Entscheidungsdatum
17.11.2020Norm
AsylG 2005 §5Spruch
W240 2236863-1/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Feichter über die Beschwerde von XXXX , StA. Russische Föderation, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.11.2020, Zl. 1269012906-200911472, zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird gemäß § 5 AsylG 2005 und § 61 FPG als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (in der Folge auch BF), ein Staatsangehöriger der Russischen Föderation, stellte am 24.09.2020 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz.
Eine EURODAC-Abfrage ergab, dass der Beschwerdeführer am 04.01.2020 in Polen einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hatte.
Im Rahmen der Erstbefragung am 24.09.2020 gab der Beschwerdeführer an, er habe seinen Herkunftsstaat illegal verlassen, sei am 02.01.2020 nach Polen gelangt, er sei in Polen bis 17.09.2020 gewesen, bis er nach Österreich gelangt sei. Er habe in Polen Probleme mit „Kadyrows Leuten“ gehabt, dies seien Personen, die bestimmte Leute in Tschetschenien verfolgen würden, daher habe er von Polen flüchten müssen. Er sei von Kadyrows Leuten unterdrückt worden seit er 14 Jahre alt sei. Die zwei Männer hätten ihn in Polen erwischt und hätten ihn schwerwiegend geschlagen. Er habe in Polen um Asyl angesucht und das Verfahren sei noch im Gange. Er wolle in Österreich bleiben und habe kein Geld um weiterzureisen.
Sein volljähriger Cousin sei in Deutschland aufhältig, dessen Status sei dem BF nicht gekannt, in Österreich würden keine Familienangehörigen von ihm leben.
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) richtete am 29.09.2020 ein auf Art. 18 Abs. 1 lit. b der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (im Folgenden: Dublin III-VO) gestütztes Wiederaufnahmegesuch an Polen.
Mit Schreiben vom 02.10.2020 stimmte die polnische Behörde der Wiederaufnahme des Beschwerdeführers gemäß Art. 18 Abs. 1 lit c Dublin III-VO ausdrücklich zu.
Mit Schreiben vom 13.10.2020 fragte die russische Staatsangehörige Frau XXXX , an, ob der BF seinen Wohnsitz zu ihr verlegen könnte. XXXX bezeichnet sich selbst in dem Schreiben als Freundin des BF, als Wohnort wurde XXXX angegeben und es wurde eine Kopie ihres Konventionspasses.
Im Rahmen einer niederschriftlichen Einvernahme durch das BFA am 02.11.2020 tätigte der BF insbesondere folgende Angaben:
„(…)
LA: Fühlen Sie sich heute psychisch und physisch in der Lage, die gestellten Fragen wahrheitsgemäß zu beantworten?
VP: Ja.
LA: Leiden Sie an irgendwelchen schwerwiegenden Krankheiten? Benötigen Sie Medikamente?
VP: Ich habe hin und wieder Herzschmerzen. Die Venen im Kopf schmerzen.
LA: Seit wann leiden Sie an diesen Beschwerden?
VP: Seit etwa 4 Jahren. Seit 2 Jahren habe ich Kopfschmerzen. Ich war hier noch bei keinem Arzt. Ich habe auch eine Sehschwäche
LA: Warum waren Sie in Österreich bei keinem Arzt?
VP: Weil ich in Quarantäne war und dann in ein anderes Lager kam. Ich hatte keine Möglichkeit.
LA: Verfügen Sie über medizinische Unterlagen, die Ihre Angaben bestätigen? Egal von wo?
VP: Nein. Ich habe alle Unterlagen verloren
LA: Entsprechen Ihre Angaben, die Sie im Rahmen der Erstbefragung am 24.09.2020 vorgebracht haben der Wahrheit, halten Sie diese aufrecht, oder möchten Sie Korrekturen vorbringen?
VP: Alles ist richtig. Ich konnte aber meine Probleme in Polen und Tschetschenien nicht ausführlich erzählen. Wir haben die meiste Zeit über meinen Reiseweg von Polen hierher gesprochen. Ich halte meine bisherigen Angaben aufrecht.
LA: Haben Sie in Österreich, oder in einem anderen Staat in Europa, Verwandte oder sonstige Personen, zu denen ein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis bzw. eine besonders enge Beziehung besteht?
VP: Ich habe einen Cousin in Deutschland. In Österreich lebt eine Großtante. Sie ist die Cousine meines Vaters. Meine Freundin lebt auch hier.
LA: Beschreiben Sie mir die Beziehung zu Ihrer Freundin?
VP: Ich habe sie nach islamischen Recht geheiratet.
LA: Bitte nennen Sie mir den Namen, Adresse, Geburtsdatum, Zeitpunkt und den Ort der Hochzeit.
VP: Sie heißt XXXX . Sie ist 37 Jahre alt. Sie wohnt in XXXX . Die genaue Adresse weiß ich nicht.
LA: Wann und wo haben Sie geheiratet?
VP: Vor 2 Wochen. Nachgefragt habe ich Leute zu Ihren Eltern geschickt.
LA: Wie lief die Hochzeit ab? Wo war sie?
VP: Ich kannte sie schon von Tschetschenien. Ihre Familie war wegen dem Krieg bei uns untergebracht. Sie ging dann nach Ö. Da brach der Kontakt ab. Als ich hierherkam, hat mein Vater meine Nummer ihrer Mutter über die Schwester weitergegeben. Sie hat mich dann angerufen und so begann die Beziehung.
LA: Wann haben Sie geheiratet?
VP: Ich war in Wien in Quarantäne. Sie kam zu mir. Dort haben wir uns wiedergesehen. Meine Leute kamen mit dem Iman zu Ihren Leuten. Es wurde dann die Ehe vereinbart.
LA: Gibt es dafür irgendwelche Belege?
VP: Ja. Zuhause
Anm.: VP wird aufgefordert alle Belege ehest möglich zu übermitteln
LA: Welchen Status hat diese Frau in Ö?
VP: Sie hat Asyl bekommen.
LA: Seit wann lebt sie nun schon in Österreich?
VP: Seit 15-16 Jahre. Nachgefragt weiß ich nicht wie lange sie Asyl hier hat
LA: Ist das die Frau?
Anm. VP wir ein Bild von XXXX , IFA; 742255906 gezeigt.
VP Ja.
LA: Gab es je einen gemeinsamen Haushalt in Ö mit dieser Frau?
VP: Nein
LA: Wurden bzw. werden Sie derzeit von dieser Frau unterstützt?
VP: Nein. Ich erfuhr erst bei meiner Ankunft, dass sie hier ist.
LA: Wurden bzw. werden Sie derzeit von Ihrer Großtante unterstützt?
VP: Nein. ich habe sie bisher noch nicht einmal gesehen. Den Cousin auch nicht. Mit ihm hatte ich erstmalig vorgestern per Whatsapp Kontakt.
LA: Polen hat dem Wiederaufnahmeersuchen der Republik Österreich zugestimmt. Daher wird beabsichtigt, Ihren in Österreich gestellten Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig zurückzuweisen und die Außerlandesbringung nach Polen zu veranlassen.
Eine Verfahrensanordnung gem. §29 Abs.3 Asylgesetz 2005 und gem. §52a Abs.2 BFA-VG haben Sie bereits erhalten.
LA: Wollen Sie nun konkrete Gründe nennen, die dem entgegenstehen?
VP: Wenn ich dorthin muss bin ich in Gefahr. Ich bin nicht hier, weil es so schön ist, sondern wegen meiner Sicherheit
LA: Schildern Sie mir die Gefahr in Polen!
VP: Mein Cousin war bei den Terroristen in Tschetschenien und hat bei uns gewohnt. Deswegen wurde auch ich immer wieder verschleppt. Als ich in Polen war wurde ich von den Kriminellen angerufen. Ich sollte heimfahren. Sie wollten mit mir etwas klären. Auf dem Heimweg rief mich ein Freund an. Ich sollte sofort umdrehen und wegfahren, da dort Leute verschleppt werden. In Polen beim Bahnhof haben mich ständig 2 Tschetschenen beobachtet. Ich blieb unter Menschen damit nichts passiert. Als ich dann von der Unterkunft zu einem Freund gehen wollte, wurde ich dann genau von den beiden Männern geschlagen. Einer lief dann weg und der andere hielt ihn auf. Er rief zu ihm: „Lass uns ihn umbringen und laufe nicht weg“. Dann wurde ich von meinem Freund zurückgehalten und der andere von seinem Freund. Als ein Auto kam gingen sie weg.
LA: Woher wollen Sie wissen, dass das Tschetschenen waren?
VP: Sie sprachen Tschetschenisch
LA: Haben Sie bzgl. der geschilderten Vorfälle eine Anzeige bei den Behörden erstattet?
VP: Nein
LA; Warum nicht?
VP: Ich wohnte bei einem Armenier. Er sagt, dass mich Polen an Russland übergeben würde, sobald irgendwer etwas schicken würde. Er sagte mir auch, dass es dort für mich zu gefährlich wäre. Er schickte mich dann zu einem Georgier. Nachgefragt war der auch in Polen. Ich habe zuhause 3 Kinder. Die Mutter weiß ich nicht wo sie ist. Auch mein Vater wurde belästigt. Er kümmert sich um die Kinder
LA: Warum wurden Sie zu dem Georgier in Polen geschickt?
VP: Weil der Armenier Angst hatte, dass er Probleme bekommt.
LA: Wie lange waren Sie in Polen aufhältig?
VP: 9 Monate
LA: Wann war der Vorfall?
VP: Als ich gerade 3 Tage in Polen war. Am Nachmittag.
LA: Derzeit herrscht weltweit die als CoViD-19 bezeichnete Pandemie. So lange sie keine anderslautenden medizinischen Unterlagen vorlegen, sind Sie gesund und gehören demnach auch nicht zur Risikogruppen der älteren Personen und der Personen mit Vorerkrankungen (wie z.B. Diabetes, Herzkrankheiten und Bluthochdruck).
Wollen Sie dazu etwas sagen?
VP: Ich brauche nur eine Wohnung und eine Arbeitserlaubnis. Ich kann arbeiten
LA: Möchten Sie jetzt noch etwas erwähnen, das nicht zur Sprache gekommen ist und Ihnen wichtig erscheint?
VP: Ich will hier in Ö bleiben. In Polen ist es zu gefährlich. Dort finden sie mich sofort
Verfahrensleitende Verfügung:
Ihnen wurden mit der Ladung das Länderinformationsblatt zu Polen ausgehändigt. Das Bundesamt beabsichtigt diese Unterlagen zur Entscheidungsfindung in Ihrem Asylverfahren heranzuziehen.
Zum Umstand, dass Sie in deutscher Sprache zur Abgabe einer Stellungnahme aufgefordert wurden, wird auf Folgendes hingewiesen:
§ 39a AVG regelt nur den mündlichen Verkehr mit der Behörde, begründet aber keinen Anspruch auf die Verwendung einer fremden Sprache im Schriftverkehr mit den Beteiligten; insbesondere ist die Beifügung einer Übersetzung eines Schriftstückes nicht vorgesehen (Ringhofer I, 367; VwGH 11.1.1989, Zl 88/01/0187; 1.2.1989, Zl. 88/01/0330). Aufgrund der Verweisungsnorm des § 23 AsylG gilt dies auch im Asylverfahren.
LA: Möchten Sie jetzt zu dem Ihnen ausgefolgten aktuellen Länderinformationsblatt zu Polen eine Stellungnahme abgeben?
VP: Ich habe es nicht angesehen
LA: Haben Sie mit RB darüber gesprochen?
VP: Nein
LA an Rechtsberater (RB): Haben Sie noch eine Frage an die VP?
Die Rechtsberaterin hat keine Fragen.
LA: Haben Sie den Dolmetscher während der gesamten Befragung einwandfrei verstanden?
VP: Ja
LA: Haben Sie alles verstanden was Sie gefragt wurden, sowohl von der Sprache als auch vom Verständnis her?
VP: Ja
Anm.: Die Niederschrift wird VP durch den anwesenden Dolmetscher rückübersetzt. VP wird aufgefordert genau aufzupassen und sofort bekannt zu geben, wenn etwas nicht korrekt sein sollte bzw. er noch etwas zu ergänzen hat.
LA: Wurde Ihre Einvernahme richtig und vollständig protokolliert?
VP: Ich möchte folgende Antworten korrigieren
Zur Frage: Haben Sie in Österreich, oder in einem anderen Staat in Europa, Verwandte oder sonstige Personen, zu denen ein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis bzw. eine besonders enge Beziehung besteht?
VP: Ich meinte meine Frau und nicht Freundin. Bei der nächsten Frage das Gleiche.
Zur Frage: Wie lief die Hochzeit ab? Wo war sie?
VP: Meine Frau ging dann weg und nicht nach Ö. Und mein Vater hat meine Nummer meiner Schwester weitergeben.
Zur Frage: Schildern Sie mir die Gefahr in Polen!
Mein Freund rief mich an, bevor ich nach Polen kam. Der Vorfall war beim Bahnhof war in Brest. Das ist in Weißrussland. Der Vorfall mit der Schlägerei war in Polen. Das waren die gleichen Leute.
LA: Ist der Rest korrekt?
VP: Ja
(…)“
2. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 06.11.2020 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Polen für die Prüfung des Antrages gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. c Dublin III-VO zuständig sei (Spruchpunkt I.). Gleichzeitig wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 61 Abs. 1 Z 1 FPG die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass demzufolge seine Abschiebung nach Polen gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II.).
Die Sachverhaltsfeststellungen zur Lage in Polen wurden im angefochtenen Bescheid im Wesentlichen folgendermaßen zusammengefasst (unkorrigiert und ungekürzt durch das Bundesverwaltungsgericht):
Zur Lage im Mitgliedsstaat:
Gesamtaktualisierung am 04.09.2020
letzte Kurzinformation eingefügt am 04.09.2020
SARS-CoV-2/COVID-19 betreffend Polen
Im vorliegenden Länderinformationsblatt erfolgt keine Berücksichtigung der aktuellen CORONA-VIRUS-PANDEMIE (COVID-19), weil die zur Bekämpfung der Krankheit eingeleiteten oder noch einzuleitenden Maßnahmen ständigen Änderungen unterworfen sind und zu deren Auswirkungen zum gegenwärtigen Zeitpunkt Informationen fehlen.
Insbesondere können zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine seriösen Informationen zu den Auswirkungen der Pandemie auf das Gesundheitswesen, auf Versorgungslage sowie auf Bewegungs- und Reisefreiheit der Bürgerinnen und Bürger sowie generell zu politischen, wirtschaftlichen, sozialen und anderen Folgen zusammengestellt werden.
COVID-19 ist eine durch das Corona-Virus SARS-CoV-2 verursachte Viruserkrankung, die erstmals Ende des Jahres 2019 in Wuhan/China festgestellt wurde und sich seither weltweit verbreitet. Die Erkrankung führt zu einer Atemwegserkrankung (vergleichbar mit der Grippe) mit Symptomen wie Husten und Fieber; in schwereren Fällen kann es zu Atembeschwerden kommen. Nach dem aktuellen Stand verläuft die Viruserkrankung bei ca. 80% der Betroffenen leicht und bei ca. 15% der Betroffenen schwerer, wenn auch nicht lebensbedrohlich. Bei ca. 5% der Betroffenen verläuft die Viruserkrankung derart schwer, dass Lebensgefahr gegeben ist und intensivmedizinische Behandlungsmaßnahmen notwendig sind. Diese sehr schweren Krankheitsverläufe treten am häufigsten in den Risikogruppen der älteren Personen und der Personen mit Vorerkrankungen (wie z.B. Diabetes, Herzkrankheiten und Bluthochdruck) auf.
1. Allgemeines zum Asylverfahren
Letzte Änderung: 04.09.2020
In erster Instanz für das Asylverfahren in Polen zuständig ist das Office for Foreigners (Urzad do Spraw Cudzoziemcow, UDSC), das dem Innenministerium untersteht. Es gibt ein mehrstufiges Asylverfahren mit Beschwerdemöglichkeiten:
(AIDA 4.2020; für ausführliche Informationen siehe dieselbe Quelle)
In Polen hat das Asylamt, nach COVID-bedingten Einschränkungen während denen keinerlei Entscheidungen in Verwaltungsverfahren getroffen werden durften, mit 25. Mai den Parteienverkehr in Asylverfahren zumindest in Warschau wieder aufgenommen. Mit 23. Mai liefen auch die Fristen in Asylverfahren wieder weiter (ECRE 28.5.2020).
Polen hat während der Pandemie die Verlängerung der Gültigkeit von Dokumenten um bis zu 30 Tage nach Ende der COVID-Situation erklärt und Online-Anträge auf Integrations- und Sozialhilfe für Schutzberechtigte eingeführt, erlaubt Asylwerbern Arbeit ohne Verlängerung von entsprechenden Genehmigungen und hat den Zugang von Asylwerbern zu kostenfreier sozialer und medizinischer Hilfe erweitert (UNHCR 9.5.2020).
Quellen:
- AIDA – Asylum Information Database (4.2020): HFHR - Helsinki Foundation for Human Rights / ECRE - European Council on Refugees and Exiles: Country Report Poland, https://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_pl_2019update.pdf, Zugriff 4.8.2020
- ECRE – European Council on Refugees and Exiles (28.5.2020): INFORMATION SHEET 28 MAY 2020: COVID-19 MEASURES RELATED TO ASYLUM AND MIGRATION ACROSS EUROPE, https://www.ecre.org/wp-content/uploads/2020/05/COVID-INFO-28-May.pdf, Zugriff 4.9.2020
- UNHCR - Hoher Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (9.5.2020): Regional Bureau for Europe: COVID-19 Emergency Response, Update #5 (2 – 7 May 2020), https://reliefweb.int/report/world/regional-bureau-europe-covid-19-emergency-response-update-5-2-7-may-2020, Zugriff 4.9.2020
2. Dublin-Rückkehrer
Letzte Änderung: 04.09.2020
(Wie in den länderspezifischen Anmerkungen beschrieben, geht das Länderinformationsblatt nicht auf die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf den Dublin-Vollzug in Polen ein. Diesbezüglich darf auf die informativen COVID-Kurzinformationen der Staatendokumentation zu Europa/Balkan und Ukraine verwiesen werden. Anm. der Staatendokumentation)
Es gibt keine Berichte über Zugangshindernisse zum Verfahren für Dublin-Rückkehrer. Personen, die im Rahmen der Dublin-Bestimmungen nach Polen zurückkehren, können bei der Grenzwache einen Asylantrag stellen oder die Wiedereröffnung eines etwaigen vorherigen Verfahrens beantragen. So eine Wiedereröffnung ist innerhalb von neun Monaten ab dessen Einstellung möglich. Sind diese neun Monate verstrichen, wird ihr Antrag als Folgeantrag betrachtet und auf Zulässigkeit geprüft. 2019 haben 294 Personen innerhalb der Neun-Monatsfrist einen Antrag auf Wiedereröffnung ihres Verfahrens gestellt. Viele Rückkehrer ziehen die freiwillige Rückkehr ins Herkunftsland einer Wiedereröffnung ihrer Verfahren vor (AIDA 4.2020).
Das medizinische Personal der Grenzwache beurteilt den Gesundheitszustand eines Rückkehrers nach seiner Überstellung nach Polen, auch im Hinblick auf seine speziellen Bedürfnisse. Außerdem werden im Einvernehmen mit dem Fremdenamt (UDSC) und dem medizinischen Personal die Möglichkeiten der Anpassung der Aufenthaltsverhältnisse in Polen an die gesundheitliche Situation des Antragstellers bzw. die eventuelle Notwendigkeit, ihn in einer fachlichen medizinischen Einrichtung unterzubringen, abgesprochen. Abhängig vom Zustand der motorischen Fähigkeit des Ausländers stellt die Grenzwache den Transport eines bedürftigen Rückkehrers zum Aufnahmezentrum, einer medizinischen Einrichtung (falls er einer sofortigen Hospitalisierung bedarf) oder einer fachlichen medizinischen Einrichtung sicher. Personen mit einer vorübergehenden oder dauerhaften motorischen Behinderung, die eines Rollstuhls bedürfen, werden in einem für die Bedürfnisse der motorisch Behinderten angepassten Zentrum untergebracht. Falls der Ausländer einer Rehabilitation bedarf, wird medizinische Ausrüstung sichergestellt. Das medizinische Personal des Flüchtlingszentrums bestimmt die Bedürfnisse des Rückkehrers im Bereich der Rehabilitation und der medizinischen Ausrüstung. Es besteht die Möglichkeit, eine vom Arzt verordnete Diät anzuwenden. Das Fremdenamt garantiert einen Transport zu fachärztlichen Untersuchungen oder Rehabilitation. Der Transport zu ärztlichen Terminen in medizinischen Einrichtungen wird garantiert. Antragsteller, die schwer behindert, pflegebedürftig oder bettlägerig sind, deren Pflege in einem Flüchtlingszentrum nicht gewährleistet werden kann, werden in speziellen Pflegeanstalten oder Hospizen untergebracht. Diese Einrichtungen garantieren medizinische Leistungen samt der notwendigen Rehabilitation für Behinderte rund um die Uhr und professionell ausgebildetes Personal (VB 7.7.2017).
Quellen:
- AIDA – Asylum Information Database (4.2020): HFHR - Helsinki Foundation for Human Rights / ECRE - European Council on Refugees and Exiles: Country Report Poland, https://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_pl_2019update.pdf, Zugriff 4.8.2020
- VB des BM.I in Polen (7.7.2017): Bericht der polnischen Asylbehörde, per E-Mail
3. Non-Refoulement
Letzte Änderung: 04.09.2020
2019 haben die Verwaltungsgerichte begonnen, die Vollstreckung negativer Entscheidungen während eines Beschwerdeverfahrens auszusetzen, wodurch die Antragsteller während dieser Zeit vor potentiellem Refoulement geschützt sind. Das Oberste Verwaltungsgericht hat die aufschiebende Wirkung mehrmals bestätigt (AIDA 4.2020).
Gemäß polnischem Asylgesetz gilt ein Asylantrag als unzulässig, wenn ein anderes Land existiert, in dem der Antragsteller als Flüchtling behandelt wird und dort Schutz genießen kann bzw. in anderer Form vor Refoulement geschützt ist („first country of asylum“). 2019 wurde die „first country of asylum“-Bestimmung in vier Fällen angewendet (AIDA 4.2020).
Es gibt weiterhin Berichte über sogenannte „Push-Backs“ am Grenzübergang Terespol zu Weißrussland (AIDA 4.2020; vgl. HRW 14.1.2020, AI 16.4.2020).
Der EMRK erließ einige einstweilige Anordnungen gegen die polnischen Behörden, wodurch Abschiebungen untersagt wurden. Die Abschiebungen nach Belarus fanden aber dennoch statt. Die polnischen Behörden vertreten den Standpunkt, dass die betreffenden Personen nie nach Polen eingereist seien und somit auch nicht abgeschoben worden seien und außerdem auch keine Asylanträge gestellt hätten. Auch polnische Gerichte hoben in mehreren Fällen Entscheidungen zur Verweigerung der Einreise auf, doch nach einem solchen Urteil wird für die betreffenden Personen an der Grenze ein neues Verfahren bezüglich Einreise eingeleitet, auf welches das Urteil des Gerichts nicht anwendbar ist, da es sich um ein neues Verfahren handelt. Der Betreffende erwirbt mit dem Urteil also nicht automatisch das Recht auf Einreise (AIDA 4.2020).
Quellen:
AI – Amnesty International (16.4.2020): Human Rights in Europe - Review of 2019 – Poland, https://www.ecoi.net/de/dokument/2028210.html, Zugriff 4.9.2020
- AIDA – Asylum Information Database (4.2020): HFHR - Helsinki Foundation for Human Rights / ECRE - European Council on Refugees and Exiles: Country Report Poland, https://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_pl_2019update.pdf, Zugriff 4.8.2020
- HRW – Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 - Poland, https://www.ecoi.net/de/dokument/2022775.html, Zugriff 3.9.2020
4. Versorgung
Letzte Änderung: 04.09.2020
Asylwerber müssen sich binnen zwei Tagen ab Antragstellung in einem Erstaufnahmezentrum registrieren, ansonsten wird das Verfahren eingestellt (2019 war das 51 Mal der Fall). Der Transport muss in der Regel auf eigene Faust und Kosten erfolgen. Nur bestimmte vulnerable Gruppen werden behördlich dorthin transportiert. Ab Registrierung im Erstaufnahmezentrum sind sie während des gesamten Asylverfahrens zu materieller Versorgung berechtigt, auch im Zulassungs- und im Dublinverfahren, sowie während laufender erster Beschwerde. (AIDA 4.2020; vgl. UDSC o.D.f).
Generell werden Unterbringung, materielle Hilfe und Gesundheitsversorgung bis zu zwei Monate nach der endgültigen Entscheidung im Asylverfahren (positiv wie negativ) gewährt. Wird das Verfahren allerdings eingestellt (z.B. in der Zulassungsphase), verkürzt sich dieser Zeitraum auf 14 Tage. Da Antragsteller mit einer abschließend negativen Entscheidung Polen binnen 30 Tagen zu verlassen haben und keine Versorgung mehr gewährt wird, wenn sie diese Frist zur freiwilligen Ausreise verstreichen lassen, werden sie in der Praxis nur für 30 Tage weiter versorgt. Nicht zu materieller Versorgung während des Verfahrens berechtigt sind: subsidiär Schutzberechtigte, die nochmals um Asyl ansuchen, Geduldete oder Personen mit humanitärem Aufenthalt, Personen mit Aufenthaltsberechtigung usw. Diese haben Versorgungsrechte auf anderer Rechtsgrundlage (AIDA 4.2020).
Wurde ohne Schuld des Antragstellers nach sechs Monaten noch keine Entscheidung in seinem Asylverfahren getroffen, hat er unbeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt. In der Praxis ist der Zugang zum Arbeitsmarkt aber eingeschränkt, weil die Unterbringungszentren weit von Arbeitsmöglichkeiten entfernt oder in strukturschwachen Gegenden liegen, weil Arbeitgeber sich scheuen Asylwerber einzustellen oder wegen der Sprachbarriere (AIDA 4.2020; vgl. USDOS 11.3.2020).
Auf der Webseite der Behörde ist eine Liste mit mehr als 20 Organisationen verfügbar, welche Asylwerbern/Fremden verschiedenste Hilfestellung bieten (UDSC o.D.a).
Quellen:
- AIDA – Asylum Information Database (4.2020): HFHR - Helsinki Foundation for Human Rights / ECRE - European Council on Refugees and Exiles: Country Report Poland, https://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_pl_2019update.pdf, Zugriff 4.8.2020
- UDSC – Urz?d do Spraw Cudzoziemców (o.D.a): Rights and obligations – applicant, https://udsc.gov.pl/en/uchodzcy-2/uchodzcy/prawa-i-obowiazki/prawa/, Zugriff 3.9.2020
- UDSC – Urz?d do Spraw Cudzoziemców (o.D.f): Who can obtain assistance and when, https://udsc.gov.pl/en/uchodzcy-2/pomoc-socjalna/system-pomocy-socjalnej/kto-i-kiedy-moze-uzyskac-pomoc/, Zugriff 4.9.2020
- USDOS – US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 - Poland, https://www.ecoi.net/en/document/2027536.html, Zugriff 3.9.2020
5. Unterbringung
Letzte Änderung: 04.09.2020
Asylwerber, die in einem Zentrum leben, erhalten Unterkunft, medizinische Versorgung, Mahlzeiten (oder PLN 9,-/Tag für Selbstverpflegung), Taschengeld (PLN 50,-/Monat), Geld für Hygieneartikel (PLN 20,-/Monat) und eine Einmalzahlung für Bekleidung (PLN 140,-). Asylwerber, die außerhalb der Zentren leben, erhalten eine finanzielle Beihilfe (von PLN 25,-/Tag für eine Einzelperson; bis hin zu PLN 12,50/Tag und Person für Familien mit vier oder mehr Familienmitgliedern). Beide Gruppen erhalten einen Polnisch-Sprachkurs und Unterrichtsmaterialien, Unterstützung für Schulkinder (plus außerschulische Aktivitäten), Geld für notwendige Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln und medizinische Versorgung. 2019 erhielten durchschnittlich 1.276 Asylwerber Versorgung innerhalb der Zentren und 1.595 außerhalb der Zentren. Die Höhe der Unterstützung für Asylwerber liegt unter dem sogenannten „sozialen Minimum” und wird als zu gering kritisiert, um in Polen außerhalb der Zentren einen angemessenen Lebensstandard führen zu können. Vor allem Mieten in Warschau, wo die meisten AW ihr Asylverfahren abwickeln, sind damit schwer bis unmöglich abzudecken. Asylwerber außerhalb der Zentren wohnen daher oft zu mehreren in beengten Wohnungen und unsicheren Verhältnissen (AIDA 4.2020; vgl. UDSC o.D.c).
Die Unterstützung für ein Leben außerhalb eines Zentrums wird durch die Post ausgezahlt, das geschieht aber mitunter unregelmäßig, was zu Problemen bei Deckung von Mieten oder Lebenshaltungskosten führen kann (AIDA 4.2020).
In Polen gibt es zehn Unterbringungszentren mit insgesamt 1.962 Plätzen. Zwei der Zentren (D?bak und Biala Podlaska) dienen der Erstaufnahme, das Zentrum in Warschau dient speziell der Unterbringung von alleinstehenden Müttern. Mit Überbelegung gibt es keine Probleme. Alle Zentren unterstehen der polnischen Asylbehörde UDSC, sechs der Zentren werden von Vertragspartnern geführt. Die Unterbringungsbedingungen in den Zentren sind unterschiedlich. Gewisse Grundlagen müssen vertraglich erfüllt werden, der Rest ist abhängig vom Willen und den finanziellen Möglichkeiten des Vertragspartners. Die Unterbringungsbedingungen werden von den Untergebrachten generell eher niedrig bewertet, die meisten Beschwerden gibt es über das Essen. Alle diese Zentren sind offen, das bedeutet sie dürfen bis 23.00 Uhr frei verlassen und betreten werden (AIDA 4.2020).
Polen verfügt außerdem über sechs geschlossene Unterbringungszentren (guarded centers) mit zusammen 527 Plätzen, von denen Ende 2019 insgesamt 91 belegt waren (AIDA 4.2020; vgl. USDOS 11.3.2020).
Quellen:
- AIDA – Asylum Information Database (4.2020): HFHR - Helsinki Foundation for Human Rights / ECRE - European Council on Refugees and Exiles: Country Report Poland, https://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_pl_2019update.pdf, Zugriff 4.8.2020
- UDSC – Urz?d do Spraw Cudzoziemców (o.D.c): Types of assistance, https://udsc.gov.pl/en/uchodzcy-2/pomoc-socjalna/system-pomocy-socjalnej/rodzaje-przyznawanej-pomocy/, Zugriff 3.9.2020
- USDOS – US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 - Poland, https://www.ecoi.net/en/document/2027536.html, Zugriff 3.9.2020
6. Medizinische Versorgung
Letzte Änderung: 04.09.2020
MedCOI bearbeitet grundsätzlich keine medizinischen Anfragen zu EU-Mitgliedsstaaten, da die medizinischen Mitarbeiter von MedCOI (Ärzte) davon ausgehen, dass medizinische Behandlungsmöglichkeiten in der EU generell in ausreichendem Maße verfügbar sind. Ausnahmen von dieser Regel sind nur in sehr spezifischen Einzelfällen möglich (MedCOI 14.12.2016).
Asylwerber in Polen haben ab Antragstellung das Recht auf medizinische Versorgung, das auch dann weiterbesteht, wenn die materielle Versorgung, aus welchen Gründen auch immer, reduziert oder eingestellt wird. Gesetzlich garantiert ist medizinische Versorgung im selben Ausmaß wie für versicherte polnische Staatsbürger. Die medizinische Versorgung von AW wird öffentlich finanziert. Die medizinische Grundversorgung wird über die Krankenreviere der Unterbringungszentren gewährleistet, in denen der Arzt pro 120 Asylwerber sechs Ordinationsstunden und die Pflegekraft 20 Ordinationsstunden leisten. Für je 50 weitere Asylwerber sind je 3 Stunden mehr für Arzt und Pflegekraft vorgesehen. Zusätzlich sind für je 50 Kinder im Zentrum vier Ordinationsstunden/Woche für einen Kinderarzt mit zusätzlichen zwei Stunden für je 20 weitere Kinder vorgesehen (AIDA 4.2020).
Asylwerber in Polen mit laufendem Asylverfahren haben bezüglich medizinischer Versorgung, mit der Ausnahme von Kurbehandlungen, dieselben Rechte wie polnische Staatsbürger. Aufgrund einer Vereinbarung mit der polnischen Asylbehörde ist die Firma Petra Medica für die medizinische Versorgung von Asylwerbern verantwortlich, genauer für medizinische Basisversorgung, Spezialbehandlung, Zahnbehandlung, Versorgung mit Medikamenten und psychologische Betreuung. Die psychologische Betreuung steht sowohl in den Asylzentren, wenn Asylwerber dort wohnhaft sind, aber auch in den Beratungsstellen der Asylbehörde in Warschau, für die diejenige, die außerhalb der Zentren wohnen, zur Verfügung. Die folgenden Leistungen werden im Rahmen der psychologischen Betreuung angeboten: psychologische Unterstützung, Bildungsaktivitäten, Psychotherapie in Form einer kognitiven Verhaltenstherapie und Krisenintervention. Die erwähnten Maßnahmen basieren auf Standards der polnischen Psychologischen Vereinigung. Wenn die Notwendigkeit einer fachärztlichen Behandlung festgestellt wird, wird der Patient entsprechend seines Alters in eine Klinik für psychische Gesundheit für Kinder oder Erwachsene eingewiesen (UDSC 19.6.2017).
Für Personen mit psychischen Problemen arbeiten in allen Zentren Psychologen im Ausmaß von zumindest vier Wochenstunden pro 120 Asylwerber mit zusätzlich einer Stunde für je 50 weitere AW. Diese Psychologen bieten jedoch nur grundlegende Konsultationen. Weiterführend können die Patienten an einen Psychiater oder ein psychiatrisches Krankenhaus überwiesen werden. Nach Ansicht einiger Experten und vieler NGOs ist eine spezialisierte Behandlung von Folteropfern bzw. traumatisierten Asylwerbern in der Praxis nicht verfügbar. NGOs beklagen unzureichende Behandlungsmöglichkeiten für Personen mit PTBS, da die verfügbare psychologische Unterstützung als Intervention und nicht als reguläre Therapie betrachtet wird. Es mangelt an Psychologen, die darauf vorbereitet sind, mit schutzbedürftigen und traumatisierten Asylwerbern zu arbeiten. Es gibt nur drei spezialisierte NGOs, die psychologische Konsultationen und Behandlungen für AW anbieten. Im Jahr 2019 haben NGOs in drei Unterbringungszentren psychologische Unterstützung bereitgestellt (AIDA 4.2020).
Seit Juli 2015 wird die medizinische Versorgung von Asylwerbern durch die Firma Petra Medica gewährleistet, mit der die Behörde einen Vertrag abgeschlossen hat, dessen Umsetzung auch überwacht wird. Dennoch gibt es Kritik an der Qualität der medizinischen Versorgung in den Zentren. Insbesondere wird Asylbewerbern gelegentlich der Zugang zu teureren Behandlungen verweigert und erst nach Interventionen von NGOs und monatelangem Streit gewährt. Besonders schwierig ist der Zugang zu einer Behandlung für HIV-positive Asylwerber. Eine der größten Hürden beim Zugang zu medizinischer Versorgung sind mangelnde interkulturelle Kompetenz und Sprachkenntnisse. Ebenfalls ein Problem ist, dass einige der Spitäler, die mit Petra Medica in der Behandlung von Asylwerbern zusammenarbeiten, weit von den Unterbringungszentren entfernt liegen, während die nächstgelegenen medizinischen Einrichtungen von Asylwerbern nur im Notfall frequentiert werden dürfen. Für AW, die außerhalb der Zentren leben, wird die medizinische Versorgung in den Woiwodschaftshauptstädten gewährleistet. Dazu müssen sie sich mit der Hotline von Petra Medica bezüglich Terminen und Rezepten in Verbindung setzen. 2019 hat die polnische Asylbehörde 13 Beschwerden von Asylwerbern registriert, die alle die medizinische Versorgung betrafen (AIDA 4.2020).
Petra Medica ist gemäß Vertrag mit der Ausländerbehörde UDSC für die Organisation des medizinischen Versorgungssystems für Asylwerber in Polen zuständig. Für Ausländer, die einen Flüchtlingsstatus beantragen und sich beim Sozialamt gemeldet haben, ist die medizinische Versorgung kostenlos, unabhängig davon, ob sie in einem Zentrum für Ausländer oder außerhalb des Zentrums leben. Die von Petra Medica koordinierten Gesundheitsdienste umfassen medizinische Versorgung in Aufnahmezentren, einschließlich ein epidemiologischer Filter, der die Implementierung von Früherkennung für Tuberkulose-, Infektions-, Geschlechts- und Parasitenkrankheiten gewährleistet; medizinische Versorgung in Wohnheimen durch den Betrieb von medizinischen Zentren in deren Räumlichkeiten grundlegende Gesundheits- und psychologische Versorgungsleistungen erbracht werden; medizinische Versorgung von Asylwerbern, die außerhalb eines Zentrums leben, auf der Grundlage eigener Ressourcen und eines Netzwerks an Partnerinstitutionen. Bei gesundheitlichen Problemen meldet sich der Patient beim Medical Center des nächstgelegenen Ausländerzentrums oder vereinbart einen Termin in einer kooperierenden Einrichtung unter der Helpline-Nummer (22) 112 02 06. Dort werden gegebenenfalls Überweisungen an Fachärzte ausgestellt bzw. autorisiert. Im Falle einer plötzlichen Gefahr für Gesundheit und Leben ist jedes nächstgelegene Krankenhaus etc. ansprechbar. Spezialisierte Dienstleistungen werden in Petra Medica Medical Centers oder anderen medizinischen Einrichtungen erbracht, die vertraglich gebunden sind oder den geltenden Regeln für die Erbringung medizinischer Dienstleistungen unterliegen, die aus öffentlichen Mitteln finanziert werden. Patienten profitieren von der Zahnpflege in Zahnarztpraxen, mit denen Petra Medica Verträge hat. Die Zentren für Ausländer haben ein entwickeltes System der psychologischen Versorgung. Psychologische Hilfe wird vor Ort angeboten. In besonderen Fällen werden Ausländer an spezialisierte psychologische oder psychiatrische Kliniken überwiesen. Stationäre Behandlung in Einrichtungen, die einen Vertrag mit der Krankenkasse oder Petra Medica haben, ist auf der Grundlage einer Überweisung möglich. Rehabilitation wird von der Behörde auf der Grundlage der Meinung eines Facharztes genehmigt und finanziert (PM o.D.).
Quellen:
- AIDA – Asylum Information Database (4.2020): HFHR - Helsinki Foundation for Human Rights / ECRE - European Council on Refugees and Exiles: Country Report Poland, https://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_pl_2019update.pdf, Zugriff 4.8.2020
- MedCOI – Medical Country of Origin Information (14.12.2016): Auskunft MedCOI, per E-Mail
- PM – Petra Medica (o.D.): Opieka medyczna dla Cudzoziemców, https://www.petramedica.pl/nasza-oferta/oferta-dla-pacjentow-indywidualnych/opieka-medyczna-dla-cudzoziemcow, Zugriff 3.9.2020
- UDSC – Urz?d do Spraw Cudzoziemców (19.6.2017): Auskunft der polnischen Asylbehörde, per E-Mail
Beweiswürdigend wurde im Bescheid festgehalten, dass die Identität des Beschwerdeführers in Ermangelung eines unbedenklichen Identitätsdokuments nicht feststehe. Der Beschwerdeführer sei volljährig und leide an keinen lebensbedrohenden oder überstellungshinderlichen Krankheiten, er gehöre nicht zur Covid-Risikogruppe. Er sei geschieden und habe zwei Kinder in Tschetschenien. Er habe in Österreich keine Angehörigen oder sonstigen Verwandten, zu denen ein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis bzw. eine besonders enge Beziehung bestehe. Des Weiteren hätten keine engen privaten Anknüpfungspunkte bzw. Abhängigkeiten zu in Österreich aufenthaltsberechtigten Personen festgestellt werden können. Es habe in Österreich kein schützenswertes Privat- oder Familienleben festgestellt werden können.
Auf Nachfrage habe der BF angegeben, dass er seine Freundin, die in XXXX wohnhaft sei, während seiner Quarantäne in XXXX nach islamischem Recht geheiratet hätte. Unterlagen zu einer Eheschließung habe er keine vorgelegt. Er habe weder ein genaues Datum dieser Eheschließung angegeben, noch habe er die Adresse seiner „Ehefrau“ gekannt. Laut Auszug aus dem ZMR sei der BF vom 25.09.2020 bis zum 12.10.2020 in XXXX in Quarantäne gewesen. In dieser Zeit sollte – seinen Angaben zufolge - diese Eheschließung stattgefunden haben. Es wurden Widersprüche aufgelistet, die an einer tatsächlichen Ehe starke Zweifel aufkommen lassen würden. Bei Wahrheitsfiktion dieser Eheschließung sei vom BFA angeführt worden, dass eine Ehe nur nach islamischem Recht in Österreich nicht anerkannt sei. Da er keine anderslautenden Unterlagen vorgelegt habe, gehe das BFA davon aus, dass der BF nicht verheiratet sei. Er habe im Rahmen der Einvernahme zudem keine medizinischen Unterlagen vorgelegt. Eine stationäre Betreuung sei nie notwendig gewesen. Er sei - wie jeder Asylwerber - nach seiner Antragstellung in Österreich erstuntersucht worden. Dabei wären lebensbedrohliche Erkrankungen diagnostiziert worden soweit es solche geben würde, es seien jedoch keine diagnostiziert worden. Zu seiner Sehschwäche werde ausgeführt, dass diese für sein Verfahren nicht relevant sei. Zu seinen angeblichen Kopfschmerzen bzw. Herzproblemen sei auszuführen, dass diese Beschwerden offensichtlich nicht einmal durch ihn selbst als bedrohlich angesehen würden, da er bisher keinen Arzt aufgesucht habe. Seine Angabe, dass er bisher keine Zeit gehabt hätte, um einen Arzt zu besuchen, sei nicht korrekt. Auch in Quarantäne bestehe immer die Möglichkeit einen Arzt aufzusuchen. An dieser Stelle sei auf die Länderfeststellungen zur medizinischen Versorgung in Polen zu verweisen, in welchen konkret ausgeführt sei, dass Asylwerber nach Antragstellung das Recht auf medizinische Versorgung hätten. Zudem gehe hervor, dass die medizinischen Behandlungsmöglichkeiten in EU-Mitgliedstaaten generell in ausreichendem Maße verfügbar seien. Die Länderfeststellungen seien grundsätzlich ausreichend aktuell (Gesamtaktualisierung am 04.09.2020), sie würden allerdings - angesichts der derzeit sich schnell ändernden Gegebenheiten in Zusammenhang mit dem Ausbruch von COVID-19 - naturgemäß ein Bild der (medizinischen) Versorgung von Asylwerbern in Polen zeigen, welches sich auf den Zeitraum vor Ausbruch der Pandemie beziehe. Es sei notorisch, dass die Mitgliedstaaten allesamt - wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß - vom Ausbruch der Pandemie betroffen seien. Es sei davon auszugehen, dass Überstellungen erst dann wieder durchgeführt würden, wenn sich die Lage entspanne, sich die einzelnen Mitgliedstaaten wieder dazu im Stande sehen würden, die von ihnen übernommenen sogenannten Dublin-Rückkehrer potentiell auch medizinisch zu versorgen und insofern insgesamt eine Situation eintrete, die mit jener vor Ausbruch der Pandemie vergleichbar sei.
3. Dagegen erhob der Beschwerdeführer fristgerecht die vorliegende Beschwerde. Darin wird im Wesentlichen vorgebracht, dass er in Polen Probleme mit Kriminellen gehabt habe und von diesen verfolgt und attackiert worden sei. Zudem habe er XXXX nach muslimischem Ritus geheiratet, diese lebe in Österreich. Er plane zu ihr zu ziehen. Zudem habe er gesundheitliche Probleme, nämlich Herzprobleme und Kopfschmerzen. Ein Arztbesuch sei aufgrund der COVID-19-Situation bis dato nicht möglich gewesen, er befinde sich in seiner Unterkunft erneut in Quarantäne. Das BFA habe sich mit dem Fall des BF nicht ausreichend auseinandergesetzt. Das BFA hätte bei vollständiger Ermittlung des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes zum Ergebnis kommen müssen, dass Österreich im Sinne einer Art. 3 und Art. 8 EMRK konformen Auslegung der Bestimmungen der Dublin III-VO zuständig sei und hätte Österreich von seinem Selbsteintrittsrecht Gebrauch machen müssen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer, ein volljähriger Staatsangehöriger der Russischen Föderation, stellte am 24.09.2020 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz.
Eine EURODAC-Abfrage ergab, dass der Beschwerdeführer am 04.01.2020 in Polen einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hatte.
Das BFA richtete ein auf Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin III-VO gestütztes Wiederaufnahmegesuch an Polen, die polnischen Behörden stimmten mit Schreiben vom 02.10.2020 der Wiederaufnahme des Beschwerdeführers gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. c Dublin III-VO ausdrücklich zu.
Ein Sachverhalt, der die Zuständigkeit Polens wieder beendet hätte, liegt nicht vor.
Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich den oben wiedergegebenen Feststellungen des angefochtenen Bescheides zur Allgemeinsituation im Mitgliedstaat Polen an.
Konkrete, in der Person des BF gelegene Gründe, welche für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung im zuständigen Mitgliedstaat sprechen würden, liegen nicht vor.
Der BF leidet an keinen akuten lebensbedrohlichen Erkrankungen, es wurden keine Unterlagen über gesundheitliche Beschwerden vorgelegt. Die aktuelle Situation hinsichtlich der Covid-19-Pandemie begründet keine Unmöglichkeit einer Rückkehr des 30jährigen BF nach Polen.
Nach dem aktuellen Stand verläuft die Viruserkrankung bei ca. 80% der Betroffenen leicht und bei ca. 15% der Betroffenen schwerer, wenn auch nicht lebensbedrohlich. Bei ca. 5% der Betroffenen verläuft die Viruserkrankung derart schwer, dass Lebensgefahr gegeben ist und intensivmedizinische Behandlungsmaßnahmen notwendig sind. Diese sehr schweren Krankheitsverläufe treten am häufigsten in den Risikogruppen der älteren Personen und der Personen mit Vorerkrankungen (wie z.B. Diabetes, Herzkrankheiten und Bluthochdruck) auf.
Es liegt kein Anhaltspunkt dafür vor, dass der grundsätzlich gesunde fast 30jährige Beschwerdeführer einer Risikogruppe angehört.
Der Beschwerdeführer verfügt in Österreich über eine Lebensgefährtin, der der Status einer Asylberechtigten zuerkannt wurde. Es kann nicht festgestellt werden, dass zwischen den Genannten im Zeitpunkt der Antragstellung in Österreich am 24.09.2020 eine rechtsgültige Ehe bestand, dies wurde auch nicht behauptet. Seit Dezember 2004 ist die Lebensgefährtin durchgehend in Österreich gemeldet, wohingegen sich der BF noch in der Heimat aufhielt, erst Anfang 2020 in Polen einen Antrag stellte und daher in den letzten Jahren jedenfalls kein gemeinsamer Wohnsitz bestand. Ein solcher wurde auch nach der Einreise des Beschwerdeführers in Österreich September 2020 nicht begründet.
Der BF behauptet eine Eheschließung nach muslimischem Ritus in Österreich mit der vorzitierten russischen Staatsangehörigen, die in Österreich über einen Asylstatus verfügt. Der BF tätigte widersprüchliche Angaben zur angeblichen Ehefrau, wohnte mit dieser nie im selben Haushalt, konnte keine Abhängigkeiten in Bezug zu dieser Frau darlegen und es wurden auch keine Unterlagen über die angebliche Eheschließung nach muslimischem Ritus in Österreich vorgelegt. Eine besonders berücksichtigungswürdige Abhängigkeit zwischen dem BF und seiner Lebensgefährtin besteht nicht.
Abgesehen von der Lebensgefährtin verfügt der Beschwerdeführer über keine weiteren nennenswerten Anknüpfungspunkte an Österreich, eine Cousine seines Vaters soll in Österreich leben, jedoch wurde kein besonderes Verhältnis dargelegt und hat sich auch nicht ergeben. Besonders intensiv ausgeprägte private, familiäre oder berufliche Bindungen bestehen im österreichischen Bundesgebiet daher nicht.
Es bestehen keine beruflichen Bindungen des BF an das Bundesgebiet, der erst seit September 2020 in Österreich ist.
2. Beweiswürdigung:
Die festgestellten Tatsachen zur illegalen Einreise des Beschwerdeführers in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten, zu seiner Reiseroute und der Asylantragstellung in Polen ergeben sich aus den Angaben des Beschwerdeführers im Rahmen seiner Einvernahmen sowie der vorliegenden EURODAC-Treffermeldung der Kategorie „1“.
Die Feststellungen bezüglich des Wiederaufnahmegesuchs der österreichischen Dublinbehörde und der damit einhergehenden Beantwortung des Gesuchs durch Polen beruhen auf dem durchgeführten – im Verwaltungsakt dokumentierten – Konsultationsverfahren zwischen der österreichischen Dublin-Behörde und der polnischen Dublin-Behörde.
Die Gesamtsituation des Asylwesens im zuständigen Mitgliedstaat ergibt sich aus den umfangreichen und durch aktuelle Quellen belegten Länderfeststellungen des angefochtenen Bescheides, die auf alle entscheidungswesentlichen Fragen eingehen.
Das BFA hat in seiner Entscheidung neben Ausführungen zur Versorgungslage von Asylwerbern in Polen auch Feststellungen zur dortigen Rechtslage und Vollzugspraxis von asyl- und fremdenrechtlichen Bestimmungen (darunter konkret auch im Hinblick auf Rückkehrer nach der Dublin-VO) samt dem jeweiligen Rechtsschutz im Rechtsmittelweg getroffen. Es wurden alle entscheidungswesentlichen Länderfeststellungen ins Verfahren eingebracht seitens des BFA.
Aus den im angefochtenen Bescheid dargestellten Länderinformationen ergeben sich keine ausreichend begründeten Hinweise darauf, dass das polnisches Asylwesen grobe systemische Mängel aufweisen würde. Insofern war aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes insbesondere in Bezug auf die Durchführung des Asylverfahrens, die medizinische Versorgung sowie die Sicherheitslage von Asylsuchenden in Polen, den Feststellungen der erstinstanzlichen Entscheidung zu folgen. Individuelle, unmittelbare und vor allem hinreichend konkrete Bedrohungen, welche den Länderberichten klar und substantiell widersprechen würden, hat der Beschwerdeführer nicht substantiiert dargetan.
Die Länderfeststellungen sind ausreichend aktuell, zeichnen allerdings - angesichts der derzeit sich schnell ändernden Gegebenheiten in Zusammenhang mit dem Ausbruch von Covid-19 - naturgemäß ein Bild der (medizinischen) Versorgung von Asylwerbern in Polen, welches sich auf den Zeitraum vor Ausbruch der Pandemie bezieht. Die Mitgliedstaaten sind allesamt - wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß - vom Ausbruch der Pandemie betroffen und stehen hier vor großen Herausforderungen im Gesundheitsbereich. Diesbezüglich wurden und werden in den einzelnen Ländern tagesaktuell entsprechende Maßnahmen gesetzt (beispielsweise die Verhängung von Ausgangsbeschränkungen und Quarantänemaßnahmen sowie teilweise die Vornahme von Grenzschließungen und Einschränkungen im Personen- und Warenverkehr), die die Ausbreitung von Covid-19 hintanhalten und gleichzeitig die medizinische Versorgung der Bevölkerung - seien es nun eigene Staatsbürger oder dort ansässige Fremde - möglichst sicherstellen sollen. Es ist davon auszugehen, dass Überstellungen erst dann durchgeführt werden, wenn sich die einzelnen Mitgliedstaaten dazu im Stande sehen, die von ihnen übernommenen sog. Dublin-Rückkehrer potentiell auch medizinisch zu versorgen.
Die skizzierten derzeit bestehenden Überstellungshindernisse sind aus jetziger Sicht - aller Wahrscheinlichkeit nach - zeitlich begrenzt. Zwar verkennt das Gericht nicht, dass Polen eines der Länder Europas ist, das sehr stark von der Covid-19-Pandemie betroffen war und ist. Es ist davon auszugehen, dass Reisebewegungen jedenfalls in den Maximalfristen der Verordnung (vgl. die in Art. 29 Dublin III-VO geregelte Überstellungsfrist) erfolgen werden können.
Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen ist die Heranziehung der Länderfeststellungen zu Polen nicht zu beanstanden, zumal davon auszugehen ist, dass erst - und nur dann - Überstellungen durchgeführt werden, wenn Polen für die Einhaltung der einschlägigen asyl- und fremdenrechtlichen Standards nach den Länderfeststellungen garantieren kann.
Eine den Beschwerdeführer konkret betreffende Bedrohungssituation in Polen wurde nicht substantiiert dargetan. Insbesondere habe der BF konkret zu Polen befragt angegeben, er sei von zwei fremden Personen in Polen verprügelt worden und diese Personen hätten ihn angeblich grundlos töten wollen. Auf Nachfrage gab der BF an, dass sich dieser Vorfall bereits etwa zwei bis drei Tage nach der Einreise in Polen im Jänner 2020 zugetragen hätte, er sei jedoch noch weitere neun Monate in Polen gewesen, bis er nach Österreich weitergereist sei und gegenständlichen Antrag gestellt habe. Dieses Vorbringen erscheint nicht glaubhaft nachvollziehbar. Der BF habe nicht darlegen können, warum fremde Leute ihn grundlos schlagen und ermorden wollen würden. Zudem erscheinen die Absichten dieser Personen nicht sonderlich ernst, da laut BF bereits ein vorbeifahrendes Auto ausgereicht habe, damit die Personen den BF in Ruhe gelassen hätten. Außerdem sei keinesfalls nachvollziehbar, dass man den BF bereits am dritten Tag in Polen überfallen und beinahe ermordet hätte und er dann noch weitere neun Monate in Polen verbracht habe und keine Anzeige erstattet habe. Hätte er tatsächlich Angst um sein Leben gehabt, dann wäre vielmehr naheliegend, dass er Anzeige erstattet hätte oder eben Polen zeitnaher zum behaupteten Überfall verlassen hätte. Diese Umstände sprechen dafür, dass es sich um kein wahres Vorbringen des BF handelt. Zudem kann nicht festgestellt werden, dass Polen nicht schutzfähig und schutzwillig ist.
Die Feststellungen zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers ergeben sich ebenfalls aus dem eigenen Vorbringen. Es wurden keine ärztlichen Befunde in Vorlage gebracht. Er hat im Rahmen der Einvernahme keine medizinischen Unterlagen vorgelegt. Eine stationäre Betreuung war nie notwendig. Er ist - wie jeder Asylwerber - nach seiner Antragstellung in Österreich erstuntersucht worden. Dabei hätte man lebensbedrohliche Erkrankungen diagnostiziert, falls solche vorgelegen wären, es seien jedoch keine diagnostiziert worden. Zu seiner Sehschwäche ist auszuführen, dass diese für sein Verfahren nicht relevant sei. Zu seinen angeblichen Kopfschmerzen bzw. Herzproblemen ist auszuführen, dass diese Beschwerden offensichtlich nicht einmal durch ihn selbst als bedrohlich angesehen würden, da er bisher keinen Arzt aufgesucht hat. Seine Angabe, dass er bisher keine Zeit gehabt hätte, um einen Arzt zu besuchen, und der Verweis auf die COVID-19-Pandemie und die Quarantäne können zu keiner anderen Einschätzung führen. Trotz Quarantäne besteht die Möglichkeit einen Arzt zu konsultieren, diese Aussage kann nur als unbrauchbare Schutzbehauptung gewertet werden. Schließlich ist auf die Länderfeststellungen zur medizinischen Versorgung in Polen zu verweisen, in welcher konkret ausgeführt ist, dass Asylwerber nach Antragstellung das Recht auf medizinische Versorgung haben.
Die festgestellten persönlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers ergeben sich aus den eigenen Angaben und der Aktenlage, insbesondere auch aus der Einholung aktueller ZMR-Auszüge.
Die behauptete Eheschließung nach muslimischem Ritus des BF mit der asylberechtigten russischen Staatsangehörigen in Österreich kann nicht festgestellt werden, es wurden nämlich keinerlei Unterlagen vorgelegt und sind die Angaben des BF – auch im Vergleich zu den Angaben seiner Lebensgefährtin bzw. angeblichen Ehefrau - widersprüchlich. Schließlich ist der BF erst seit September 2020 in Österreich sowie davor erst seit Jänner 2020 in Polen gewesen. Demgegenüber ist die Lebensgefährtin des BF seit Dezember 2004 durchgehend in Österreich gemeldet, was sich – ebenso wie der Umstand, dass sie an einem anderen Ort in Österreich gemeldet ist, als vom BF behauptet - aus dem ZMR-Auszügen ergibt. Aus den ZMR-Auszügen ergibt sich auch, dass nie ein gemeinsamer Haushalt des BF mit seiner angeblichen Lebensgefährtin bestanden hat. Bei Vergleich der Einvernahmen ergibt sich klar, dass der BF widersprüchliche Angaben zur angeblichen Ehefrau tätigte und er konnte keine Abhängigkeiten in Bezug zu dieser Frau darlegen und es wurden auch keine Unterlagen über die angebliche Eheschließung vorgelegt. Schließlich hat die angebliche nach muslimischem Ritus angetraute Ehefrau in ihrem Schreiben den BF als Freund und nicht als Ehemann bezeichnet. Zum Zeitpunkt der Antragstellung in Österreich war der BF jedenfalls unstrittig nicht verheiratet und würde auch eine tatsächlich erfolgte Eheschließung nach muslimischem Ritus in Österreich vor den Hintergrund der übrigen Feststellungen zu keiner anderen Bewertung des gegenständlichen Falles führen. Eine besonders berücksichtigungswürdige Abhängigkeit zwischen dem BF und seiner Lebensgefährtin besteht nicht.
Es kann keine derartige Abhängigkeit erkannt werden, die einer Ausweisung des Beschwerdeführers nach Polen entgegenstünde. Eine Cousine des Vaters des BF lebt laut seinen Angaben auch in Österreich, es kann jedoch kein besonderer Kontakt oder gar eine Abhängigkeit erkannt werden. Weitere relevante private oder berufliche Anknüpfungspunkte wurden nicht ins Treffen geführt; Hinweise auf eine fortgeschrittene Integration des Beschwerdeführers im Bundesgebiet sind im Verfahren ebenso wenig hervorgekommen und sind solche angesichts ihres bisher kurzen Aufenthalts in Österreich seit September 2020 auch nicht zu erwarten.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Abweisung der Beschwerde:
Die maßgeblichen Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005) idgF lauten:
§ 5 (1) Ein nicht gemäß §§ 4 oder 4a erledigter Antrag auf internationalen Schutz ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der DublinVerordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Eine Zurückweisung des Antrages hat zu unterbleiben, wenn im Rahmen einer Prüfung des § 9 Abs. 2 BFA-VG festgestellt wird, dass eine mit der Zurückweisung verbundene Anordnung zur Außerlandesbringung zu einer Verletzung von Art. 8 EMRK führen würde.
(2) Gemäß Abs. 1 ist auch vorzugehen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung dafür zuständig ist zu prüfen, welcher Staat zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist.
(3) Sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesamt oder beim Bundesverwaltungsgericht offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, ist davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.
§ 10 (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn
1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,
2. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird,
3. ...
und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird.
§ 9 Abs. 1 und 2 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) idgF lautet:
§ 9 (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthalt