Entscheidungsdatum
24.11.2020Norm
AsylG 2005 §3Spruch
I413 2127236-4/33E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Martin ATTLMAYR, LL.M. als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX StA. MAROKKO (alias WESTSAHARA, alias ALGERIEN), vertreten durch: Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH, Volkshilfe Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung GmbH, p.A. ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, Wattgasse 48/3. Stock, 1170 Wien, gegen den Bescheid des BFA, Erstaufnahmestelle Ost (EASt-Ost) vom 02.10.2019, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung beschlossen:
A)
Gemäß § 35 1. und 2. Fall AVG iVm § 28 Abs 2 und § 31 Abs 1 VwGVG wird gegen XXXX eine Mutwillensstrafe in Höhe von EUR 726,00 verhängt.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Begründung:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer brachte erstmals am 04.08.2015 unter dem Namen XXXX , StA Westsahara, einen Antrag auf internationalen Schutz ein, den er wie folgt begründete: „Ich habe Mauretanien verlassen, da ich in Mauretanien keine Zukunft mehr gesehen habe. Wir sind Beduinen und leben in Zelten, fast jeden Tag woanders. Wir mussten immer Wasserstellen suchen, auch das Essen war immer sehr knapp.“
2. Am 14.01.2016 fand die niederschriftliche Einvernahme durch die belangte Behörde statt, in der der Beschwerdeführer mitteilte: „Wir hatten viele Probleme in der Westsahara. Wir wurden durch die Mitglieder des Polisarios entführt, sie zwingen uns mit ihnen zu kämpfen, oder für sie zu arbeiten ohne Entgelt. Wir haben keine Rechte und bekommen keine Unterstützung. Wir haben die einfachsten Dinge nicht, wie Wasser, dafür müssen wir kilometerlange Strecken zu Fuß gehen. Wir müssen deshalb ständig von einem Ort zum anderen ziehen. Wir haben gar keine Rechte und werden nicht anerkannt. Mein Vater wurde einmal von drei Männern mit einem Pickup überfahren, seitdem sind seine Beine zerstört. Keiner hat sich darum gekümmert, oder uns eine Entschädigung gegeben. Aus diesen Gründen bin ich geflüchtet. Ich habe immer die Touristen gesehen, wie glücklich sie waren und ich wollte auch so ein Leben. In Belgien angekommen sah ich viele Araber, ich fragte, wo ich Hilfe bekommen kann und einer sagte, dass es gute Gesetze nur in Österreich gibt.“
3. Mit Bescheid vom 03.02.2016, XXXX , wies die belangte Behörde den Antrag vom 04.08.2015 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf Westsahara ab (Spruchpunkte I. und II.) und erteilte dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass die Abschiebung nach Westsahara zulässig ist (Spruchpunkt III.). Einer Beschwerde gegen den Bescheid wurde die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt IV). Zudem erließ die belangte Behörde über den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von 4 Jahren befristetes Einreiseverbot. Dieser Bescheid wurde mit Beurkundung vom 03.02.2016 „gemäß § 23 Abs 2 ZustellG“ im Akt hinterlegt. Mit Schriftsatz vom 10.03.2016 beantragte der nunmehr rechtsfreundlich vertretene Beschwerdeführer die Zustellung dieses Bescheides und stellte zugleich einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, der mit Bescheid 19.04.2016, XXXX , abgewiesen wurde (Spruchpunkt I.). Zugleich erkannte sie seinem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand die aufschiebende Wirkung zu (Spruchpunkt II.). Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 15.06.2016, I411 2127236-1/4E, als unbegründet ab.
4. Am 20.07.2017 stellte der Beschwerdeführer unter dem Namen XXXX , StA. Marokko, einen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz, in dem er angab: „Ich gebe hiermit an, dass ich folgendes bei meiner ersten Asyl Einvernahme nicht gesagt habe. Ich habe in der Westsahara gelebt und meine Mutter hat mir gesagt, dass mein Vater immer bei Demonstrationen mitgemacht hat. Wie ich ein Kind war, habe ich Molotov Cocktail auf Polizisten geworfen. Wir haben das deshalb gemacht, weil wir einen unabhängigen Staat wollten. Eines Tages kamen dann Polizisten zu meiner Mutter, und haben nach mir gesucht. Meine Mutter gab an, dass ich geflüchtet sei. Mein Vater hat mich dabei unterstützt, nach Europa zu kommen.“
5. Am 01.08.2017 führte die belangte Behörde die Einvernahme des Beschwerdeführers durch. Hierbei gab er an, dass die Fluchtgründe aus dem ersten Verfahren noch bestünden und noch aufrecht seien. Er fürchte um sein Leben und suche deswegen ein zweites Mal um Asyl an. Er sei 10 oder 11 Jahre alt gewesen, als der Molotov Cocktails auf Polizisten geworfen habe, weil er gegen die Polisario sei. Sie hätten ihnen das Leben schwergemacht. Im Erstverfahren habe er das nicht angegeben, weil er nur auf die Fragen der Polizisten geantwortet habe. Er habe vergessen, es zu erwähnen.
6. Mit Bescheid vom 20.08.2017, XXXX EAST Ost, wies die belangte Behörde den Antrag auf internationalen Schutz vom 20.07.2017 wegen entschiedener Sache zurück (Spruchpunkt I.), erteilte dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass die Abschiebung nach Westsahara zulässig ist (Spruchpunkt II.) sowie dass keine Frist für die freiwillige Ausreise besteht (Spruchpunkt III.). Der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde gab das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 18.09.2017, I406 2127236-2/3E, Folge und behob den angefochtenen Bescheid, weil gegenüber dem ersten Asylverfahren eine wesentliche Änderung der maßgeblichen Umstände eingetreten seien.
7. Mit Bescheid vom 26.02.2018, XXXX , wies die belangte Behörde den Antrag auf internationalen Schutz vom 20.07.2017 hinsichtlich der Zuerkennung eines Asylberechtigten und hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Marokko ab (Spruchpunkte I. und II.), erteilte dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass die Abschiebung nach Marokko zulässig ist (Spruchpunkt III.) und erkannte einer Beschwerde gegen diesen Bescheid die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt IV.).
8. Am 03.08.2018 stellte der Beschwerdeführer unter der Identität XXXX , StA Algerien, einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz, den er begründete wie folgt: „Ich halte meine Gründe, welche ich beim Erstantrag genannt habe, voll aufrecht. Als Ergänzung möchte ich angeben, dass ich von der Organisation Polisario gesucht und mit dem Tode bedroht werde. In meiner Heimat habe ich keine Angehörigen und auch keinen Bezug zu meinem Land. Ich habe nun alle meine ergänzenden Fluchtgründe genannt.“
9. Am 08.08.2018 wurde der Beschwerdeführer niederschriftliche einvernommen. Im Rahmen dieser Einvernahme gab er an, dass sich an seinen Fluchtgründen nichts geändert habe und es auch keine Neuigkeiten gegeben habe. Die im Erstverfahren 2016 angegebenen Probleme mit Polisario würden stimmen. Weil sein Vater von ihnen geschlagen worden sei, hätte der Beschwerdeführer deren Zelte verbrannt. Das sei 2008 gewesen und habe er bereits alles erwähnt. Sodann hob die belangte Behörde mit mündlichem Bescheid den faktischen Abschiebeschutz auf. Im amtswegig eingeleiteten Verfahren über diesen Bescheid beschloss das Bundesverwaltungsgericht am 22.08.2019, I408 2127236-3/3E, dass die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes rechtmäßig ist.
10. Am 27.09.2019 wurde der Beschwerdeführer von der belangten Behörde erneut einvernommen. Im Rahmen dieser Einvernahme gab der Beschwerdeführer an, dass sich seit der letzten Einvernahme am 08.08.2019 nichts an seinen Fluchtgründen geändert habe. Die Polisario hätte seinen Vater heftigst zusammengeschlagen. Daraufhin hätte er sich mit einem Freund zusammengetan und das Zeltlager der Streitkräfte in Brand gelegt, worauf Ermittlungen angestellt und festgestellt worden sei, dass sie den Brand gelegt hätten. Sein Vater hätte Angst um den Beschwerdeführer gehabt und ihn nach Europa geschickt. Die Streitkräfte der Westsahara suchten nach ihm und würden sie ihn finden, würde dies seinen Tod bedeuten.
11. Mit Bescheid vom 02.10.2019, XXXX , wies die belangte Behörde den Antrag auf internationalen Schutz vom 03.08.2018 sowohl hinsichtlich des Staus des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) als auch des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) gemäß § 68 AVG wegen entschiedener Sache zurück, erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG (Spruchpunkt III.), erließ gegen den Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs 1 Z 3 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 2 FPG (Spruchpunkt IV.), stellte gemäß § 52 Abs 9 FPG fest, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Marokko zulässig ist (Spruchpunkt V.), dass gemäß § 55 Abs 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise besteht (Spruchpunkt VI.) und erließ gegen den Beschwerdeführer gemäß § 53 Abs 1 iVm Abs 3 Z 7 FPG gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von sieben Jahren befristetes Einreiseverbot (Spruchpunkt VII.).
12. Gegen diesen dem Beschwerdeführer am 02 19.2019 zugestellten Bescheid richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde vom 17.10.2019 (eingelangt am 17.10.2019, 15:05 Uhr) wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Mangelhaftigkeit des Verfahrens. Der Beschwerdeführer beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, eine mündliche Verhandlung durchführen, den angefochtenen Bescheid beheben und die Sache an das Bundesamt zur Durchführung eines materiellen Verfahrens gemäß §§ 3, 8 AsylG zurückverweisen, feststellen, dass eine Rückkehrentscheidung gegen den Beschwerdeführer gemäß § 9 BFA-VG auf Dauer unzulässig ist und dem Beschwerdeführer gemäß § 55 (§ 57) AsylG eine Aufenthaltsberechtigung (plus) erteilen, das Einreiseverbot gänzlich beheben oder wesentlich reduzieren, Spruchpunkt III des angefochtenen Bescheides ersatzlos zu beheben.
13. Mit Schriftsatz vom 18.10.2019 legte die belangte Behörde die Beschwerde samt Verwaltungsakt vor.
14. Mit Beschluss (ON 5Z) bestellte das Bundesverwaltungsgericht Dr. XXXX zum nichtamtlichen Sachverständigen aus dem Fachgebiet Medizin-Psychiatrie.
15. Mit Schreiben vom 05.11.2019 teilte das Bundesverwaltungsgericht den Parteien mit, dass Dr. XXXX zum nichtamtlichen Sachverständigen aus dem Fachgebiet Medizin-Psychiatrie bestellt wurde und räumte diesen die Möglichkeit ein, einen begründeten Ablehnungsantrag binnen der Frist von 14 Tagen zu stellen. Zugleich beraumte es eine mündliche Verhandlung für 20.01.2020 an. Diese Verhandlung wurde am 17.01.2020 abberaumt.
16. Am 04.03.2020 führte das Bundesverwaltungsgericht die mündliche Verhandlung durch, im Rahmen derer der nichtamtliche Sachverständige ein Gutachten erstattete und der Beschwerdeführer als Beteiligter befragt wurde. Die belangte Behörde stellte in dieser Verhandlung die Anträge, das Einreiseverbot auf 10 Jahre zu erhöhen und eine Mutwillensstrafe gegen den Beschwerdeführer in Höhe von € 726,00 zu verhängen. Das Bundesverwaltungsgericht schloss das Ermittlungsverfahren gemäß § 39 Abs 3 AVG iVm § 17 VwGVG.
17. Mit Erkenntnis vom 27.03.2020 wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde als unbegründet ab. Dieses Erkenntnis erwuchs in Rechtskraft.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Verfahrensgang gemäß Punkt I. wird als Sachverhalt festgestellt. Darüber hinaus werden folgende weitere Feststellungen getroffen:
Der Beschwerdeführer stellte wiederholt und ungerechtfertigt Asylanträge in Österreich. Diesen Asylanträgen wurde bisher keine Folge gegeben.
Der Beschwerdeführer hat über seine Identität laufend getäuscht. Der Beschwerdeführer hat unter verschiedensten Identitäten Asylverfahren in Österreich beantragt und betrieben.
Der Beschwerdeführer hat vorsätzlich und mutwillig österreichische Behörden und Gerichte durch falsche Angaben sowie in der Absicht einer Verfahrensverschleppung, um dadurch eine Aufenthaltsberechtigung im Bundesgebiet zu erlangen, behindert und in Anspruch genommen
2. Beweiswürdigung:
Der festgestellte Sachverhalt beruht auf den von der belangten Behörde vorgelegten Unterlagen, beinhaltend insbesondere den Bescheid und den diesen zugrundeliegenden Akteninhalte sowie aus den Gerichtsakten I413 2127236-4 und der Vorverfahren I411 2127236-1. I406 2127236-2 und I408 2127236-3 und der mündlichen Verhandlung am 04.03.2020, in der der Beschwerdeführer nochmals versuchte, über seine Identität zu täuschen.
Der Sachverhalt ist letztlich unstrittig und im für eine Beurteilung erforderlichen Ausmaß dargetan, weshalb von weiteren Erhebungen abgesehen werden konnte.
Es liegen keine Gründe vor an der Richtigkeit der Ermittlungsergebnisse, insbesondere an dem vom Bundesamt im angefochtenen Bescheid übersichtlich zusammengefassten Sachverhalt, welchem der Beschwerdeführer auch in der Beschwerde nicht entgegentreten ist, Zweifel zu erheben.
Der Beschwerdeführer bediente sich wiederholt falscher Identitäten.
3. Rechtliche Beurteilung
Zu A)
§ 35 AVG lautet: "Gegen Personen, die offenbar mutwillig die Tätigkeit der Behörde in Anspruch nehmen oder in der Absicht einer Verschleppung der Angelegenheit unrichtige Angaben machen, kann die Behörde eine Mutwillensstrafe bis 726 Euro verhängen."
Die Verhängung der Mutwillensstrafe soll die Behörde vor Behelligung, die Partei aber vor Verschleppung der Sache schützen (VwGH 22.1.1930, 439/29, VwSlg. 15.960 A, ebenso 24.03.1997, 95/19/1705, oder 23.03.1999, 97/19/0022).
Bei der Mutwillensstrafe gemäß § 35 AVG, handelt es sich wie bei der Ordnungsstrafe nach § 34 AVG, nicht um die Ahndung eines Verwaltungsdeliktes, sondern um ein Mittel zur Sicherung einer befriedigenden, würdigen und rationellen Handhabung des Verwaltungsverfahrens, sohin um ein Disziplinarmittel. Das Verwaltungsstrafgesetz im Verfahren betreffend die Verhängung von Mutwillensstrafen findet daher grundsätzlich keine Anwendung, mit Ausnahme der in § 36 AVG ausdrücklich vorgesehenen Vorschriften über den Strafvollzug (§§ 53 bis 54d VStG). Daraus folgt, dass weder Bestimmungen über die Strafbemessung, über die Verjährung oder die Sprucherfordernisse hinsichtlich der Umschreibung der Tat, noch die Verjährungsbestimmungen des bürgerlichen Rechtes im Bereich des öffentlichen Rechtes unmittelbar oder analog anwendbar sind. Dahinter steckt auch die verfolgte Absicht des Gesetzgebers das Verwaltungsverfahren zu beschleunigen (vgl. VwGH 04.09.1973, 1665/72, VwSlg. Nr. 8448 A/1973, 30.05.1994, 92/10/0469, VwSlg 14.064 A/1994; 20.05.2009, 2007/07/0119; Hengstschläger/Leeb, AVG § 35, Rz 1 und 6).
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes handelt mutwillig im Sinne des § 35 AVG, wer sich im Bewusstsein der Grund- und Aussichtslosigkeit, der Nutz- und Zwecklosigkeit seines Anbringens an die Behörde wendet, sowie wer aus Freude an der Behelligung der Behörde handelt. Darüber hinaus verlangt das Gesetz aber noch, dass der Mutwille offenbar ist; dies ist dann anzunehmen, wenn die wider besseren Wissens erfolgte Inanspruchnahme der Behörde unter solchen Umständen geschieht, dass die Aussichtslosigkeit, den angestrebten Erfolg zu erreichen, für jedermann erkennbar ist (VwGH 18.04.1997, 95/19/1707; 27.05.1999, 97/02/0345; 16.02.2012, 2011/01/0271; vgl. hierzu auch Hengstschläger/Leeb, AVG § 35, Rz 2).
Der Tatbestand des § 35 AVG kann - außer durch die offenbar mutwillige Inanspruchnahme der Behörde - auch noch dadurch verwirklicht werden, dass in der Absicht, die Angelegenheit zu verschleppen, unrichtige Angaben gemacht werden (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG § 35, Rz 4).
Strafbar gemäß § 35 AVG ist jede (prozessfähige) "Person", welche die Behörde offenbar mutwillig in Anspruch genommen hat (das Anbringen eingebracht) [vgl. VwGH 24.03.1997, 95/19/1705; 18.04.1997, 95/19/1707] oder in Verschleppungsabsicht dieser gegenüber unrichtige Angaben gemacht hat. Dabei kann es sich nur um Menschen handeln, welche an die Behörde herantreten oder auf die sich eine Amtshandlung bezieht, nicht hingegen um Organwalter der den Bescheid erlassenden Behörde.
Mit dem Vorwurf des Missbrauchs von Rechtsschutzeinrichtungen ist mit äußerster Vorsicht umzugehen. Ein derartiger Vorwurf ist nur dann am Platz, wenn für das Verhalten einer Partei nach dem Gesamtbild der Verhältnisse keine andere Erklärung bleibt; die Verhängung einer Mutwillensstrafe kommt demnach lediglich im "Ausnahmefall" in Betracht (vgl. VwGH 29.06.1998, 98/10/0183 VwSlg. 18.337 A/2012; 21.05.2019, Ra 2018/19/0466).
Insgesamt hat der Beschwerdeführer eine Vielzahl von ungerechtfertigten Anträgen, welche mittlerweile rechtskräftig beschieden wurden, eingebracht. Der Beschwerdeführer wies sich unter falschem Namen und Herkunftsstaat vor den österreichischen Behörden und Gerichten aus und ließ das Bundesamt und das Bundesverwaltungsgericht dadurch im falschen Glauben, dass er rechtmäßig andere Geburtsdaten, Namen und andere Staatsbürgerschaften besitze.
Die Voraussetzungen zur Verhängung der Mutwillensstrafe gemäß § 35 AVG sind im vorliegenden Fall grundsätzlich gegeben:
Gegenständlich liegt die offenbare Mutwilligkeit des prozessualen Verhaltens des Beschwerdeführers darin begründet, dass er angab anders zu heißen, jünger zu sein und eine andere Staatsbürgerschaft zu besitzen, mit dem Ziel seinen illegalen Aufenthalt in Österreich fortzusetzen. Erst zusätzliche aufwändige Recherchen ergaben seine wahre Identität, die der Beschwerdeführer noch im zuletzt anhängigen Beschwerdeverfahren in Zweifel zu ziehen versuchte. Damit behelligte der Beschwerdeführer mit falschen Angaben zu seinen Anträgen sowohl das Bundesamt als auch das Bundesverwaltungsgericht vorsätzlich und mutwillig.
Die Mutwilligkeit ist darin zu sehen, dass der Beschwerdeführer sich im Bewusstsein der Unrichtigkeit mit einem falschen Namen und Herkunftsstaat auswies. Die tatsächliche Grund- und Aussichtslosigkeit bzw. die Zweck- und die Nutzlosigkeit seiner dergestalt behaupteten Identität war dem BF jedenfalls bewusst und die Aussichtslosigkeit, den angestrebten Erfolg zu erreichen, war für jedermann erkennbar.
Abgesehen von der Mutwilligkeit seines prozessualen Verhaltens kann dem Beschwerdeführer darüber hinaus eine Verschleppung des Asylverfahrens bzw. der Durchsetzung des abweisenden Asylbescheides zur Last gelegt werden, da er ganz offenkundig auch bezweckte, die Behörden und Gerichte bei der weiteren Bearbeitung der abweisenden Asylentscheidungen in die Irre zu leiten bzw. weitere Schritte in Gang zu setzen, um eine rasche Abschiebung zu vereiteln.
In Zusammenschau der chronologischen Hergänge bleibt nach dem Gesamtbild der Verhältnisse keine andere Erklärung, als die Abschiebung zu verhindern sowie einen illegalen Aufenthalt in Österreich bzw. in der Europäischen Union zu prolongieren und kommt gerade in dieser Konstellation die Verhängung der Mutwillensstrafe im "Ausnahmefall" in Betracht.
Vor diesem Hintergrund sind die Voraussetzungen zur Verhängung einer Mutwillensstrafe gemäß § 35 AVG grundsätzlich gegeben, da der BF die Behörde sowie die Gerichte offenbar mutwillig beschäftigte sowie in Absicht der Verfahrensverschleppung bzw. zur Vereitelung der Durchsetzung abweisender Asylbescheide unrichtige Angaben gemacht hat.
Zur Höhe der verhängten Mutwillensstrafe ist auszuführen, dass diese, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Rahmen des Höchstbetrages in der Höhe von EUR 726,00, derart zu bemessen ist, dass der Täter von weiterem derartigem Fehlverhalten abgehalten wird (vgl. VwGH 11.11.1998, 98/12/0411; Hengstschläger/Leeb, AVG § 35, Rz 6).
Das Bundesverwaltungsgericht sieht aufgrund der vorsätzlichen, in rechtsmissbräuchlicher Absicht und über einen Zeitraum von mehreren Jahren gesetzten Täuschungshandlungen des Beschwerdeführer, keine Veranlassung die vom BFA beantragte Strafhöhe zu reduzieren. Der Beschwerdeführer lässt den Respekt vor der österreichischen Rechtsordnung als auch durch die konsequente, selbst in der Beschwerde vom Beschwerdeführer deklarierte Unklarheit hinsichtlich der Identität seiner Person, vermissen. Angesichts des schweren Fehlverhaltens, auch über die österreichischen Grenzen hinaus, kann davon ausgegangen werden, dass vor dem Hintergrund der geforderten präventiven Wirkung der verhängten Mutwillensstrafe, die Höhe der Strafe und das gesetzte Verhalten in entsprechender Relation stehen.
Schließlich ist zu Lasten des Beschwerdeführers auch der von ihm verursachte Vermögensschaden auf Seiten des Bundes zu berücksichtigen. Der Beschwerdeführer, beanspruchte finanzielle als auch personelle Ressourcen der Behörden und Gerichte in einem unerhörten Ausmaß, gemessen an seinem persönlichen Interesse. Der Beschwerdeführer hätte Unterstützung seitens der Republik Österreich zur Rückreise erhalten, hat jedoch diese Angebote nicht angenommen und stattdessen die Republik Österreich definitiv durch rechtswidrige Anträge bewusst und vorsätzlich geschädigt. Dazu besteht jedenfalls kein Rechtsanspruch, schon gar nicht durch falsche Anträge unter falschen Identitäten.
Nicht zuletzt gilt es zu beachten, dass sich die Inanspruchnahme von Behörden- und Gerichtskapazitäten durch das mutwillige Verhalten des Beschwerdeführers zwangsläufig zu Lasten redlicher Antragsteller auswirkt.
Diese Gesichtspunkte sind unter Beachtung der Regelungsintention des § 35 AVG bei der Bemessung der Strafhöhe als erschwerend zu werten. Strafmildernde Umstände gehen keine hervor.
Aus dem Gesagten konnte auch die Einkommenssituation des Beschwerdeführers bei der Bemessung der Strafhöhe nicht weitergehend zu seinen Gunsten berücksichtigt werden. Dazu kommt, dass - nach Maßgabe des § 36 zweiter Satz AVG - § 19 Abs. 2 VStG nicht anwendbar ist. Es liegt auch sonst keine gesetzliche Grundlage vor, die es zwingend erfordern würde, die Einkommens- Vermögens- und Familienverhältnisse in die Strafbemessung einfließen zu lassen (VwGH 20.05.1994, 92/10/0469, VwSlg. 14.064 A/1994).
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Asylverfahren Aussichtslosigkeit entschiedene Sache falsche Angaben Folgeantrag Gesamtbetrachtung Gutachten Identität der Sache Missbrauch mündliche Verhandlung Mutwillen Mutwillensstrafe Offensichtlichkeit Rechtskraft der Entscheidung Rechtskraftwirkung Rechtsschutzinteresse res iudicata Sachverständigengutachten Täuschung Vermögensnachteil ZurückweisungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:I413.2127236.4.01Im RIS seit
04.03.2021Zuletzt aktualisiert am
04.03.2021