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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AufG 1992 §6 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Schick als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde der L in W, vertreten durch die Kindesmutter M in W, diese vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 18. Juli 1995, Zl. 107.676/2-III/11/94, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Bundesministerium für Inneres) Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin brachte nach ihren Angaben am 16. Mai 1994 durch einen Bekannten bei der Österreichischen Botschaft in Bratislava (Slowakei) einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung ein, in dem sie als Aufenthaltszweck neben Schulbesuch auch Familiengemeinschaft mit ihrer Mutter angab. Gemäß § 6 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) wurde dieser Antrag vom Landeshauptmann von Wien abgewiesen. Die dagegen erhobene Berufung wurde mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 18. Juli 1995 gemäß § 5 Abs. 1 AufG und § 10 Abs. 1 Z. 6 des Fremdengesetzes (FrG) iVm § 6 Abs. 2 AufG und § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG abgewiesen.
Begründend führte die belangte Behörde aus, die Beschwerdeführerin sei nach der auf ihren eigenen Angaben beruhenden Aktenlage mit einem Touristensichtvermerk eingereist und wolle ihren damit begonnenen Aufenthalt mit dem vorliegenden Antrag auf Aufenthaltsbewilligung verlängern.
Unbeschadet des Vorbringens der Beschwerdeführerin sei bei der Beurteilung ihres Antrages allein maßgeblich, daß § 5 Abs. 1 AufG zwingend die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung ausschließe, wenn ein Sichtvermerksversagungsgrund im Sinne des Fremdengesetzes vorliege. Nach § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG liege ein solcher vor, wenn der Sichtvermerk zeitlich an einen Touristensichtvermerk anschließen oder nach sichtvermerksfreier Einreise erteilt werden solle.
Gemäß § 6 Abs. 2 AufG sei der Antrag auf Erteilung einer Bewilligung vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen. Der Antrag auf Verlängerung könne auch vom Inland aus gestellt werden.
In der Berufung habe die Mutter der minderjährigen Beschwerdeführerin angegeben, daß der Antrag von einem Bekannten bei der Österreichischen Botschaft Preßburg gestellt worden sei, und dies auch durch ihre Unterschrift beurkundet.
Die Beschwerdeführerin habe sich zum Zeitpunkt der Antragstellung eindeutig im Bundesgebiet aufgehalten und somit das gesetzliche Erfordernis der Antragstellung vom Ausland aus nicht erfüllt.
Der Touristensichtvermerk der Beschwerdeführerin sei mit 1. Mai 1994 abgelaufen. Trotzdem sei die Beschwerdeführerin seit 21. Februar 1994 aufrecht in Wien gemeldet und besuche hier die Schule. Die Beschwerdeführerin halte sich daher illegal im Bundesgebiet auf und es finde der Sichtvermerksversagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG Anwendung.
Zu den persönlichen Verhältnissen der Beschwerdeführerin sei zu sagen, daß durch den Aufenthalt der Mutter der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet zwar nicht absprechbare Bindungen zur Republik Österreich bestünden, diese aber dem öffentlichen Interesse an der Versagung einer Aufenthaltsbewilligung hintanzustellen seien.
Damit liege ein Sichtvermerksversagungsgrund vor.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Dreiersenat erwogen:
Die maßgeblichen Vorschriften des AufG, der Verordnung der Bundesregierung BGBl. Nr. 408/1995 sowie des FrG lauten auszugsweise wie folgt:
§ 5 Abs. 1 AufG:
"§ 5. (1) Eine Bewilligung darf Fremden nicht erteilt werden, bei denen ein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. 1 FrG) vorliegt, ..."
§ 6 Abs. 2 AufG:
"§ 6. (2) Der Antrag auf Erteilung einer Bewilligung ist vor der Einreise nach Österreich vom Ausland zu stellen.
...
Eine Antragstellung im Inland ist ausnahmsweise zulässig:
...; schließlich für jene im Bundesgebiet aufhältigen Personen, für die dies in einer Verordnung gemäß § 2 Abs. 3 Z. 4 festgelegt ist
..."
§ 3 Z. 3 der Verordnung BGBl. Nr. 408/1995:
"§ 3. Der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung kann ausnahmsweise im Inland gestellt werden von:
...
3. Personen, für die eine Beschäftigungsbewilligung, eine Arbeitserlaubnis oder ein Befreiungsschein ausgestellt ist, und deren Familienangehörigen im Sinne des § 3 des Aufenthaltsgesetzes, die eine Aufenthaltsbewilligung hatten
..."
§ 10 Abs. 1 Z. 6 FrG:
"§ 10. (1) Die Erteilung eines Sichtvermerkes ist zu versagen, wenn
...
6. der Sichtvermerk zeitlich an einen Touristensichtvermerk anschließen ... soll;"
Die Beschwerdeführerin bestreitet in ihrer Beschwerde nicht die wesentliche Sachverhaltsannahme der belangten Behörde, wonach der Antrag auf Aufenthaltsbewilligung durch einen Vertreter bei der Österreichischen Botschaft in Preßburg eingereicht worden sei, während sich die Beschwerdeführerin im Bundesgebiet aufgehalten habe. Ebensowenig bestreitet sie, daß ihr Touristensichtvermerk am 1. Mai 1994 abgelaufen war.
Die Annahme der belangten Behörde, die Beschwerdeführerin habe sich im Inland aufgehalten, wird sowohl durch die Schulbesuchsbestätigung für das Schuljahr 1993/94 (Seite 11 des Verwaltungsaktes) als auch durch das Schreiben der Beschwerdeführerin an die Behörde erster Instanz, in dem sie den Besuch des Polytechnischen Lehrganges im Schuljahr 1994/95 angibt (Seite 30 des Verwaltungsaktes), bestätigt.
Gemäß § 6 Abs. 2 erster Satz AufG ist der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen. Mit "der Einreise nach Österreich" im Sinne dieser Bestimmung ist die Einreise des Antragstellers gemeint (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 14. Mai 1996, Zl. 95/19/1168 mwN). Die Antragstellung durch einen Vertreter vom Ausland aus, während sich der Fremde selbst im Inland aufhält, erfüllt die Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 AufG nicht.
Daran vermag auch das familiäre Interesse der Beschwerdeführerin am Zusammenleben mit ihrer Mutter, für die eine Arbeitserlaubnis ausgestellt ist, nichts zu ändern. Gemäß § 3 Z. 3 der Verordnung BGBl. Nr. 408/1995 sind lediglich solche Familienangehörige von Personen, für die eine Arbeitserlaubnis ausgestellt ist, zur Antragstellung im Inland berechtigt, die eine Aufenthaltsbewilligung hatten. Die Erfüllung dieser Voraussetzung wird von der Beschwerdeführerin aber nicht behauptet. Der Gesetzgeber der AufG-Novelle BGBl. Nr. 351/1995 hat mit den Bestimmungen des § 2 Abs. 3 Z. 4 AufG und des § 6 Abs. 2 dritter Satz AufG sowie mit der darin enthaltenen - von der Bundesregierung auch genützten - Verordnungsermächtigung jedenfalls in Ansehung von Angehörigen von Fremden, die eine Arbeitserlaubnis besitzen, bereits auf die durch Art. 8 Abs. 1 MRK geschützten familiären Interessen Bedacht genommen.
Da das im § 6 Abs. 2 AufG normierte Erfordernis, einen Bewilligungsantrag vom Ausland aus zu stellen, nicht als bloße Formvorschrift zu werten ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 1997, Zl. 96/19/1010), hatte die belangte Behörde einen unter Mißachtung des § 6 Abs. 2 AufG gestellten Antrag auf Aufenthaltsbewilligung abzuweisen.
Aufgrund der bereits erwähnten Angaben zum Schulbesuch der Beschwerdeführerin in Österreich während der Schuljahre 1993/94 und 1994/95 hatte die belangte Behörde überdies hinreichende Aufenthaltspunkte für die Annahme, die Beschwerdeführerin halte sich nach Ablauf ihres Touristensichtvermerkes im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt weiterhin im Bundesgebiet auf. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wäre es Sache der Beschwerdeführerin gewesen, darzulegen, zu welchen anderen Ergebnissen die Behörde bei Durchführung weiterer Ermittlungen hätte gelangen können. Die Beschwerde enthält jedoch keine Ausführungen darüber, wann die Beschwerdeführerin Österreich nach ihrer Einreise wieder verlassen hätte (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 21. September 1995, Zl. 95/19/0657, und vom 24. Jänner 1997, Zl. 95/19/1452). Da der Verwaltungsgerichtshof daher die Feststellungen der belangten Behörde seiner Entscheidung zugrunde zu legen hatte und es nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht darauf ankommt, ob die Aufenthaltsbewilligung nahtlos an einen Touristensichtvermerk anschließen soll (vgl. die
hg. Erkenntnisse vom 29. Juli 1993, Zl. 93/18/0293, und vom 20. Oktober 1995, Zl. 95/19/0534), erfolgte auch die Heranziehung des Sichtvermerksversagungsgrundes nach § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG durch die belangte Behörde zu Recht. Eine Bedachtnahme auf private und familiäre Interessen des Fremden ist auch bei einer auf § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG gestützten Entscheidung nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht vorgesehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 1997, Zl. 95/19/1452).
Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Eingehen auf das weitere Beschwerdevorbringen.
Die Beschwerde war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1996190218.X00Im RIS seit
02.05.2001