TE Bvwg Beschluss 2020/11/26 L508 2172920-2

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Veröffentlicht am 26.11.2020
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Entscheidungsdatum

26.11.2020

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §8
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §32

Spruch


L508 2172920-2/26Z

BESCHLUSS!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr.in HERZOG als Einzelrichterin über den Antrag des XXXX , geb. XXXX , StA. Iran, vertreten durch Mag. Thomas PUTSCHER, Caritas Wien der Erzdiözese Wien, Rechtsberatung, auf Wiederaufnahme des mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 19.03.2018 zu Zl. L508 XXXX , rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahrens, beschlossen:

A)

Dem Antrag auf Wiederaufnahme des mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 19.03.2018 zu Zl. L508 XXXX rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahrens wird gemäß § 32 Abs. 1 Z 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) stattgegeben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang

I.1. Mit Antrag vom 13.03.2020 begehrte der Antragsteller die Wiederaufnahme des mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 19.03.2018 zur Zl. L508 XXXX rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahrens.

I.2. Diesem Antrag ging nachfolgendes in Rechtskraft erwachsenes Asylverfahren voraus:

I.2.1. Der Antragsteller, ein Staatsangehöriger des Iran, stellte nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 20.06.2017 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Als Fluchtgrund machte er Probleme aufgrund seines Interesses für das Christentum geltend.

I.2.2. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.09.2017 wurde der Antrag des Antragstellers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen. Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Antragsteller eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass dessen Abschiebung in den Iran gemäß § 46 FPG zulässig sei. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.

Dem Fluchtvorbringen wurde im Rahmen einer umfangreichen Beweiswürdigung die Glaubwürdigkeit versagt.

In der rechtlichen Beurteilung wurde begründend dargelegt, warum - als Folge der Unglaubwürdigkeit des Vorbringens - der vom Antragsteller vorgebrachte Sachverhalt keine Grundlage für eine Subsumierung unter den Tatbestand des § 3 AsylG biete und warum auch nicht vom Vorliegen einer Gefahr iSd § 8 Abs. 1 AsylG ausgegangen werden könne. Zudem wurde ausgeführt, warum ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt wurde, weshalb gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den Antragsteller eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt wurde, dass dessen Abschiebung in den Iran gemäß § 46 FPG zulässig sei. Letztlich wurde erläutert, weshalb die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.

I.2.3. Mit dem oben genannten Erkenntnis des Bundeverwaltungsgerichtes vom 19.03.2018 wurde die Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.03.2018 als unbegründet abgewiesen.

Dabei wurden vom Bundesverwaltungsgericht folgende Feststellungen getroffen:

„2.1.1. Zur Person des Beschwerdeführers und dessen Fluchtgründen:

Der Beschwerdeführer ist iranischer Staatsangehöriger und gehört der persischen Volksgruppe an.

Die Identität des Beschwerdeführers steht fest. Der BF trägt den im Spruch angeführten Namen und ist an dem angegebenen Datum geboren.

Seine Eltern und zwei Geschwister leben nach wie vor im Iran.

Die Angaben des Beschwerdeführers zu seinen Ausreisegründen sind als unglaubwürdig zu qualifizieren.

Der Beschwerdeführer hat sich seinen Angaben zufolge im Iran und in Österreich dem christlichen Glauben zugewandt. Dieses Vorbringen ist als unglaubwürdig zu beurteilen. Auch eine tatsächliche Konversion liegt im konkreten Fall nicht vor.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in seinem Heimatstaat Iran asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt war oder pro futuro asylrelevanter Verfolgung in der Republik Iran ausgesetzt sein wird.

Es konnten im konkreten Fall auch keine stichhaltigen Gründe für die Annahme festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer Gefahr liefe, im Iran einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe bzw. einer sonstigen konkreten individuellen Gefahr unterworfen zu werden.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr in den Iran in eine existenzgefährdende Notsituation geraten würde.

Im Entscheidungszeitpunkt konnte auch keine sonstige aktuelle Gefährdung des Beschwerdeführers in seinem Heimatland festgestellt werden.

Der Beschwerdeführer leidet weder an einer schweren körperlichen noch an einer schweren psychischen Erkrankung.

Die BF absolvierte im Iran eine umfassende Schul- und Universitätsausbildung (Grund- und Hauptschule, AHS, zwei Jahre Universität), wobei er sein Studium - Fachrichtung Mechanik - nicht abschloss. Er lebte dort mit seiner Familie und hat vor seiner Ausreise unter anderem als Angestellter in einem Schnellrestaurant gearbeitet. Der BF verließ den Iran im Juni 2017 und reiste in der Folge illegal in das österreichische Bundesgebiet ein. Die Eltern und zwei Geschwister des BF leben nach wie vor im Iran.

Der Beschwerdeführer verfügt zum Entscheidungszeitpunkt über keine relevanten Bindungen zu Österreich. In Österreich halten sich - mit Ausnahme eines entfernt verwandten Cousins - keine Verwandten des BF auf. Der BF hat mit diesem Cousin erst seit seiner Einreise Kontakt und telefoniert gelegentlich mit ihm. Der BF befindet sich in der Grundversorgung und lebt von staatlicher Unterstützung. Es konnte nicht festgestellt werden, dass der BF über umfassende Deutschkenntnisse verfügt. Der BF besucht(e) bislang keinen Deutschkurs und ist auch kein Mitglied in einem Verein. Unterstützungserklärungen wurden ebenso wenig vorgelegt. Der BF ist strafrechtlich unbescholten.

Es konnten keine maßgeblichen Anhaltspunkte für die Annahme einer umfassenden und fortgeschrittenen Integration des BF in Österreich in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht festgestellt werden, welche die öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung überwiegen würden.

Er hat mit Ausnahme seines nunmehrigen Aufenthalts in Europa sein Leben zum überwiegenden Teil im Iran verbracht, wo er sozialisiert wurde und wo sich nach wie vor seine nächsten Verwandten aufhalten.

Es ist daher davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr wieder bei seiner Familie wohnen wird können. Davon abgesehen ist der Beschwerdeführer als arbeitsfähig und -willig anzusehen. Der Beschwerdeführer spricht Farsi.

Des Weiteren liegen die Voraussetzungen für die Erteilung einer „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ nicht vor und ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung geboten. Es ergibt sich aus dem Ermittlungsverfahren überdies, dass die Zulässigkeit der Abschiebung des BF in den Iran festzustellen ist.“

I.2.4. Das Erkenntnis gelangte am 22.03.2018, 08:36:50 Uhr, in den elektronischen Verfügungsbereich der damaligen bevollmächtigten Rechtsberatungsorganisation und am 22.03.2018, 07:06:23 Uhr, in den elektronischen Verfügungsbereich der belangten Behörde und gilt damit nach § 21 Absatz 8 BVwGG jeweils ab dem 23.03.2018 als zugestellt und erwuchs damit jedenfalls in Rechtskraft.

I.3. Am 13.03.2020 langte beim Bundesverwaltungsgericht der verfahrensgegenständliche Antrag auf Wiederaufnahme des rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens vom 19.03.2018 zu Zl. L508 XXXX ein.

Dem Antrag wurden nachfolgende Unterlagen beigelegt:

?        Ablichtung einer Ladung vom 01.11.2017 samt deutscher Übersetzung

?        Ablichtung einer Ladung vom 21.04.2018 samt deutscher Übersetzung

?        Ablichtung eines Screenshots über den WhatsApp-Verlauf mit dem Bruder des Antragstellers vom 02.03.2020 hinsichtlich der Übermittlung dieser Ladungen

?        Tauf- und Mitgliedschaftsbescheinigung einer christlichen Gemeinschaft vom 23.05.2018

?        Bestätigungen bezüglich des Besuches zweier Deutschkurse vom 31.07.2018 bis 24.08.2018 und vom 03.09.2018 bis 26.09.2018 und Bestätigungen bezüglich des Besuches zweier Workshops zum Einstieg in den Arbeitsmarkt bzw. ins Berufsleben am 20.09.2018 und 11.10.2018

Am 10.03.2020 sei der Antragsteller bei der Rechtsberatung der Caritas Wien vorstellig geworden, weil dem Antragsteller am 02.03.2020 von einem Bruder über WhatsApp Ablichtungen zweier Ladungen (vom 01.11.2017 und vom 21.04.2018) übermittelt worden seien. Zum Beweis hierfür wird die zeugenschaftliche Einvernahme des damaligen Rechtsberaters angeboten. Da dem Antragsteller die Geltendmachung des Wiederaufnahmegrundes frühestens mit 02.03.2020 möglich gewesen sei, sei der Antrag auf Wiederaufnahme fristgerecht gestellt. Zum Beweis, dass dem Antragsteller die beiden Ladungen von seinem Bruder am 02.03.2020 per WhatsApp übermittelt worden seien, werde zudem die zeugenschaftliche Einvernahme des Bruders beantragt.

Im abgeschlossenen Verfahren sei dem Antragsteller die Rechtsauskunft erteilt worden, er müsse sich um die Vorlage der Ladung erst bei Anberaumung der mündlichen Verhandlung bemühen. Im Vertrauen darauf habe der Antragsteller die Anberaumung der mündlichen Verhandlung abgewartet, deren Durchführung jedoch unterblieben sei. Von daher sei dem rechtsunkundigen Antragsteller kein Verschulden daran vorzuwerfen, das Beweismittel nicht schon im abgeschlossenen Verfahren geltend gemacht zu haben. Zum Beweis hierfür wird die Einvernahme des Antragstellers als Partei angeboten.

Da die Ladung vom 01.11.2017, die die Verhaftung und die Erlassung eines Abwesenheitsurteiles androhe, in Verbindung mit der Ladung vom 21.04.2018, die als Grund der Vorladung „Propagandaansprache gegen die Religion Islam und Zusammenarbeit mit ungläubigen Gruppen“ anführe, zweifelsohne die Eignung besitze, dass diese für sich allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich ein im Hauptinhalt des Spruches anderslautendes Erkenntnis herbeigeführt hätte, wird beantragt, dem Antrag auf Wiederaufnahme des mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 19.03.2018 zu Zl. L508 XXXX abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben.

I.4. Mit Erkenntnis des BVwG vom 27.05.2020, Zl. L508 XXXX wurde der Antrag auf Wiederaufnahme des rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens vom 19.03.2018 zu Zl. L508 XXXX gemäß § 32 Abs. 1 Z 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) abgewiesen. Darin wurde im Rahmen einer umfassenden Begründung im wesentlichen ausgeführt, dass die beiden vorgelegten Ladungen zwar neue Beweismittel seien, diese könnten aber nicht zu einem anderen Verfahrensergebnis führen. Die Ladung vom 1. November 2017 sei dem Beschwerdeführer - aus näher dargestellten Gründen - schon vor rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens bekannt gewesen. Dass sie trotzdem nicht beigeschafft und im Verfahren vorgelegt worden sei, müsse dem Beschwerdeführer als nicht bloß geringfügiges Verschulden zugerechnet werden. Beiden Beweismitteln (Ladungen) mangle es an der abstrakten Eignung, jene Tatsachen in Zweifel zu ziehen, auf welche das BVwG sich in seinem Erkenntnis vom 19. März 2018 beweiswürdigend gestützt habe, zumal es in dieser Entscheidung davon ausgegangen sei, dass der Beschwerdeführer eine völlig konstruierte Geschichte vorgetragen habe und persönlich massiv unglaubwürdig gewesen sei. Wären die nun vorgelegten Ladungen daher bereits zum Zeitpunkt der Entscheidung des BVwG im vorangegangenen Verfahren vorgelegen, hätte dies zu keinem anderen Ergebnis geführt.

I.5. Gegen dieses Erkenntnis des BVwG vom 27.05.2020, Zl. L508 XXXX , wurde fristgerecht das Rechtsmittel der außerordentlichen Revision eingebracht. Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diese Erkenntnis des BVwG erhobene außerordentliche Revision mit Entscheidung vom 28.09.2020, Ra 2020/18/0265-11 erkannt und ausgesprochen, dass das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben werde. Dies im wesentlichen mit folgender Begründung: „Im vorliegenden Fall kann dahingestellt bleiben, ob die als neues Beweismittel vorgelegte Ladung vom 1. November 2017 vor rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens ohne Verschulden der Partei hätte vorgelegt werden können. Für die erst mit 21. April 2018 datierte weitere Ladung konnte dies jedenfalls nicht der Fall sein. Diesbezüglich führt das BVwG lediglich ins Treffen, ihr Vorliegen hätte im vorangegangenen Asylverfahren zu keiner anderen beweiswürdigenden Bewertung der Angaben des Revisionswerbers geführt. Zu Recht weist die Revision darauf hin, dass das BVwG damit nicht die abstrakte Tauglichkeit der Ladung vom 21. April 2018 als Beweismittel beurteilte, sondern in vorgreifender Beweiswürdigung anzweifelte, dass dieses Beweismittel tatsächlich ein anderes Verfahrensergebnis zustande gebracht hätte; eine Frage, die nach dem bisher Gesagten nicht im Wiederaufnahmeverfahren, sondern im wiederaufgenommenen Verfahren zu klären wäre. Das angefochtene Erkenntnis war daher schon deshalb wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

II.1. Verfahrensbestimmungen

II.1.1. Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung demnach der jeweils nach der geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichterin.

II.1.2. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

II.1.3. Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

II.2. Zur Entscheidungsbegründung:

II.2.1. Feststellungen:

Die unter Punkt I. getroffenen Ausführungen werden als entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt.

II.2.2. Beweiswürdigung:

Die getroffenen Feststellungen ergeben sich aus den dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Aktenstücken.

II.3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Zur Wiederaufnahme des Verfahrens

II.3.1. Gesetzliche Grundlagen zur Wiederaufnahme eines Verfahrens:

§ 32 VwGVG 2014 idF BGBl. I Nr. 02/2017 lautet auszugsweise:

„32. (1) Dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes abgeschlossenen Verfahrens ist stattzugeben, wenn

1. [ ]

2. neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich ein im Hauptinhalt des Spruchs anders lautendes Erkenntnis herbeigeführt hätten, oder

3. [ ]

4. [ ]

(2) Der Antrag auf Wiederaufnahme ist binnen zwei Wochen beim Verwaltungsgericht einzubringen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antragsteller von dem Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat, wenn dies jedoch nach der Verkündung des mündlichen Erkenntnisses und vor Zustellung der schriftlichen Ausfertigung geschehen ist, erst mit diesem Zeitpunkt. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Erkenntnisses kann der Antrag auf Wiederaufnahme nicht mehr gestellt werden. Die Umstände, aus welchen sich die Einhaltung der gesetzlichen Frist ergibt, sind vom Antragsteller glaubhaft zu machen.

(3) Unter den Voraussetzungen des Abs. 1 kann die Wiederaufnahme des Verfahrens auch von Amts wegen verfügt werden. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Erkenntnisses kann die Wiederaufnahme auch von Amts wegen nur mehr aus den Gründen des Abs. 1 Z 1 stattfinden.

(4) Das Verwaltungsgericht hat die Parteien des abgeschlossenen Verfahrens von der Wiederaufnahme des Verfahrens unverzüglich in Kenntnis zu setzen.

(5) Auf die Beschlüsse des Verwaltungsgerichtes sind die für seine Erkenntnisse geltenden Bestimmungen dieses Paragraphen sinngemäß anzuwenden. Dies gilt nicht für verfahrensleitende Beschlüsse.“

II.3.2. Wie die Materialien zum Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte 2014 (RV 2009 Blg NR 24. GP, 7) erkennen lassen, sind die Wiederaufnahmsgründe des § 32 Abs. 1 VwGVG 2014 denjenigen des § 69 Abs. 1 AVG nachgebildet. Auf das bisherige Verständnis dieser Wiederaufnahmsgründe kann folglich zurückgegriffen werden (VwGH 28.06.2016, Ra 2015/10/0136).

Der gegenständliche Antrag zielt darauf ab, das mit dem oben angeführten Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes rechtskräftig abgeschlossene vorangegangene Verfahren des Antragstellers aufgrund neuer Tatsachen beziehungsweise Beweismittel im Sinne des § 32 Absatz 1 Z 2 VwGVG wieder aufzunehmen.

Es muss sich dabei um Tatsachen und Beweismittel handeln, die beim Abschluss des wiederaufzunehmenden Verfahrens schon vorhanden waren, deren Verwertung der Partei aber ohne ihr Verschulden erst nachträglich möglich wurde ("nova reperta"), nicht aber um erst nach Abschluss des seinerzeitigen Verfahrens neu entstandene Tatsachen und Beweismittel ("nova producta" bzw. "nova causa superveniens"). Nach § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG 2014 rechtfertigen neu hervorgekommene Tatsachen und Beweismittel (also solche, die bereits zur Zeit des früheren Verfahrens bestanden haben, aber erst später bekannt wurden) – bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen – eine Wiederaufnahme des Verfahrens, wenn sie die Richtigkeit des angenommenen Sachverhalts in einem wesentlichen Punkt als zweifelhaft erscheinen lassen; gleiches gilt für neu entstandene Beweismittel, sofern sie sich auf "alte", d.h. nicht erst nach Abschluss des wiederaufzunehmenden Verfahrens entstandene, Tatsachen beziehen (VwGH 18.01.2017, Ra 2016/18/0197).

Neu entstandene Tatsachen, also Änderungen des Sachverhalts nach Abschluss des Verfahrens, erübrigen eine Wiederaufnahme des Verfahrens, weil in diesem Fall einem Antrag auf der Basis des geänderten Sachverhaltes die Rechtskraft des bereits erlassenen Bescheides nicht entgegensteht. Bei Sachverhaltsänderungen, die nach der Entscheidung über einen Asylantrag eingetreten sind, ist kein Antrag auf Wiederaufnahme, sondern ein neuer Antrag (auf internationalen Schutz) zu stellen (vgl. dazu VwGH 17.02.2006, Zl. 2006/18/0031; 07.04.2000, Zl. 96/19/2240; 18.12.1996, Zl. 95/20/0672).

Das Hervorkommen neuer Tatsachen und Beweise allein genügt nicht, um das Verfahren wieder aufzunehmen. Es handelt sich bei diesem "Neuerungstatbestand" nämlich um einen relativen Wiederaufnahmegrund und ist für eine Wiederaufnahme weiters erforderlich, dass die neuen Tatsachen und Beweise voraussichtlich auch zu einem anderen Verfahrensergebnis führen würden (vgl. VwGH 14.06.1993, Zl. 91/10/0107; 27.09.1994, Zl. 92/070074; 22.02.2001, Zl. 2000/04/0195). Ob diese Eignung vorliegt, ist eine Rechtsfrage, die im Wiederaufnahmeverfahren zu beantworten ist; ob tatsächlich ein anderes Ergebnis des Verfahrens zustande kommt, ist sodann eine Frage, die im wiederaufgenommenen Verfahren zu klären ist (vgl. VwGH 19.04.2007, Zl. 2004/09/0159).

Tauglich ist ein Beweismittel als Wiederaufnahmegrund (ungeachtet des Erfordernisses der Neuheit) also nur dann, wenn es nach seinem objektiven Inhalt und unvorgreiflich der Bewertung seiner Glaubwürdigkeit die abstrakte Eignung besitzt, jene Tatsachen in Zweifel zu ziehen, auf welche das Bundesverwaltungsgericht entweder die den Gegenstand des Wiederaufnahmeverfahrens bildende Entscheidung oder zumindest die zum Ergebnis dieser Entscheidung führende Beweiswürdigung tragend gestützt hat (vgl. VwGH 18.01.2017, Ra 2016/18/0197). Die Wiederaufnahme eines Verfahrens dient jedenfalls nicht dazu, Versäumnisse während eines Verwaltungsverfahrens zu sanieren (VwGH 27.07.2001, Zl. 2001/07/0017; 22.12.2005, Zl. 2004/07/0209).

II.3.3. Fallbezogen ergibt sich Folgendes:

II.3.3.1. Insbesondere unter Berücksichtigung des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichts-hofes vom 28.09.2020, Ra 2020/18/0265-11, des darin verfügten Ausspruchs über die Aufhebung des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichts vom 27.05.2020, Zl. L508 XXXX wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG, begründend dahingehend, wonach das Bundesverwaltungsgericht die abstrakte Tauglichkeit der Ladung vom 21.04.2018 als Beweismittel in vorgreifender Beweiswürdigung angezweifelt habe, es sich bei der Beurteilung der abstrakten Tauglichkeit dieser Ladung als Beweismittel aber um eine Frage handle, welche nicht im Wiederaufnahmeverfahren, sondern im wiederaufgenommenen Verfahren zu klären wäre, war vor diesem Hintergrund dem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens stattzugeben.

Dem gegenständlichen Antrag auf Wiederaufnahme war daher spruchgemäß stattzugeben.

II.4. Entfall einer mündlichen Verhandlung

Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben, da der Sachverhalt auf Grund der Aktenlage und des Inhaltes der Beschwerde geklärt war, Widersprüchlichkeiten in Bezug auf die maßgeblichen Sachverhaltselemente nicht vorlagen und eine initiative Darlegung der für die Entscheidungsfindung relevanten Umstände, die durch die weitere Hinterfragung zu klären gewesen wären, nicht erforderlich war. Insbesondere ist zu betonen, dass auf der Sachverhaltsebene keine Fragen offen geblieben sind, sondern diese vielmehr aus den Verwaltungsakten beantwortet werden konnten.

Ferner ist darauf hinzuweisen, dass auch aufgrund des Umstandes, dass es sich bei der Einordnung, ob die Eignung eines vorgebrachten Wiederaufnahmegrundes vorliegt, um eine Rechtsfrage handelt (vgl. VwGH 19.04.2007, 2004/09/0159; Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren2 (2018) § 32 VwGVG Anm. 9), gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben konnte (vgl. VwGH 28.05.2014, Ra 2014/20/0017 und 0018; VfGH 14.03.2012, U 466/11 ua.).

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht hervorgekommen. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Wiederaufnahme eines rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens ab, noch fehlt es diesbezüglich an einer Rechtsprechung (siehe die diesbezüglich in der Entscheidungsbegründung angeführten Judikate des VwGH); weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des VwGH auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Beweismittel Ersatzentscheidung Ladungen neu entstandene Tatsache Tauglichkeit Wiederaufnahme Wiederaufnahmegrund

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:L508.2172920.2.02

Im RIS seit

04.03.2021

Zuletzt aktualisiert am

04.03.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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