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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §37;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Neumeister, über die Beschwerde der T in S, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Salzburg vom 20. März 1996, Zl. 5/04-13/251/5-1996, betreffend Befristung der Lenkerberechtigung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund ist schuldig, der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.950,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Salzburg, Verkehrsamt, vom 16. Mai 1995 wurde die der Beschwerdeführerin für Kraftfahrzeuge der Gruppen A und B erteilte Lenkerberechtigung gemäß "§§ 64 (2) iVm 65 (2) u. 69 (1)b KFG 1967 idF" auf die Dauer von einem Jahr, "das ist bis zum 30.3.1996" befristet. Die Erstbehörde sprach weiters aus, daß die Befristung und die Auflagen im Führerschein gemäß § 71 Abs. 1 KFG 1967 eingetragen würden. Gemäß § 64 Abs. 2 AVG werde einer einzubringenden Berufung die aufschiebende Wirkung aberkannt. Zur Begründung führte die Erstbehörde folgendes aus:
"Nach dem amtsärztlichen Gutachten vom 30.3.1995 sind Sie zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppen A/B bedingt geeignet, es wurde eine Befristung auf die Dauer von einem Jahr, gerechnet ab der Erstellung des amtsärztlichen Gutachtens ausgesprochen. Folgende Begründung wird angeführt: "Keine gröberen Verkehrsdelikte, wegen dominant. und wenig selbstkrit. Verhalten weitere Verkehrsbewährung abwarten; klärendes Gespräch bezügl. Verhalten bei "Anhaltungen" wurde geführt."
Aus Gründen Ihrer eigenen Sicherheit, sowie wie die der übrigen Verkehrsteilnehmer war einer einzubringenden Berufung die aufschiebende Wirkung abzuerkennen."
Mit dem nun angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 20. März 1996 wurde der von der Beschwerdeführerin dagegen erhobenen Berufung "gemäß §§ 65 Abs. 2 iVm 69 Abs. 1 lit. b KFG 1967" keine Folge gegeben.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der die Beschwerdeführerin die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Grund für die Einleitung des vorliegenden Verwaltungsverfahrens war eine Anhaltung der Beschwerdeführerin durch Beamte des Gendarmeriepostens Bergheim, wobei die Beamten in ihrer Meldung anführten, daß sich die Beschwerdeführerin "hysterisch" gezeigt hätte, daß sie nur mit Mühe habe beruhigt werden können und Äußerungen "um sich geworfen" habe, in der Art, daß Gendarmeriefahrzeuge "am Land keine Fahrzeuge mit (Salzburg) Stadtkennzeichen" anhalten oder beamtshandeln dürften. Die Beschwerdeführerin habe eine schußbereite Gaspistole in der Seitenverkleidung der Fahrertüre mit sich geführt "da so viel geschossen wird und da möchte Sie auch mitschießen". Die Beamten führten weiters aus, aus ihrem Gesamtverhalten, "ho. Informationen über die Person" der Beschwerdeführerin, Agressivität, Reizbarkeit verbunden mit ihren Anschauungen bezüglich von Waffen und Anhaltungen durch Gendarmerieorgane ... werde "ho bezweifelt", ob die Beschwerdeführerin noch geeignet sei, Kraftfahrzeuge zu lenken. Im Zuge des Ermittlungsverfahrens holte die Erstbehörde ein polizeiärztliches Gutachten über die körperliche und geistige Eignung der Beschwerdeführerin zum Lenken von Kraftfahrzeugen ein, welches am 30. März 1995 erstellt wurde und lautete:
"Keine gröberen Verkehrsdelikte - wegen dominantes + wenig selbstkrit. Verhalten weitere Verkehrsbewährung abzuwarten; klärendes Gespräch bezügl. Verhalten bei "Anhaltungen" wurde geführt."
Nach Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides - der eingangs im Wortlaut zitiert wurde - holte die belangte Behörde nach Berufung durch die Beschwerdeführerin ein amtsärztliches Sachverständigengutachten ein, welches am 5. Dezember 1995 erstellt wurde und worin es lautet, daß die Beschwerdeführerin am 30. Oktober 1995 in den Räumen der Landessanitätsdirektion amtsärztlich untersucht worden sei. Auf Grund der amtsärztlichen Untersuchungen und der Vorgeschichte habe sich "ein Verdacht auf mangelnde Bereitschaft zur Verkehrsanpassung" ergeben. Es sei mit der Beschwerdeführerin vereinbart worden, daß sie sich einer verkehrspsychologischen Untersuchung unterziehen würde, später habe die Beschwerdeführerin telefonisch erklärt, daß sie nicht bereit sei, sich verkehrspsychologisch testen zu lassen. Aus diesem Grund werde der Akt "unerledigt zurückgeschickt".
Gestützt auf die Ausführungen der beiden Gutachter erließ die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid.
Die Beschwerdeführerin wendet demgegenüber im wesentlichen ein, die belangte Behörde habe - abgesehen von der Subsumierung der gegenständlichen Maßnahme unter eine falsche Norm - das Ermittlungsverfahren nur ungenügend geführt. Insbesondere auch das eingeholte "Gutachten" der Amtssachverständigen und die von ihr gezogene Schlußfolgerung "bedingt geeignet" sei nicht nachvollziehbar begründet und könne daher nicht als Grundlage für die Entscheidung der belangten Behörde herangezogen werden.
Nach § 73 Abs. 1 KFG 1967 kann Besitzern einer Lenkerberechtigung, bei denen die geistige und körperliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen nur für eine bestimmte Zeit angenommen werden kann und Nachuntersuchungen erforderlich sind, die Lenkerberechtigung durch Befristung eingeschränkt werden. Nach § 69 Abs. 1 lit. b leg. cit. hat das ärztliche Gutachten bei Personen, deren Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen nur für eine bestimmte Zeit angenommen werden kann und bei denen Nachuntersuchungen erforderlich sind, "bedingt geeignet" für die entsprechenden Gruppen zu lauten und eine Befristung der Gültigkeit anzuführen, unter der eine Lenkerberechtigung ohne Gefährdung der Verkehrssicherheit erteilt werden kann.
Die Befristung einer Lenkerberechtigung setzt die Feststellung einer "Krankheit" voraus, bei der ihrer Natur nach mit einer zum Verlust der Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen führenden Verschlechterung gerechnet werden muß (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. Dezember 1995, Zl. 95/11/0318 mit weiteren Judikaturhinweisen). Die nötige Bereitschaft der Beschwerdeführerin zur Verkehrsanpassung bildet ein Element ihrer geistigen Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Jänner 1991, Slg. Nr. 13.361/A). Die Amtssachverständige der belangten Behörde führte in ihrer Stellungnahme vom 5. Dezember 1995 aus, daß die Beschwerdeführerin amtsärztlich untersucht worden sei. Der weiteren Ausführung der Amtssacherständigen, daß sich "auf Grund der amtsärztlichen Untersuchung und der Vorgeschichte" ein Verdacht auf mangelnde Bereitschaft zur Verkehrsanpassung ergeben habe, fehlt jedoch jegliche konkrete Begründung. Wenn es zur Erstellung des Amtssachverständigengutachtens einer neuerlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin bedurft hätte, hätte die Möglichkeit bestanden, einen Aufforderungsbescheid nach § 75 Abs. 2 KFG 1967 zu erlassen und die Beschwerdeführerin auf die Folgen der Nichtbeachtung eines solchen Bescheides hinzuweisen. Angesichts dieser Rechtslage kann es der Beschwerdeführerin beim gegebenen Sachverhalt nicht zum Nachteil gereichen, daß eine hinreichende Ermittlung des wesentlichen Sachverhaltes unter anderem wegen ihres Verhaltens im Berufungsverfahren unterblieben ist. Davon abgesehen war es der belangten Behörde zwar an sich nicht verwehrt, ihre Entscheidung auf die Ermittlungsergebnisse des erstinstanzlichen Verfahrens zu stützen. Aber auch dieses war mangelhaft geblieben. Denn auch der im erstinstanzlichen Verfahren beigezogene Polizeiamtsarzt beurteilte zwar die Eignung der Beschwerdeführerin zum Lenken von Kraftfahrzeugen als "bedingt", konkrete Anhaltspunkte dafür, aus welchen Gründen eine Nachuntersuchung in einem Jahr erforderlich wäre, sind aber trotz des Hinweises auf ein "dominantes und wenig selbstkritisches Verhalten" der Beschwerdeführerin nicht erkennbar.
Es war daher der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben. Damit erübrigt sich ein Eingehen auf das weitere Beschwerdevorbringen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft überhöht verzeichneten Stempelgebührenaufwand.
Schlagworte
Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher Verfahrensmangel Gutachten Beweiswürdigung der Behörde Gutachten Ergänzung Gutachten rechtliche Beurteilung Gutachten Überprüfung durch VwGH Sachverständiger Arzt Vorliegen eines Gutachtens StellungnahmeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1996110127.X00Im RIS seit
12.06.2001