TE Bvwg Erkenntnis 2020/11/24 G306 2236659-1

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Veröffentlicht am 24.11.2020
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Entscheidungsdatum

24.11.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art133 Abs4
FPG §76

Spruch

G306 2236659-1/15E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Dietmar MAURER in dem von Amts wegen eingeleiteten Verfahren zur Überprüfung der Anhaltung in Schubhaft des pakistanischen Staatsangehörigen XXXX geboren am XXXX alias afghanischer Staatsangehöriger XXXX , geboren am XXXX , Zl.: XXXX zu Recht:

A)       Es wird gemäß § 22 a Abs 4 BFA-VG festgestellt, dass zum Zeitpunkt dieser Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist.

B)       Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer (in Folge: BF) reiste zu einem nicht genau feststellbaren Zeitpunkt in den europäischen Raum ein und kam in Folge – über Ungarn einreisend - illegal bis nach Österreich. Der BF stellte am XXXX .2009 im Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz. Diesem Antrag wurde insofern stattgegeben, als dass dem BF der Status des subsidiären Schutzberechtigten – im Beschwerdeverfahren - zuerkannt wurde. Der BF kam dadurch in den Genuss einer befristeten Aufenthaltsberechtigung. Am XXXX .2016 wurde dem BF vonseiten der Bezirkshauptmannschaft XXXX ein Aufenthaltstitel, „Daueraufenthalt EU“ erteilt. Sämtliche Verfahren wurden unter dem Namen XXXX , geb. XXXX , Afghanistan, geführt.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in Folge: BFA), leitete beginnend mit XXXX .2019, ein amtswegiges Aberkennungsverfahren bezüglich des subsidiären Schutzes ein. Im Zuge dieses Verfahrens wurde der BF am 28.06.2019 vom BFA niederschriftlich befragt (bei dieser Befragung wurde festgestellt, dass sich der BF im bisherigen Verfahren, einer falschen Identität bediente). Am 30.09.2019 gab der BF persönlich seinen pakistanischen Personalausweis lautend auf XXXX , geb. XXXX ab.

Mit Bescheid des BFA vom XXXX .2019, wurde dem BF der Status des subsidiären Schutzberechtigten von Amts wegen aberkannt. Gleichzeitig wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen. Gem. § 55 Abs. 4 FPG wurde eine Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen gewährt.

Dieser Bescheid erwuchs am 21.11.2019 in Rechtskraft.

Der BF kam seiner freiwilligen Ausreise nicht nach, sondern tauchte im Bundesgebiet unter und verwendete weiterhin seine falsche Identität.

Der BF wurde am XXXX .2020 von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes einer fremdenpolizeilichen Kontrolle unterzogen. Bei dieser Kontrolle wurde der illegale Aufenthalt sowie, dass gegen den BF ein Festnahmeauftrag vorliegt, festgestellt.

Der BF wurde in Folge festgenommen und am XXXX .2020 um 18:53 Uhr, die gegenständliche Schubhaft verhängt.

Der BF befindet sich seit diesem Zeitpunkt durchgehend in Schubhaft.

Das BFA hat seither gemäß § 80 Abs. 6 FPG folgende amtswegige Überprüfungen der Schubhaft durchgeführt: XXXX .2020, XXXX .2020, XXXX .2020 sowie XXXX .2020.

Das BFA hat am XXXX .2020 das Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates eingeleitet. Der BF hat sich im Zuge der Schubhaft für eine freiwillige Rückkehr angemeldet und wurde dieser am 20.10.2020 seitens des BFA zugestimmt.

Die pakistanische Identitätskarte des BF wurde der pakistanischen Botschaft vorgelegt.

Eine letztmalige Urgenz und Kontaktaufnahme mit der pakistanischen Botschaft, bezüglich Erlangung eines HRZ, fand am XXXX .2020 statt.

Am 08.11.2020 legte das BFA dem BVwG die Akten unter Darlegung der Gründe, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig sei, zu einer Überprüfung der Verhältnismäßigkeit der Anhaltung des BF in Schubhaft, vor.

Mit Schreiben des BVwG vom 18.11.2020, per Mail, wurde das BFA aufgefordert zu diversen Fragen Stellung zu nehmen. Es wurde eine Frist bis zum 23.11.2020 eingeräumt. Am 19.11.2020 langte am BVwG die Stellungnahme ein.

Mit Schreiben vom 18.11.2020 wurde dem BF eine Verständigung von der Beweisaufnahme übermittelt. Zur Abgabe einer Stellungnahme wurde dem BF eine Frist bis zum 23.11.2020, 12:00 Uhr eingeräumt. Bis zum Entscheidungszeitpunkt langte vom BF keine Stellungnahme ein.

Eine Abschiebung des BF war bereits für den XXXX .2020 geplant. Die pakistanische Botschaft (Behörde) erachtete die pakistanische Identitätskarte des BF als nicht ausreichend sodass die Ausstellung eines HRZ für die Abschiebung notwendig ist.

Zum Entscheidungszeitpunkt liegt noch kein HRZ vor.

Feststellungen:

Der BF ist Staatsangehöriger von Pakistan und ist seine Muttersprache Urdu. Er ist ledig und hat keine Obsorgeverpflichtungen. Der BF ist gesund und haftfähig. Der BF hat im Bundesgebiet keine Familienangehörige, keine gesicherte Unterkunft – war zuletzt als Obdachloser gemeldet – verfügt über keine ausreichende Barmittel. Der BF ging im Bundesgebiet immer wieder Erwerbstätigkeiten nach, verwendete jedoch bis zur seiner gegenständlichen Festnahme dazu seine falsche Identität lautend auf XXXX .

Der BF stellte im Jahr 2009 einen Antrag auf internationalen Schutz und wurde ihm im Beschwerdeverfahren mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 25.07.2012, der Status des subsidiären Schutzberechtigten zuerkannt. Am XXXX .2016 wurde ihm von der BH XXXX ein Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt EU“ erteilt.

Mit Bescheid des BFA vom XXXX .2019, wurde dem BF der Status des subsidiären Schutzberechtigten von Amts wegen aberkannt. Gleichzeitig wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen. Ihm wurde eine Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen gewährt.

Gegen den BF liegt seit dem 21.11.2019 eine rechtskräftige und somit durchsetzbare Rückkehrentscheidung vor.

Der BF ist in strafrechtlicher Hinsicht unbescholten.

Der BF weist seit dem 01.10.2009 Wohnsitzmeldungen im Bundesgebiet auf. Diese Wohnsitzmeldungen lauteten bis zuletzt auf seinen Aliasnamen XXXX . Der BF weist in den Zeiten von 02.06.2010 – 06.06.2010, 05.04.2018 – 07.05.2018, 14.02.2019 – 05.06.2019 und ab dem 07.11.2019 Meldelücken im Bundesgebiet auf. Der BF war in der Zeit von XXXX .2018 – XXXX .2018 und ab dem XXXX .2020 als Obdachloser gemeldet.

Der BF kam der freiwilligen Ausreise bisher nicht nach. Der BF tauchte vielmehr immer wieder im Bundesgebiet unter – siehe Meldelücken oben – und war für die Behörde nicht greifbar. Der BF meldete sich zwar zu Jahresbeginn als Obdachloser an, wohnte jedoch laut eigenen Angaben an einer Adresse an der er nicht gemeldet war. Trotz Obdachlosenmeldung war der BF für die Behörde offensichtlich nicht greifbar.

Der BF benützte im bisherigen Verfahren immer eine falsche Identität alias XXXX und verwendete diese sogar - nach Offenlegung seiner wahren Identität im Sommer 2019 vor der Behörde – weiter (siehe Obdachlosenmeldung ZMR seit dem XXXX .2020 sowie Sozialversicherungsauszug).

Mittels oben im Spruch angeführten Bescheid des BFA, wurde über den BF gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung angeordnet. Dieser Bescheid wurde dem BF am XXXX .2020 um 18:53 Uhr zugestellt. Der BF befindet sich seither in Schubhaft und ist im XXXX seit dieser Zeit mit Hauptwohnsitz gemeldet. Der BF erhob keine Schubhaftbeschwerde.

Die belangte Behörde ist seit XXXX .2020 bemüht ein HRZ für den BF bei der pakistanischen Botschaft zu erlangen. Der Botschaft wurde die vom BF übergebene pakistanische Identitätskarte übermittelt. Ein HRZ wurde noch nicht ausgestellt. Der BF beantragte eine freiwillige Rückkehr und wurde diese seitens der Behörde genehmigt und ist diese bis zum 18.01.2021 gültig. Die letzte Kontaktaufnahme mit der Botschaft erfolgte am XXXX .2020. Die letzte Abschiebung eines Schubhäftlings nach Pakistan fand am 14.10.2020 statt. Da nach Pakistan auch Einzelrückführungen stattfinden und der BF einer freiwilligen Rückkehr zustimmte, steht einer Abschiebung, nach erfolgten Ausstellung eines HRZ, nichts mehr entgegen.

In ihrer Stellungnahme zur Vorlage der gegenständlichen amtswegigen Schubhaftüberprüfung vom XXXX .2020, führte die belangte Behörde folgendes aus:

„AKTENVORLAGE GEM. § 22a Abs 4 BFA-VG

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl informiert über gegenständliches Verfahren und erlaubt sich das BFA den Akt zur amtswegieen Prüfung durch das Bundesverwaltungsgericht nach 4 Monaten Schubhaft, zu übermitteln. Das BFA erlaubt sich folgende Stellungnahme abzugeben:

Verfahrensgang:

-        Die VP hat am XXXX .2009 einen Antrag auf internationalen Schutz eingebracht. Diesem Antrag auf internationalen Schutz wurde mit Bescheid/Erkenntnis des Asylgerichtshofs vom 25.07.2012, Zahl C2 413262-3/2012/3E, bezüglich des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 AsylG stattgegeben und der VP gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt.

-        Am XXXX .2016 wurde der VP vonseiten der BH XXXX ein Aufenthaltstitel, „Daueraufenthalt EU", erteilt. 

Am XXXX .2019 wurde amtswegig ein Aberkennungsverfahren eingeleitet um sich ein Bild von der Notwendigkeit der Aufrechterhaltung des Schutzstatus sowie der persönlichen Lage der VP zu verschaffen.

Am 28.06.2019 wurde die VP niederschriftlich einvernommen.

Am 30.09.2019 gaben die VP persönlich seinen pakistanischen Personalausweis bei der ho. Behörde ab. Dieser wurde am 17.10.2019 vonseiten der AGM XXXX überprüft und für authentisch erklärt.

Mit Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 16.10.2019, ZI. XXXX , wurde der VP der Status des subsidiär Schutzberechtigten von Amts wegen aberkannt. Eine Rückkehrentscheidung nach Pakistan wurde erlassen und für zulässig erklärt. In selbigen Bescheid wurde der VP eine Frist von 2 Wochen für die freiwillige Ausreise gewährt.

Der Bescheid ist am 21.11.2019 in Rechtskraft erwachsen.

Am XXXX .2020, um 09:05 Uhr wurde die VP durch die AGM XXXX in XXXX einer fremdenpolizeilichen Kontrolle unterzogen. Nach Rücksprache mit dem Journaldienst des BFA wurde aufgrund des Festnahmeauftrages des BFA, die Verbringung ins PAZ angeordnet.

Am XXXX .2020, um 15:00 Uhr wurde die VP im PAZ niederschriftlich einvernommen.

Am XXXX .2020, um 15:52 wurde der Behörde die niederschriftliche Einvernahme von der LPD XXXX übermittelt.

Mittels Mandatsbescheid vom XXXX .2020 wurde gegen die VP die Schubhaft verhängt.

Am XXXX .2020 wurde das HRZ-Verfahren eingeleitet.

Bei der 1. Schubhaftprüfung am XXXX .2020 konnten keine Umstände ermittelt werden, die gegen eine Aufrechterhaltung der Schubhaft sprechen würden.

Am XXXX .2020 erwuchs der Schubhaftbescheid in Rechtskraft.

Bei der 2. Schubhaftprüfung am XXXX .2020 konnten keine Umstände ermittelt werden, die gegen eine Aufrechterhaltung der Schubhaft sprechen würden.

Die VP hat sich für die freiwillige Rückkehr angemeldet, welcher mit 20.10.2020 zugestimmt wurde.

Bei der 3. Schubhaftprüfung am XXXX .2020 konnten keine Umstände ermittelt werden, die gegen eine Aufrechterhaltung der Schubhaft sprechen würden.

Notwendigkeit der weiteren Notwendigkeit der Aufrechterhaltung der Schubhaft:

Bei der am heutigen Tage durchgeführten Prüfung bezüglich der weiteren Notwendigkeit zur Aufrechterhaltung der Schubhaft gegen die VP konnten keine Umstände ermittelt werden, die gegen eine Aufrechterhaltung der Schubhaft sprechen würden.

Dass die Schubhaft nunmehr bereits fast 4 Monate andauert, hat sich die VP zum Teil selbst zuzuschreiben, da die VP ihre Missachtung für die Rechtsordnung, die unrechtmäßige Einreise und die beharrliche Verletzung der Ausreisepflicht. Auch ist die VP kaum greifbar, was durch die zahlreichen Meldelücken objektiviert wird. Zwar stellte die VP einen Antrag auf freiwillige Rückkehr und erhob keine Beschwerde gegen den Schubhaftbescheid, allerdings angesichts des Gesamtverhaltens kann nicht davon ausgegangen werden, dass dieser nicht wieder untertaucht und somit nicht mehr greifbar ist für die Behörde.

Die VP konnte deshalb nicht abgeschoben werden, weil noch kein HRZ- Dokument vorhanden war, jedoch durch die Anmeldung für die freiwillige Ausreise nun die Abschiebung in absehbarer Zeit stattfinden kann.

Aufgrund des Verhaltens vor und während der Schubhaft, kann von einer erheblichen Fluchtgefahr ausgegangen werden.

Die VP verfügt weiterhin selbst über

•        keine familiäre/soziale/berufliche Verankerung,

•        keine Barmittel für die Dauer des weiteren Verfahrens,

•        keine Sozial- und Krankenversicherung,

•        keinen festen Wohnsitz.

Aufgrund obiger Ausführungen liegt nach Ansicht der ho. Behörde nach wie vor ein Sicherungsbedarf sowie Verhältnismäßigkeit vor und wird höflich ersucht, die Schubhaft aufrechtzuerhalten.“

Eine weitere Stellungnahme langte am 19.11.2020 ein und führte die belangte Behörde folgendes aus:

„Sehr geehrte Damen und Herren!

Bezugnehmend auf die Aufforderung zur Beantwortung der Fragen erlaubt sich das Bundesamt kurz wie folgt Stellung zu nehmen:

1.       Der Fremde lebte knapp 10 Jahre mit einer falschen Identität im Bundesgebiet. Erst im Zuge der Einvernahme (ABE-Verfahren) vor der Behörde am 28.06.2019 konnte dies festgestellt werden. In weiterer Folge gab dieser an, nicht mehr in Österreich leben zu wollen und freiwillig nach Pakistan zurückzukehren. Mittels Bescheid vom XXXX .2019 wurde dem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt und eine Rückkehrentscheidung nach Pakistan erlassen, sowie die Frist zur freiwilligen Ausreise gewährt. Der Bescheid wurde nachweislich nach erfolglosem Zustellversuch bei der Postfiliale am 23.10.2019 hinterlegt. Der Fremde kam der freiwilligen Ausreise nicht nach und ist in weiterer Folge untergetaucht. Seit 07.11.2019 ist der Fremde für die Behörde nicht mehr greifbar und entzieht sich somit seiner Ausreiseverpflichtung. Am XXXX .2020 wurde der Fremde einer polizeilichen Kontrolle unterzogen und dabei wurde dessen unrechtmäßiger Aufenthalt festgestellt. In der darauffolgenden niederschriftlichen Vernehmung, durchgeführt durch die LPD XXXX , gab dieser erneut an freiwillig nach Pakistan zurückkehren zu wollen. Die Behörde zweifelt stark an dessen Rückkehrwillen, da er bis dato keine nachweislichen Schritte unternommen hat diesbezüglich und ca. acht Monate untergetaucht war, bis dieser von einer Polizeistreife aufgegriffen wurde.

2.       Bezüglich des Heimreisezertifikats ist festzuhalten, dass bei der Botschaft urgiert wurde und die pakistanische Identitätskarte des Fremden als Nachweis der Vertretungsbehörde übermittelt wurde.

3.       Die letzte Abschiebung nach Pakistan fand am XXXX .2020 statt. Der Fremde war für diesen Flug geplant, jedoch war die pakistanische Identitätskarte nicht ausreichend für die pakistanischen Behörden.

4.       Der Fremde hat die unterstützte freiwillige Rückkehr beantragt, welcher auch zugestimmt wurde und diese bis 18.01.2021 gültig ist.

5.       Die letzte Kontaktaufnahme mit der Botschaft fand am XXXX .2020 statt.

6.       Die Abschiebung hängt nur noch von der Botschaft ab. Sobald ein Heimreisezertifikat ausgestellt wird, kann die geplante Rückführung stattfinden. Hierbei sei noch anzumerken, dass bei Pakistan Einzelrückführungen möglich sind und nicht zwingend auf eine Charterabschiebung abgewartet werden muss.“

Festgestellt wird, dass die Behörde das Verfahren zur Erlangung eines HRZs rechtzeitig und mit Nachdrücklichkeit geführt hat bzw. immer noch führt. Ein HRZ liegt aktuell zwar nicht vor, jedoch hat das BFA bisher alles unternommen um eines zu erlangen. Hier muss angeführt werden, dass sich nunmehr der BF für eine freiwillige Ausreise anmeldete und diese seitens der Behörde genehmigt wurde. Der pakistanischen Botschaft liegt nun auch die pakistanische Identitätskarte des BF vor, sodass mit einer zeitnahen Ausstellung des HRZs zu rechnen sein wird.

Zum Entscheidungszeitpunkt verfügt der BF über keinerlei berufliche, familiäre oder sonstige soziale Bindungen in Österreich, er hat keinen Wohnsitz und ist in keiner Weise selbsterhaltungsfähig. Der BF zeigte bisher ein absolutes unkooperatives Verhalten, tauchte mehrmals im Bundesgebiet (Meldelücken und Obdachlosenmeldung) unter und verwendet mehr als 10 Jahre einen falschen Namen bzw. eine falsche Identität. Sogar nachdem der BF der Behörde seine wahre Identität preisgab, meldete sich dieser wieder mit seiner falschen Identität als Obdachloser an, ging wieder unter Verwendung falscher Daten einer geringfügigen Beschäftigung nach und Bezog mit der falschen Identität Arbeitslosengeld. Der BF hat sich nunmehr zwar für eine freiwillige Rückkehr angemeldet, jedoch ist er aufgrund seines bisherigen Verhaltens absolut nicht vertrauenswürdig.

Der BF ist in Österreich nicht sozial verankert. Weder bestehen familiäre Bindungen noch hat er hier die Möglichkeit einer legalen Beschäftigung nachzugehen. Er hat auch keine gesicherte Wohnmöglichkeit im Inland (als Obdachloser gemeldet). Er verfügt über keine ausreichenden finanziellen Mittel für seinen Lebensunterhalt. Der BF lebte hier über ein Jahrzehnt unter Verwendung einer falschen Identität.

Das BFA rechnet mit der Ausstellung eines HRZ und somit mit einer faktischen Durchführung der Abschiebung nach Pakistan innerhalb der Schubhafthöchstdauer.

Die Aufrechterhaltung der Schubhaft ist auch in der aktuellen Situation im Zusammenhang mit dem Corona Virus (COVID-19) als verhältnismäßig einzustufen. Entsprechend der medialen Berichterstattung werden zwar aktuell die Reisebewegungen weltweit stark eingeschränkt, jedoch handelt es sich dabei um eine vorübergehende Restriktion. Dies bedeutet, dass im vorliegenden Fall eine Abschiebung zwar erschwert wird jedoch nicht als unmöglich zu betrachten ist. Die letzte Abschiebung nach Pakistan erfolgte am 14.10.2020. Mit Blick auf die höchstzulässige Schubhaftdauer zeigt sich, dass die voraussichtliche Anhaltung in Schubhaft – in Hinblick auf einen realistischen Abschiebetermin – damit ohnehin deutlich länger andauert, als die Aufrechterhaltung der aktuellen Einschränkungen gegenwärtig zu erwarten sind. Das BFA plant auch eine Einzelrückführung sodass mit einer Abschiebung – sobald das HRZ ausgestellt – zeitnah zu rechnen sein wird.

Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang ergibt sich ohne entscheidungswesentliche Widersprüche aus dem unstrittigen Akteninhalt die vorgelegten Verwaltungsakte des BFA und der Gerichtsakten des BVwG.

Die Feststellungen basieren auf den Abfragen des Visa-Informationssystem, Strafregisterauskunft, Zentralem Melderegister, Sozialversicherungsauszug und dem Fremden Informationssystem.

Name, Geburtsdatum und Staatsangehörigkeit des BF beruhen auf seinen eigenen Angaben im Asylverfahren bzw. trat die wahre Identität des BF im Zuge des Verfahrens zur Aberkennung des subsidiären Schutzes ans Tageslicht. Die von ihm angegebene Muttersprache ist aufgrund seiner Herkunft plausibel.

Es sind keine Hinweise auf Erkrankungen oder Einschränkungen der Haftfähigkeit des BF aktenkundig.

Die Ausreisebereitschaft des BF ergibt sich aus den Stellungnahmen des BFA. Die Bemühungen zur Erlangung eines HRZ wurden vom BFA glaubwürdig vorgebracht.

Das der BF im Bundesgebiet keine soziale.- sowie familiäre Verankerungen aufweist ergibt sich daraus, dass diese nicht festgestellt werden konnten bzw. der BF in seiner niederschriftlichen Befragung vom XXXX .2020 nichts Gegenteiliges angab. Seine beschränkten finanziellen Mittel ergeben sich aus der Bargeldaufstellung der Anhaltedatei-Vollzugsverwaltung. Die Feststellung, dass der BF über keinen aufrechten Wohnsitz im Bundesgebiet verfügt ergibt sich aus dem ZMR, nachdem der BF ab dem 07.11.2019 im Bundesgebiet über keinen Wohnsitz mehr verfügte und der BF ab dem XXXX .2020 als Obdachloser gemeldet ist.

Die Feststellungen zu den aktuellen Maßnahmen zur Verhinderung der Ausbreitung der Corona-Pandemie basieren auf übereinstimmenden Medienberichten und den dazu erlassenen Vorschriften.

Das BFA weist in der Stellungnahme zu Recht darauf hin, dass sich der BF bei einer Enthaftung dem weiteren Verfahren voraussichtlich durch Untertauchen entziehen würde. Dies ist angesichts seiner nicht rechtmäßigen Einreise, der Verwendung einer falschen Identität im gesamten Asylverfahren, die Aberkennung des subsidiären Schutzes sowie die Erlassung einer Rückkehrentscheidung, den unzähligen Meldelücken sowie dass der BF ab dem XXXX .2019 keinen festen Wohnsitz mehr im Bundesgebiet aufwiest als wahrscheinlich und nachvollziehbar. Auch wenn der BF nunmehr bereit ist freiwillig in sein Heimatland zurückzukehren, kann ihm aufgrund des Vorlebens bzw. seines bisherigen Verhaltens im Bundesgebiet kein Vertrauen geschenkt werden. Das BVwG schließt sich der Behörde an und geht auch davon aus, dass, sollte der BF freigelassen werden, dieser wieder untertauchen wird um weiterhin hier im Bundesgebiet illegal verbleiben zu können. Da die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie durchwegs vorübergehend bzw. befristet angeordnet wurden, ist dessen ungeachtet davon auszugehen, dass zeitnah, also innerhalb der nächsten ein bis zwei Monate, ein Ersatzreisedokument für ihn ausgestellt und seine Rückführung nach Pakistan bewerkstelligt werden kann.

Rechtliche Beurteilung

Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist gemäß § 22a Abs 4 BFA-VG die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom BVwG zu überprüfen. Mit Vorlage der Verwaltungsakte gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das BVwG hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist.

Gemäß § 76 FPG können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Die Schubhaft darf nur dann angeordnet werden, wenn 1. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder der Abschiebung notwendig ist und sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder 2. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen. Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder im Sinne des Art. 2 lit. n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird.

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei ist das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig. Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann. Die Verhängung der Schubhaft darf stets nur ultima ratio sein.

Gegen den BF besteht eine durchsetzbare und rechtskräftige Rückkehrentscheidung. Sein subsidiärer Schutz wurde rechtskräftig aberkannt. Es ist zwar sein langer Aufenthalt im Bundesgebiet sowie seine Erwerbstätigkeiten zu berücksichtigen, jedoch wird dies dadurch geschmälert, als dass der BF sich 10 Jahre im Bundesgebiet mit falscher Identität aufhielt, unter Verwendung von falschen Daten einen subsidiären Schutz erwirkte und sich vor allem nach Bekanntwerden der wahren Identität - XXXX .2019 - weiterhin seine alias Daten verwendete. Ins Auge fällt auch, dass der BF, als ihm der Bescheid vom XXXX .2019 – Rückkehrentscheidung und Aberkennung des subsidiären Schutzes - zugestellt wurde, kurze Zeit später untertauchte indem er sich an seiner Wohnadresse mit XXXX .2019 abmeldete und sich erst wieder am XXXX .2020 als Obdachloser anmeldete. In Zusammenschau mit der fehlenden sozialen Verankerung und der Bereitschaft mit falscher Identität im Bundesgebiet aufhältig zu sein und keinerlei Versuche startete um seiner zugeischerten freiwilligen Ausreise nachzukommen, liegt nach wie vor Fluchtgefahr iSd § 76 Abs 3 Z 3 und 9 FPG vor. Der Zweck der Schubhaft kann auch nicht durch Anwendung eines gelinderen Mittels erreicht werden, zumal der BF zum Entscheidungszeitpunkt nicht über ausreichende finanzielle Mittel verfügt und keine Unterkunftmöglichkeit besteht und der BF in den Jahren seines Aufenthaltes immer wieder Meldelücken aufweist bzw. als Obdachloser gemeldet und daher für die Behörde nicht greifbar war.

Da die Schubhaftdauer sechs Monate noch nicht überschreitet und der BF noch nicht abgeschoben werden konnte, weil eine für seine Einreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht vorliegt (vgl. § 80 Abs 4 Z 2 FPG), ist die Schubhaft trotz der aktuellen Einschränkungen des internationalen Reiseverkehrs derzeit noch verhältnismäßig.

Eine mündliche Verhandlung gemäß § 21 Abs 7 BFA-VG iVm § 24 Abs 4 VwGVG, konnte unterbleiben, weil der relevante Sachverhalt aus der Aktenlage geklärt werden konnte und von der mündlichen Erörterung keine weitere Aufklärung zu erwarten ist, da der BF auch keine Stellungnahme zum eingeräumten Parteiengehör abgab und dieser die Inschubhaftnahme bisher nicht bekämpfte.

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem BVwG hervorgekommen.

Schlagworte

Fluchtgefahr Interessenabwägung öffentliche Interessen Schubhaft Schubhaftbeschwerde Sicherungsbedarf Verhältnismäßigkeit Voraussetzungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:G306.2236659.1.00

Im RIS seit

04.03.2021

Zuletzt aktualisiert am

04.03.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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