuerung derselben, was aufgrund bürokratischer Verzögerungen einige Zeit dauern kann. Wenn Asylwerber keine Wohnsitzmeldung (domicilio) vorweisen können, erhalten sie auch keine Gesundheitskarte. Eines der größten Hindernisse für den Zugang zu Gesundheitsdiensten ist jedoch die Sprachbarriere (AIDA 4.2019).

Asylwerber können sich auf Basis einer Eigendeklaration bei den ASL als bedürftig registrieren lassen. Sie werden dann arbeitslosen Staatsbürgern gleichgestellt und müssen keine Praxisgebühr („Ticket“) bezahlen. Die Befreiung gilt zunächst für zwei Monate ab Asylantragstellung (da in diesem Zeitraum kein Zugang zum Arbeitsmarkt besteht). Um die Ticket-Befreiung danach beizubehalten, müssen sich die AW offiziell arbeitslos melden. Laut Gesetz ist die Ticket-Befreiung auch bei niedrigem Einkommen möglich, doch durch die neue Rechtslage mit Gesetz 132/2018 kommen Asylwerber mit niedrigem Einkommen nicht in diesen Genuss, da ihnen entsprechende Bestätigungen aufgrund mangelnder verwaltungsinterner Anweisungen nicht ausgestellt werden (AIDA 4.2019).

Asylwerber mit psychischen Problemen und Folteropfer haben dasselbe Recht auf Zugang zu medizinischer Versorgung wie italienische Bürger. In der Praxis haben sie die Möglichkeit, von speziellen Leistungen des nationalen Gesundheitsdienstes, spezialisierter NGOs oder privater Stellen zu profitieren. Die NGOs ASGI und Ärzte ohne Grenzen betreiben in Rom seit April 2016 ein Zentrum zur Identifikation und Rehabilitation von Folteropfern. ASGI arbeitet auch mit anderen Institutionen zusammen und beobachtet die Einhaltung der verfassungsmäßigen Rechte der Migranten auf medizinische Versorgung (AIDA 4.2019).

Bei den Gesundheitsdienstleistungen in den Zentren sehen die neuen Ausschreibungskriterien in Aufnahmezentren mit bis zu 50 Plätzen durchschnittlich nur noch vier Stunden ärztliche Betreuung pro Person und Jahr vor, Pflegepersonal ist in diesen Zentren keines mehr vorgesehen. In großen Zentren (bis zu 300 Plätzen) muss ein Arzt nur noch 24 Stunden pro Woche statt wie bisher rund um die Uhr anwesend sein. Für die Zentren ist keine Unterstützung durch interne Psychologen/Psychiater mehr vorgesehen. Die soziale Unterstützung für Zentren mit bis zu 50 Plätzen wurde auf sechs Stunden pro Woche reduziert, jene für Zentren mit bis zu 300 Plätzen auf 24 Stunden pro Woche (SFH 8.5.2019).

[…]

g). Zur COVID-19-Pandemie:

Derzeit herrscht weltweit die als COVID-19 bezeichnete Pandemie. COVID-19 wird durch das Corona-Virus SARS-CoV-2 verursacht.

Wie gefährlich der Erreger SARS-CoV-2 ist, kann derzeit noch nicht genau beurteilt werden. Man geht aber von einer Sterblichkeitsrate von bis zu drei Prozent aus, wobei v.a. alte Menschen und immungeschwächte Personen betroffen sind (https://www.sozialministerium.at/ Informationen-zum-Coronavirus/Coronavirus---Haeufig-gestellte-Fragen.html, abgerufen am 08.07.2020).

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat in seinen Entscheidungen neben Ausführungen zur Versorgungslage von Asylwerbern in Italien auch Feststellungen zur dortigen Rechtslage unter Berücksichtigung der Neuerungen durch das „Salvini-Dekret“ bzw. das „Salvini-Gesetz“ und Vollzugspraxis von asyl- und fremdenrechtlichen Bestimmungen – darunter konkret auch in Bezug auf Rückkehrer nach der Dublin III-VO – samt dem jeweiligen Rechtsschutz im Rechtsmittelweg getroffen.

Festgestellt wird sohin, dass sich aus diesen Länderinformationen keine ausreichend begründeten Hinweise darauf ergeben, dass das italienische Asylwesen grobe systemische Mängel aufweist. Daher ist aus Sicht der zuständigen Einzelrichterin, insbesondere in Bezug auf die Durchführung des Asylverfahrens, die medizinische Versorgung sowie die generelle Versorgungs- und Unterbringungslage und die Sicherheitslage von Asylwerbern in Italien den Feststellungen des Bundesamtes in den angefochtenen Bescheiden zu folgen.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen zu den Beschwerdeführern, zu ihrer familiären Beziehung zueinander, zu ihrer Staatsangehörigkeit, zu ihrer Einreise nach Österreich und zur Stellung der gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz ergeben sich aus dem übereinstimmenden Vorbringen beider Beschwerdeführer in den Verfahren sowie aus den Akteninhalten.

Dass den Beschwerdeführern von der italienischen Botschaft in Teheran am XXXX .01.2020 Schengen-Visa für 13 Tage im Zeitraum XXXX .02.2020 bis XXXX .03.2020 erteilt wurden, diese sohin im Zeitpunkt der Antragstellung in Österreich in Besitz italienischer Visa waren, die seit weniger als sechs Monaten abgelaufen sind, ergibt sich ebenso aus den unbedenklichen Akteninhalten, insbesondere aus den VIS-Abfragen und wurde darüber hinaus von beiden Beschwerdeführern vorgebracht. In ihren Erstbefragungen gaben beide Beschwerdeführer an, dass sie mit Visa, der der Schlepper über die italienische Botschaft organisiert habe, und mit ihren eigenen Reisepässen von Teheran nach Mailand geflogen seien. Auch wurde die Erteilung der Visa für die Beschwerdeführer durch die italienische Dublinbehörde – zumindest konkludent - bestätigt, die den auf Art. 12 Abs. 4 Dublin III-VO gestützten Aufnahmegesuchen des Bundesamtes nicht widersprochen hat.

Die Feststellungen zu den Aufnahmegesuchen der österreichischen Dublinbehörde, zum Übergang der Zuständigkeit an Italien aufgrund Verfristung sowie zur diesbezüglichen Mitteilung durch das Bundesamt und zur Bekanntgabe der Verlängerung der Überstellungsfrist ergeben sich aus den jeweiligen Schreiben bzw. aus der Korrespondenz der Dublinbehörden im Rahmen des Konsultationsverfahrens. Darauf, dass die Zuständigkeit Italiens beendet worden wäre, finden sich im gesamten Verfahren keine Hinweise, wobei ein derartiges Vorbringen weder vor dem Bundesamt noch in der Beschwerde erstattet wurde.

Eine die Beschwerdeführer konkret treffende Bedrohungssituation in Italien wurde nicht ausreichend substanziiert vorgebracht (vgl. hierzu die weiteren Ausführungen unter Punkt II. 3.2.4.2. des gegenständlichen Erkenntnisses).

Dass bei der Zweitbeschwerdeführerin eine zystische Struktur im Bereich der Ovarialloge diagnostiziert wurde, gründet auf dem vorgelegten Röntgenbefund vom XXXX .06.2020. Die Feststellung zum Verweis an einen Facharzt für Radiologie zur Durchführung einer Magnetresonanztomografie ergibt sich aus der MR-Zuweisung vom XXXX .07.2020. In Ermangelung weiterer vorliegender medizinischer Unterlagen, insbesondere nach dem XXXX .07.2020, konnte nicht festgestellt werden, ob die Zweitbeschwerdeführerin die Magnetresonanztomografie tatsächlich hat durchführen lassen bzw. ob weitere medizinische Hilfe in Anspruch genommen wurde. Da auch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht keine ärztlichen Bestätigungen vorgelegt und auch kein diesbezügliches ergänzendes Vorbringen erstattet wurde, war die Feststellung zu treffen, dass aktuell keine Behandlungsbedürftigkeit besteht. Hinzu kommt, dass die Beschwerdeführer mittlerweile seit ca. zwei Monaten untergetaucht sind was sie wohl nicht getan hätten, würde die Zweitbeschwerdeführerin tatsächlich eine medizinische Behandlung bzw. Therapie benötigen. Dass der Erstbeschwerdeführer gesund ist, gründet auf seinen eigenen Angaben im gesamten Verfahren und war sohin – insgesamt betrachtet - die Feststellung zum Nichtvorliegen schwerwiegender gesundheitlicher Beeinträchtigungen, die einer Überstellung der Beschwerdeführer nach Italien entgegenstehen, zu treffen.

Ferner ergibt sich die Feststellung zum Nichtvorhandensein besonders ausgeprägter privater, familiärer oder beruflicher Bindungen der Beschwerdeführer in Österreich aus ihren eigenen Angaben in den Verfahren. Gegenteiliges ist auch den sonstigen Akteninhalten nicht zu entnehmen. Sowohl in den Erstbefragungen als auch in ihren jeweiligen Einvernahmen vor dem Bundesamt gaben beide Beschwerdeführer dezidiert an – abgesehen von dem mitgereisten Ehepartner - keine Familienangehörigen in Österreich zu haben. Die Feststellung, dass die Beschwerdeführer seit dem 12.09.2020 über keine aufrechte Meldung im Bundesgebiet mehr verfügen, basiert auf vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Auszügen aus dem Zentralen Melderegister vom 05.11.2020.

2.2. Die Feststellungen zum italienischen Asylverfahren einschließlich der Situation von Dublin-Rückkehrern in Italien beruhen auf den in den angefochtenen Bescheiden angeführten Quellen. Bei diesen vom Bundesamt herangezogenen Quellen handelt es sich um Berichte verschiedener anerkannter und teilweise vor Ort agierender Institutionen, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes, schlüssiges Gesamtbild zum Asylverfahren in Italien ergeben. Nach Ansicht der erkennenden Einzelrichterin handelt es sich bei den Länderfeststellungen in den angefochtenen Bescheiden um ausreichend ausgewogenes und aktuelles Material. Angesichts der Seriosität der angeführten Erkenntnisquellen und der Plausibilität der Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Darstellung zu zweifeln. Des Weiteren ist darauf zu verweisen, dass die vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl herangezogenen Quellen nach wie vor aktuell bzw. mit späteren Quellen inhaltlich deckungsgleich bzw. zum Teil sogar nahezu wortident sind.

Die Gesamtsituation des Asylwesens in Italien ergibt sich sohin aus den umfangreichen und durch aktuelle Quellen belegten Länderfeststellungen in den angefochtenen Bescheiden, die auf alle entscheidungswesentlichen Fragen eingehen und insbesondere auch die geänderte Rechtslage nach dem „Salvini-Dekret“ bzw. „Salvini-Gesetz“ berücksichtigen. Individuelle, unmittelbare und vor allem hinreichend konkrete Bedrohungen, welche den Länderberichten klar und substanziell widersprechen, haben die Beschwerdeführer nicht dargelegt. In der Einvernahme vor dem Bundesamt gab der Erstbeschwerdeführer unsubstanziiert an, dass in Italien keine Menschenrechte existieren würden und er nicht wisse, ob die Zweitbeschwerdeführerin dort behandelt werden könne. Die Zweitbeschwerdeführerin brachte hierzu lediglich vor, dass sie im Internet gelesen habe, dass die Behandlung und Betreuung von Flüchtlingen in Italien schlecht sei. Ein substanziiertes Bestreiten der Länderfeststellungen des Bundesamtes lässt sich diesen Angaben der Beschwerdeführer nicht entnehmen.

Aber auch die Beschwerde tritt den Länderberichten des Bundesamtes nicht entgegen, sondern wiederholt diese zum Teil bzw. zitiert aus den angefochtenen Bescheiden. Hinzu kommt, dass die darüber hinausgehenden Berichte, auf die sich die Beschwerde bezieht (sofern sie mit Quellenangaben versehen sind) im Vergleich zu den Länderinformationen des Bundesamtes veraltet sind. Der Bericht von Ärzte ohne Grenzen bezieht sich auf Situationen im Feber 2018 sowie im Jahr 2017. Die geänderte, aktuelle Rechtslage nach dem „Salvini-Dekret“ bzw. „Salvini-Gesetz“ erwähnt die Beschwerde hingegen nicht. Das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation stammt in seiner letzten Überarbeitung (ohne Berücksichtigung der Feststellungen zur COVID-19-Pandemie) vom 09.10.2019 und spiegelt sohin die aktuelle Lage in Italien wider. Auch sind die Beschwerdeausführungen lediglich allgemein gehalten und weisen keinen Bezug zu den Beschwerdeführern auf. Beispielsweise wird in der Beschwerde ausgeführt, dass die Lebensbedingungen für die Beschwerdeführer in Italien schlecht gewesen seien; die Beschwerdeführer haben allerdings vorgebracht, dass sie sich in Italien nur einen Tag aufgehalten hätten und von Mailand aus direkt mit dem Zug nach Wien gefahren seien. Mangels konkretem Vorbringen sind die Beschwerdeausführungen daher nicht geeignet, die durch tatsächlich aktuelle Quellen belegten Länderfeststellungen in den angefochtenen Bescheiden, die ein differenziertes Bild zeichnen und ebenso auf die Situation von Dublin-Rückkehrern Bezug nehmen, zu entkräften.

Die Länderfeststellungen sind grundsätzlich ausreichend aktuell, sie zeichnen allerdings – angesichts der derzeit sich schnell ändernden Gegebenheiten in Zusammenhang mit dem Ausbruch von COVID-19 – naturgemäß ein Bild der (medizinischen) Versorgung von Asylwerbern in Italien, welches sich auf den Zeitraum vor Ausbruch der Pandemie bezieht. Es ist notorisch, dass die Mitgliedstaaten allesamt – wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß – vom Ausbruch der Pandemie betroffen sind und hier vor großen Herausforderungen im Gesundheitsbereich stehen. Diesbezüglich wurden und werden in den einzelnen Ländern tagesaktuell entsprechende Maßnahmen gesetzt (beispielsweise die Verhängung von Ausgangsbeschränkungen und Quarantänemaßnahmen sowie teilweise die Vornahme von Grenzschließungen und Einschränkungen im Personen- und Warenverkehr sowie auch die teilweise Zurücknahme von bereits erfolgten Lockerungen), die die Ausbreitung von COVID-19 hintanhalten und gleichzeitig die medizinische Versorgung der Bevölkerung – seien es nun eigene Staatsbürger oder dort ansässige Fremde – möglichst sicherstellen sollen. Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen ist die Heranziehung der Länderfeststellungen zu Italien nicht zu beanstanden; einerseits aufgrund der Annahme, dass dann – und nur dann – Überstellungen durchgeführt werden, wenn Italien für die Einhaltung der einschlägigen asyl- und fremdenrechtlichen Standards garantieren kann, und die Länderfeststellungen insofern wieder volle Gültigkeit haben, und andererseits aufgrund des Umstandes, dass es sich bei den Beschwerdeführern um keine besonders vulnerablen Personen handelt und keine Anzeichen dafür vorliegen, dass sie zu den Personengruppen mit einem erhöhten Risiko an COVID-19 zu erkranken – wie ältere und/oder immungeschwächte Personen – gehören.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da im vorliegenden Verfahren keine Entscheidung durch Senate vorgesehen ist, liegt gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 1 BFA-VG,

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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