Entscheidungsdatum
16.11.2020Norm
AsylG 2005 §3Spruch
L524 2143903-1/44E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Veronika SANGLHUBER LL.B. über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, StA Irak, vertreten durch RAe Dr. Martin DELLASEGA & Dr. Max KAPFERER, Schmerlingstraße 2/2, 6020 Innsbruck, gegen den Bescheid des Bundeamtes für Fremdenwesen Asyl vom 15.12.2016, Zl. XXXX, betreffend Abweisung eines Antrags auf internationalen Schutz und Erlassung einer Rückkehrentscheidung, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 25.08.2020, zu Recht:
A) Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I., II. und III. erster Satz wird gemäß § 3, § 8 und § 57 AsylG als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerde gegen die Spruchpunkte III. zweiter und dritter Satz und Spruchpunkt IV. wird stattgegeben und festgestellt, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 9 BFA-VG auf Dauer unzulässig ist. Gemäß § 55 Abs. 1 und 2 AsylG wird XXXX der Aufenthaltstitel „Aufenthaltsberechtigung“ für die Dauer von zwölf Monaten erteilt.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer, ein irakischer Staatsangehöriger, stellte nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 05.11.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Am 04.12.2015 erfolgte eine Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes. Am 03.10.2016 wurde er vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) einvernommen.
Mit Bescheid des BFA vom 15.12.2016, Zl. XXXX, wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung gemäß § 46 FPG in den Irak zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde, in der im Wesentlichen das Vorbringen vor dem BFA verkürzt wiedergegeben wird.
Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 08.02.2019, L524 2143903-1/21E, wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Dagegen erhob der Beschwerdeführer Revision an den Verwaltungsgerichtshof. Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27.04.2020, Ro 2019/20/0003, wurde das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde am 25.08.2020 eine mündliche Verhandlung durchgeführt, an der nur der Beschwerdeführer als Partei teilnahmen. Das BFA entsandte keinen Vertreter.
II. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer ist irakischer Staatsangehöriger, Kurde und sunnitischer Moslem. Der Beschwerdeführer lebte mit seinen Eltern und Geschwistern in einem Haus in XXXX in Diyala. Der Beschwerdeführer hat in Diyala sechs Jahre die Grundschule, drei Jahre die Mittelschule und mehrere Jahre eine höhere allgemeinbildende Schule besucht. Der Beschwerdeführer besuchte insgesamt von 1999 bis 2013 die Schule. Der Beschwerdeführer arbeitete neben seinem Schulbesuch im Supermarkt seines Vaters. Wie lange er diese Tätigkeit ausübte, kann nicht festgestellt werden. Der Beschwerdeführer spricht Arabisch und Kurdisch. In XXXX leben noch drei Tanten und vier Onkel des Beschwerdeführers mit ihren Familienangehörigen. Die Onkel arbeiten im Lebensmittelverkauf und die Tanten werden von ihren Ehemännern versorgt. Der Beschwerdeführer steht in Kontakt zu diesen Familienangehörigen.
Der Vater des Beschwerdeführers stellte bereits am 05.11.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz. Mit Bescheid des BFA vom 14.07.2015 wurde diesem Antrag stattgegeben und ihm der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Die Mutter und zwei minderjährige Brüder des Beschwerdeführers stellten am 25.09.2015 Anträge auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 35 AsylG, welchen stattgegeben wurde. Den daraufhin gestellten Anträgen auf internationalen Schutz wurde mit Bescheiden vom 15.04.2016 stattgegeben und ihnen der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Die Schwester des Beschwerdeführers stellte am 20.10.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Diesem Antrag wurde nicht stattgegeben. Sie ist mit einem schwedischen Staatsangehörigen verheiratet, der sein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht in Anspruch genommen hat. Ihr kommt daher als begünstigter Drittstaatsangehöriger ein Aufenthaltsrecht für Österreich zu.
Der Beschwerdeführer verließ den Irak ca. im September 2015 und reiste illegal in das österreichische Bundesgebiet ein, wo er am 05.11.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte.
Der Beschwerdeführer ist gesund. Er gehört keiner Risikogruppe für einen schweren Verlauf einer Covid-19-Erkrankung an. Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafrechtlich unbescholten. Der Beschwerdeführer hat einen Deutschkurs besucht. Er war für eine Gemeinde als Arbeiter tätig, hat an einem Kurs „Basisbildung für Erwachsene“ und an einem Infotag für Asylwerber teilgenommen. Der Beschwerdeführer verfügt über eine Einstellungszusage eines Supermarktes. Die Eltern, zwei Brüder und eine Schwester des Beschwerdeführers sind in Österreich rechtmäßig aufhältig. Der Beschwerdeführer ist nicht verheiratet, führt keine Lebensgemeinschaft und hat keine Kinder. Der Beschwerdeführer lebt mit seinem Bruder XXXX in einem gemeinsamen Haushalt. Die Eltern und ein weiterer Bruder des Beschwerdeführers leben in einer eigenen Wohnung, die sich im selben Haus wie die Wohnung des Beschwerdeführers befindet. Die Schwester des Beschwerdeführers benötigt wegen verschiedener Erkrankungen medizinische Behandlung, zu der sie vom Beschwerdeführer gebracht wird.
Der vom Beschwerdeführer vorgebrachte Fluchtgrund, dass sein Vater 2010 entführt und gegen Lösegeld freigekommen sei und in diesem Zusammenhang nach der Ausreise des Vaters nach dem Beschwerdeführer von IS-Mitgliedern gesucht worden sei und der Beschwerdeführer Drohbriefe erhalten habe, wird der Entscheidung mangels Glaubhaftigkeit nicht zugrunde gelegt.
Zum Irak:
Im Juni 2014 startete der sog. Islamische Staat Irak (IS) oder Da'esh, einen erfolgreichen Angriff auf Mossul, die zweitgrößte Stadt des Irak. Der IS übernahm daraufhin die Kontrolle über andere Gebiete des Irak, einschließlich großer Teile der Provinzen Anbar, Salah al-Din, Diyala und Kirkuk. Im Dezember 2017 erklärte Premierminister Haider al-Abadi den endgültigen Sieg über den IS, nachdem die irakischen Streitkräfte die letzten Gebiete, die noch immer an der Grenze zu Syrien unter ihrer Kontrolle standen, zurückerobert hatten. Der IS führt weiterhin kleine Angriffe vorwiegend auf Regierungstruppen und Sicherheitspersonal an Straßenkontrollpunkten aus. Am 25. September 2017 hat die kurdische Regionalregierung (KRG) ein unverbindliches Referendum über die Unabhängigkeit der kurdischen Region im Irak sowie über umstrittene Gebiete, die unter Kontrolle der KRG stehen, abgehalten. Das Referendum wurde für verfassungswidrig erklärt. Bei den nationalen Wahlen im Mai 2018 gewann keine Partei die Mehrheit, obwohl die meisten Stimmen und Sitze an die Partei des schiitischen Klerikers Muqtada al-Sadr gingen, ein ehemaliger Anti-US-Milizenführer.
Genaue, aktuelle offizielle demographische Daten sind nicht verfügbar. Die letzte Volkszählung wurde 1987 durchgeführt. Das US-Außenministerium schätzt die Bevölkerung im Irak auf rund 39 Millionen. Araber (75 Prozent) und Kurden (15 Prozent) bilden die beiden wichtigsten ethnischen Gruppen. Andere Ethnien sind Turkmenen, Assyrer, Yazidis, Shabak, Beduinen, Roma und Palästinenser. 97 Prozent der Bevölkerung sind Muslime. Schiiten machen 55 bis 60 Prozent der Bevölkerung aus und umfassen Araber, Shabak und Faili-Kurden. Der Rest der Bevölkerung besteht hauptsächlich aus Sunniten, einschließlich der sunnitischen Araber, die schätzungsweise 24 Prozent der Gesamtbevölkerung des Irak ausmachen. Die meisten Kurden sind auch Sunniten und machen etwa 15 Prozent der nationalen Bevölkerung aus. Die schiitischen Gemeinden leben in den meisten Gebieten des Irak, konzentrieren sich jedoch im Süden und Osten. Die Mehrheit der Bevölkerung von Bagdad sind Schiiten, insbesondere Vororte wie Sadr City, Abu Dashir und Al Dora. Sunniten leben hauptsächlich im Westen, Norden und im Zentralirak. Die Anzahl der in Bagdad als gemischt betrachteten Gebiete nimmt ab. In einigen Bezirken Bagdads gibt es immer noch bedeutende sunnitische Gemeinden, darunter Abu Ghraib. Die Bezirke A'adamia, Rusafa, Za'farania, Dora und Rasheed haben kleinere Gebiete sunnitischer Gemeinschaften. Gemischte sunnitische-schiitische Gemeinden leben in den Bezirken Rusafa und Karada, kleinere gemischte Gemeinden auch in den Bezirken Doura, Rasheed, Karkh, Mansour und Kadhimiya.
Der Konflikt mit dem IS hat die Wirtschaft des Irak erheblich geschwächt. Die irakische Wirtschaft ist weiterhin stark vom Öl abhängig und ihr wirtschaftliches Vermögen hängt eng mit den globalen Ölpreisen zusammen. Die Weltbank prognostiziert, dass sich die Wirtschaft durch den Wiederaufbau nach Konflikten und die Verbesserung der Sicherheitslage erholen wird.
Die Verfassung garantiert das Recht auf Gesundheitsfürsorge und es gibt ein staatliches Gesundheitswesen und Behandlungsmöglichkeiten sind vom Staat bereitzustellen. Der Irak verfügt über öffentliche und private Krankenhäuser. Die medizinische Grundversorgung erfolgt sowohl in privaten als auch in öffentlichen Kliniken. Die Gesundheitsinfrastruktur hat unter jahrzehntelangen Konflikten gelitten. Das Gesundheitswesen ist begrenzt, insbesondere in von Konflikten betroffenen Gebieten und in Gegenden mit einer großen Anzahl von Binnenvertriebenen.
Die Verfassung sieht eine obligatorische Grundschulausbildung vor. Für Kinder in der Region Kurdistan besteht die Schulpflicht bis zum Alter von 15 Jahren. Der Irak war einst regional führend in der Bildung, aber jahrelange Konflikte haben zu sinkenden Bildungsergebnissen geführt. Kinder, die sich derzeit in der Schule befinden, werden ca. 10,1 Jahre Schulunterricht erhalten. Die durchschnittliche Schulzeit der derzeit über 25-Jährigen lag bei 6,6 Jahren. Mädchen hatten mit 9,7 Jahren eine niedrigere erwartete Schulzeit, verglichen mit Knaben mit 11,5 Jahren. Rund 80 Prozent der Iraker im Alter von über 15 Jahren sind gebildet. Wohlhabende Familien in Bagdad haben Zugang zu höherer Bildung von privaten und internationalen Schulen. Die privaten Schulgebühren in Bagdad betragen durchschnittlich rund 1.300 USD pro Monat.
Der öffentliche Sektor ist bei weitem der größte Arbeitgeber und der private Sektor ist unterentwickelt. Während die Regierung den größten Teil ihrer Einnahmen aus Ölexporten erwirtschaftet, beschäftigt die Ölindustrie nur wenige Mitarbeiter. Die Regierung beschäftigt schätzungsweise 40 Prozent der irakischen Arbeitskräfte. Im UNDP-Bericht 2016 wurde eine Arbeitslosenquote von 16,9 Prozent, die Jugendarbeitslosigkeit auf 35,1 Prozent geschätzt.
Die KRG ist eine autonome Regionalregierung mit Sitz in Erbil, die von der irakischen Verfassung anerkannt ist. Die KRG ist für die Verwaltung der Provinzen Erbil, Sulaymaniyah und Dohuk zuständig. Die kurdische Regionalversammlung hat 111 Sitze, von denen fünf für Christen und fünf für Turkmenen reserviert sind. Mindestens dreißig Prozent der Sitze müssen von Frauen besetzt werden. Der Verfassungsentwurf der Region Kurdistan verbietet Diskriminierung aufgrund von Sprache, Alter, Behinderung und Geschlecht. Die Region Kurdistan hat eine eigene Unabhängige Menschenrechtskommission, die zumindest teilweise mit der föderalen Hochkommission für Menschenrechte zusammenarbeitet. Die Region Kurdistan ist stabiler als andere Gebiete des Irak. Das kann an der größeren Kapazität der kurdischen Sicherheitskräfte und der geringeren ethnischen und religiösen Vielfalt in der Region liegen.
Die irakische Verfassung garantiert grundlegende Menschenrechte einschließlich Rechtsstaatlichkeit, Gleichheit vor dem Gesetz, Chancengleichheit, Privatsphäre und Unabhängigkeit der Justiz. Die Verfassung verbietet Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, der Rasse, der ethnischen Zugehörigkeit, der Nationalität, der Herkunft, der Hautfarbe, der Religion, der Meinung, des wirtschaftlichen oder sozialen Status.
Die Verfassung macht den Islam zur offiziellen Religion des Staates. Es garantiert die Glaubens- und Religionsfreiheit für alle Personen, einschließlich Christen, Yazidis und Sabäer-Mandäer. Auf der Scharia beruhende Regelungen verbieten zwar eine Konversion vom islamischen Glauben, doch ist keine Strafverfolgung hierfür bekannt. Nach irakischem Recht wird ein Kind unter 18 Jahren automatisch zum Islam konvertiert, wenn auch einer seiner nicht-muslimischen Eltern konvertiert ist.
Nach der Absetzung von Saddam Hussein und der (von Sunniten dominierten) Ba'ath-Partei aus der Regierung fühlten sich viele Sunniten ausgegrenzt. Das US-Außenministerium und internationale Menschenrechtsgruppen berichten von regierungsnahen Streitkräften, die sunnitische Männer anzugreifen versuchen, die aus IS-kontrollierten Gebieten fliehen und verhindern, dass Sunniten die von der Regierung kontrollierten Gebiete verlassen. Außerhalb der vom IS kontrollierten Gebiete wurden Sunniten in der Form belästigt und diskriminiert, dass sie bei Kontrollpunkten in aufdringlicher Weise kontrolliert wurden und Dienste minderer Qualität in sunnitischen Gebieten bereitgestellt werden. Sunniten sind außerhalb von Gebieten, die kürzlich vom IS kontrolliert wurden, aufgrund ihrer Religion einem geringen Risiko gesellschaftlicher Gewalt ausgesetzt. In Gebieten, in denen sie eine Minderheit sind, sind Sunniten einem mäßigen Risiko von Diskriminierung durch die Behörden und der Gesellschaft ausgesetzt. Das Risiko der Diskriminierung variiert je nach lokalem Einfluss und Verbindungen.
Bei der Einreise in den Irak über die internationalen Flughäfen, einschließlich der Region Kurdistan, werden Personen, die illegal ausgereist sind, nicht festgenommen. Es werden jene Iraker bei der Rückkehr festgenommen, die eine Straftat begangen haben und gegen die ein Haftbefehl erlassen worden war. Um den Irak zu verlassen, sind gültige Dokumente (in der Regel ein Pass) und eine entsprechende Genehmigung (z. B. ein Visum) für die Einreise in das vorgesehene Ziel erforderlich. Eine illegale Ausreise aus dem Irak ist rechtswidrig, jedoch sind keine Strafverfahren gegen Einzelpersonen wegen illegaler Ausreise bekannt. Iraker, die einen irakischen Pass verloren haben oder nicht haben, können mit einem laissez-passer in den Irak einreisen. Die Einreise mit einem laissez passer-Dokument ist üblich und Personen, die damit einreisen, werden weder gefragt, wie sie den Irak verlassen haben, noch werden sie gefragt, warum sie keine anderen Dokumente haben. Dem britischen Innenministerium zufolge können Grenzbeamte am Flughafen Bagdad ein Schreiben ausstellen, um die Verbringung an den Herkunftsort oder die Umsiedlung einer Person im Irak zu erleichtern. (Australian Government – Department of Foreign Affairs and Trade, Country Information Report Iraq, 09.10.2018)
Im Juli 2019 führte der IS seine seit langem erste Attacke auf kurdischem Boden durch. Im Gouvernement Sulaimaniya attackierte er einen Checkpoint an der Grenze zu Diyala, der von Asayish [Anm.: Inlandsgeheimdienst der Autonomen Region Kurdistan] bemannt war. Der Angriff erfolgte in drei Phasen: Auf einen Schussangriff folgte ein IED-Angriff gegen eintreffende Verstärkung, gefolgt von Mörserbeschuss. Bei diesem Angriff wurden fünf Tote und elf Verletzte registriert. Im August wurde in Sulaimaniya ein Vorfall mit einer IED verzeichnet, wobei es keine Opfer gab. Die am 27. Mai initiierte türkische „Operation Claw“ gegen Stellungen der Kurdischen Arbeiterpartei (PKK) im Nordirak hält an. Die erste Phase richtete sich gegen Stellungen in der Hakurk/Khakurk-Region im Gouvernement Erbil. Die zweite Phase begann am 12. Juli und zielt auf die Zerstörung von Höhlen und Zufluchtsorten der PKK. Die türkischen Luftangriffe konzentrierten sich auf die Region Amadiya im Gouvernement Dohuk, von wo aus die PKK häufig operiert. Aktuell befindet sich die Operation in der dritten Phase. Im Kreuzfeuer wurden in den vergangenen Wochen mehrere kurdische Dörfer evakuiert, da manchmal auch Zivilisten und deren Eigentum bei türkischen Luftangriffen getroffen wurden. Am 10. und 11. Juli bombardierte iranische Artillerie mutmaßliche PKK-Ziele im Subdistrikt Sidakan/Bradost im Gouvernement Sulaimaniya, wobei ein Kind getötet wurde. In dem Gebiet gibt es häufige Zusammenstöße zwischen iranischen Sicherheitskräften und iranisch-kurdischen Aufständischen, die ihren Sitz im Irak haben, wie die “Partei für ein Freies Leben in Kurdistan‘‘ (PJAK), die von Teheran beschuldigt wird, mit der PKK in Verbindungen zu stehen. (Kurzinformation der Staatendokumentation, 30.10.2019, Sicherheitsupdate 3. Quartal 2019 und jüngste Ereignisse)
Die zweite Woche in Folge ist die Gewalt im Irak zurückgegangen. In der ersten Juniwoche gab es 17 Vorfälle. Das war der niedrigste Wert seit der vierten Märzwoche. Es gab insgesamt 32 Opfer, vier von der Hashd al-Shaabi, vier irakische Sicherheitskräfte (ISF) und fünf Zivilisten kamen ums Leben. Zwei Zivilisten und 17 ISF wurden verletzt. Kirkuk hatte mit 14 die meisten Verluste, gefolgt von zehn in Diyala und jeweils vier in Anbar und Erbil. In dieser Woche gab es keinen Vorfall in Bagdad, einen in Erbil, zwei in Salah ad-Din, vier Vorfälle in Anbar und jeweils fünf in Diyala und Kirkuk. (Musings on Iraq, 10.06.2020)
Die dritte Woche in Folge nahm die Gewalt im Irak ab. In der zweiten Juniwoche wurden insgesamt 16 Vorfälle gemeldet. Vier davon waren Raketenangriffe von pro-iranische Gruppen in Bagdad. Die übrigen 12 Vorfälle betrafen den IS. Diese Vorfälle durch den IS sind rückläufig. In der ersten Juniwoche waren es noch 17 Vorfälle, 30 Vorfälle in der letzten Maiwoche und 65 in der dritten Maiwoche. In der zweiten Juniwoche entfielen vier Vorfälle auf Diyala, drei auf Ninewa, jeweils zwei auf Kirkuk und Salah ad-Din und ein Vorfall in Babil. Es gab insgesamt 25 Opfer. Dies beinhaltet zwei getötet Zivilisten, acht getötete irakische Sicherheitskräfte (ISF) und drei getötete Hashd al-Shaabi sowie vier ISF und acht Zivilisten, die verwundet wurden. (Musings on Iraq, 16.06.2020)
Die Gewalt im Irak ist zu einem sehr niedrigen Niveau zurückgekehrt. In der dritten Woche in Folge gab es nur wenige Vorfälle. In der dritten Juniwoche wurden – wie in der Vorwoche – nur 16 Sicherheitsvorfälle gemeldet. Diese Vorfälle ereigneten sich in fünf Provinzen, einer in Kirkuk, zwei in Ninewa, jeweils vier in Bagdad und Diyala und fünf in Salah ad-Din. Diese führten zu elf Toten und 19 Verletzten. Ein Zivilist, vier ISF und sechs Hashd al-Shaabi verloren ihr Leben, fünf ISF, sieben Hashd al-Shaabi und sieben Zivilisten wurden verletzt. Salah ad-Din hatte die meisten Opfer (19), gefolgt von sechs in Diyala, vier in Ninewa und einem in Bagdad. (Musings on Iraq, 23.06.2020)
In der vierten Juniwoche wurden nur zehn Sicherheitsvorfälle registriert. Ein Vorfall war ein Raketenangriff in Bagdad. Die verbleibenden neun Vorfälle erfolgten durch den IS. Dabei handelt es sich um die wenigsten Vorfälle durch den IS seit November 2019. Alle Vorfälle ereignete sich in nur vier Provinzen, jeweils einer in Kirkuk und Salah ad-Din, zwei in Bagdad und sechs in Diyala. Acht Menschen sind gestorben und 13 wurden verletzt. Zwei Hashd al-Shaabi und sechs Polizisten verloren ihr Leben, fünf Polizisten und acht Hashd al-Shaabi wurden verletzt. (Musings on Iraq, 30.06.2020)
Im Oktober 2019 begann eine Protestbewegung in Bagdad und in den südlichen irakischen Provinzen und setzt sich aus Personen unterschiedlichen Alters und Geschlechts zusammen. Die DemonstrantInnen drücken auf der Straße ihre Frustration über hohe Jugendarbeitslosigkeit, mangelhafte öffentliche Dienste und chronische Korruption im Land aus. Insbesondere Studenten entwickelten sich laut Al Jazeera zum Rückgrat der Protestbewegung. Die Demonstrationen breiteten sich in Provinzen im Süd- und Zentralirak aus, darunter Babil, Dhi-Qar, Diyala, Karbala, Maysan, Muthana, Nadschaf, Qadisiya und Wasit. Die kurdischen Regionen im Norden, sowie die sunnitischen Mehrheitsgebiete im Westen blieben größtenteils ruhig. Die erste Phase der Protestbewegung dauerte vom 1. bis zum 9. Oktober an. Laut eines Sprechers des Innenministeriums hatten DemonstrantInnen 51 öffentliche Gebäude und acht Parteizentralen während dieser ersten Protestphase in Brand gesetzt. Eine zweite Protestwelle brach am 24. Oktober in Bagdad und Provinzen Süd- und Zentraliraks aus. Die Demonstrationen dauerten im Dezember weiter an, mit tausenden Protestierenden im Südirak, die nach dem Rücktritt des Ministerpräsidenten Adel Abdel Mahdi einen unabhängigen Kandidaten forderten. Die Protestbewegung, die eine Revision des politischen Systems im Irak forderte, setzte sich im Jänner fort. Zeitgleich führten US-Angriffe gegen die vom Iran unterstützten Volksmobilisierungskräfte (Popular Mobilization Forces, PMF), sowie der tödliche Angriff auf den iranischen General Qasem Soleimani nahe des Flughafens Bagdad am 3. Jänner 2020 zu separaten Demonstrationen, die von pro-iranischen Gruppierungen angeführt wurden und die sich gegen amerikanischen Einfluss im Land richteten. Premieminister Adel Abdel Mahdi zeigte sich öffentlich von Beginn der Proteste um eine Lösung bemüht. Am 8.Oktober 2019 stimmte das Parlament über ein Maßnahmenpaket ab, das unter anderem Ausbildungsprogramme für junge Arbeitslose und die Bereitstellung einer monatlichen Unterstützungsleistung für Familien unter der Armutsgrenze ermöglichen sollte. Der Ministerrat legte daraufhin ein zweites 13-Punkte-Paket vor, das sich unter anderem mit Subventionen und der Bereitstellung von Wohnraum für Arme befasste. Am 16. Oktober kündigte der Oberste Justizrat die Einrichtung eines zentralen Strafgerichtshofs zur Korruptionsbekämpfung an. Das Ministerium für Arbeit und Soziales hat seitdem damit begonnen, gewissen benachteiligten Familien monatliche Auszahlungen zukommen zu lassen. Am 29. November 2019 beugte sich Adel Abdel Mahdi dem innenpolitischen Druck sowie dem Wunsch der DemonstrantInnen und kündigte seinen Rücktritt als Ministerpräsident an. Am 24. Dezember 2019 verabschiedete das irakische Parlament ein neues Wahlgesetz, doch ein neuer Premierminister war noch nicht gefunden worden. Am 1. Februar 2020 wurde Mohammed Tawfiq Allawi, ein ehemaliger Kommunikationsminister, zum Premierminister ernannt. Die genaue Zahl der bei Protesten Getöteten und Verletzten ist unklar. Human Rights Watch berichtet, dass laut irakischem Gesundheitsministerium die Zahl der Todesopfer Mitte Dezember 2019 511 Menschen erreicht habe. Laut der irakischen Menschenrechtskommission wurden bis Ende Dezember mindestens 490 DemonstrantInnen getötet. Amnesty International geht mit 23. Jänner 2020 von mehr als 600 Menschen aus, die seit Oktober 2019 im Zusammenhang mit den Protesten ihr Leben verloren haben. (ACCORD, Aktuelle politische Entwicklungen – Protestlage, 04.03.2020)
Die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH führt im Irak das Projekt „Privatsektorentwicklung und Beschäftigungsförderung/Entwicklungsorientierte (Re-)Integration der irakischen Jugend“ durch. Das Vorhaben unterstützt die irakische Regierung dabei, Wirtschaftsreformen zu entwickeln und Investitionsanreize zu schaffen. Es steht in engem Austausch mit politischen Partnern, zivilgesellschaftlichen Gruppen und der Privatwirtschaft. Grundlegend für die Reformen sind neustrukturierte Prozesse für die Politikentwicklung und empirische Daten, die unter anderem Wirtschaftsforschungsnetzwerke zur Verfügung stellen. Dadurch kann die Regierung wirtschaftspolitische Entscheidungen treffen, die auf Fakten basieren. Ziel ist es, die Regulierungen für Investitionen zu vereinfachen, transparenter zu gestalten und dadurch vor Korruption zu schützen. Um den Ausbau der Privatwirtschaft zu fördern, sind Unternehmensgründungen nötig. Das Projekt unterstützt die irakische Regierung dabei, eine Vereinfachung von Regularien umzusetzen und Gründer/innen einen Zugang zu Finanzmitteln zu schaffen. In Zusammenarbeit mit Universitäten führt das Projekt Gründerwettbewerbe durch, bei denen Studierende Unterstützung für die ersten Schritte als Gründer/in erhalten. Das Vorhaben arbeitet außerdem mit Ausbildungseinrichtungen zusammen, um arbeitsmarktorientierte Qualifizierungsangebote zu entwickeln. Weiterbildungen und die Vermittlung von Praktika und Jobs werden kombiniert, um jungen Menschen den Einstieg auf dem Arbeitsmarkt zu erleichtern. Frauen und Rückkehrer/innen bilden dabei einen besonderen Schwerpunkt. Bei der Entwicklung und Umsetzung der Schulungsangebote arbeitet das Projekt zum Teil auch mit internationalen Unternehmen zusammen. Dadurch sollen Trainingsinhalte optimal auf die Bedarfe der Arbeitgeber/innen abgestimmt werden und Teilnehmer/innen gezielt auf ihre Tätigkeiten vorbereitet werden. Damit mehr Arbeitsplätze in der Privatwirtschaft entstehen, arbeitet das Projekt eng mit lokalen Kammern und Industrieverbänden zusammen. Gemeinsam werden Beratungsleistungen zu Themen wie Buchführung, Marketing und Darlehensverwaltung entwickelt, die sich gezielt an kleine und mittelständische Firmen richten. Durch die Beratungen können Unternehmen ihre Geschäftstätigkeiten verbessern und ausweiten, um dadurch neue Arbeitsplätze zu schaffen. In Branchen mit einem besonders starken Wachstumspotenzial unterstützt das Projekt Unternehmen bei der Markteinführung innovativer Produkte und Dienstleistungen. Das betrifft beispielsweise die Solarenergie oder die Abfallaufbereitung. Dadurch erschließen die Unternehmen neue Geschäftsfelder und gleichzeitig entstehen neue Jobs in den entsprechenden Bereichen. (GIZ, Förderung der Privatwirtschaft – Investitionen und Jobs für neue Perspektiven)
Die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH führt im Irak das Projekt „Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) – Neue Job-Perspektiven für eine moderne Jugend im Irak“ durch. Die Bevölkerung des Irak ist eine der jüngsten weltweit. Fast zwei Drittel aller Irakerinnen sind jünger als 25 Jahre, viele von ihnen sind Binnenvertriebene im eigenen Land oder Geflüchtete aus den Nachbarstaaten. Ihnen allen ist gemeinsam, dass sie kaum Beschäftigungsperspektiven haben; jede/r Fünfte von ihnen ist arbeitslos. Bei den größten Arbeitgebern des Landes, der Erdölindustrie und dem öffentlichen Dienst, finden sich immer weniger Erwerbsmöglichkeiten. Die Erdölförderung macht 99 Prozent der irakischen Staatseinnahmen aus, trotzdem sind hier nur ein Prozent aller landesweit Erwerbstätigen beschäftigt. Mehr als die Hälfte der arbeitenden Bevölkerung ist im öffentlichen Dienst tätig, der jedoch mit sinkenden Staatseinnahmen aufgrund des fallenden Ölpreises keine langfristige Perspektive bietet. Die Privatwirtschaft ist hingegen bislang kaum entwickelt. Junge Iraker/innen interessieren sich zunehmend für den Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) als mögliches Berufsfeld. Die Grundvoraussetzungen dafür sind gut: Mobiles Internet in Breitbandqualität ist nahezu landesweit verfügbar und ermöglicht somit eine flexible Arbeitsweise. Allerdings entsprechen weder die verfügbaren Weiterbildungsangebote, noch die Lehrpläne der angebotenen Studiengänge den Anforderungen des irakischen Arbeitsmarkts. Ein eigenes Unternehmen zu gründen scheitert oft an fehlenden staatlichen Unterstützungsstrukturen und dem mangelnden Zugang zu Krediten oder Kapital von Investoren. Junge Arbeitssuchende, vor allem Frauen, Binnenvertriebene und Geflüchtete sollen von besseren Beschäftigungsperspektiven im Bereich IKT profitieren. (GIZ, Startup your future – Irakische Jugend als Tech-Gründer)
Im Irak gibt es 6.439 bestätigte Covid-19-Fälle, 3.078 aktive Fälle, 205 Todesfälle, 3.156 genesene Personen. Insgesamt wurden beinahe 228.000 Tests durchgeführt. Elf Prozent der Fälle ereigneten sich in der Autonomen Region Kurdistan. Während des Ramadan und der Feiern zum Eid al-Fitr wurden die strengen Ausgangsbeschränkungen gelockert und danach wieder verschärft. Der Irak gehört zu jenen Ländern, auf die sich der Global Humanitarian Response Plan (GHRP) für Covid-19 bezieht. Bis zum 01.06.2020 hat er Irak 16,9 Millionen US-Dollar für die Bekämpfung von Covid-19 erhalten. (UNOCHA, Iraq: Covid-19, Situation Report No. 14, 01.06.2020)
Die Zahl der Binnenvertriebenen (IDP’s) wird seit April 2014 aufgezeichnet, jene der Rückkehrer seit April 2015. Seit Juni 2017 sinkt die Zahl der IDPs kontinuierlich. Zum 31.12.2019 wurden 1,4 Millionen IDPs (235.772 Haushalte), verteilt auf 18 Gouvernements und 104 Distrikte identifiziert. Im Vergleich zum letzten Bericht ging die Zahl der IDPs um 29.868 zurück. Die höchsten Rückgänge wurde in Ninewa (-18.552), Salah al-Din (-5.604) und in Erbil (-5.388) verzeichnet. Die Zahl der Rückkehrer liegt bei 4,6 Millionen (766.075 Haushalte) in 8 Gouvernements und 38 Distrikten. Damit stieg die Zahl der Rückkehrer, verglichen mit dem letzten Bericht, um 135.642 Personen. Verglichen mit dem vorherigen Beobachtungszeitraum (110.658) ist dies Zahl nur leicht gestiegen, sie ist aber doppelt so hoch wie die drei davor liegenden Beobachtungszeiträume (45.012, 38.256 und 54.900). Die meisten Personen kehrten nach Anbar (94.350), Ninewa (27.858) und Salah al-Din (11.352) zurück. Nahezu alle Haushalte (95%, 4.368.594 Personen) kehrten an ihren vor der Vertreibung gewöhnlichen Wohnsitz zurück, der sich in einem guten Zustand befand. Zwei Prozent (76.086) leben in anderen privaten Einrichtungen (gemietete Häuser, Hotels, Gastfamilien). Drei Prozent der Rückkehrer (151.770) leben in kritischen Unterkünften (informelle Siedlungen, religiöse Gebäude, Schulen, unfertige, aufgegebene oder zerstörte Gebäude). Im gesamten Jahr 2019 sank die Zahl der IDPs um 388.200 Personen, jene der Rückkehrer nahm um 431.130 Personen zu. (Displacement Tracking Matrix, Master List Report 113, November – December 2019)
III. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers, zu seiner Herkunft, zu seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, zu seiner Schulbildung, zu seiner Berufstätigkeit, zu seiner illegalen Einreise sowie zu seiner Antragstellung zur Erlangung internationalen Schutzes ergeben sich aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers im gesamten Verfahren und den Verwaltungsakten.
Die Feststellungen zu den in Österreich lebenden Familienangehörigen des Beschwerdeführers, zu deren Anträgen auf internationalen Schutz und zu den Wohnverhältnissen ergeben sich aus den Angaben des Beschwerdeführers, ZMR-Auszügen, IZR-Auszügen, dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgericht betreffend die Schwester des Beschwerdeführers und dem Verwaltungsakt.
Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer gesund ist und keiner Risikogruppe für einen schweren Verlauf einer Covid-19-Erkrankung angehört, ergibt sich aus seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung (Seiten 2 und 3 des Verhandlungsprotokolls).
Die Feststellungen zu den im Irak lebenden Familienangehörigen des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung (Seite 7 des Verhandlungsprotokolls).
Der vom Beschwerdeführer vorgebrachte Fluchtgrund ist aus folgenden Erwägungen nicht glaubhaft:
Der Beschwerdeführer gab zum Verbleib seines Reisepasses in der Erstbefragung an, dass er seinen Reisepass bei einem Freund in der Türkei hinterlegt habe (AS 11), während er vor dem BFA behauptete, dass ihm der Schlepper in der Türkei den Reisepass abgenommen habe (AS 100). Bei diesen Angaben handelt es sich zwar nicht um Angaben zu seinem Fluchtgrund, doch verdeutlichen diese widersprüchlichen Angaben die Bereitschaft des Beschwerdeführers, Falschangaben vor österreichischen Behörden zu machen, was die Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers erheblich beeinträchtigt.
Betrachtet man die Schilderungen des Beschwerdeführers zu seinem Fluchtgrund vor dem BFA und dem Bundesverwaltungsgericht, so fällt auf, dass die Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht deutlich ausführlicher und detailreicher waren als noch in der Einvernahme vor dem BFA. Dies ist zum einen nicht nachvollziehbar, als dem Beschwerdeführer sowohl vor dem BFA als auch dem Bundesverwaltungsgericht die Möglichkeit geboten wurde, in freier Rede seinen Fluchtgrund zu schildern. Der Beschwerdeführer hätte daher schon vor dem BFA derart detailreich seinen Fluchtgrund schildern müssen, wie er dies vor dem Bundesverwaltungsgericht getan hat. Trotz der Möglichkeit vor dem BFA, seinen Fluchtgrund frei zu schildern und der ausdrücklichen Aufforderung, über alle Ereignisse zu erzählen, die ihn zum Verlassen der Heimat veranlasst haben, waren die Ausführungen des Beschwerdeführers vor dem BFA detailarm (AS 105). Der Beschwerdeführer gab in der Einvernahme vor dem BFA auch an, dass er die Gelegenheit gehabt hätte, alles vorzubringen, was ihm wichtig war (AS 108). Wenn der Beschwerdeführer dann in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht sein Vorbringen überaus konkret und detailliert schildert, spricht dies – vor dem Hintergrund seiner dürftigen Angaben vor dem BFA – nicht für eine Glaubhaftigkeit seiner Angaben. Zum anderen müsste sich aber das Aussageverhalten des Beschwerdeführers während des gesamten Verfahrens geradezu umgekehrt verhalten, nämlich sein Vorbringen vor dem BFA ausführlicher sein als vor dem Bundesverwaltungsgericht bzw. in etwa gleich ausführlich, da es der Lebenserfahrung entspricht, dass die Erinnerung an Ereignisse im Laufe der Zeit verblasst. Berücksichtigt man, dass die Einvernahme vor dem BFA im Oktober 2016 erfolgte und die mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht im August 2020, kann nicht im Geringsten nachvollzogen werden, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers derart ausführlich und weit über die Angaben des Beschwerdeführers in der Einvernahme vor dem BFA hinausgehend, ausfällt. Dies spricht jedenfalls gegen eine Glaubhaftmachung des Vorbringens des Beschwerdeführers.
Der Beschwerdeführer stützt seinen Fluchtgrund auf die Entführung seines Vaters im Jahr 2010. Die Schilderungen des Beschwerdeführers dazu weichen von jenen seines Vaters ab. So bringt der Vater vor, dass zunächst ein Lösegeld von 200.000 Dollar gefordert worden sei und das Lösegeld von seiner Frau und seinem Cousin an die Entführer übergeben worden sei. Nach seiner Freilassung sei der Vater des Beschwerdeführers gleich nach Hause gefahren (Seite 8 des Einvernahmeprotokolls des Vaters). Der Beschwerdeführer spricht hingegen davon, dass ein Lösegeld von 100.000 Dollar gefordert worden sei, das von seiner Mutter und einem Bekannten an die Entführer übergeben worden sei. Außerdem behauptet der Beschwerdeführer, dass sein Vater nach der Freilassung zum Arzt gebracht worden sei, was der Vater nicht erwähnte (Seite 9 des Verhandlungsprotokolls). Dem Beschwerdeführer wurden die unterschiedlichen Angaben zur Höhe des geforderten Lösegelds vorgehalten, doch meinte er hierzu nur, er hätte es so mitbekommen (Seite 12f des Verhandlungsprotokolls). Damit gelang es ihm aber nicht, den Widerspruch zu den Angaben seines Vaters auszuräumen.
In den Angaben des Beschwerdeführers fällt auch auf, dass er das konkrete Datum der Entführung seines Vaters (15.07.2010), den Monat und das Jahr der Verurteilung des Entführers (Juli 2011) und das Datum des Telefonats zwischen dem Vater des Beschwerdeführers und dem Bruder des Verurteilten (24.08.2014) nennen konnte (Seiten 9 und 10 des Verhandlungsprotokolls). Dies sind alles Ereignisse, die den Beschwerdeführer persönlich nicht betreffen und zwischen sechs und zehn Jahre zurückliegen. Dass der Beschwerdeführer zu den Vorfällen, die den Vater betreffen, konkrete Daten nennen konnte, liegt wohl daran, dass er diese aus dem Einvernahmeprotokoll des Vaters entnommen hat. Dagegen konnte der Beschwerdeführer Ereignisse, die ihn persönlich betreffen, nicht derart konkret datieren. So konnte er etwa nicht genau angeben, in welchem Zeitraum er – nach der Ausreise seiner Eltern und Geschwister – bei seinem Onkel gelebt habe. Hier gab er nur an, dass es von 2014 bis 2015 gewesen sei, er aber die Monate nicht mehr sagen könne. Er konnte auch nicht angeben, wann konkret er den Irak verlassen habe. Hier sprach er nur davon, dass es im September 2015 gewesen sei. Obwohl er insgesamt zwölf Jahre die Schule besucht habe, konnte er nicht angeben, wann ein Semester beginnt und endet. Hinsichtlich letzterem behauptete er, er wisse dies nicht mehr, weil dies schon zehn Jahre her sei (Seiten 7 und 8 des Verhandlungsprotokolls). Dieses Aussageverhalten des Beschwerdeführers deutet nun darauf hin, dass der Beschwerdeführer die Daten der Ereignisse, die seinen Vater betreffen, bloß einstudiert hat, weshalb er sie auch konkret angeben konnte. Eine Glaubhaftmachung der Ereignisse gelingt dem Beschwerdeführer mit der bloßen Nennung der konkreten Daten damit aber nicht.
Der Vater des Beschwerdeführers verließ den Irak im Jahr 2014. Die Gründe hierfür nannte der Beschwerdeführer vor dem BFA nicht (AS 105). Vor dem Bundesverwaltungsgericht schilderte der Beschwerdeführer von sich aus ausführlich, weshalb der Vater 2014 ausgereist ist und an welchen Orten er sich danach aufgehalten hat (Seite 10 des Verhandlungsprotokolls). Zu bedenken ist jedoch, dass der Beschwerdeführer nicht dabei war, als sein Vater den Irak verließ. Seine Schilderungen zu den Aufenthaltsorten des Vaters stimmen mit den Angaben des Vaters überein, was offenkundig daran liegt, dass der Beschwerdeführer das Einvernahmeprotokoll des Vaters kennt und daher dieselben Angaben macht wie sein Vater. Aus diesen übereinstimmenden Angaben ist jedoch für den Beschwerdeführer nichts zu gewinnen, da der Beschwerdeführer, sobald es um ihn selbst geht, nicht mehr in der Lage ist, widerspruchsfreie Angaben zu machen.
Der Beschwerdeführer konnte nicht gleichbleibend angeben, wie lange er nach der Ausreise des Vaters noch im Irak gelebt habe. Vor dem BFA erklärte er, dass er mit seiner Schwester noch ca. ein Jahr im Irak geblieben sei (AS 105). In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht meinte er, dass er zwischen neun Monaten und einem Jahr beim Onkel geblieben sei (Seite 7 des Verhandlungsprotokolls). Der Beschwerdeführer meinte nur, er sei von 2014 bis 2015 beim Onkel gewesen, konnte aber nicht einmal die konkreten Monate angeben. Wenn man bedenkt, dass der Beschwerdeführer angab, im September 2015 den Irak verlassen zu haben, so hätte er zumindest angeben können müssen, dass er sich bis September 2015 beim Onkel aufgehalten habe, da er nicht vorbrachte, an einem anderen Ort als beim Onkel gelebt zu haben (Seiten 7 und 8 des Verhandlungsprotokolls). Da der Beschwerdeführer dazu aber nicht imstande war, ist es nicht glaubhaft, dass der Beschwerdeführer tatsächlich beim Onkel gelebt haben soll, sondern vielmehr weiterhin im Haus seiner Familie.
In der mündlichen Verhandlung behauptete der Beschwerdeführer auch, dass sein Vater am 15.07.2010 entführt worden sei (Seite 10 des Verhandlungsprotokolls). Als der Beschwerdeführer zuvor in der Verhandlung zu seiner Schulbildung befragt wurde, erklärte er, dass er drei Jahre die Höhere Schule besucht und das vierte Jahr nicht beendet habe, weil „zu dieser Zeit“ sein Vater entführt worden sei (Seite 8 des Verhandlungsprotokolls). Der Beschwerdeführer gab aber sowohl vor dem BFA als auch dem Bundesverwaltungsgericht an, dass er die Schule 2013 beendet habe, also drei Jahre nach der Entführung des Vaters (AS 103 und Seiten 6 und 9 des Verhandlungsprotokolls). Es kann daher nicht sein, dass er die Schule deswegen nicht beendet habe, weil sein Vater „zu dieser Zeit entführt“ worden sei, da sich die Entführung 2010 ereignete und der Beschwerdeführer den Schulbesuch 2013 beendete bzw. abbrach. Diese Unstimmigkeiten wecken erhebliche Zweifel an einem Wahrheitsgehalt der Entführungsgeschichte. In diesem Zusammenhang ist auch auf die berufliche Tätigkeit des Beschwerdeführers hinzuweisen. Diesbezüglich erklärte er vor dem BFA, dass er bis 2011 im Supermarkt des Vaters gearbeitet habe (AS 103). In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht sprach er aber davon, dass er zuletzt im Jahr 2014 gearbeitet habe und außer der Arbeitsstelle beim Vater keine weitere Arbeit gehabt habe (Seite 6 des Verhandlungsprotokolls). Auch diese widersprüchlichen Angaben lassen das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht glaubhaft erscheinen. Es konnte daher auch nicht konkret festgestellt werden, wie lange der Beschwerdeführer berufstätig war.
Die einzigen den Beschwerdeführer selbst betreffenden Ausreisegründe konnte der Beschwerdeführer vor dem BFA und dem Bundesverwaltungsgericht nicht widerspruchsfrei schildern. Vor dem BFA erklärte er, dass IS-Mitglieder mehrmals an der Wohnadresse des Beschwerdeführers [dem Haus seiner Familie], der zu dieser Zeit aber beim Onkel [ein paar Gassen weiter, Seite 7 des Verhandlungsprotokolls] gewohnt habe, aufgetaucht seien. Nachbarn und Freunde hätten ihn und den Onkel darüber telefonisch informiert. Dies sei im Zeitraum von Dezember 2014 bis April 2015 geschehen. Beim Onkel seien die IS-Mitglieder aber nie gewesen (AS 105). Davon weichen die Schilderungen des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht deutlich ab. Hier sprach er nämlich davon, dass er zwischen Dezember 2014 und September 2015 Drohbriefe bekommen habe. Von einem Aufsuchen durch IS-Mitglieder beim Haus der Familie des Beschwerdeführers sprach er hingegen nicht (Seiten 10 und 11 des Verhandlungsprotokolls). Diesen eklatanten Widerspruch konnte der Beschwerdeführer nicht aufklären. Der Beschwerdeführer behauptete, auch vor dem BFA von Drohbriefen gesprochen zu haben. Dem widerspricht jedoch der eindeutige Wortlaut der Niederschrift vor dem BFA vom 03.10.2016, wo von einem persönlichen Aufsuchen von IS-Mitgliedern die Rede ist, nicht aber von Drohbriefen. Dem Beschwerdeführer ist entgegenzuhalten, dass gemäß § 15 AVG – soweit nicht Einwendungen erhoben wurden – eine gemäß § 14 leg. cit. aufgenommene Niederschrift über den Verlauf und den Gegenstand der betreffenden Amtshandlung vollen Beweis liefert, wobei der Gegenbeweis der Unrichtigkeit des bezeugten Vorganges zulässig bleibt. Ungeachtet des Umstandes, dass Protokollrügen bei Rückübersetzung der Niederschrift grundsätzlich im Rahmen derselben Amtshandlung vorzubringen sind (§ 14 Abs. 3 und 4 AVG), vermochte der Beschwerdeführer mit seinen unzutreffenden Erklärungen der Beweiskraft der Niederschrift vom 03.10.2016 nichts Entscheidendes entgegen zu setzen bzw. keinen erfolgreichen Gegenbeweis anzutreten. Der Erklärungsversuch des Beschwerdeführers, dass der Dolmetscher beim BFA ein Ägypter gewesen sei und an Stelle des Wortes Drohbrief nur Drohung verstanden habe (Seite 13 des Verhandlungsprotokolls), überzeugt nicht, da der Beschwerdeführer am Ende der Einvernahme vor dem BFA erklärte, den Dolmetscher sehr gut verstanden zu haben. Der Beschwerdeführer bedankte sich sogar beim Dolmetscher für die angenehme Einvernahme (AS 109). Schließlich hat der Beschwerdeführer die Richtigkeit der Niederschrift mit seiner Unterschrift auf jeder Seite des Protokolls bestätigt und auch nach Rückübersetzung der Niederschrift keine Ergänzungen gemacht. Außerdem ist auf die Angaben in der Beschwerde zu verweisen, wo ausgeführt wird, dass IS-Mitglieder an der Adresse des Beschwerdeführers nach ihm gefragt hätten (AS 245). Von Drohbriefen oder einer falschen Protokollierung anlässlich der Einvernahme vor dem BFA ist in der Beschwerde nicht die Rede. Zweifel an der Richtigkeit des Inhalts der Niederschrift vor dem BFA bestehen daher nicht.
Das vor dem BFA erstatte Vorbringen, an der Wohnadresse seiner Familie seien IS-Mitglieder aufgetaucht (AS 105) wiederholte der Beschwerdeführer vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht mehr. Schon aus diesem Grund ist es nicht glaubhaft, dass IS-Mitglieder tatsächlich nach dem Beschwerdeführer gesucht haben sollen. Weiters ist dieses Vorbringen auch deshalb nicht glaubhaft, da der Beschwerdeführer während des angeblichen Aufsuchens durch IS-Mitglieder nur „ein paar Gassen“ entfernt bei seinem Onkel gelebt haben will (Seite 7 des Verhandlungsprotokolls), weshalb davon ausgegangen werden kann, dass nach dem Beschwerdeführer, wäre tatsächlich nach ihm gesucht worden, auch beim Onkel gesucht worden wäre. Der Beschwerdeführer behauptete aber, beim Onkel seien die IS-Mitglieder nicht gewesen (AS 105). Es ist daher nicht glaubhaft, dass IS-Mitglieder nach dem Beschwerdeführer gesucht haben sollen.
Das erstmals in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht erstattete Vorbringen, der Beschwerdeführer habe von Dezember 2014 bis September 2015 (Seite 11 des Verhandlungsprotokolls), ist schon auf Grund des Umstands, dass es sich hierbei um ein gesteigertes Vorbringen handelt, nicht glaubhaft. In der Erstbefragung erwähnte der Beschwerdeführer mit keinem Wort, dass er über einen mehrmonatigen Zeitraum Drohbriefe erhalten habe, sondern sprach dort nur von der Entführung seines Vaters als Ausreisegrund (AS 13). Auch in der Einvernahme vor dem BFA erwähnte der Beschwerdeführer mit keiner Silbe, Drohbriefe erhalten zu haben. Schließlich wird auch in der Beschwerde nicht einmal ansatzweise vom Erhalt von Drohbriefen über mehrere Monate hinweg gesprochen. Wenn der Beschwerdeführer erstmals in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht von Drohbriefen spricht, gelingt ihm damit keinesfalls eine Glaubhaftmachung.
Zu den angeblichen Drohbriefen näher befragt, konnte der Beschwerdeführer auch keine derartigen Angaben machen, die darauf schließen ließen, dass es diese Drohbriefe tatsächlich gab. Der Beschwerdeführer sprach davon, dass er Drohbriefe bekommen habe. Wie sich durch die Angaben des Dolmetschers ergab, kann „bekommen“ auch bloß bedeuten, dass man in einem Drohbrief bloß erwähnt wurde, diesen Drohbrief aber nicht selbst erhalten hat. Selbst unter Berücksichtigung dieser sprachlichen Eigenheiten gelang dem Beschwerdeführer eine Glaubhaftmachung nicht. So konnte der Beschwerdeführer nicht angeben, wie viele Drohbriefe es gab. Er meinte, er könne nur sagen, dass es „10 oder weniger“ bzw. „viele“ waren (Seite 11 des Verhandlungsprotokolls). Auch wenn der Beschwerdeführer vom Erhalt der Drohbriefe bloß über Nachbarn erfahren hat, müsste ihm eine konkretere Angabe über die Anzahl der Drohbriefe möglich sein. Schließlich müsste der Beschwerdeführer wissen, wie oft er von den Nachbarn über einen solchen Drohbrief informiert worden ist.
Sein mangelndes Wissen über die Anzahl der Drohbriefe begründete der Beschwerdeführer auch damit, dass das „vor 10 Jahren“ war. Dies stimmt jedoch nicht mit seinem weiteren Vorbringen überein, wonach er die Drohbriefe zwischen Dezember 2014 und September 2015 erhalten habe (Seite 11 des Verhandlungsprotokolls). Demnach hätte es die Drohbriefe erst vor fünf bis sechs Jahren gegeben. Nicht nur dass diese Angaben widersprüchlich sind, es ist auch noch nicht so lange her, dass der auf Grund der inzwischen vergangenen Zeit vergessen hätte, wie viele Drohbriefe es gegeben hat. An dieser Stelle ist auch auf das Vorbringen des Beschwerdeführers zur Entführung seines Vaters im Jahr 2010 zu verweisen. Diesbezüglich konnte er dermaßen konkrete Angaben machen, obwohl diese Ereignisse zehn Jahre zurückliegen und der Beschwerdeführer diese Ereignisse gar nicht selbst miterlebt hat. Die demgegenüber deutlich jüngeren Ereignisse, die den Beschwerdeführer selbst betrafen, kann er hingegen nicht konkretisieren. Dieses Aussageverhalten spricht nicht dafür, dass es die Drohbriefe tatsächlich gab.
Der Beschwerdeführer erklärte auch, dass er die Drohbriefe selbst nie gesehen hat. Diese seien beim Haus der Familie des Beschwerdeführers abgelegt worden, was die Nachbarn gesehen hätten und darüber den Beschwerdeführer informiert hätten (Seite 11 des Verhandlungsprotokolls). Der Beschwerdeführer ist weder im Besitz der Drohbriefe noch hat er diese jemals selbst gesehen, sondern nur davon gehört, dass es solche geben soll. Auch dies trägt nicht dazu bei, dass davon ausgegangen werden kann, es gebe diese Drohbriefe tatsächlich. Soweit die Einvernahme der Schwester des Beschwerdeführers als Zeugin zum Beweis für die Übermittlung der Drohbriefe beantragt wurde (Seite 14 des Verhandlungsprotokolls), war diesem Antrag nicht nachzukommen, da es sich hierbei um ein untaugliches Beweismittel handelt. Wie der Beschwerdeführer vorbrachte, hat niemand aus seiner Familie die Drohbriefe je gesehen und wurden die Drohbriefe vor dem Haus der Familie abgelegt, was bloß die Nachbarn gesehen haben und dem Beschwerdeführer davon berichtet haben (Seiten 11 und 14 des Verhandlungsprotokolls). Die Schwester des Beschwerdeführers hat die Drohbriefe nie gesehen und kann daher gar nicht bezeugen, dass diese Drohbriefe übermittelt wurden.
Zusammengefasst geht das Bundesverwaltungsgericht auf Grund des aufgezeigten Aussageverhaltens, der Widersprüche zu seinem zentralen Fluchtvorbringen, der vagen Angaben und Unplausibilitäten in den Angaben des Beschwerdeführers von der Unglaubhaftigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers zu seinem Fluchtgrund und davon aus, dass das Fluchtvorbringen in Wahrheit nicht stattgefunden hat.
Die getroffenen Feststellungen zum Irak beruhen auf den oben angeführten Berichten. Es handelt sich um Berichte verschiedener anerkannter und teilweise vor Ort agierender staatlicher und nichtstaatlicher Institutionen und Personen, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes, schlüssiges Gesamtbild der Situation im Irak ergeben. Angesichts der Seriosität der darin angeführten Erkenntnisquellen und der Plausibilität der überwiegend übereinstimmenden Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln. Der Beschwerdeführer trat diesen Feststellungen nicht entgegen.
IV. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
1. Abweisung der Beschwerde betreffend die Nichterteilung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):
Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit der Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder wegen Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht. Gemäß § 3 Abs. 3 AsylG ist der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG) offen steht oder wenn er einen Asylausschlussgrund (§ 6 AsylG) gesetzt hat.
Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, "aus Gründen" (Englisch: "for reasons of"; Französisch: "du fait de") der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.
Zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0047 unter Hinweis auf VwGH 28.05.2009, 2008/19/1031).
Die Gefahr der Verfolgung im Sinn des § 3 Abs. 1 AsylG iVm Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK kann nicht nur ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Verfolgungshandlungen abgeleitet werden. Sie kann auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden, und zwar wegen einer Eigenschaft, die der Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein. Droht den Angehörigen bestimmter Personengruppen eine über die allgemeinen Gefahren eines Bürgerkriegs hinausgehende "Gruppenverfolgung", hat bei einer solchen, gegen eine ganze Personengruppe gerichteten Verfolgung jedes einzelne Mitglied schon wegen seiner Zugehörigkeit zu dieser Gruppe Grund, auch individuell gegen seine Person gerichtete Verfolgung zu befürchten; diesfalls genügt für die geforderte Individualisierung einer Verfolgungsgefahr die Glaubhaftmachung der Zugehörigkeit zu dieser Gruppe (vgl. VwGH 23.02.2017, Ra 2016/20/0089 unter Hinweis auf VwGH 29.04.2015, Ra 2014/20/0151, mwN).
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden Verfolgung nur dann Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintan zu halten. Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Entscheidend für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht, ist vielmehr, ob für einen von dritter Seite aus den in der Flüchtlingskonvention genannten Gründen Verfolgten trotz staatlichen Schutzes der Eintritt eines – asylrelevante Intensität erreichenden – Nachteiles aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. Für einen Verfolgten macht es nämlich keinen Unterschied, ob er aufgrund staatlicher Verfolgung mit der maßgeblichen Wahrscheinlichkeit einen Nachteil zu erwarten hat oder ihm dieser Nachteil aufgrund einer von dritten Personen ausgehenden, vom Staat nicht ausreichend verhinderbaren Verfolgung mit derselben Wahrscheinlichkeit droht. In beiden Fällen ist es ihm nicht möglich bzw. im Hinblick auf seine wohl begründete Furcht nicht zumutbar, sich des Schutzes seines Heimatlandes zu bedienen (vgl. VwGH 24.03.2011, 2008/23/1101 unter Hinweis auf VwGH 22.03.2000, 99/01/0256; mwN).
Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Entscheidend für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht, ist vielmehr, ob für einen von dritter Seite Verfolgten trotz staatlichen Schutzes der Eintritt eines – asylrelevante Intensität erreichenden – Nachteiles aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist (vgl. VwGH 30.08.2017, Ra 2017/18/0119 unter Hinweis auf VwGH 28.10.2009, 2006/01/0793, mwN).
Der Beschwerdeführer konnte seinen vorgebrachten Fluchtgrund, dass sein Vater 2010 entführt und gegen Lösegeld freigekommen sei und in diesem Zusammenhang nach der Ausreise des Vaters nach dem Beschwerdeführer von IS-Mitgliedern gesucht worden sei und der Beschwerdeführer Drohbriefe erhalten habe, nicht glaubhaft machen, weshalb die Voraussetzung für die Gewährung von Asyl, die Gefahr einer aktuellen Verfolgung aus einem der in der GFK genannten Gründe, nicht vorliegt. Mangels Vorliegens eines Familienverfahrens gemäß § 34 AsylG mit seinem Vater kommt eine Zuerkennung des Status des Asylberechtigten an den Beschwerdeführer im Wege des Familienverfahrens nicht in Betracht.
Es gibt bei Zugrundelegung des Gesamtvorbringens des Beschwerdeführers keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr in den Irak maßgeblich wahrscheinlich Gefahr laufen würde, einer asylrelevanten Bedrohung oder Verfolgung ausgesetzt zu sein. Die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt jedenfalls nicht, um den Status des Asylberechtigten zu erhalten (vgl. VwGH 15.12.2015, Ra 2015/18/0100).
2. Abweisung der Beschwerde betreffend die Nichterteilung des Nichtzuerkennung des Status subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides):
Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird (Z 1) oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist (Z 2), der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.
Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative im Sinne des § 11 offen steht.
Die Zuerkennung von subsidiärem Schutz setzt somit voraus, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers in seine Heimat entweder eine reale Gefahr einer Verletzung insbesondere von Art. 2 oder 3 EMRK bedeuten würde oder für ihn eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes im Irak mit sich bringen würde.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt die Beurteilung eines drohenden Verstoßes gegen Art. 2 oder 3 EMRK eine Einzelfallprüfung voraus, in deren Rahmen konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zu der Frage zu treffen sind, ob einer Person im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr ("real risk") insbesondere einer gegen Art. 2 oder 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht. Es bedarf einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat (vgl. etwa VwGH 19.06.2017, Ra 2017/19/0095, mit weiteren Nachweisen). Zu berücksichtigen ist auch, ob solche exzeptionellen Umstände vorliegen, die dazu führen, dass der Betroffene im Zielstaat keine Lebensgrundlage vorfindet (vgl. VwGH 19.11.2015, Ra 2015/20/0236 mwN).
Um von der realen Gefahr ("real risk") einer drohenden Verletzung der durch Art. 2 oder 3 EMRK garantierten Rechte eines Asylwerbers bei Rückkehr in seinen Heimatstaat ausgehen zu können, reicht es nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht aus, wenn eine solche Gefahr bloß möglich ist. Es bedarf vielmehr einer darüber hinausgehenden Wahrscheinlichkeit, dass sich eine solche Gefahr verwirklichen wird (vgl. etwa VwGH 13.12.2017, Ra 2017/01/0187, mwN).
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) erkennt in ständiger Rechtsprechung, dass ein "real risk" (reales Risiko) vorliegt, wenn stichhaltige Gründe ("substantial grounds") dafür sprechen, dass die betroffene Person im Falle der Rückkehr in die Heimat das reale Risiko (insbesondere) einer Verletzung ihrer durch Art. 3 EMRK geschützten Rechte zu gewärtigen hätte. Dafür spielt es grundsätzlich keine Rolle, ob dieses reale Risiko in der allgemeinen Sicherheitslage im Herkunftsstaat, in individuellen Risikofaktoren des Einzelnen oder in der Kombination beider Umstände begründet ist. Allerdings betont der EGMR in seiner Rechtsprechung auch, dass nicht jede prekäre allgemeine Sicherheitslage ein reales Risiko iSd Art. 3 EMRK hervorruft. Im Gegenteil lässt sich seiner Judikatur entnehmen, dass eine Situation genereller Gewalt nur in sehr extremen Fällen ("in the most extreme cases") diese Voraussetzung erfüllt (vgl. etwa EGMR vom 28. November 2011, Nr. 8319/07 und 11449/07, Sufi und Elmi gg. Vereinigtes Königreich, RNr. 218 mit Hinweis auf EGMR vom 17. Juli 2008, Nr. 25904/07, NA gg. Vereinigtes Königreich). In den übrigen Fällen bedarf es des Nachweises von besonderen Unterscheidungsmerkmalen ("special distinguishing features"), aufgrund derer sich die Situation des Betroffenen kritischer darstellt als für die Bevölkerung im Herkunftsstaat im Allgemeinen (vgl. etwa EGMR Sufi und Elmi, RNr. 217).
Der Tatbestand einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Ra