TE Bvwg Beschluss 2020/11/13 L521 2166154-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 13.11.2020
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Entscheidungsdatum

13.11.2020

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §8
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1
VwGVG §32

Spruch


L521 2164299-2/3E

L521 2164300-2/3E
L521 2166151-2/4E

L521 2166157-2/3E

L521 2166154-2/4E

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter MMag. Mathias Kopf, LL.M. über den Antrag 1. des XXXX , 2. der XXXX , 3. des XXXX , 4. der XXXX und 5. des XXXX , alle Staatsangehörigkeit Türkei, alle vertreten durch Dr. Herbert POCHIESER, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Schottenfeldgasse 2 - 4, auf Wiederaufnahme des mit am 26. Juni 2019 mündlich verkündeten und am 08. August 2019 schriftlich ausgefertigten Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes, Zlen. XXXX , rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren den

BESCHLUSS

gefasst:

A)

I. Dem Antrag auf Wiederaufnahme des mit am 26. Juni 2019 mündlich verkündeten und am 08. August 2019 schriftlich ausgefertigten Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes, Zlen. XXXX , rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren wird gemäß § 32 Abs. 1 Z. 2 VwGVG nicht stattgegeben.

II. Der Antrag auf Aufhebung des am 26. Juni 2019 mündlich verkündeten und am 08. August 2019 schriftlich ausgefertigten Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes, Zlen. XXXX , wird als unzulässig zurückgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Artikel 133 Absatz 4 B-VG nicht zulässig.

Text


Begründung:

I. Verfahrensgang:

1. Der Erstwiederaufnahmewerber ist mit der Zweitwiederaufnahmewerberin (konfessionell) verheiratet, der volljährige Drittwiederaufnahmewerber, die volljährige Viertwiederaufnahmewerberin und der minderjährige Fünftwiederaufnahmewerber sind die Kinder des Erstwiederaufnahmewerbers. Die Zweitwiederaufnahmewerberin ist nicht deren leibliche Mutter. Sämtliche Wiederaufnahmewerber sind Staatsangehörige der Türkei.

2.1. Der Erstwiederaufnahmewerber und die Zweitwiederaufnahmewerberin stellten am 30.07.2015 für sich und der Erstwiederaufnahmewerber als gesetzlicher Vertreter seiner mitgereisten Kinder, nämlich des Drittwiederaufnahmewerbers, der Viertwiederaufnahmewerberin und des Fünftwiederaufnahmewerbers im Gefolge ihrer schlepperunterstützten unrechtmäßigen Einreise in das Bundesgebiet vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes einen Antrag auf internationalen Schutz.

Im Rahmen der niederschriftlichen Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Landespolizeidirektion Wien am 31.07.2015 legte der Erstwiederaufnahmewerber dar, den Namen XXXX zu führen. Er sei am XXXX in Mardin geboren und bekenne sich zur assyrischen Kirche. Zuletzt habe er in Mardin gelebt und sei als Lehrer, Autor und Journalist tätig gewesen.

Zu den Gründen der Ausreise befragt, führte der Erstwiederaufnahmewerber aus, er sei aufgrund seiner journalistischen Tätigkeit in der Türkei vor acht Jahren verurteilt worden und habe die letzten Jahre deshalb in Haft verbracht. Nachdem er auf Bewährung entlassen worden sei, sei er ausgereist. Auf Nachfrage legte der Erstwiederaufnahmewerber korrigierend dar, er sei im Jahr 2011 festgenommen und vier Monate inhaftiert worden. Er hätte sich dann selbständig in einem anderen Gefängnis melden müssen, um seine Haftstrafe von acht Jahren zu verbüßen. Die Haftstrafe habe er nicht angetreten und sei er seit November 2011 auf der Flucht und habe sich unter anderem in Syrien und im Irak versteckt.

2.2. Die Zweitwiederaufnahmewerberin brachte im Rahmen der niederschriftlichen Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Landespolizeidirektion Wien am 31.07.2015 vor, den Namen XXXX zu führen. Sie sei am XXXX in Gaziantep geboren, Angehörige der türkischen Volksgruppe und bekenne sich zum Islam der sunnitischen Glaubensrichtung. Zuletzt habe sie in Mardin gelebt und sei selbständig erwerbstätig gewesen. Den Erstwiederaufnahmewerber habe sie am 21.03.2011 geheiratet, sie sei nicht die Mutter seiner Kinder.

Zu den Gründen der Ausreise befragt, führte die Zweitwiederaufnahmewerberin aus, sie habe die Türkei vor vier Wochen verlassen, da bei der Polizei tätige Freunde ihr mitgeteilt hätten, dass der Erstwiederaufnahmewerber „eingesperrt“ werde. Wann der Erstwiederaufnahmewerber verurteilt und aus der Haft entlassen worden sei wisse sie nicht, da sie ihn erst danach kennen gelernt habe. Die Türkei habe sie verlassen, da die Polizei nach dem Erstwiederaufnahmewerber suchen würde und sie mit ihm zusammenbleiben wolle.

2.3. Nach Zulassung der Verfahren wurde der Erstwiederaufnahmewerber am 09.02.2017 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Niederösterreich, im Beisein eines gerichtlich beeideten Dolmetschers in türkischer Sprache niederschriftlich vor der zur Entscheidung berufenen Organwalterin einvernommen.

Eingangs bestätigte der Erstwiederaufnahmewerber, bislang im Verfahren wahrheitsgemäß Angaben getätigt zu haben, es könne jedoch zu Fehlern gekommen sein, da er Angst gehabt habe. Die Erstbefragung sei ihm rückübersetzt worden. Zu seiner Person legte der Erstwiederaufnahmewerber konkretisierend dar, mit der Zweitwiederaufnahmewerberin in zweiter Ehe konfessionell verheiratet zu sein. Er sei der leibliche Vater seiner am Verfahren beteiligten drei Kinder und zur Obsorge berechtigt, von der Mutter der Kinder sei er geschieden und halte sich diese in der Türkei auf. Seine nunmehrige Ehegattin habe ein Kind, das sich ebenfalls in der Türkei aufhalten würde.

In der Türkei sei er Mitglied der Halklar?n Demokratik Partisi (HDP) und im alevitischen Kulturverein gewesen, Nachweise darüber gebe es nicht. Er bekenne sich zum christlich-assyrischen Glauben, sei jedoch nicht religiös, und gehöre der kurdischen Volksgruppe an. Er sei in Mardin geboren und aufgewachsen, dann habe er in Tunceli die Mittelschule und das Gymnasium besucht. Sein Studium habe ihn nach Istanbul und nach Antakia geführt. Zuletzt habe er sich im Jahr 2010 in Gaziantep niedergelassen und dort bis zur Ausreise gelebt. Aufgrund der Tätigkeit als Journalist sei er jedoch zur Berichterstattung „die ganze Zeit“ zwischen der Türkei und Syrien unterwegs gewesen.

Befragt nach dem Grund für das Verlassen des Heimatstaates legte der Erstwiederaufnahmewerber wörtlich dar: „Ich brauche glaube ich nichts dazu zu sagen, wie die kurdische Bevölkerung unter Druck gesetzt wird. Mein Vermögen wurde beschlagnahmt und auch Urteile ausgesprochen zu Freiheitsstrafen. Bevor ich ins Gefängnis komme, bin ich geflüchtet. Zwischen 2011 und 2013 war ich in der Türkei. Immer, wenn ich die Geldstrafe verschieben konnte, flüchtete ich im eigenen Land. Besonders zwischen 2011 und 2013 war die Unterdrückung besonders schwer. Das sind meine Fluchtgründe, weitere habe ich nicht.“

Auf Nachfrage legte der Erstwiederaufnahmewerber dar, aufgrund des Urteiles vom 27.09.2013 geflüchtet zu sein. Er habe erst im Jahr 2015 flüchten müssen, da das Urteil erst im Jahr 2015 rechtskräftig geworden sei. Auf weitere Nachfrage legte der Erstwiederaufnahmewerber dar, er sei von 2013 bis in den Monat Juli 2015 untergetaucht und habe sich in Mardin, Mersin, Gaziantep und Istanbul aufgehalten. Er sei verurteilt worden „wegen der Partei, wo ich Mitglied war und wegen der Bücher, die ich geschrieben habe“. Das Urteil habe auf drei Jahre und drei Monate Freiheitsstrafe gelautet, davon habe er elf Monate verbüßt. Außerdem sei er zu einem Jahr Freiheitsstrafe verurteilt worden, wovon er sechs Monate verbüßt habe. Er sei auch drei Monate in Untersuchungshaft gewesen und nach einer Verurteilung freigelassen worden, da die Strafe weniger als die verbüßte Untersuchungshaft betragen habe. In Haft sei er in den Jahren 2007, 2008 und 2009 gewesen. Von einem Urteil sei noch eine achtjährige Freiheitsstrafe offen. Auf Vorhalt seiner Angaben bei der Erstbefragung legte der Erstwiederaufnahmewerber schließlich dar, von einem Dolmetscher aus Aserbaidschan befragt worden zu sein, dieser habe „alles durcheinander gebracht“. Die Erstbefragung sei ihm auch nicht rückübersetzt worden.

Auf Nachfrage legte der Erstwiederaufnahmewerber schließlich als gesetzlicher Vertreter seiner minderjährigen Kinder dar, dass diese keine eigenen Ausreisegründe vorzubringen hätten. Als Angehörige der kurdischen Volksgruppe würden sie diskriminiert, obwohl sie nicht kurdisch sprechen würden.

Da der Erstwiederaufnahmewerber bei seiner Einvernahme nur wenige gerichtliche Unterlagen aus der Türkei in Vorlage brachte, wurde ihm eine Frist von vier Wochen zur Vorlage der gegen ihn ergangenen strafgerichtlichen Urteile eingeräumt. Innerhalb der eingeräumten Frist brachte der Erstbeschwerdeführer keine weiteren Urkunden in Vorlage.

2.4. Die Zweitwiederaufnahmewerberin wurde ebenfalls am 09.02.2017 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Niederösterreich, im Beisein eines gerichtlich beeideten Dolmetschers in türkischer Sprache niederschriftlich vor der zur Entscheidung berufenen Organwalterin einvernommen.

Auch die Zweitwiederaufnahmewerberin bestätigte eingangs, bislang wahrheitsgemäße Angaben getätigt zu haben. An die Übersetzung ihrer Angaben könne sie sich jedoch nicht mehr erinnern.

Zu ihrer Person legte die Zweitwiederaufnahmewerberin konkretisierend dar, sie bekenne sich zum christlich-assyrischen Glauben und gehöre der kurdischen Volksgruppe an. In der Türkei habe sie zunächst in Istanbul gelebt und sei dann nach Gaziantep übersiedelt. Zuletzt habe sie bis zur Ausreise in Mardin gelebt, jedoch weiterhin in Gaziantep ein Kaffeehaus betrieben. In gesundheitlicher Hinsicht brachte die Zweitwiederaufnahmewerberin ferner vor, an „psychischen Störungen“ zu leiden. Ihr wahrer Familienname sei XXXX .

Befragt nach dem Grund für das Verlassen des Heimatstaates legte die Zweitwiederaufnahmewerberin dar, die Türkei aufgrund der politischen Probleme des Erstwiederaufnahmewerbers verlassen zu haben. Der Erstwiederaufnahmewerber habe gegen den Staat gerichtete Bücher verfasst. Es habe deshalb Hausdurchsuchungen gegeben, der Erstwiederaufnahmewerber sei auch verurteilt worden. Im Fall einer Rückkehr in die Türkei befürchte sie, wegen der Unterstützung des Erstwiederaufnahmewerbers ebenfalls festgenommen zu werden.

2.5. Auch der zum damaligen Zeitpunkt minderjährige Drittwiederaufnahmewerber wurde am 09.02.2017 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Niederösterreich, im Beisein eines gerichtlich beeideten Dolmetschers sowie des Erstwiederaufnahmewerbers als gesetzlicher Vertreter in türkischer Sprache niederschriftlich vor der zur Entscheidung berufenen Organwalterin einvernommen.

Der Drittwiederaufnahmewerber brachte dabei zusammengefasst zur Person vor, in der Türkei zunächst in Mersin gelebt zu haben, dann in Gaziantep und schließlich in Mardin. Zuletzt habe er in Mardin als Schüler die siebte Klasse besucht.

In der Türkei habe er den Erstwiederaufnahmewerber zweimal bei Demonstrationen begleitet. Er selbst sei nicht Mitglied eines Vereins oder einer politischen Partei gewesen. Er habe die Türkei aufgrund der Schwierigkeiten des Erstwiederaufnahmewerbers verlassen und sei als Kurde außerdem in der Türkei diskriminiert worden. Einmal sei er gemeinsam mit der ganzen Familie zu einer Polizeidienststelle gebracht worden. Die Eltern wären dort befragt worden. Er selbst sei nach Hause geschickt worden und könne sich nicht mehr daran erinnern, was weiter passiert sei.

3. Mit Erledigung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.03.2018 wurde der Erstwiederaufnahmewerber unter Hinweis auf eine beigelegte Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 16.11.2012 betreffend Strafregisterbescheinigungen zur Vorlage eines aktuellen Strafregisterauszuges aufgefordert.

Der Erstwiederaufnahmewerber replizierte im Wege einer Vertrauensperson am 20.04.2017, die Anwälte und die Verwandten des Erstwiederaufnahmewerbers hätten mehrfach versucht, einen Strafregisterauszug zu erhalten. Dies sei mangels einer Vollmacht abgelehnt worden. Eine Vollmacht könne wiederum nur über die türkischen Vertretungsbehörden ausgestellt werden.

4. Mit Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.06.2017, Zlen. 1080434808-150976167, 1080432509-150976132, 1080434906-150976221, 1080424409-150976256 und 1080424507-150976248, wurden die Anträge der Wiederaufnahmewerber auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten jeweils gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) sowie bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Türkei jeweils gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt und gemäß § 10 Abs. 1 Z. 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wider die Wiederaufnahmewerber jeweils eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z. 2 FPG 2005 erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG 2005 unter einem festgestellt, dass die Abschiebung der Wiederaufnahmewerber in den Türkei gemäß § 46 FPG 2005 zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 2005 betrage die Frist für eine freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).

Begründend führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Wesentlichen aus, die vorgebrachte staatliche Verfolgung des Erstwiederaufnahmewerbers aufgrund einer ihm unterstellten Mitgliedschaft bei der Partiya Karkerên Kurdistanê (PKK) werde als nicht glaubhaft erachtet. Die Zweitwiederaufnahmewerberin habe keine eigenen Ausreisegründe vorgebracht.

Eine Rückkehr in die Türkei sei den Wiederaufnahmewerbern möglich und zumutbar, da der Erstwiederaufnahmewerber und die Zweitwiederaufnahmewerberin gesund und arbeitsfähig wären und diese im Fall einer Rückkehr in die Türkei den Lebensunterhalt der Familie sicherstellen könnten. Darüber hinaus bestünden familiäre Anknüpfungspunkte aufgrund der in der Türkei lebenden Verwandten des Erstwiederaufnahmewerbers und der Zweitwiederaufnahmewerberin.

5. Mit Verfahrensanordnung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.06.2017 wurde den Wiederaufnahmewerbern jeweils gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG amtswegig ein Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren zur Seite gestellt.

6. Gegen die den Wiederaufnahmewerbern am 26.06.2017 eigenhändig zugestellten Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.06.2017, Zlen. 1080434808-150976167, 1080432509-150976132, 1080434906-150976221, 1080424409-150976256 und 1080424507-150976248 richtete sich fristgerecht eingebrachte gemeinsame Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

In dieser wird inhaltliche Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bescheide sowie Verletzung von Verfahrensvorschriften moniert und beantragt, die angefochtenen Bescheide abzuändern und dem Antrag auf internationalen Schutz Folge zu geben und den Wiederaufnahmewerbern den Status eines Asylberechtigten oder hilfsweise den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen oder hilfsweise die angefochtenen Bescheide in ihrem Spruchpunkt III. aufzuheben und den Wiederaufnahmewerbern einen Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG 2005 zu erteilen. Eventualiter wird ein Aufhebungsantrag gestellt und jedenfalls eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht begehrt.

In der Sache wird im Wesentlichen vorgebracht, der Erstwiederaufnahmewerber sei aufgrund seiner journalistischen Tätigkeit wegen Landesverrats strafgerichtlich verurteilt worden. Aufgrund seiner schriftstellerischen Tätigkeit werde ihm unterstellt, die PKK zu unterstützen. Der Erstwiederaufnahmewerber gehöre außerdem der kurdischen bzw. alevitischen Minderheit an und sei Mitglied der HDP. Er befürchte aus diesen Gründen staatliche Verfolgung. Im Hinblick auf die im angefochtenen Bescheid aufgezeigten Widersprüche wolle er richtigstellen, dass er im Jahr 2009 sechs Monate inhaftiert gewesen sei, im Jahr 2011 für weitere vier Monate.

Die Beischaffung eines Strafregisterauszuges sei dem Erstwiederaufnahmewerber nicht zumutbar, da er sich dazu an die Behörden des Verfolgerstaates wenden müsse. Vielmehr hätte das belangte Bundesamt einen Strafregisterauszug amtswegig beischaffen müssen. Hinsichtlich der Übersetzungen der im Verfahren vorgelegten Dokumente könne sich der Erstwiederaufnahmewerber nicht erklären, weshalb in diesen Dokumenten von finanziellen Problemen des Erstwiederaufnahmewerbers die Rede sei, da er in der Türkei keine finanziellen Probleme gehabt habe. Es könne sein, dass er die Dokumente dem belangten Bundesamt irrtümlich vorgelegt habe. Der Drittwiederaufnahmewerber habe deshalb bei seiner Einvernahme keine näheren Ausführungen zu den Ausreisegründen tätigen können, da er „nicht so gut“ Türkisch sprechen würde.

Die Zweitwiederaufnahmewerberin sei mit dem Erstwiederaufnahmewerber seit dem Jahr 2012 konfessionell verheiratet und habe wegen der dargelegten Probleme des Erstwiederaufnahmewerbers ebenfalls mit staatlicher Verfolgung zu rechnen. Sie habe den Erstwiederaufnahmewerber bei Demonstrationen in der Türkei begleitet und beim Weltfrauentag teilgenommen. Die Zweitwiederaufnahmewerberin befinde sich in regelmäßiger psychotherapeutischer Behandlung und werde aktuelle diesbezügliche Befunde alsbald nachreichen.

7. Die Beschwerdevorlage langte am 01.08.2017 beim Bundesverwaltungsgericht ein. Die Rechtssache wurde in weiterer Folge zunächst der Gerichtsabteilung L513 zur Erledigung zugewiesen. Bereits am 13.07.2017 übermittelte die rechtfreundliche Vertretung der Wiederaufnahmewerber dem Bundesverwaltungsgericht eine Therapiebestätigung betreffend die Zweitwiederaufnahmewerberin, Lichtbilder und Unterstützungsschreiben.

Aufgrund einer Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 07.08.2018 wurde das Beschwerdeverfahren in weiterer Folge der auch nun zur Entscheidung berufenen Abteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zugewiesen.

8. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 21.09.2018 wurde Primar Dr XXXX , Facharzt für Neurologie, zum Sachverständigen bestellt und mit der Erstellung eines medizinischen Gutachtens zum aktuellen Gesundheitszustand der Zweitwiederaufnahmewerberin beauftragt. Das Gutachten vom 30.10.2018 langte am 09.11.2018 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

9. Mit Note des Bundesverwaltungsgerichtes vom 16.01.2019 wurden der rechtsfreundlichen Vertretung der Wiederaufnahmewerber aktuelle Länderdokumentationsunterlagen zur allgemeinen Lage in der Türkei, die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 23.11.2016 zum Wehrdienst für Kurden in der Türkei, der Bericht des British Home Office „Turkey: Kurdistan Workers’ Party“ vom August 2018, der Bericht des British Home Office „Turkey: Kurds“ vom September 2018, der Bericht des British Home Office „Turkey: Kurdish Political Parties“ vom August 2018 und der Bericht des British Home Office „Turkey: Military Service“ vom September 2018 zur Vorbereitung der für den 04.02.2019 anberaumten mündlichen Verhandlung übermittelt und die Möglichkeit einer Stellungnahme freigestellt. Der Erstwiederaufnahmewerber wurde außerdem neuerlich dazu aufgefordert, einen aktuellen Strafregisterauszug in Vorlage zu bringen. Mit Erledigung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 29.01.2019 wurde der rechtsfreundlichen Vertretung der Wiederaufnahmewerber außerdem das Gutachten des Primars Dr. XXXX zur Kenntnis gebracht.

Die Wiederaufnahmewerber äußerten sich zu den Länderdokumentationsunterlagen mit Schriftsatz vom 22.01.2019 und brachten insbesondere vor, dem Erstwiederaufnahmewerber sei die Vorlage eines Strafregisterauszuges nicht zumutbar, da er sich dazu an das türkische Konsulat wenden müsste. Er befürchte, bei einem Besuch des türkischen Konsulats in Österreich festgenommen zu werden. Darüber hinaus brachten die Wiederaufnahmewerber weitere Urkunden zur Integration in Österreich und eine Anfragebeantwortung der schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 07.07.2017 in Vorlage.

10. Am 04.02.2019 wurde vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung im Beisein der Wiederaufnahmewerber, ihrer rechtsfreundlichen Vertretung und eines gerichtlich beeideten Dolmetschers für die türkische Sprache durchgeführt. Im Verlauf dieser Verhandlung wurde dem Erstwiederaufnahmewerber – auch in seiner Eigenschaft als gesetzlicher Vertreter seiner zum damaligen Zeitpunkt minderjährigen Kinder – und der Zweitwiederaufnahmewerberin sowie dem zum damaligen Zeitpunkt bereits volljährigen Drittwiederaufnahmewerber Gelegenheit gegeben, neuerlich ihre Ausreisemotivation sowie ihre Rückkehrbefürchtungen umfassend darzulegen sowie die aktuelle Lageentwicklung in der Türkei anhand der im Vorfeld übermittelten Länderdokumentationsunterlagen und Anfragebeantwortungen erörtert. Die zum damaligen Zeitpunkt minderjährige Viertwiederaufnahmewerberin und der zum damaligen Zeitpunkt minderjährige Fünftwiederaufnahmewerber wurden zu ihrem Lebenslauf und zu ihren Aktivitäten im Bundesgebiet befragt, um insbesondere einen persönlichen Eindruck im Hinblick auf eine allenfalls erforderliche Interessenabwägung gemäß Art. 8 EMRK bzw. § 9 BFA-VG zu gewinnen.

Im Gefolge der mündlichen Verhandlung wurde der Erstwiederaufnahmewerber insbesondere darüber in Kenntnis gesetzt, dass hinsichtlich der behaupteten Verurteilung zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe keine gerichtlichen Unterlagen aus der Türkei aktenkundig sind und eine Nachfrist zur Vorlage entsprechender Dokumente eingeräumt.

11. Am 11.02.2019 brachte der Erstwiederaufnahmewerber im Wege seiner rechtsfreundlichen Vertretung und in Entsprechung des erteilen Auftrages Ablichtungen eines Dokumentes in türkischer Sprache auf elektronischem Weg in Vorlage und teilte dazu mit, dass es sich dabei um das Urteil eines türkischen Strafgerichtes handeln würde, womit er wegen Beteiligung an einer terroristischen Organisation zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren, neun Monaten und 15 Tagen verurteilt wurde.

Nach Mitteilung des Bundesverwaltungsgerichtes, dass die Ablichtungen nur Ausschnitte eines Dokumentes zeigen brachte der Erstwiederaufnahmewerber am 19.02.2019 nochmals Ablichtungen eines Dokumentes in türkischer Sprache in Vorlage.

12. Am 25.02.2019 brachte der Erstwiederaufnahmewerber dem Bundesverwaltungsgericht im Wege seiner rechtsfreundlichen Vertretung zur Kenntnis, dass sich das Original noch in der Türkei bei seinem Rechtsanwalt befinden würde und dort „in Bearbeitung“ sei. Das Urteil solle „durch einen Notar apostilliert“ werden. Derzeit sei nicht absehbar, wann das Original nach Österreich gesendet werden könne.

13. In weiterer Folge übermittelte der Erstwiederaufnahmewerber dem Bundesverwaltungsgericht am 08.03.2019 im Wege seiner rechtsfreundlichen Vertretung nochmals Ablichtungen eines türkischsprachigen Dokumentes auf elektronischem Weg.

14. Mit Note des Bundesverwaltungsgerichtes vom 10.04.2019 wurden die Wiederaufnahmewerber darüber in Kenntnis gesetzt, dass das zuletzt elektronisch in Ablichtung übermittelte Dokument einer Übersetzung in die deutsche Sprache zugeführt wurde und es sich dabei entgegen der Ankündigung des Erstwiederaufnahmewerbers nicht um ein ihn betreffendes Urteil eines türkischen Strafgerichtes handelt. Den Wiederaufnahmewerbern wurde neuerlich eine Frist zur Vorlage des bezughabenden Urteiles oder eines Straferegisterauszuges eingeräumt.

15. Das Bundesverwaltungsgericht richtete am 11.04.2019 an die Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl ein Ersuchen um Recherche betreffend die Person des Erstwiederaufnahmewerbers und die von ihm verfassten Werke, das von ihm beschriebene Strafverfahren sowie die zuletzt in Vorlage gebrachte Ablichtung eines türkischsprachigen Dokumentes.

15. Mit E-Mail seiner rechtsfreundlichen Vertretung vom 19.04.2019 brachte der Erstwiederaufnahmewerber aufgrund der am 10.04.2019 ergangenen Aufforderung die Ablichtung eines weiteren Dokumentes in türkischer Sprache in elektronischer Form in Vorlage. Auch dieses Dokument wurde in der Folge einer Übersetzung in die deutsche Sprache zugeführt.

16. Am 23.05.2019 langte schließlich die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl zum Rechercheersuchen von 11.04.2019 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

17. Mit Note des Bundesverwaltungsgerichtes vom 06.06.2019 wurden der rechtsfreundlichen Vertretung der Wiederaufnahmewerber aktualisierte Länderdokumentationsunterlagen zur allgemeinen Lage in der Türkei, die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 20.03.2019 betreffen Strafrecht, Gerichtsurteil und Verfahrensentziehung sowie die zur Person des Erstwiederaufnahmewerbers eingeholte Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 06.05.2019 zur Vorbereitung der für den 26.06.2019 anberaumten mündlichen Verhandlung und zur Abgabe einer Stellungnahme übermittelt.

Die Wiederaufnahmewerber äußerten sich dazu mit Schriftsatz vom 18.06.2019 und brachten insbesondere vor, der Erstwiederaufnahmewerber habe für den Druck seiner Bücher zunächst schon eine staatliche Bewilligung erhalten. Erst nach dem Druck wären seine Bücher verboten und vom Staat „wieder eingesammelt“ worden. In einer Druckerei in Istanbul wären zwölf Exemplare gedruckt worden.

Das zuletzt vorgelegte Dokument stelle aus Sicht des Erstwiederaufnahmewerbers durchaus eine gerichtliche Entscheidung dar. Er sei in der Türkei Mitglied bei „ODA-TV“ gewesen und der türkische Staat sehe sämtliche Mitglieder dieser Organisation als Terroristen an. In diesem Zusammenhang sei davon auszugehen, dass die Gerichtsakten des Erstwiederaufnahmewerbers nicht öffentlich zugänglich wären und auch sonst keine Akteneinsicht genommen werden könne. Ein internationaler Haftbefehl sei dem Erstwiederaufnahmewerber nicht bekannt, er gehe jedoch davon aus, im Fall einer Rückkehr in die Türkei umgehend inhaftiert zu werden.

Der Stellungnahme war neuerlich eine bereits vorgelegte Anfragebeantwortung der schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 07.07.2017 angeschlossen.

18. Am 26.06.2019 wurde vor dem Bundesverwaltungsgericht die mündliche Verhandlung im Beisein des Erstwiederaufnahmewerbers, seiner rechtsfreundlichen Vertretung und eines gerichtlich beeideten Dolmetschers für die türkische Sprache fortgesetzt und der Erstwiederaufnahmewerber ergänzend zu den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens seit dem letzten Verhandlungstermin befragt.

Im Anschluss an die mündliche Verhandlung wurde die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes samt den wesentlichen Entscheidungsgründen mündlich verkündet. Dem Verhandlungsprotokoll zufolge beinhaltete die Verkündung den Spruch der Erkenntnisse samt den wesentlichen Entscheidungsgründen sowie der Rechtsmittelbelehrung. Demnach wurden die Beschwerden als unbegründet abgewiesen. Des Weiteren wurde die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für unzulässig erklärt. Folglich erwuchs das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes am 26.06.2019 in Rechtskraft.

19. Die Wiederaufnahmewerber beantragten mit Eingabe vom 09.07.2019 die Zustellung einer schriftlichen Ausfertigung der Erkenntnisse.

20. Die in der Folge ergangene und auf den 08.08.2020 datierte schriftliche Ausfertigung der Erkenntnisse umfasst neben dem wortgleichen Spruch zur verkündeten Fassung eine umfangreiche Darlegung der Entscheidungsgründe.

Dabei wurden vom Bundesverwaltungsgericht folgende Feststellungen getroffen:

„1.1. Zur Person der Beschwerdeführer:

1.1.1. Der Erstbeschwerdeführer führt den Namen XXXX , er ist Staatsangehöriger der Türkei und Angehörige der kurdischen Volksgruppe. Er wurde am XXXX in der Stadt Dargeçit in der Provinz Mardin geboren. Der Erstbeschwerdeführer bekennt sich zum christlich-assyrischen Glauben, bezeichnet sich jedoch nicht als religiös.

Er ist mit der Zweitbeschwerdeführerin seit dem 21.03.2012 konfessionell verheiratet und der leibliche Vater des Drittbeschwerdeführers, der Viertbeschwerdeführerin und des Fünftbeschwerdeführers. Die leibliche Mutter des Drittbeschwerdeführers, der Viertbeschwerdeführerin und des Fünftbeschwerdeführers, XXXX , lebt in der Türkei. Die seinerzeitige Ehe des Erstbeschwerdeführers mit der türkischen Staatsangehörigen XXXX wurde mit Urteil vom 09.11.2006 geschieden und dem Erstbeschwerdeführer die Obsorge für die Kinder übertragen.

Der Erstbeschwerdeführer ist gesund und steht nicht in medizinischer Behandlung.

Die Erstbeschwerdeführer besuchte in der Türkei die Grundschule, die Hauptschule und anschließend in der Stadt Tunceli das Lyzeum. In der Stadt Antakya studierte er im Anschluss an den Schulbesuch türkische Literatur. Der Erstbeschwerdeführer unterhielt vor der Ausreise gemietete Wohnsitze zuletzt in der Stadt Gaziantep, wo er gemeinsam mit der Zweitbeschwerdeführerin und seinen Kindern bis zur Ausreise lebte, und in der Stadt Mersin, wo er eigenen Angaben zufolge eine Bäckerei betrieb. Er verfügt ferner über das von seinem Vater ererbte Elternhaus in der Stadt Dargeçit in der Provinz Mardin und hielt sich eigenen Angaben zufolge auch regelmäßig in Istanbul auf.

Darüber hinaus war der Erstbeschwerdeführer eigenen Angaben zufolge als Journalist und als Autor tätig. Er war im Jahr 2010 in Gaziantep für das Medienunternehmen „ XXXX “ tätig. Darüber hinausgehende Feststellungen hinsichtlich des behaupteten journalistischen Engagements des Beschwerdeführers können nicht getroffen werden. Insbesondere kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer beim Medienunternehmen „OdaTV“ tätig war.

Der Vater des Erstbeschwerdeführers ist bereits verstorben. Seine Mutter und sein Bruder XXXX leben in der Türkei, wobei sich seine Mutter im Elternhaus in der Stadt Dargeçit in der Provinz Mardin aufhält und sein Bruder XXXX außerdem einen Wohnsitz in einem ihm gehörenden Haus in der Stadt Aksaray in Zentralanatolien unterhält. Der Bruder des Erstbeschwerdeführers ist als Baggerfahrer erwerbstätig und unterstützt die Mutter. Ein weiterer Bruder des Erstbeschwerdeführers hält sich in der Bundesrepublik Deutschland auf. Der Erstbeschwerdeführer steht mit seinen Angehörigen in regelmäßigem Kontakt.

Am 17.07.2015 verließ der Erstbeschwerdeführer die Türkei von Istanbul ausgehend gemeinsam mit seiner Familie illegal auf dem Landweg und gelangte in der Folge schlepperunterstützt zunächst nach Ungarn, wo er am 25.07.2015 erkennungsdienstlich behandelt wurde. Da Österreich das Zielland des Erstbeschwerdeführers war, begab er sich in der Folge nach Wien, wo er am 30.07.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

Für die Ausreise und die anschließende Schleppung der gesamten Familie wendete der Erstbeschwerdeführer ca. EUR 28.500,00 auf.

1.1.2. Die Zweitbeschwerdeführerin führt den Namen XXXX , sie ist Staatsangehörige der Türkei und Angehörige der kurdischen Volksgruppe. Sie wurde am XXXX in der Stadt Gaziantep in der gleichnamigen Provinz geboren. Die Zweitbeschwerdeführerin bekennt sich zum christlich-assyrischen Glauben.

Die Zweitbeschwerdeführerin ist mit dem Erstbeschwerdeführer seit dem 21.03.2012 konfessionell verheirate. Ihr bereits im Alter von 16 Jahren eingegangene erste Ehe mit dem türkischen Staatsangehörigen XXXX wurde mit Urteil vom 10.02.2010 geschieden. Die Zweitbeschwerdeführerin hat aus erste Ehe einen Sohn, der bei einer Schwester der Zweitbeschwerdeführerin in Gaziantep lebt und dort als Arbeiter erwerbstätig ist. Die Zweitbeschwerdeführerin ist nicht die leibliche Mutter des Drittbeschwerdeführers, der Viertbeschwerdeführerin und des Fünftbeschwerdeführers.

Die Zweitbeschwerdeführerin ist in physischer Hinsicht gesund und steht nicht in medizinischer Behandlung wegen physischer Erkrankungen. Sie leidet in psychischer Hinsicht an einer Anpassungsstörung mit einer leichtgradig depressiven Reaktion in Remission (sohin in einem nachlassenden Zustand) und an chronischen Spannungskopfschmerzen. Die Zweitbeschwerdeführerin steht nicht in einer ärztlichen Behandlung und nimmt derzeit auch keine Medikamente ein, sie nimmt allerdings eine Psychotherapie in Anspruch. Zur Behandlung des Krankheitsbildes kommen alle gängigen Antidepressiva unter Beachtung der Nebenwirkungen in Betracht. Eine Psychotherapie kann in der Türkei fortgesetzt werden, wobei eine dauerhafte Behandlungsbedürftigkeit nicht vorliegt und das Krankheitsbild weitgehend remittiert ist.

Im Fall einer Rückführung in die Türkei ist eine kurz- bis mittelfristige Verschlechterung des Krankheitsbildes möglich, weil in diesem Fall der Wunsch in Österreich bleiben zu dürfen nicht erfüllt wird. Die reale Gefahr des Eintritts eines lebensbedrohlichen Zustandes oder einer signifikanten, lebensbedrohlichen Verschlechterung des gesundheitlichen Zustandes besteht nicht.

Die Zweitbeschwerdeführerin besuchte in der Türkei die Grundschule im Ausmaß der Schulpflicht. Während ihrer ersten Ehe lebte sie in Istanbul und arbeitete in einem Architekturbüro. Nach der Scheidung kehrte sie im Jahr 2019 nach Gaziantep zurück, wo sie einerseits den Erstbeschwerdeführer kennenlernte und anderseits ein Café-Restaurant eröffnete und dieses bis zur Ausreise betrieb. Die Zweitbeschwerdeführerin bewohnte bis zur Ausreise gemeinsam mit dem Erstbeschwerdeführer eine Mietwohnung in Gaziantep.

Der Vater der Zweitbeschwerdeführerin ist verstorben. Ihre Mutter lebt in Gaziantep und bestreitet ihr Auskommen von der Witwenpension. Die Zweitbeschwerdeführerin verfügt ferner über drei Schwestern und einen Bruder. Eine Schwester der Zweitbeschwerdeführerin lebt in Istanbul und führt dort den Haushalt, zwei weitere Schwestern leben in Gaziantep und führen ebenfalls den Haushalt. Ihr Bruder ist als Arbeiter in der Produktion von Lastkraftwagen erwerbstätig. Die Zweitbeschwerdeführerin steht mit ihrer Mutter und der Schwester in Kontakt, bei welcher ihr Sohn lebt, mit den anderen Geschwistern besteht kein Kontakt.

Am 17.07.2015 verließ die Zweitbeschwerdeführerin die Türkei von Istanbul ausgehend gemeinsam mit dem Erstbeschwerdeführer und dessen Kindern illegal auf dem Landweg und gelangte in der Folge schlepperunterstützt zunächst nach Ungarn, wo sie am 25.07.2015 erkennungsdienstlich behandelt wurde. Da Österreich das Zielland des Erstbeschwerdeführers war, begab sich die sich Zweitbeschwerdeführerin in der Folge mit dem Erstbeschwerdeführer nach Wien, wo sie am 30.07.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

1.1.3. Der Drittbeschwerdeführer führt den Namen XXXX , er ist Staatsangehöriger der Türkei und Angehöriger der kurdischen Volksgruppe. Er wurde am XXXX in der Stadt Dargeçit in der Provinz Mardin geboren. Das religiöse Bekenntnis des Drittbeschwerdeführers ist nicht feststellbar, er erachtet sich selbst als religionslos.

Der Drittbeschwerdeführer ist gesund und steht nicht in medizinischer Behandlung.

Der Drittbeschwerdeführer besuchte in der Türkei die Grundschule, zunächst in der Stadt Mersin und dann in der Stadt Gaziantep, wo er gemeinsam mit dem Erstbeschwerdeführer und der Zweitbeschwerdeführerin in einer Mietwohnung lebte und bis zum Jahr 2015 dort die Schule besuchte. Eigenen Angaben zufolge hielt sich der Drittbeschwerdeführer unmittelbar vor der Ausreise bei seiner Großmutter väterlicherseits in der Stadt Dargeçit auf, ohne dort den Schulbesuch fortzusetzen.

Am 17.07.2015 verließ der Drittbeschwerdeführer die Türkei von Istanbul ausgehend gemeinsam mit dem Erstbeschwerdeführer und der Zweitbeschwerdeführerin illegal auf dem Landweg und gelangte in der Folge schlepperunterstützt zunächst nach Ungarn, wo er am 25.07.2015 erkennungsdienstlich behandelt wurde. Da Österreich das Zielland des Erstbeschwerdeführers war, begab sich der Drittbeschwerdeführer in der Folge mit dem Erstbeschwerdeführer nach Wien, wo der Erstbeschwerdeführer als sein gesetzlicher Vertreter am 30.07.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

1.1.4. Die Viertbeschwerdeführerin führt den Namen XXXX , sie ist Staatsangehörige der Türkei und Angehörige der kurdischen Volksgruppe. Sie wurde am XXXX in der Stadt Dargeçit in der Provinz Mardin geboren. Das religiöse Bekenntnis der Viertbeschwerdeführerin ist nicht feststellbar, sie erachtet sich selbst als religionslos.

Die Viertbeschwerdeführerin ist gesund und steht nicht in medizinischer Behandlung.

Die Viertbeschwerdeführerin besuchte in der Türkei die Grundschule bis zur Ausreise, zunächst in der Stadt Mersin und dann in der Stadt Gaziantep, wo sie gemeinsam mit dem Erstbeschwerdeführer und der Zweitbeschwerdeführerin in einer Mietwohnung lebte.

Am 17.07.2015 verließ die Viertbeschwerdeführerin die Türkei von Istanbul ausgehend gemeinsam mit dem Erstbeschwerdeführer und der Zweitbeschwerdeführerin illegal auf dem Landweg und gelangte in der Folge schlepperunterstützt zunächst nach Ungarn, wo sie am 25.07.2015 erkennungsdienstlich behandelt wurde. Da Österreich das Zielland des Erstbeschwerdeführers war, begab sich die Viertbeschwerdeführerin in der Folge mit dem Erstbeschwerdeführer nach Wien, wo der Erstbeschwerdeführer als ihr gesetzlicher Vertreter am 30.07.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

1.1.5. Der Fünftbeschwerdeführer führt den Namen XXXX , er ist Staatsangehöriger der Türkei und Angehörige der kurdischen Volksgruppe. Er wurde am XXXX in der Stadt Dargeçit in der Provinz Mardin geboren. Das religiöse Bekenntnis des Fünftbeschwerdeführers ist nicht feststellbar, er erachtet sich selbst als religionslos.

Der Fünftbeschwerdeführer besuchte in der Türkei in der Stadt Gaziantep die Grundschule bis zur Ausreise und lebte dort gemeinsam mit dem Erstbeschwerdeführer und der Zweitbeschwerdeführerin in einer Mietwohnung.

Der Fünftbeschwerdeführer ist gesund und steht nicht in medizinischer Behandlung.

Am 17.07.2015 verließ der Fünftbeschwerdeführer die Türkei von Istanbul ausgehend gemeinsam mit dem Erstbeschwerdeführer und der Zweitbeschwerdeführerin illegal auf dem Landweg und gelangte in der Folge schlepperunterstützt zunächst nach Ungarn, wo er am 25.07.2015 erkennungsdienstlich behandelt wurde. Da Österreich das Zielland des Erstbeschwerdeführers war, begab sich der Fünftbeschwerdeführer in der Folge mit dem Erstbeschwerdeführer nach Wien, wo der Erstbeschwerdeführer als sein gesetzlicher Vertreter am 30.07.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

1.1.6. Der Erstbeschwerdeführer verfügt über ein türkisches Ausweisdokument im Original, nämlich über einen am 12.10.1998 ausgestellten türkischen Führerschein. Über anderweitige türkische Identitätsdokumente im Original verfügte der Erstbeschwerdeführer nicht. Die Zweitbeschwerdeführerin, der Drittbeschwerdeführer, die Viertbeschwerdeführerin und der Fünftbeschwerdeführer verfügen über keine türkischen Ausweisdokumente (weder im Original, noch in Kopie). Ihre Angaben zur Identität können nicht aufgrund unbedenklicher, im Original vorhandener türkischer Ausweisdokumente verifiziert werden.

1.2. Zu den Ausreisegründen der Beschwerdeführer und zur Rückkehrgefährdung:

1.2.1. Der Erstbeschwerdeführer gehörte in der Türkei eigenen Angaben zufolge der Halklar?n Demokratik Partisi (HDP) als Mitglied an. Die Zweitbeschwerdeführerin, der Drittbeschwerdeführer, die Viertbeschwerdeführerin und der Fünftbeschwerdeführer gehörten in der Türkei keiner politischen Partei oder politisch aktiven Gruppierung an.

Die Beschwerdeführer entfalteten während ihres Aufenthaltes in Österreich kein
(exil-)politisches Engagement und schlossen sich auch keiner hier tätigen kurdischen Organisation an.

1.2.2. Die Beschwerdeführer und hatte in ihrem Herkunftsstaat keine Schwierigkeiten von erheblicher Intensität aufgrund ihrer kurdischen Volksgruppenzugehörigkeit oder aufgrund ihres christlich-assyrischen Religionsbekenntnisses zu gewärtigen.

1.2.2. Die Zweitbeschwerdeführerin, der Drittbeschwerdeführer, die Viertbeschwerdeführerin und der Fünftbeschwerdeführer brachten keine eigenen asylrelevanten Ausreisegründe vor.

1.2.3. Der Erstbeschwerdeführer wurde mit Urteil des XXXX zu einer Geldstrafe in der Höhe von TL 3.000,00 (das sind ca. EUR 487,00) verurteilt und mit Zahlungsanordnung der Staatsanwaltschaft XXXX zur Zahlung der Geldstrafe (im Wege von 10 Raten á TL 300,00) aufgefordert. Der Erstbeschwerdeführer entrichtete die Geldstrafe am 06.05.2013 zur Gänze.

Der Erstbeschwerdeführer wurde mit Urteil des XXXX zu einer Geldstrafe in der Höhe von TL 3.000,00 (das sind ca. EUR 487,00) verurteilt und mit Zahlungsanordnung der Staatsanwaltschaft XXXX zur Zahlung der Geldstrafe im Wege von 20 Raten á TL 150,00 aufgefordert. Der Erstbeschwerdeführer entrichtete davon am 06.05.2013 zur TL 150,00 und am 23.08.2018 die noch ausständigen TL 2850,00 (er war zuvor schriftlich dazu aufgefordert worden, zur Vollstreckung der Strafe bei der Staatsanwaltschaft vorsprechen, widrigenfalls ein Haftbefehl erlassen würde).

Mit Anordnung der XXXX wurde die Durchsuchung der Wohnung des Erstbeschwerdeführers in Gaziantep aufgrund des Verdachtes der Unterstützung der Organisation „Revolutionäres Hauptquartier“ (Devrimci Karargah) bewilligt. Dass es in der Folge tatsächlich zu einer Durchsuchung der Wohnung des Erstbeschwerdeführers kam und welchen Verlauf eine allfällige Durchsichtung nahm, kann nicht festgestellt werden.

Dem Beschwerdeführer wurden schließlich ein Urteil des 1. Strafgerichtes erster Instanz in XXXX , eine Ladung der Generalstaatsanwaltschaft in XXXX , ein Urteil des Strafgerichtes erster Instanz in XXXX , ein Urteil des 9. Strafgerichtes erster Instanz in XXXX und ein Urteil des Zivilgerichtes in XXXX zugestellt. Der Inhalt dieser Urteile bzw. der Ladung kann nicht festgestellt werden.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Erstbeschwerdeführer vor der Ausreise wegen einer ihm unterstellten Mitgliedschaft bei der Partiya Karkerên Kurdistanê (PKK) und/oder wegen politischer oder schriftstellerischer Aktivitäten strafrechtlich verfolgt wurde. Insbesondere kann nicht festgestellt werden, dass der Erstbeschwerdeführer in der Türkei wegen der Mitgliedschaft bei einer terroristischen Organisation zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren, neun Monaten und 15 Tagen verurteilt wurde, die er im Fall einer Rückkehr in die Türkei zu verbüßen hätte.

1.2.4. Der Drittbeschwerdeführer unterliegt als männlicher türkischer Staatsangehöriger der allgemeinen Wehrpflicht in der Türkei. Er wird im Fall einer Rückkehr in der Türkei seinen Wehrdienst ableisten müssen, wenn er für tauglich befunden werden sollte. Der Drittbeschwerdeführer wurde bislang weder der Musterung unterzogen, noch erhielt er einen Einberufungsbefehl. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer die Ableistung des Wehrdienstes aus Gewissensgründen verweigert.

Es kann darüber hinaus nicht festgestellt werden, dass der Drittbeschwerdeführer im Fall einer Einberufung zu den türkischen Streitkräften im Rahmen der allgemeinen Wehrpflicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit bei Kampfhandlungen eingesetzt würde oder er sich im Rahmen seines Wehrdienstes an völkerrechtswidrigen Militäraktionen beteiligen müsste. Ferner kann nicht festgestellt werden, dass in der Türkei derzeit großflächige Kampfhandlungen oder gar eine Generalmobilmachung stattfinden. Es kann auch nicht festgestellt werden, dass Rekruten der türkischen Armee – insbesondere Rekruten kurdischer Abstammung – systematischen Misshandlungen durch Vorgesetzte bzw. Offiziere unterliegen bzw. der Drittbeschwerdeführer im Zuge der Verrichtung seines Militärdienstes solche mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten hat. Ebenso wenig kann festgestellt werden, dass dem Drittbeschwerdeführer – sollte er sich weigern, seinen Militärdienst abzuleisten – eine unverhältnismäßig hohe Strafe droht bzw. dass die Verbüßung einer Haftstrafe in der Türkei an sich schon eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung darstellt.

1.2.5. Es kann nicht festgestellt werden, dass die minderjährigen Beschwerdeführer im Fall einer Rückkehr in die Türkei mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit von geschlechtsspezifischer Gewalt, Strafverfolgung, Zwangsrekrutierung, Zwangsarbeit oder Zwangsehe betroffen wären.

1.2.6. Es kann schließlich nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführer vor ihrer Ausreise aus ihrem Herkunftsstaat einer anderweitigen individuellen Gefährdung oder psychischer und/oder physischer Gewalt in ihrem Herkunftsstaat durch staatliche Organe oder durch Dritte ausgesetzt waren oder sie im Falle einer Rückkehr dorthin einer mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eintretenden individuellen Gefährdung oder psychischer und/oder physischer Gewalt oder strafrechtlicher Verfolgung ausgesetzt wären.

1.2.7. Den Beschwerdeführern droht im Falle einer Rückkehr in die Türkei nicht die Todesstrafe. Ebenso kann keine anderweitige individuelle Gefährdung der Beschwerdeführer festgestellt werden, insbesondere im Hinblick auf eine ihnen in der Türkei drohende unmenschliche Behandlung, Folter oder Strafe sowie im Hinblick auf kriegerische Ereignisse, extremistische Anschläge, stammesbezogene Gewalt oder organisierte kriminelle Handlungen.

1.2.8. Es kann nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführer vor ihrer Ausreise in ihrem Herkunftsstaat von einer existentiellen Notlage und/oder Obdachlosigkeit betroffen waren.

Die Beschwerdeführer verfügen über eine – wenn auch auf niedrigerem Niveau als in Österreich – gesicherte Existenzgrundlage in ihrer Herkunftsregion XXXX sowie über familiäre Anknüpfungspunkte in Gestalt ihrer dort lebenden zahlreichen Familienangehörigen.

Der Erstbeschwerdeführer ist ein gesunder, arbeitsfähiger Mensch mit hervorragender Ausbildung in der Schule, einem abgeschlossenen Universitätsstudium sowie mit im Herkunftsstaat erworbener Berufserfahrung als Bäcker und als Journalist. Ihm ist die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zur Sicherstellung des Familienauskommens im Rückkehrfall möglich und zumutbar.

Die Zweitbeschwerdeführerin ist ebenfalls einer körperlich gesunder und – ungeachtet ihrer remittierenden psychischen Beeinträchtigungen - arbeitsfähige Mensch mit grundlegender schulischer Ausbildung und im Herkunftsstaat erworbener Berufserfahrung als Mitarbeiterin in einem Architekturbüro und als Inhaberin eines Gastronomiebetriebes. Auch der Zweitbeschwerdeführerin ist die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zur Sicherstellung des Familienauskommens im Rückkehrfall grundsätzlich möglich und zumutbar.

Der nunmehr ebenfalls volljährige Drittbeschwerdeführer ist ein junger, gesunder, arbeits- und anpassungsfähiger Mensch mit grundlegender Ausbildung in der Schule. Ihm ist die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit im Rückkehrfall ebenfalls möglich und zumutbar.

1.2.9. Die minderjährige Viertbeschwerdeführerin und der minderjährige Fünftbeschwerdeführer verfügen in ihrer Herkunftsregion über eine – wenn auch auf niedrigerem Niveau als in Österreich – gesicherte Existenzgrundlage, ferner ist eine hinreichende Betreuung durch ihre Eltern und den Familienverband und eine hinreichende Absicherung in ihren altersentsprechenden Grundbedürfnissen gegeben. Den minderjährigen Beschwerdeführern steht ferner kostenfreier und nichtdiskriminierender Zugang zum öffentlichen Schulwesen sowie leistbarer und nichtdiskriminierender Zugang zu einer adäquaten medizinischen Versorgung und zum türkischen Sozialsystem zur Verfügung.

1.3. Zur Lage der Beschwerdeführer im Bundesgebiet:
[…]“.

21. Mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 11.12.2019 wurde die Behandlung der Beschwerde gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 8. August 2019, Zlen. XXXX , abgelehnt. Ferner wurde der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe abgewiesen.

22. Mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 03.01.2020 wurde die Beschwerde der Wiederaufnahmewerber gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 8. August 2019, Zlen. XXXX , über nachträglichen Antrag im Sinne des § 87 Abs. 3 VfGG gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

23. Mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 26.06.2020 wurde die jeweilige Revision gegen die am 26. Juni 2019 mündlich verkündeten und am 8. August 2019 schriftlich ausgefertigten Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichtes, Zlen. XXXX , zurückgewiesen.

24. Mit auf den 02.10.2020 datieren und am 05.10.2020 beim Bundesverwaltungsgericht eingebrachtem Schriftsatz stellten die Wiederaufnahmewerber den gegenständlichen Antrag auf Wiederaufnahme der mit am 26.06.2020 mündlich verkündeten und am 08.08.2020 schriftlich ausgefertigten Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichtes abgeschlossenen Verfahren.

Zur Begründung wird vorgebracht, die Wiederaufnahmewerber seien nunmehr in den Besitz eines neuen Beweismittels, nämlich eines Auskunfts- und Informationsformulars der Provinzgendarmerie XXXX , übermittelt am 25.09.2020, gelangt. Aus dem Beweismittel ergebe sich zweifelsfrei, dass der Erstwiederaufnahmewerber und die Zweitwiederaufnahmewerberin „aufgrund der Teilnahme an politischen/ ideologischen Ausbildungen an PKK/KCK/PYD/YPG Terror Organisationen“ verfolgt werden würden. Daraus ergebe sich, dass die Feststellung des Bundesverwaltungsgerichtes, dass die behauptete Furcht aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen im Herkunftsland Türkei verfolgt zu werden nicht begründet wäre, unrichtig sei. Damit sei die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes hinsichtlich des Vorliegens eines asylrechtlich relevanten Fluchtgrundes nicht richtig.

Daher werde beantragt, eine mündliche Verhandlung durchzuführen, die Wiederaufnahme des Verfahrens und die Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichtes vom 08.08.2019 zu beheben und nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung in der Sache selbst der Beschwerde Folge zu geben.

Dem Antrag auf Wiederaufnahme sind zur Bescheinigung des Wiederaufnahmesachverhaltes das Auskunfts- und Informationsformular der Provinzgendarmerie XXXX vom 21.09.2020, übermittelt am 25.09.2020, samt einer Übersetzung in die deutsche Sprache angeschlossen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch Einsichtnahme in die Gerichtsakte zu den Zahlen XXXX insbesondere die am 26. Juni 2019 mündlich verkündeten und am 08. August 2019 schriftlich ausgefertigten Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichtes, sowie durch den eingebrachten Antrag der Wiederaufnahmewerber einschließlich der Beilage Beweis erhoben.

1. Feststellungen:

Die bezughabenden Verfahren des Bundesverwaltungsgerichtes wurden mit am 26. Juni 2019 mündlich verkündeten und am 08. August 2019 schriftlich ausgefertigten Erkenntnis am 26.06.2019 jeweils rechtswirksam abgeschlossen.

Am 05.10.2020 haben die Wiederaufnahmewerber im Wege ihrer rechtsfreundlichen Vertretung den Antrag auf Wiederaufnahme im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs eingebracht.

Als Wiederaufnahmegrund wurde ein neues Beweismittel genannt. Es wurde dazu ein Auskunfts- und Informationsformular der Provinzgendarmerie XXXX , datiert auf den 21.09.2020, samt einer Übersetzung in die deutsche Sprache (datiert auf den 26.09.2020) als Beweis dafür vorgelegt, dass von einer Verfolgung des Erstwiederaufnahmewerbers und der Zweitwiederaufnahmewerberin „aufgrund der Teilnahme an politischen/ ideologischen Ausbildungen an PKK/ KCK/ PYD/ YPG Terror Organisationen“ auszugehen sei. Dieses Formular wurde den Wiederaufnahmewerbern eigenen Angaben zufolge am 25.09.2020 übermittelt. Der Antrag enthält keine Angaben darüber, von wem dieses Schriftstück an die Wiederaufnahmewerber übermittelt wurde.

2. Beweiswürdigung

Der für diese Entscheidung maßgebliche Sachverhalt ergibt sich zweifelsfrei aus der Aktenlage.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Gemäß § 32 Abs. 1 des Bundesgesetzes über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idF BGBl. I Nr. 57/2018, ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn

1. das Erkenntnis durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist oder

2. neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich ein im Hauptinhalt des Spruchs anders lautendes Erkenntnis herbeigeführt hätten, oder

3. das Erkenntnis von Vorfragen (§ 38 AVG) abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der zuständigen Verwaltungsbehörde bzw. vom zuständigen Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde oder

4. nachträglich ein Bescheid oder eine gerichtliche Entscheidung bekannt wird, der bzw. die einer Aufhebung oder Abänderung auf Antrag einer Partei nicht unterliegt und die im Verfahren des Verwaltungsgerichtes die Einwendung der entschiedenen Sache begründet hätte.

Der Antrag auf Wiederaufnahme ist gemäß § 32 Abs. 2 VwGVG binnen zwei Wochen beim Verwaltungsgericht einzubringen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antragsteller von dem Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat, wenn dies jedoch nach der Verkündung des mündlichen Erkenntnisses und vor Zustellung der schriftlichen Ausfertigung geschehen ist, erst mit diesem Zeitpunkt. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Erkenntnisses kann der Antrag auf Wiederaufnahme nicht mehr gestellt werden. Die Umstände, aus welchen sich die Einhaltung der gesetzlichen Frist ergibt, sind vom Antragsteller glaubhaft zu machen.

3.2. Wie die Materialien zum Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte 2014 (RV 2009 BlgNR 24. GP, 7) erkennen lassen, sind die Wiederaufnahmegründe des § 32 Abs. 1 VwGVG 2014 denjenigen des § 69 Abs. 1 AVG nachgebildet. Auf das bisherige Verständnis dieser Wiederaufnahmegründe einschließlich der dazu ergangenen Rechtsprechung kann demgemäß zurückgegriffen werden (VwGH 28.06.2016, Ra 2015/10/0136 mwN; 23.02.2016, Ra 2015/01/0116).

Die Aufzählung der Wiederaufnahmegründe ist taxativ (VwGH 22.03.2001, Zl. 2001/07/0029). Nur wenn eine der Tatbestandsvoraussetzungen des § 32 Abs. 1 VwGVG erfüllt ist, darf die seinerzeitige Entscheidung im Wiederaufnahmeverfahren neu aufgerollt werden (VwGH 24.11.1993, Zl. 93/02/0272). Das Vorliegen der Wiederaufnahmegründe ist streng zu prüfen, da sie eine Durchbrechung der Rechtskraft und damit einen Eingriff in die Rechtssicherheit ermöglichen (VwGH vom 24.09.2014, Zl. 2012/03/0165 mwN).

3.3. Aus der mannigfachen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 69 Abs. 1 AVG bzw. § 32 Abs. 1 VwGVG können insbesondere nachstehende Aussagen abgeleitet werden.

Die Wiederaufnahme eines rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens nach § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG bzw. § 32 Abs. 1 Z. 2 VwGVG setzt voraus, dass neue Tatsachen oder Beweise hervorgekommen sind, die im Zeitpunkt der Bescheiderlassung bereits bestanden haben, aber nicht bekannt waren und im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten. Es muss sich um Tatsachen oder Beweise handeln, die bei Abschluss des wiederaufzunehmenden Verfahrens schon vorhanden waren, aber erst danach hervorgekommen sind.

§ 69 Abs. 1 Z. 2 AVG stellt auf die sogenannten nova reperta ab (VwGH 17.02.2006, Zl. 2006/18/0031), deren Verwertung der Partei ohne ihr Verschulden erst nachträglich möglich wurde (VwGH 19.10.2005, Zl. 2005/09/0140) bzw. die der Behörde im rechtskräftig durchgeführten Verfahren nicht zugänglich waren (VwGH 19.01.1999, Zl. 97/05/0115).

Mit dem Abschluss des wiederaufzunehmenden Verfahrens ist bei einer Wiederaufnahme auf Antrag der Partei der Eintritt der formellen Rechtskraft gemeint, weil die Partei ihr vorher bekannt gewordene Tatsachen oder Beweise noch im Rechtsmittelweg geltend machen kann (VwGH 24.04.2007, Zl. 2005/11/0127). Bei neu hervorgekommene Tatsachen bzw. Beweismittel, die im Verfahren mangels Gewährung von Parteiengehör nicht geltend gemacht werden konnten, handelt es sich um keine nova reperta und weil Verfahrensfehler wie die Verletzung des Parteiengehörs ohnedies im Rechtsmittelweg geltend gemacht werden können, stellen diese daher keinen Wiederaufnahmegrund gemäß § 69 Abs. 1 Z 2 AVG dar (VwGH vom 16.06.1999, Zl. 98/01/0411).

Tatsachen sind Geschehnisse im Seinsbereich, mit Beweismittel sind Mittel zur Herbeiführung eines Urteils über Tatsachen gemeint. Eine gerichtliche Entscheidung ist weder Beweismittel noch Tatsache im Sinn des § 69 Abs. 1 Z 2 AVG bzw. § 32 Abs. 1 Z. 2 VwGVG, da Tatsache nur ein Element jenes Sachverhaltes sein kann, der von der Behörde des wiederaufzunehmenden Verfahrens zu beurteilen war. Als Beweismittel kommt daher nicht die gerichtliche Entscheidung selbst, sondern allenfalls darin verwertete neu hervorgekommene Beweismittel in Frage (VwGH 14.01.1993, Zl. 92/09/0099; 24.02.2011, Zl. 2010/09/0198).

Auch kann eine in einem anderen Verfahren geäußerte Rechtsansicht, selbst wenn sie in den im anderen Verfahren ergangenen Bescheid eingeflossen ist, keinen Wiederaufnahmegrund darstellen (VwGH 17.02.2006, Zl. 2006/18/0031 mwN). Mitteilungen oder Entscheidungen betreffend den Inhalt von generellen Normen können ebenso wenig als Beweismittel im Sinn des § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG gelten (VwGH 13.12.2016, Ra 2016/09/0107). Auch das nachträgliche Erkennen von Verfahrensmängeln stellt keinen Wiederaufnahmegrund das (VwGH 03.07.2015, Ro 2015/08/0013). Die Wiederaufnahme eines Verfahrens dient nämlich nicht dazu, allfällige Versäumnisse einer Partei in einem Ermittlungsverfahren oder die Unterlassung der Erhebung eines Rechtsmittels zu sanieren (VwGH 24.09.2014, Zl. 2012/03/0165 mwN).

Auch eine unrichtige rechtliche Beurteilung stellt keine Tatsache dar, die eine Wiederaufnahme des Verfahrens rechtfertigt (VwGH 23.04.1998, Zl. 95/15/0108), gleichgültig ob diese später durch Änderung der Verwaltungspraxis oder der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes oder des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 16.11.2004, Zl. 2000/17/0022), durch eine Entscheidung eines Gerichts oder einer Verwaltungsbehörde in einer bestimmten Rechtssache (VwGH 24.04.2007, Zl. 2005/11/0127) oder nach Unkenntnis der Gesetzeslage oder vorheriger Fehlbeurteilung durch die Partei (VwGH 06 23.11.1988, Zl. 88/01/0225) oder durch bessere Einsicht gewonnen werden (VwGH 04.09.2003, Zl.2000/17/0024).

3.4. Der gegenständliche Antrag zielt jeweils darauf ab, die mit den oben angeführten Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichtes rechtskräftig abgeschlossenen vorangegangenen Verfahren der Wiederaufnahmewerber aufgrund neuer Tatsachen beziehungsweise Beweismittel im Sinne des § 32 Absatz 1 Z 2 VwGVG wieder aufzunehmen.

Es muss sich dabei um Tatsachen und Beweismittel handeln, die beim Abschluss des wiederaufzunehmenden Verfahrens schon vorhanden waren, deren Verwertung der Partei aber ohne ihr Verschulden erst nachträglich möglich wurde ("nova reperta"), nicht aber um erst nach Abschluss des seinerzeitigen Verfahrens neu entstandene Tatsachen und Beweismittel ("nova producta" bzw. "nova causa superveniens"). Nach § 32 Abs. 1 Z. 2 VwGVG 2014 rechtfertigen neu hervorgekommene Tatsachen und Beweismittel (also solche, die bereits zur Zeit des früheren Verfahrens bestanden haben, aber erst später bekannt wurden) – bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen – eine Wiederaufnahme des Verfahrens, wenn sie die Richtigkeit des angenommenen Sachverhalts in einem wesentlichen Punkt als zweifelhaft erscheinen lassen; gleiches gilt für neu entstandene Beweismittel, sofern sie sich auf "alte", d.h. nicht erst nac

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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