Entscheidungsdatum
17.11.2020Norm
AsylG 2005 §10Spruch
L502 2235631-1/4E
L502 2235631-2/5E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Nikolas Bracher als Einzelrichter über die Beschwerden von XXXX , geb. XXXX , StA. Irak, vertreten durch XXXX , gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.07.2018, FZ. XXXX , und vom 29.09.2020, FZ. XXXX , zu Recht erkannt und beschlossen:
A)
I. Die Beschwerde gegen den Bescheid des BFA vom 29.09.2020, FZ. XXXX , wird als unbegründet abgewiesen.
II. Die Beschwerde gegen den Bescheid des BFA vom 18.07.2018, FZ. XXXX , wird als verspätet zurückgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Begründung:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (BF), ein irakischer Staatsangehöriger, stellte im Gefolge seiner illegalen Einreise in das Bundesgebiet am 16.09.2015 vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes einen Antrag auf internationalen Schutz.
2. Dieser Antrag wurde mit dem im Spruch genannten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 18.07.2018 sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I) als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak (Spruchpunkt II) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde ihm gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III). Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z. 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung in den Irak gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt V). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde ihm eine 14-tägige Frist zur freiwilligen Ausreise ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung gewährt (Spruchpunkt VI).
3. Mit Verfahrensanordnung des BFA vom 18.07.2018 wurde ihm gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG von Amts wegen ein Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren beigegeben.
4. Der im Spruch genannte Bescheid wurde ihm durch Hinterlegung am 23.07.2018 zugestellt.
5. Der BF wurde mit Schreiben des BFA vom 05.11.2018 zur Abgabe einer Stellungnahme zur geplanten Erlassung einer Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem Einreiseverbot aufgefordert. Am 14.11.2018 langte eine entsprechende Stellungnahme beim BFA ein.
6. Mit Schriftsatz vom 15.11.2018 brachte eine zugleich bevollmächtigte Vertretung des BF einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ein und erhob Beschwerde gegen den Bescheid vom 18.07.2018.
7. In weiterer Folge langten zwei Ergänzungen zum Wiedereinsetzungsantrag verbunden mit einem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung beim BFA ein.
8. Mit ebenfalls im Spruch genannten Bescheid des BFA vom 29.09.2020 wurde der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 15.11.2018 gemäß § 33 Abs. 1 VwGVG abgewiesen (Spruchpunkt I) und dem Antrag gemäß § 33 Abs. 4 VwGVG keine aufschiebende Wirkung zuerkannt (Spruchpunkt II).
9. Mit Verfahrensanordnung des BFA vom 30.09.2020 wurde ihm gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG von Amts wegen ein Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren beigegeben.
10. Die Beschwerdevorlage das BFA betreffend die gegen den Bescheid des BFA vom 18.07.2018 erhobene Beschwerde langte am 01.10.2020 beim BVwG ein. Das gegenständliche Beschwerdeverfahren wurde in der Folge der nunmehr zuständigen Abteilung des Gerichtes zur Entscheidung zugewiesen.
11. Am 12.10.2020 langte der vom BFA übermittelte Zustellnachweis über die erfolgte Zustellung des Bescheides vom 29.09.2020 beim BVwG ein.
12. Mit Schriftsatz vom 27.10.2020 erhob eine weitere bevollmächtigte Vertretung des BF beim BFA Beschwerde gegen den Bescheid vom 29.09.2020.
13. Die Beschwerdevorlage des BFA betreffend die gegen den Beschied vom 29.09.2020 erhobene Beschwerde langte am 29.10.2020 beim BVwG ein. Auch das diesbezügliche Beschwerdeverfahren wurde der nunmehr zuständigen Abteilung des Gerichts zur Entscheidung zugewiesen.
14. Am 11.11.2020 langte beim BVwG eine Bestätigung für eine psychotherapeutische Betreuung des BF durch den dort genannten Verein ein.
15. Das BVwG erstellte Auszüge aus den Datenbanken der Grundversorgungsinformation, des Zentralen Fremden-, des Melde- und des Strafregisters.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Der oben wiedergegebene Verfahrensgang steht fest.
1.2. Die Identität des BF steht fest.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Beweis erhoben wurde im gegenständlichen Beschwerdeverfahren durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt des Bundesamtes unter zentraler Berücksichtigung der bekämpften Bescheide, des Wiedereinsetzungsantrags und der Beschwerdeschriftsätze sowie durch die amtswegige Einholung von Auskünften des Zentralen Melderegisters, des Strafregisters, des Zentralen Fremdenregisters und des Grundversorgungsdatensystems den BF betreffend.
2.2. Der oben wiedergegebene Verfahrensgang steht im Lichte des vorliegenden Akteninhalts als unstrittig fest. Die genaue Identität des BF war anhand des von ihm vorgelegten irakischen Reisepasses, welcher im Gefolge einer urkundentechnischen Untersuchung als authentisch mit verfälschten Merkmalen klassifiziert wurde, feststellbar.
3. Rechtliche Beurteilung:
Mit Art. 129 B-VG idF BGBl. I 51/2012 wurde ein als Bundesverwaltungsgericht (BVwG) zu bezeichnendes Verwaltungsgericht des Bundes eingerichtet.
Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z. 1 B-VG erkennt das BVwG über Beschwerden gegen einen Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.
Gemäß Art. 131 Abs. 2 B-VG erkennt das BVwG über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 in Rechtssachen in den Angelegenheiten der Vollziehung des Bundes, die unmittelbar von Bundesbehörden besorgt werden.
Gemäß Art. 132 Abs. 1 Z. 1 B-VG kann gegen einen Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben, wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), BGBl. I 33/2013 idF BGBl I 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.
Soweit die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen. Soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist, erfolgen gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG die Entscheidungen und Anordnungen des Verwaltungsgerichts durch Beschluss. Gemäß Abs. 3 sind auf die Beschlüsse des Verwaltungsgerichts § 29 Abs. 1 zweiter Satz und Abs. 4 und § 30 VwGVG sinngemäß anzuwenden. Das gilt nicht für verfahrensleitende Beschlüsse.
Mit BFA-Einrichtungsgesetz (BFA-G) idF BGBl. I Nr. 68/2013, in Kraft getreten mit 1.1.2014, wurde das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) eingerichtet.
Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG idgF), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.
Zu A)
I.
1. § 33 VwGVG lautet:
(1) Wenn eine Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis – so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat – eine Frist oder eine mündliche Verhandlung versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, so ist dieser Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
(2) […]
(3) Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist in den Fällen des Abs. 1 bis zur Vorlage der Beschwerde bei der Behörde, ab Vorlage der Beschwerde beim Verwaltungsgericht binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses zu stellen. […] Die versäumte Handlung ist gleichzeitig nachzuholen.
(4) Bis zur Vorlage der Beschwerde hat über den Antrag die Behörde mit Bescheid zu entscheiden. § 15 Abs. 3 ist sinngemäß anzuwenden. Ab Vorlage der Beschwerde hat über den Antrag das Verwaltungsgericht mit Beschluss zu entscheiden. Die Behörde oder das Verwaltungsgericht kann dem Antrag auf Wiedereinsetzung die aufschiebende Wirkung zuerkennen.
(4a) – (6) […]
§ 7 Abs. 4 VwGVG lautet:
Die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid einer Behörde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG oder wegen Rechtswidrigkeit des Verhaltens einer Behörde in Vollziehung der Gesetze gemäß Art. 130 Abs. 2 Z 1 B-VG beträgt vier Wochen. Die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG beträgt sechs Wochen. Sie beginnt
1. in den Fällen des Art. 132 Abs. 1 Z 1 B-VG dann, wenn der Bescheid dem Beschwerdeführer zugestellt wurde, mit dem Tag der Zustellung, wenn der Bescheid dem Beschwerdeführer nur mündlich verkündet wurde, mit dem Tag der Verkündung,
2. – 4. […]
§ 5 ZustG lautet:
Die Zustellung ist von der Behörde zu verfügen, deren Dokument zugestellt werden soll. Die Zustellverfügung hat den Empfänger möglichst eindeutig zu bezeichnen und die für die Zustellung erforderlichen sonstigen Angaben zu enthalten.
§ 17 ZustG lautet:
(1) Kann das Dokument an der Abgabestelle nicht zugestellt werden und hat der Zusteller Grund zur Annahme, daß sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 regelmäßig an der Abgabestelle aufhält, so ist das Dokument im Falle der Zustellung durch den Zustelldienst bei seiner zuständigen Geschäftsstelle, in allen anderen Fällen aber beim zuständigen Gemeindeamt oder bei der Behörde, wenn sie sich in derselben Gemeinde befindet, zu hinterlegen.
(2) Von der Hinterlegung ist der Empfänger schriftlich zu verständigen. Die Verständigung ist in die für die Abgabestelle bestimmte Abgabeeinrichtung (Briefkasten, Hausbrieffach oder Briefeinwurf) einzulegen, an der Abgabestelle zurückzulassen oder, wenn dies nicht möglich ist, an der Eingangstüre (Wohnungs-, Haus-, Gartentüre) anzubringen. Sie hat den Ort der Hinterlegung zu bezeichnen, den Beginn und die Dauer der Abholfrist anzugeben sowie auf die Wirkung der Hinterlegung hinzuweisen.
(3) Das hinterlegte Dokument ist mindestens zwei Wochen zur Abholung bereitzuhalten. Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Dokument erstmals zur Abholung bereitgehalten wird. Hinterlegte Dokumente gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt. Sie gelten nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, daß der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem das hinterlegte Dokument behoben werden könnte.
(4) Die im Wege der Hinterlegung vorgenommene Zustellung ist auch dann gültig, wenn die im Abs. 2 genannte Verständigung beschädigt oder entfernt wurde.
2.1. Im gegenständlichen Fall wurde dem BF der Bescheid des BFA vom 18.07.2018, FZ. XXXX , durch Hinterlegung mit 23.07.2018 zugestellt.
Am 15.11.2018 brachte ein Vertreter des BF einen mit einer Beschwerde gegen diesen Bescheid verbundenen Wiedereinsetzungsantrag ein und begründete diesen im Wesentlichen damit, dass die Zustellverfügung, zumal sie lediglich auf die seinem Reisepass zu entnehmende Identität gelautet habe und nicht auch zusätzlich auf seine frühere anderslautende Verfahrensidentität, fehlerhaft gewesen sei, weil seiner Unterkunftgeberin lediglich die frühere Verfahrensidentität bekannt gewesen sei und sie den BF daher nicht vom Zustellversuch bzw. der Hinterlegung des angefochtenen Bescheides in Kenntnis gesetzt habe. Die Zustellung durch Hinterlegung mit 23.07.2018 sei daher nicht bewirkt worden und das Verschulden an dieser Nichtzustellung des Bescheides treffe ausschließlich die belangte Behörde bzw. allenfalls die Unterkunftgeberin des BF.
Die belangte Behörde begründete die Abweisung des Wiedereinsetzungsantrags im Wesentlichen damit, dass den BF selbst ein Verschulden an dem von ihm dargestellten Ereignisablauf treffe, zumal ihm nach Vorlage seines Reisepasses durch ihn bewusst sein musste, dass das BFA künftige Zustellungen unter seiner wahren Identität vornehmen würde und er selbst angehalten gewesen wäre seine Unterkunftgeberin über seine wahre Identität in Kenntnis zu setzen.
3.1. Aus Sicht des erkennenden Gerichts war der rechtlichen Auffassung der belangten Behörde im Ergebnis beizupflichten:
3.2. Nach der Rechtsprechung des VwGH steht ein mangelhafter und dementsprechend gesetzwidriger Zustellvorgang einer rechtswirksamen Zustellung entgegen. Er löst den Beginn der Rechtsmittelfrist nicht aus und steht somit deren Versäumung, die wiederum gemäß § 71 Abs. 1 AVG Voraussetzung für einen Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefristen ist, entgegen (vgl. VwGH 07.03.2016, Ra 2015/02/0233 mwN).
Würde man der Begründung des Wiedereinsetzungsantrages daher folgen und tatsächlich von einem Zustellmangel und der damit nicht bewirkten Zustellung ausgehen, so wäre der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand als unzulässig zurückzuweisen (vgl. VwGH 07.03.2016, Ra 2015/02/0233).
Ob die Frist zur Erhebung der Beschwerde gegen den Bescheid vom 18.07.2018 im Entscheidungszeitpunkt bereits abgelaufen ist, hängt folglich nicht vom Ausgang des Wiedereinsetzungsverfahrens, sondern vielmehr davon ab, ob die einstige Zustellung durch Hinterlegung am 23.07.2018 rechtskonform bewirkt worden ist.
3.3. Ein Zustellmangel liegt nach der hg. Rechtsprechung dann vor, wenn der Zustellvorgang, prinzipiell aber auch dann, wenn die Zustellverfügung iSd § 5 ZustG (Zustellungs-) Vorschriften widerspricht (vgl. VwGH 25.05.2007, ZI. 2006/12/0219, mwN).
Ist eine Zustellverfügung unrichtig, so wird diese Unrichtigkeit auch dadurch nicht behoben, dass das Schriftstück jener Person, an die richtigerweise zuzustellen gewesen wäre, tatsächlich zugekommen ist (vgl. VwGH 07.09.1990, ZI. 89/18/0180, mwN).
Im gg. Fall wurde der angefochtene Bescheid dem BF durch Hinterlegung gemäß § 17 ZustG nachweislich zugestellt (AS 503). Aus Sicht des erkennenden Gerichts fanden sich keine Anhaltspunkte für einen etwaigen Zustellmangel.
Soweit der BF bzw. dessen Vertretung einen solchen darin erblickt, dass die Zustellverfügung des BFA die richtige Identität des BF, welche sich aus dem von ihm vorgelegten nationalen Identitätsdokument ergab, nicht aber dessen frühere „Verfahrensaliasidentität“ enthielt, ist dem entgegenzuhalten, dass der BF im Verfahren vor dem BFA selbst seinen irakischen Reisepass vorlegte. Dieser wurde in der Folge einer urkundentechnischen Untersuchung unterzogen und für authentisch mit verfälschten Merkmalen befunden. Der BF selbst stellte in seiner Einvernahme vor dem BFA am 18.06.2018 die Verfälschung seines Reisepasses ausdrücklich in Abrede. Infolge dessen hielt die belangte Behörde in einem Aktenvermerk vom 18.07.2018 zu Recht die Änderung seiner Verfahrensidentität fest.
Zutreffend verwies das BFA daher im Bescheid vom 29.09.2020 darauf, dass der BF ab diesem Zeitpunkt damit rechnen musste, dass sich behördliche Schriftstücke – wie der Bescheid des BFA vom 18.07.2018 – künftig an ihn unter Verwendung seiner wahren Identität richten bzw. zugestellt werden. Ausgehend davon traf ihn die Verpflichtung seine wahre Identität auch in seiner Unterkunft bekanntzugeben. Da er dies offenkundig nicht getan hat, verschuldete er die von ihm dargestellten Ereignisse selbst.
Da den BF selbst ein Verschulden daran traf, dass er vom Zustellversuch letztlich keine Kenntnis erlangte und sein Fehlverhalten auch nicht bloß einen minderen Grad des Versehens darstellt, konnte letztlich dahingestellt bleiben, ob die von der Unterkunftgeberin verschuldete Nichtbeachtung der IFA-Zahl auf der Zustellverfügung – dieser Umstand wurde vom BF selbst in der jüngsten Beschwerde ins Treffen geführt – dem BF zurechenbar ist. Der Vollständigkeit halber ist jedoch darauf hinzuweisen, dass, wer einen Wiedereinsetzungsantrag auf das Verschulden einer Hilfsperson stützt, schon im Wiedereinsetzungsantrag durch ein substantiiertes Vorbringen darzulegen hat, aus welchen Gründen ihn selbst kein die Wiedereinsetzung ausschließendes Verschulden trifft (vgl. VwGH 27.08.2020, Ra 2020/21/0310). Ein diesbezügliches Vorbringen wurde jedoch nicht erstattet.
Entgegen den Ausführungen im Wiedereinsetzungsantrag und der Beschwerde gegen den Bescheid vom 29.09.2020 kann jedenfalls nicht davon ausgegangen werden, dass die behördliche Zustellverfügung, so sie sich wie im gg. Fall ausschließlich auf dessen wahre Identität als Empfänger bezog, fehlerhaft war, sondern entsprach dies der Anordnung des § 5 ZustG. Ein aus der Nichtnennung etwaiger früherer Aliasidentitäten resultierender Zustellmangel war daher auszuschließen, weshalb die Zustellung des Bescheides vom 18.07.2018, FZ. XXXX , gemäß § 17 Abs. 3 ZustG mit 23.07.2018 als bewirkt galt.
Angesichts dieser Ausführungen war nicht davon auszugehen, dass der BF von der Zustellung ohne sein Verschulden keine Kenntnis erlangte, sondern traf ihn daran jedenfalls ein Mitverschulden. Die Verabsäumung der Bekanntgabe seiner wahren Identität in seiner Unterkunft war auch nicht als bloß minderer Grad des Versehens anzusehen.
3.4. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des Bescheides vom 29.09.2020, FZ. XXXX war daher abzuweisen.
4.1. Zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides vom 29.09.2020 hielt die belangte Behörde in ihrer Begründung fest, dass auch der Beschwerde gegen jenen Bescheid, dessen Rechtsmittelfrist der BF versäumt habe, gemäß § 16 Abs. 2 BFA-VG keine aufschiebende Wirkung zukomme. Es bestehe angesichts dessen ein öffentliches Interesse daran, dass dieser Bescheid unbeschadet des Wiedereinsetzungsantrages vollzogen werden könne und trete sein Interesse an der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung zurück.
Dem wurde in der Beschwerde entgegengehalten, dass dem BF durch die rechtskräftige und damit durchsetzbare Rückkehrentscheidung ein unverhältnismäßiger Nachteil drohen würde, weshalb die aufschiebende Wirkung zuerkannt werden hätte müssen.
4.2. Nach der hg. Rechtsprechung zu § 71 Abs. 6 AVG – die auf den hier maßgeblichen § 33 Abs. 4 VwGVG sinngemäß anwendbar ist – kann die zur Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag zuständige Behörde dem Antrag die aufschiebende Wirkung zuerkennen. Sie ist dazu nach herrschender Auffassung verpflichtet, wenn dem Antragsteller sonst ein unverhältnismäßiger Nachteil entstünde (vgl. VwGH 29.09.2011, AW 2011/21/0117, mwN).
Im selben Beschluss legte der VwGH dar, dass durch die rechtskräftige Beendigung des Verfahrens über den Wiedereinsetzungsantrag die bis dahin bestehende Möglichkeit, diesem Antrag gemäß § 71 Abs. 6 AVG mit besonderem Bescheid die aufschiebende Wirkung (nicht etwa in Bezug auf die erstinstanzliche Entscheidung über diesen Antrag selbst, sondern) in Bezug auf die mit dem verspäteten Rechtsmittel zu bekämpfende Entscheidung zuzuerkennen entfällt.
4.3. Wenngleich die Begründung der belangten Behörde aus Sicht des erkennenden Gerichts nicht den Tatsachen entspricht, wurde der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit Erkenntnis des BVwG vom heutigen Tag rechtskräftig abgewiesen, weshalb die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung des Wiedereinsetzungsantrages nach § 33 Abs. 4 VwGVG von vornherein ausscheidet.
Im Übrigen stellt der Umstand, dass durch die Nichtzuerkennung der aufschiebenden Wirkung die gegen den BF erlassene Rückkehrentscheidung durchsetzbar bleibt, für ihn keinen unverhältnismäßigen Nachteil dar, weshalb der Nichtzuerkennung durch das BFA auch nicht entgegenzutreten wäre.
4.4. Auch die Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides vom 29.09.2020, FZ. XXXX , war daher abzuweisen.
5. Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann das Verwaltungsgericht, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt ist, ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 GRC entgegenstehen.
Diese Voraussetzungen waren aus Sicht des erkennenden Gerichts gegeben, weshalb von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden konnte.
6. Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.
II.
1. Wie oben (I. 3.5.) dargelegt wurde, ist der Bescheid des BFA vom 18.07.2018, FZ. XXXX , durch Hinterlegung mit 23.07.2018 gemäß § 17 Abs. 3 ZustG wirksam zugestellt worden. Die vierwöchige Beschwerdefrist gegen diesen Bescheid begann daher gemäß § 7 Abs. 4 VwGVG mit diesem Datum zu laufen. Im Übrigen wurde der vom BF eingebrachte Wiedereinsetzungsantrag mit Erkenntnis vom heutigen Tag rechtskräftig abgewiesen. Zum Zeitpunkt der Einbringung der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde am 15.11.2018 war die Beschwerdefrist daher bereits abgelaufen.
2. Die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid des BFA vom 18.07.2018, FZ. XXXX , war sohin als verspätet zurückzuweisen.
3. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem BVwG konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z. 1 VwGVG unterbleiben.
4. Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.
Zu B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.
Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.
Schlagworte
Hinterlegung Identität Rechtsmittelfrist Verschulden Verspätung Wiedereinsetzungsantrag Zurückweisung ZustellungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:L502.2235631.1.00Im RIS seit
04.03.2021Zuletzt aktualisiert am
04.03.2021