TE Bvwg Erkenntnis 2020/11/24 L527 2188790-1

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Veröffentlicht am 24.11.2020
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Entscheidungsdatum

24.11.2020

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs5
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §55

Spruch


L527 2188790-1/20E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter MMag. Christian AUFREITER, LL.B. als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, Staatsangehörigkeit Iran, vertreten durch Rechtsanwalt Mag. Dr. Helmut BLUM, LL.M., MAS, Mozartstraße 11/6, 4020 Linz, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.02.2018, Zahl XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 20.05.2020, zu Recht:

A)

I. Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX, geb. XXXX, gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX, geb. XXXX, damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

II. Die Spruchpunkte II bis VI des angefochtenen Bescheids werden ersatzlos behoben.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer verließ seinen Herkunftsstaat legal mittels Flugzeugs und reiste unrechtmäßig in das österreichische Bundesgebiet ein. Am 22.12.2015 stellte er den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Am dem Tag der Antragstellung folgenden Tag fand die Erstbefragung statt. Seinen Antrag auf internationalen Schutz begründete der Beschwerdeführer in der Erstbefragung damit, den Iran aufgrund der dortigen Unterdrückung durch die islamische Regierung verlassen zu haben. Er wolle ein freies Leben führen.

Am 22.01.2018 fand die Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: [belangte] Behörde) statt. Seinen Antrag auf internationalen Schutz begründete der Beschwerdeführer - auf das Wesentliche zusammengefasst - wie folgt: In XXXX habe er über seinem Geschäftslokal seine Wohnung gehabt. An einem Freitag habe er bei seiner Freundin übernachtet. Bevor er am nächsten Tag in das Geschäft gekommen sei, habe ihn sein Geschäftspartner angerufen. Demnach wäre die Geheimpolizei im Geschäft gewesen und „sie“ hätten seinen Laptop und den Laptop seines Geschäftspartners mitgenommen. Dann seien „sie“ in der Wohnung des Beschwerdeführers gewesen und hätten auch dort seinen Laptop beschlagnahmt. Auf diesem hätten sich Filme und Clips über das Christentum und gegen den Islam befunden. Sein Geschäftspartner habe ihm davon abgeraten, bevor dies aufgeklärt sei, zum Geschäft bzw. zur Wohnung zu kommen, weshalb er sich zunächst nach XXXX begeben und anschließend das Land verlassen habe. Des Weiteren gehöre er dem christlichen Glauben an; er sei Christ, evangelischer Protestant. Bei einer Rückkehr würde er bei einer Kontrolle ins Gefängnis kommen. Es könnte bis zum Tod führen. Der Beschwerdeführer brachte im Zuge der Einvernahme ein Konvolut an Unterlagen zur Bescheinigung einer Konversion und religiöser Aktivitäten sowie einer Integration in Österreich und seiner Ausbildung im Iran in Vorlage.

Die belangte Behörde erachtete das Vorbringen des Beschwerdeführers für nicht glaubhaft: Die vom Beschwerdeführer angegebenen Gründe für das Verlassen des Herkunftsstaats seien nicht glaubhaft. Es habe ebenso wenig festgestellt werden können, dass der Beschwerdeführer in Österreich zum Christentum konvertiert sei. Mit dem angefochtenen Bescheid wies sie den Antrag auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten ab (Spruchpunkte I und II). Die belangte Behörde erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III), erließ eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV), sprach die Zulässigkeit der Abschiebung in den Iran aus (Spruchpunkt V) und setzte für die freiwillige Ausreise eine Frist von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest (Spruchpunkt VI).

Dagegen erhob der Beschwerdeführer die gegenständliche Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

Mit Eingaben vom 07.06.2019, 09.03.2020 und 12.03.2020 übermittelte der Beschwerdeführer bzw. dessen rechtsfreundliche Vertretung zahlreiche weitere - teilweise auch bereits in Vorlage gebrachte - Unterlagen zur Bescheinigung einer Konversion und religiöser Aktivitäten sowie einer Integration in Österreich.

Das Bundesverwaltungsgericht hielt am 20.05.2020 eine öffentliche mündliche Verhandlung ab, in der es neben dem Beschwerdeführer im Beisein seiner Rechtsvertretung die Pfarrerin der evangelischen Pfarrgemeinde A. u. H.B. XXXX (als Zeugin) einvernahm. Die belangte Behörde hatte schon im Vorfeld erklärt, auf die Durchführung einer und die Teilnahme an einer mündlichen Verhandlung zu verzichten. Der Beschwerdeführer legte in der mündlichen Verhandlung einen österreichischen Führerschein vor.

Nach der Verhandlung übermittelte der Beschwerdeführer - nach Einräumung dieser Möglichkeit durch das Bundesverwaltungsgericht - mit Eingabe vom 03.06.2020 eine aktuelle Einstellungszusage. Ferner traf er Ausführungen zu den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie in seinem Herkunftsstaat.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Bei der Bezeichnung von Aktenbestandteilen verwendet das Bundesverwaltungsgericht in der Folge Abkürzungen: AS: Aktenseite(n); S: Seite(n); OZ: Ordnungszahl(en); VA: (von der belangten Behörde mit der Beschwerde vorgelegter) Verwaltungsverfahrensakt; f: folgende [Aktenseite/Seite]; ff: folgende [Aktenseiten/Seiten].

1. Feststellungen:

1.1. Zum Beschwerdeführer:

1.1.1. Der Beschwerdeführer führt in Österreich den im Kopf der Entscheidung genannten Namen und wurde zum dort angegebenen Datum geboren. Er ist iranischer Staatsangehöriger. Nach unrechtmäßiger Einreise in das österreichische Bundesgebiet stellte er am 22.12.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Im Strafregister der Republik Österreich scheint in Bezug auf den Beschwerdeführer keine Verurteilung auf.

1.1.2. Der Beschwerdeführer war ursprünglich muslimischen Glaubens. Nach seiner Einreise ins österreichische Bundesgebiet fand der Beschwerdeführer im Winter 2015/ 2016 Zugang zur evangelischen Pfarrgemeinde A. und H.B. XXXX . Nach mehrmonatiger Vorbereitung wurde der Beschwerdeführer am 11.12.2016 nach dem Ritus der Evangelischen Kirche A.B. getauft; seither ist er formell Mitglied der Evangelischen Kirche A.B.

Der Beschwerdeführer nimmt seit dem Winter 2015/ 2016 durchgängig öffentlichkeitswirksam am Leben der evangelischen Pfarrgemeinde A. und H.B. XXXX teil und befasst sich mit dem christlichen Glauben. So besucht er wöchentlich die Sonntagsmesse und zusätzlich gelegentlich auch einen Gottesdienst unter der Woche. Er verübt Hilfstätigkeiten in der Pfarrgemeinde. Beispielsweise unterstützt er bei Bedarf andere Gemeindemitglieder beim Übersiedeln. Auch an Festen und Feiern der Gemeinde nimmt er teil; zudem wirkte er schon mehrfach an den Aufführungen einer Theatergruppe der Pfarrgemeinde mit.

Der Beschwerdeführer lebt und bezeugt seinen christlichen Glauben konsequent und ist praktizierender Christ.

Es ist davon auszugehen, dass sich der Beschwerdeführer aus innerer Überzeugung zum Christentum bekennt und dementsprechend im Falle der Rückkehr in den Iran nicht zum Islam zurückkehren, sondern Christ bleiben und seinen Glauben aktiv leben würde.

Es kann vor dem Hintergrund der unten angeführten Länderfeststellungen nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden, dass der Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr in den Iran wegen des Glaubenswechsels mit asylrelevanten Verfolgungshandlungen seitens iranischer Behörden in Form von Schikanen, Verhaftungen und Strafverfolgung bis hin zur Todesstrafe zu rechnen hat.

1.2. Zur Konversion vom Islam zum Christentum und den Folgen im Iran bzw. für Iraner:

Apostasie, namentlich die Abwendung vom Islam, ist im Iran verboten und mit langen Haftstrafen und Todesstrafe bedroht.

Folglich können Personen, die sich zum Atheismus bekennen, willkürlich festgenommen, inhaftiert, gefoltert und anderweitig misshandelt werden. Sie laufen Gefahr, wegen „Apostasie“ (Abfall vom Glauben) zum Tode verurteilt zu werden.

Da die Konversion vom Islam zu einer anderen Religion im Iran als Apostasie bzw. (wertend) als „Abtrünnigkeit vom Islam“ qualifiziert wird und somit verboten ist, ist auch sie mit langen Haftstrafen und Todesstrafe bedroht. Trotzdem nimmt die Zahl der Konversionen weiter zu. Zumeist werden Konvertierte allerdings nicht wegen Apostasie bestraft, sondern wegen anderer Delikte, z. B. „moharebeh“ („Waffenaufnahme gegen Gott“), „mofsid-fil-arz/fisad-al-arz“ („Verdorbenheit auf Erden“), oder „Handlungen gegen die nationale Sicherheit“.

Konkret werden christliche Konvertiten normalerweise nicht wegen Apostasie bestraft, sondern Fälle von Konversion werden als Angelegenheiten der nationalen Sicherheit angesehen und diese werden vor den Revolutionsgerichten verhandelt. Konversion wird als politische Aktivität angesehen. Die Todesstrafe ist bei Fällen, die mit Konversion zusammenhängen, keine geläufige Bestrafung. Schon seit vielen Jahren wurde kein Christ mehr vom Regime getötet, wahrscheinlich aus Angst vor den daraus resultierenden internationalen Folgen. Anklagen lauten meist auf „Organisation von Hauskirchen“ und „Beleidigung des Heiligen“, wohl um die Anwendung des Scharia-Rechts und damit die Todesstrafe wegen Apostasie zu vermeiden. Es erscheint nicht ausgeschlossen, dass gegen christliche Konvertiten hohe Haftstrafen auch tatsächlich verhängt werden.

Eine Konversion und ein anonymes Leben als konvertierter Christ allein führen nicht zu einer Verhaftung. Wenn der Konversion aber andere Aktivitäten folgen (z. B. Missionierung oder Unterricht im Glauben), kann das zu einem Problem führen.

Ebenso wenig kann in jedem Fall ausgeschlossen werden, dass ein im Ausland Konvertierter im Iran wegen Apostasie verfolgt wird. Einige Geistliche, die in der Vergangenheit im Iran verfolgt oder ermordet wurden, waren im Ausland zum Christentum konvertiert. Welche Konsequenzen Iraner, die im Ausland zum Christentum konvertiert sind und in den Iran zurückkehren, erwarten, hängt vom konkreten Einzelfall ab (insbesondere von der religiösen und konservativen Einstellung des Umfelds). Die Rückkehr in den Iran ist kein Problem, wenn die betreffende Person den Behörden nicht bereits bekannt war. Außerdem werden konvertierte Rückkehrer, die keine Aktivitäten in Bezug auf das Christentum setzen, für die Behörden nicht von Interesse sein; bei Konvertiten, die bereits vor ihrer Ausreise den Behörden bekannt waren, ist das anders zu beurteilen. Im Übrigen hängt es auch vom Verhalten des konvertierten Rückkehrers ab, ob die Behörden auf ihn aufmerksam werden. Dies kann z. B. der Fall sein, wenn die betreffende Person über ihre Konversion sehr freimütig in den sozialen Medien berichtet. Dann kann es bei der Rückkehr zu Verhaftungen und Befragungen kommen. Die weiteren Konsequenzen hängen wiederum vom Einzelfall ab, namentlich davon, was der Rückkehrer den Behörden erzählt. Harsche Strafen sind zumindest bei missionarischen Tätigkeiten oder anderen Aktivitäten, die als Bedrohung der nationalen Sicherheit angesehen werden, nicht ausgeschlossen. Ansonsten kann eine Veröffentlichung der Konversion in den sozialen Medien die Beobachtung durch die Behörden zur Konsequenz haben, zu einer Verfolgung führt sie jedoch nicht. Ein gepostetes Foto im Internet kann von den Behörden ausgewertet werden, gemeinsam mit einem Profil und den Aktivitäten der konvertierten Person. Wenn die Person vor dem Verlassen des Landes keine Verbindung mit dem Christentum hatte, wird sie nicht verfolgt werden. Wenn eine konvertierte Person die Religion in politischer Weise heranzieht, um z. B. Nachteile des Islams mit Vorteilen des Christentums auf sozialen Netzwerken zu vergleichen, kann das zu einem Problem werden.

Strenger als (bloße) Konversion werden missionarische Tätigkeiten unter Muslimen geahndet. Missionarische Tätigkeiten sind generell verboten und können als „mohareb“ (Krieg gegen Gott) verfolgt und mit dem Tod bestraft werden.

Hauskirchen sind im Iran zwar verboten und werden teils überwacht, ihre Anzahl steigt aber. Erlangen Behörden Kenntnis von einer Hauskirche (z. B. durch Nachbarn), wird eine Überwachung veranlasst. Eine dauerhafte flächendeckende Überwachung ist nicht möglich, die Behörden haben jedoch eine Atmosphäre geschaffen, in der die Bürger von einer ständigen Beobachtung ausgehen. Ein sofortiges Eingreifen ist unwahrscheinlich, weil die Behörden (zunächst) nähere Informationen gewinnen wollen (über die Mitglieder und deren Aktivitäten). Ob die Behörden eingreifen, hängt von den Aktivitäten und der Größe der Hauskirche ab. Im Fokus der Behörden stehen vor allem die Organisatoren von Hauskirchen; ihnen droht, wegen „Verbrechen gegen Gott“ angeklagt zu werden, worauf die Todesstrafe steht. Sie werden mit dem Ziel festgenommen, die Gemeinschaft zu schwächen. Aber auch einfache Mitglieder von Hauskirchen werden bisweilen verfolgt. Dabei spielt eine Rolle, welchen Aktivitäten das Mitglied nachgeht und ob es im Ausland bekannt ist. Üblicherweise werden Mitglieder bei ihrer ersten Festnahme nach ca. 24 Stunden wieder freigelassen, mitunter unter der Bedingung, sich vom Missionieren fernzuhalten. Leisten sie der Bedingung Folge, hören die Behörden meist auf, Informationen über die betreffenden Personen zu sammeln. Ansonsten riskieren die Mitglieder von Hauskirchen, von den Behörden zu regelmäßigen Befragungen vorgeladen zu werden. Das Ziel ist, die Personen zu schikanieren und einzuschüchtern. In den letzten Jahren gab es jedenfalls mehrere Razzien in Hauskirchen und Anführer und Mitglieder wurden verhaftet.

Die dargestellte Lage betrifft ausnahmslos den gesamten Iran. Regionale oder lokale Ausnahmen, z. B. dergestalt, dass in bestimmten Gebieten des Irans die Konversion vom Islam zum Christentum erlaubt wäre, sind nicht feststellbar.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Rechtliche Grundlagen für die Feststellung des Sachverhalts und die Beweiswürdigung:

2.1.1. Zur Begründung von Anträgen auf internationalen Schutz braucht die behauptete Verfolgung nicht bewiesen, sondern gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 lediglich glaubhaft gemacht zu werden.

Dies bedeutet zum einen eine erhöhte Mitwirkungspflicht des Antragstellers bzw. Beschwerdeführers. Dieser hat nämlich initiativ alles darzulegen, was für das Zutreffen der betreffenden Fakten spricht und diesbezüglich konkrete Umstände anzuführen, die objektive Anhaltspunkte für deren Vorliegen liefern; vgl. z. B. VwGH 15.09.2004, 2002/04/0201.

Zum anderen wird, wenn eine Tatsache (lediglich) glaubhaft gemacht werden muss, das Beweismaß herabgesetzt; vgl. Rechberger in Fasching/Konecny3 III/1 § 274 ZPO Rz 1 (Stand 1.8.2017, rdb.at); zur Relevanz dieser Bestimmung im Verwaltungsverfahren: Schulev-Steindl, Verwaltungsverfahrensrecht6 (2018) Rz 206. Für die Glaubhaftmachung (im Unterschied zum vollen Beweis) genügt es, dass die Behörde bzw. das Verwaltungsgericht von der überwiegenden Wahrscheinlichkeit des Vorliegens einer bestimmten Tatsache überzeugt ist. Die Glaubhaftmachung hat also das Ziel, die Überzeugung von der Wahrscheinlichkeit bestimmter Tatsachenbehauptungen zu vermitteln. Glaubhaftmachung ist somit der Nachweis einer Wahrscheinlichkeit. Dafür genügt ein geringerer Grad der Wahrscheinlichkeit als der, der die Überzeugung von der Gewissheit rechtfertigt; VwGH 29.05.2006, 2005/17/0252. Im Gegensatz zum strikten Beweis bedeutet Glaubhaftmachung ein reduziertes Beweismaß und lässt durchwegs Raum für gewisse Einwände und Zweifel an dem Vorbringen des Asylwerbers. Entscheidend ist, ob die Gründe, die für die Richtigkeit der Sachverhaltsdarstellung sprechen, überwiegen oder nicht. Dabei ist eine objektivierte Sichtweise anzustellen. Ob die Glaubhaftmachung behaupteter Tatsachen gelungen ist oder nicht, ist das Ergebnis richterlicher Beweiswürdigung und keine Frage der rechtlichen Beurteilung; so mwN Rechberger in Fasching/Konecny3 III/1 § 274 ZPO Rz 5 (Stand 1.8.2017, rdb.at).

2.1.2. Bei der Beurteilung eines behaupteten Religionswechsels und der Prüfung einer Scheinkonversion kommt es nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs auf die aktuell bestehende Glaubensüberzeugung des Konvertiten an, die im Rahmen einer Gesamtbetrachtung anhand einer näheren Beurteilung von Zeugenaussagen und einer konkreten Befragung des Asylwerbers zu seinen religiösen Aktivitäten zu ermitteln ist; z. B. VwGH 14.03.2019, Ra 2018/18/0441, und VwGH 26.03.2019, Ra 2018/19/0530. Eine Zeugeneinvernahme ist allerdings, wie der Verwaltungsgerichtshof mehrmals ausgesprochen hat, keineswegs in allen Fällen geboten; vgl. z. B. VwGH 25.02.2019, Ra 2019/19/0017, VwGH 23.01.2019, Ra 2018/19/0453, und VwGH 21.06.2018, Ra 2017/01/0381.

Maßgebliche Indizien für einen aus innerer Überzeugung vollzogenen Religionswechsel sind beispielsweise das Wissen über die neue Religion, die Ernsthaftigkeit der Religionsausübung, welche sich etwa in regelmäßigen Gottesdienstbesuchen oder sonstigen religiösen Aktivitäten manifestiert, eine mit dem Religionswechsel einhergegangene Verhaltens- bzw. Einstellungsänderung des Konvertiten sowie eine schlüssige Darlegung der Motivation bzw. des auslösenden Moments für den Glaubenswechsel; vgl. mwN VwGH 22.06.2020, Ra 2020/19/0151.

In ihrer Entscheidung, namentlich auch in der Beweiswürdigung und bei der Feststellung des Sachverhalts, sind die belangte Behörde und das Bundesverwaltungsgericht nach dem geltenden Recht nicht an die Erwägungen Dritter gebunden – und zwar auch nicht an die Erwägungen von Pfarrern, Pastoren, Geistlichen und sonstigen kirchlichen oder religiösen Repräsentanten, die im Rahmen ihrer Funktion darüber befinden, ob jemand die Voraussetzungen dafür aufweise, das Sakrament der Taufe zu empfangen; vgl. VwGH 11.12.2019, Ra 2019/20/0538.

2.1.3. Von Bedeutung ist weiters, dass sich nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs alleine mit der Unglaubwürdigkeit (wohl gemeint: Unglaubhaftigkeit) des Vorbringens zum Ausreisegrund nicht schlüssig begründen lässt, dass alle im Zusammenhang mit dem neu erworbenen Glauben stehenden weiteren Aktivitäten eines Asylwerbers nur zum Schein mit dem (ausschließlichen) Ziel der Asylerlangung entfaltet worden seien; vgl. VwGH, 02.09.2015, Ra 2015/19/0091.

2.2. Zu den Feststellungen zum Beschwerdeführer:

2.2.1. Die Feststellungen zur Identität und Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers ergeben sich aus dessen Angaben im Verfahren vor der belangten Behörde sowie dem Bundesverwaltungsgericht (AS 7, 45; OZ 15, S 10; vgl. auch AS 127) in Zusammenschau mit einem einer österreichischen Führerscheinbehörde (nicht aber der belangten Behörde und dem Bundesverwaltungsgericht) im Original vorgelegten iranischen Führerschein ((Farb)kopie, AS 135 ff, 261 ff, 269 ff [Übersetzung: AS 139 ff, 265 ff, 273 ff]) und einem im Original vorgelegten österreichischen Führerschein (Kopie, OZ 15, Beilage A). Die Landespolizeidirektion XXXX hat den iranischen Führerschein als „echt - ohne Mängel“ klassifiziert (AS 259).

Es ist auch naheliegend, dass der Beschwerdeführer, kurz bevor er den Antrag auf internationalen Schutz stellte, in das Bundesgebiet eingereist ist. Dass er illegal in das Bundesgebiet eingereist ist (AS 13, 17), steht außer Frage, zumal er bei seiner Einreise kein (gültiges) Einreisedokument vorweisen konnte. Wann der Beschwerdeführer den Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist in unbedenklichen Urkunden dokumentiert (AS 5, 7 ff) und wurde nicht in Zweifel gezogen.

Dass im Strafregister der Republik Österreich keine Verurteilung des Beschwerdeführers aufscheint, ergibt sich aus dem entsprechenden aktuellen Auszug aus diesem Register (OZ 19).

2.2.2. Die belangte Behörde vernahm den Beschwerdeführer ein, und zwar am 22.01.2018. Die Einvernahme dauerte – inklusive Rückübersetzung (AS 55) – von 08:50 bis 11:50 h, wobei eine kleine Pause von 15 Minuten eingelegt wurde. Der Leiter der Einvernahme stellte dem Beschwerdeführer zahlreiche Fragen, die durchaus dazu geeignet waren, die Indizien für einen aus innerer Überzeugung vollzogenen Religionswechsel zu ermitteln (vgl. insbesondere AS 50 bis 53). Sie ging darauf bzw. auf die Antworten des Beschwerdeführers auf die Fragen in der Beweiswürdigung im angefochtenen Bescheid auch ein (AS 218 ff); dass sie die vom Verfassungsgerichtshof geforderte ins Einzelne gehende Beweiswürdigung vornahm (vgl. z. B. VfGH 08.06.2020, E3068/2019), erscheint allerdings zweifelhaft. Darüber hinaus ist grundsätzlich – unabhängig von den Erwägungen der belangten Behörde – zu bedenken, dass zwischen der behördlichen Einvernahme und der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts mehr als zweieinhalb Jahre liegen. Dass sich die religiöse Überzeugung innerhalb dieses Zeitraums verändert oder sich aus Interesse für das Christentum eine Identifikation mit demselben entwickelt, erscheint keineswegs ausgeschlossen. Hinzukommt, dass das Bundesverwaltungsgericht, insbesondere durch die eingehende Befragung des Beschwerdeführers in der Verhandlung, mindestens ebenso gründlich wie die belangte Behörde ermittelt hat, ob die Indizien für einen aus innerer Überzeugung vollzogenen Religionswechsel vorliegen (OZ 15, S 22 ff). Im Unterschied zur belangten Behörde hat sich das Bundesverwaltungsgericht zudem nicht damit begnügt, die aktuelle Glaubensüberzeugung des Beschwerdeführers allein anhand seiner Aussagen und der von ihm vorgelegten Unterlagen zu beurteilen, sondern das Bundesverwaltungsgericht hat darüber hinaus die Pfarrerin der evangelischen Pfarrgemeinde A. u. H.B. XXXX - im Hinblick auf die vorgebrachte Konversion - als Zeugin einvernommen (OZ 15, Beilage Z). Damit kann das Bundesverwaltungsgericht seine Feststellungen aufgrund umfassenderer Ermittlungen und Informationen treffen; das Bundesverwaltungsgericht hat sich von der aktuellen Glaubensüberzeugung ein breiteres Bild verschafft als die belangte Behörde und konnte dementsprechend auch zu einem anderen Ergebnis kommen.

2.2.3. Schon die belangte Behörde musste einräumen, dass der Beschwerdeführer getauft sei (AS 219; Taufschein: AS 59; OZ 9, 10) und Gottesdienste sowie Bibelrunden besucht habe (AS 219; Bescheinigung über die Aktivitäten des Beschwerdeführers in der christlichen Gemeinde: AS 71; OZ 9). Das Bundesverwaltungsgericht übersieht durchaus nicht, dass der Beschwerdeführer weder vor der Behörde noch vor dem Bundesverwaltungsgericht alle Wissensfragen bzw. Fragen, deren Beantwortung auch Wissen erforderten, beantworten oder gar fundiert beantworten konnte (z. B. AS 52 f; OZ 15, S 22, 25 f). Allerdings lassen die Antworten in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht durchaus den Schluss zu, der Beschwerdeführer habe sich jedenfalls zwischenzeitlich mit dem christlichen Glauben und der evangelischen Konfession näher befasst (z. B. OZ 15, S 22 f, 24 f). Nicht außer Acht zu lassen ist ferner, dass an das Wissen eines (angeblichen) Konvertiten über dessen (angeblichen) neuen Glauben keine überzogene Erwartungshaltung zu stellen ist; vgl. VwGH 14.03.2019, Ra 2018/18/0455.

Dass der Beschwerdeführer ursprünglich muslimischen Glaubens war, ist angesichts seiner entsprechenden Aussage (AS 7, 46; OZ 15, S 15) nicht zweifelhaft. Dass der Beschwerdeführer insofern einen Grund haben könnte, wahrheitswidrige Angaben zu machen, ist nicht ersichtlich.

Für die Feststellungen dazu, wann und wie der Beschwerdeführer zur evangelischen Pfarrgemeinde A. u. H.B. XXXX Zugang fand, zur Taufvorbereitung und Taufe sowie zur Teilnahme am Gemeinschaftsleben der Gemeinde waren neben den glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers (AS 50 f, 53; OZ 15, S 23 ff), die ebenso glaubhaften Angaben der als Zeugin einvernommenen Pfarrerin (OZ 15, Beilage Z, S 2 ff) und (insofern) unbedenkliche Bescheinigungsmittel (AS 59, 71; OZ 9, 10) maßgeblich. Im Übrigen hatte auch die belangte Behörde nicht in Zweifel gezogen, dass der Beschwerdeführer getauft worden war (AS 169).

Diese äußeren Umstände müssen freilich nicht zwingend bedeuten, dass sich der Beschwerdeführer tatsächlich aus innerer Überzeugung dem Christentum angeschlossen hat und sich zu diesem bekennt. Erst in Zusammenschau mit folgenden Tatsachen und Erwägungen, die vor allem die persönliche Glaubensüberzeugung betreffen, ergibt sich die überwiegende Wahrscheinlichkeit einer echten Konversion des Beschwerdeführers:

Wenngleich einzelne Zweifel bestehen bleiben, geht das Bundesverwaltungsgericht in der geforderten Gesamtbetrachtung doch davon aus, dass der Hinwendung des Beschwerdeführers zum Christentum ein gewisser Prozess vorausging. Dieser Prozess bestand darin, dass sich der Beschwerdeführer über einen bestimmten Zeitraum ernsthaft und näher mit dem christlichen Glauben beschäftigt hatte, ehe er sich für das Christentum entschied (AS 50 f; OZ 15, S 15, 23 f sowie Beilage Z, S 2 f). Dass der Entschluss, Christ zu werden, demnach über einen gewissen, vom Beschwerdeführer plausibel dargelegten Zeitraum gereift ist, spricht aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts im konkreten Fall für die Glaubhaftigkeit einer echten Konversion.

Auch äußerte sich der Beschwerdeführer vor der belangten Behörde und dem Bundesverwaltungsgericht weitgehend gleichbleibend zumindest zu den Umständen der Distanzierung vom Islam bzw. seit wann er den Islam nicht mehr praktiziert habe (AS 46 f; OZ 15, S 21; vgl. auch die Ausführungen im angefochtenen Bescheid: AS 217 f, 220).

Der Beschwerdeführer konnte ferner in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht in unterschiedlichen Zusammenhängen einen persönlichen Zugang zum Christentum und insbesondere eine individuelle Bedeutung des christlichen Glaubens und christlicher Lehre glaubhaft machen (z. B. OZ 15, S 18, 21). Außerdem zeugen Antworten des Beschwerdeführers davon, dass er Kenntnis von der reformatorischen Lehre von der Rechtfertigung hat (OZ 15, S 23, 25), und er bezog sich darauf – zumindest ansatzweise – auch bei einer offen formulierten Frage (OZ 15, S 21). Auch bestanden die Ausführungen des Beschwerdeführers, befragt nach den aus seiner Sicht wichtigsten Unterschieden zwischen Islam und Christentum, nicht vorwiegend aus einer Schwarz-Weiß-Malerei zwischen Islam und Christentum, die weder der einen noch der anderen Religion gerecht wird (vgl. im Unterschied dazu etwa BVwG 22.08.2019, L527 2185298-1/15E). Die Ausführungen etwa zur (Erb-)Sünde mögen zwar nicht besonders tiefgehend gewesen sein, sie sind aber keineswegs als unschlüssig oder – gemessen an Glaubensinhalten – falsch anzusehen. (OZ 15, S 21) Schließlich war der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung dazu in der Lage, sich zu einer zentralen Vorstellung des christlichen Glaubens, nämlich zur endzeitlichen Vorstellung von einem das Weltgeschehen abschließenden göttlichen Gericht, nachvollziehbar zu äußern (OZ 15, S 22).

Zwar obliegt es (im Beschwerdeverfahren) grundsätzlich allein dem Bundesverwaltungsgericht, zu beurteilen, ob eine echte, innere Konversion oder eine Scheinkonversion vorliegt, und es ist zu bedenken, dass die Aussagen eines Zeugen naturgemäß nur den persönlichen Eindruck, den der Zeuge vom Beschwerdeführer hat, wiedergeben können. Einzelne – individuell auf den Beschwerdeführer bezogene – Aussagen der Pfarrerin der evangelischen Pfarrgemeinde A. u. H.B. XXXX , die als Zeugin unter Wahrheitspflicht vor dem Bundesverwaltungsgericht aussagte, fügen sich aber in das bereits dargelegte Bild, das der Beschwerdeführer selbst vermittelte, etwa dass er an Inhalten interessiert sei (OZ 15, Beilage Z, S 2 f).

Im gegebenen Gesamtkontext (!) sprechen die relevanten Indizien und Umstände aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts überwiegend dafür, dass sich der Beschwerdeführer dem christlichen Glauben aus innerer Überzeugung angeschlossen hat und dass er nicht lediglich mit dem Ziel, außenwirksam ein (angebliches) Interesse am christlichen Glauben zu dokumentieren, am Leben einer christlichen Gemeinde in Österreich teilnimmt.

2.2.4. Im Ergebnis konnte der Beschwerdeführer also jedenfalls im Beschwerdeverfahren eine ernsthafte Konversion zum Christentum glaubhaft machen. Dass in einzelnen Punkten nach wie vor gewisse Zweifel am Vorbringen des Beschwerdeführers bestehen mögen (insbesondere hinsichtlich des behaupteten ausreisekausalen Vorfalls im Iran im Oktober 2015 [AS 48 f; OZ 15, S 19 f], zumal im gegenständlichen Fall eine stringente Darlegung angeblich eigener Erlebnisse bei der Erstbefragung und der Einvernahme vor der belangten Behörde sowie in der mündlichen Verhandlung bezüglich einer beim Beschwerdeführer erfolgten Hausdurchsuchung samt Beschlagnahme eines Laptops unterblieb [AS 15, 48 f; OZ 15, S 19], die Ausführungen des Beschwerdeführers zum Umfang bzw. der Anzahl der auf seinem privaten Laptop befindlichen Videos mit christlichem bzw. islamkritischem Inhalt massiv divergieren [AS 50; OZ 15, S 18, 20] und der Beschwerdeführer nur rudimentäre Angaben zum Inhalt dieser Videos und Clips tätigen konnte [AS 50; OZ 15, S 20]), steht dieser Schlussfolgerung im Ergebnis nicht entgegen. Der Beschwerdeführer erweckte in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht durchaus den Eindruck, sich dem christlichen Glauben letztlich aus innerer Überzeugung angeschlossen zu haben. Zudem erscheint - unabhängig vom tatsächlichen Wahrheitsgehalt des behaupteten ausreisekausalen Vorfalls - nicht gänzlich ausgeschlossen, dass der Beschwerdeführer vor seiner Ausreise - etwa auch im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit - bereits oberflächliche Informationen über das Christentum erlangt hatte.

2.3. Zu den Feststellungen zur Konversion vom Islam zum Christentum und den Folgen im Iran bzw. für Iraner:

Diese Feststellungen waren auf der Grundlage der Ausführungen zu „Apostasie, Konversion zum Christentum, Proselytismus, Hauskirchen“ im Länderinformationsblatt der Staatendokumentation für den Iran, Gesamtaktualisierung am 14.06.2019, zu treffen. Die Feststellungen geben freilich die Informationen aus dem Länderinformationsblatt nur insoweit wieder, als sie im konkreten Fall entscheidungsrelevant sind. Die vom Bundesverwaltungsgericht herangezogenen Länderinformationen erscheinen durchwegs schlüssig, vollständig und richtig, sie sind auch – unter Bedachtnahme auf den Beschwerdeführer und sein Vorbringen – hinreichend aktuell.

Das Bundesverwaltungsgericht brachte dem Beschwerdeführer das Länderinformationsblatt mit der Ladung zur Verhandlung zur Kenntnis (OZ 7); dessen rechtsfreundliche Vertretung nahm die Länderinformationen zur Kenntnis und verwies auf die gefährliche Situation für Konvertiten im Iran. Der Beschwerdeführer erstattete keine Stellungnahme und schloss sich den Ausführungen der rechtsfreundlichen Vertretung an (OZ 15, S 27). Die belangte Behörde, die derartige Länderinformationen ihren Bescheiden selbst zugrunde legt (vgl. AS 168, 170 ff, 222), machte von der ausdrücklich eingeräumten Möglichkeit, das Länderinformationsblatt beim Bundesverwaltungsgericht anzufordern, nicht Gebrauch (OZ 7).

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Stattgabe der Beschwerde:

3.1. Gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz iSd § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 gestellt hat, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl 55/1955, idF des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl 78/1974 (Genfer Flüchtlingskonvention - GFK), droht.

Nach Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist Flüchtling, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Gemäß § 3 Abs 3 AsylG 2005 ist der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative iSd § 11 AsylG 2005 offen steht oder der Fremde einen Asylausschlussgrund iSd § 6 AsylG 2005 gesetzt hat.

Mit der Frage der asylrechtlichen Relevanz einer Konversion zum Christentum in Bezug auf den Iran hat sich der Verwaltungsgerichtshof wiederholt befasst. Soweit nicht eine bloß vorübergehende, der Asylerlangung dienende Annahme des christlichen Glaubens (Scheinkonversion) vorliegt, ist entscheidend, ob der Fremde bei weiterer Ausführung seines (behaupteten) inneren Entschlusses, nach dem christlichen Glauben zu leben, im Falle seiner Rückkehr in seinen Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen müsste, aus diesem Grund mit die Intensität von Verfolgung erreichenden Sanktionen belegt zu werden. Ob die Konversion bereits – durch die Taufe – erfolgte oder bloß beabsichtigt ist, ist nicht entscheidend vgl. VwGH 30.06.2005, 2003/20/0544, und VwGH 23.06.2015, Ra 2014/01/0210, zum Herkunftsstaat Marokko; diese Judikatur scheint mit der aktuellen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs im Einklang zu stehen; siehe EuGH 04.10.2018, C-56/17.

3.2. Nach dem im Iran vorherrschenden islamischem Verständnis bedeutet der Abfall vom Islam einen hochverratsähnlichen Angriff auf das Staats- und Gesellschaftssystem. Wie das Bundesverwaltungsgericht festgestellt hat, hat sich der Beschwerdeführer (jedenfalls zwischenzeitlich) aus innerer Überzeugung zum christlichen Glauben hingewandt und würde ihn auch im Falle der Rückkehr in den Iran weiterhin leben. Aus den Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichts zur Konversion vom Islam zum Christentum und den Folgen im Iran bzw. für Iraner wiederum folgt, dass der Beschwerdeführer – unter den konkreten, individuell seine Person betreffenden Umständen – bei einer Rückkehr in den Iran tatsächlich dort Verfolgungshandlungen bis hin zur Todesstrafe ausgesetzt wäre.

Daher ist für den Beschwerdeführer von Verfolgung in asylrelevanter Intensität im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention, und zwar aus religiösen und politischen Gründen, auszugehen.

Es ist daher objektiv nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer aus Furcht vor ungerechtfertigten Eingriffen von erheblicher Intensität aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes seines Herkunftsstaats zu bedienen.

Im Verfahren haben sich keine Hinweise auf das Vorliegen der in Artikel 1 Abschnitt C und F GFK genannten Endigungs- und Ausschlussgründe und der Ausschlussgründe nach § 6 AsylG 2005 ergeben.

Da dem Beschwerdeführer die genannten Verfolgungshandlungen im gesamten Iran drohen würden, kann eine innerstaatliche Fluchtalternative iSd § 11 AsylG 2005 nicht erkannt werden.

3.3. Im vorliegenden Fall sind somit unter Berücksichtigung der zuvor zitierten Judikatur die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten gegeben. Vor diesem Hintergrund erübrigt sich - wie bereits ausgeführt - eine (noch) nähere Auseinandersetzung mit den ursprünglichen Ausreisegründen und das weitere Vorbringen des Beschwerdeführers war damit nicht mehr zu beurteilen.

Gemäß § 3 Abs 5 AsylG 2005 war die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten mit der Feststellung zu verbinden, dass dem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Da mit der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten die rechtliche Voraussetzung für die Erlassung der Spruchpunkte II bis VI des angefochtenen Bescheids wegfällt, sind diese Spruchpunkte ersatzlos zu beheben.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

3.4. Da der verfahrensgegenständliche Antrag auf internationalen Schutz nicht vor dem 15.11.2015 gestellt wurde, kommt dem Beschwerdeführer gemäß § 3 Abs 4 AsylG 2005 damit eine auf drei Jahre befristete Aufenthaltsberechtigung als Asylberechtigter zu (§ 75 Abs 24 AsylG 2005).

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die vorliegende Entscheidung hing in erster Linie davon ab, ob das konkrete Vorbringen des Beschwerdeführers als glaubhaft zu qualifizieren war. Hierbei handelt es sich nicht um eine Rechtsfrage, sondern eine Frage der Beweiswürdigung im Einzelfall. Die für die Entscheidung relevanten Rechtsfragen sind entweder durch Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs geklärt oder von Vornherein klar. Vgl. die zitierten Entscheidungen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Apostasie asylrechtlich relevante Verfolgung Christentum ersatzlose Teilbehebung Flüchtlingseigenschaft Konversion religiöse Gründe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:L527.2188790.1.00

Im RIS seit

26.02.2021

Zuletzt aktualisiert am

26.02.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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