Index
24/01 Strafgesetzbuch;Norm
AufG 1992 §5 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Zens,
Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Keller, über die Beschwerde des A in W, vertreten durch Dr. S, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 7. März 1995, Zl. 105.117/2-III/11/94, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesministerium für Inneres) Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 7. März 1995 wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 26. November 1993 auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gemäß § 5 Abs.1 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) und § 10 Abs. 1 Z. 4 des Fremdengesetzes (FrG) abgewiesen. In der Begründung führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei wegen Begehung folgender strafrechtlicher Delikte von inländischen Gerichten rechtskräftig verurteilt worden:
1. Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 19. September 1990 wegen der §§ 125, 127, 129 Z. 1 und 2 StGB (Sachbeschädigung, Diebstahl, Einbruchsdiebstahl); 4 Monate Freiheitsstrafe bedingt auf 3 Jahre;
Diese Probezeit wurde vorerst auf insgesamt 5 Jahre verlängert; schließlich wurde die bedingte Nachsicht der Freiheitsstrafe widerrufen (Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 3. März 1993);
2. Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 6. Dezember 1991 wegen der §§ 15 und 127 sowie der §§ 15 und 105 Abs. 1 StGB (versuchter Diebstahl und versuchte Nötigung);
3 Monate Freiheitsstrafe bedingt auf eine Probezeit von 3 Jahren; mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 3. Marz 1993 wurde die bedingte Nachsicht des Teiles dieser Freiheitsstrafe widerrufen;
3. Urteil des Strafbezirksgerichtes Wien vom 7. Mai 1992 wegen § 16 Abs. 1 Suchtgiftgesetz (SGG); gemäß § 31 und 40 StGB wurde unter Bedachtnahme auf das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 6. Dezember 1991 keine Zusatzstrafe verhängt;
4. Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 12. Oktober 1992 wegen § 16 Abs. 1 und 2 Z. 1 SGG; 3 Monate Freiheitsstrafe;
5. Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 3. März 1993 wegen § 229 Abs. 1 StGB, §§ 15, 146, 147 Abs. 1 Z. 1 StGB, § 83 Abs. 1, 127, 128 Abs. 1 Z. 4, 269 Abs. 1 StGB (Urkundenunterdrückung, versuchter Betrug und schwerer Betrug, Körperverletzung, Diebstahl, schwerer Diebstahl sowie Widerstand gegen die Staatsgewalt); 8 Monate Freiheitsstrafe.
Auf Grund dieser angeführte rechtskräftigen Verurteilungen liege nach Ansicht der belangten Behörde ein zwingender Sichtvermerksversagungsgrund vor und könne dem Beschwerdeführer daher keine Aufenthaltsbewilligung erteilt werden. Die öffentlichen Interessen überwögen daher die privaten Interessen des Beschwerdeführers.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die nach Ablehnung ihrer Behandlung durch den Verfassungsgerichtshof dem Verwaltungsgerichtshof abgetretene Beschwerde. Der Beschwerdeführer macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und beantragt, den Bescheid aus diesen Gründen aufzuheben.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 5 Abs. 1 AufG darf eine Bewilligung nach dem genannten Gesetz Fremden nicht erteilt werden, bei denen ein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. 1 FrG) vorliegt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG ist die Erteilung eines Sichtvermerkes zu versagen, wenn der Aufenthalt des Sichtvermerkswerbers die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde.
In seinem Vorbringen vor dem Verwaltungsgerichtshof bekämpft der Beschwerdeführer die Annahme der belangten Behörde, durch die ihm zur Last liegenden gerichtlichen Verurteilungen sei der Sichtvermerksversagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG verwirklicht worden, nicht. Er stützt sein Beschwerdevorbringen zum einen darauf, daß trotz Vorliegens eines Sichtvermerksversagungsgrundes die belangte Behörde eine Interessensabwägung im Sinne des § 8 Abs. 2 MRK durchführen hätte müssen, wo sich ergeben hätte, daß die privaten Interessen des Beschwerdeführers überwögen. Weiters hätte die belangte Behörde bei der Erlassung des bekämpften Bescheides auf Art. 7 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates vom 19. September 1980 Rücksicht nehmen müssen, infolge dessen der Beschwerdeführer als Kind eines türkischen Staatsangehörigen, der in Österreich ordnungsgemäß beschäftigt sei, ein daraus ableitbares Aufenthaltsrecht genieße.
Der Beschwerdeführer bestreitet in seiner Beschwerde das Vorliegen des Tatbestandes des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG nicht. Angesichts der Vielzahl und der Häufigkeit der strafgerichtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers, insbesondere auch im Hinblick auf die besondere Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität, ist die rechtliche Beurteilung der belangten Behörde, wonach der Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich die öffentliche Sicherheit gefährden würde, nicht rechtswidrig.
Richtig ist, daß die Behörde bei Anwendung des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG auf die privaten und familiären Interessen des Fremden Bedacht zu nehmen hat, und zwar derart, daß sie zu prüfen hat, ob ein Aufenthalt des Fremden im Bundesgebiet die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit derart gefährden würde, daß die in Art. 8 Abs. 2 MRK genannten öffentlichen Interessen einen Eingriff in sein Privat- und Familienleben rechtfertigen (vgl. aus der insoweit übereinstimmenden Rechsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes etwa das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 30. Juni 1993, B 302/93, sowie u. a. das hg. Erkenntnis vom 9. November 1995, Zl. 95/18/0826).
In der Beschwerde wird hinsichtlich der privaten Interessen des Beschwerdeführers der langjährige Aufenthalt in Österreich (seit 1978) sowie die familiäre Integration des Beschwerdeführers geltend gemacht.
Angesichts der durch das Verhalten des Beschwerdeführers (Sachbeschädigung, Diebstahl, Nötigung, Betrug, Körperverletzung, Suchtgifthandel) bewirkten schwerwiegenden Gefährdung der in Art. 8 Abs. 2 MRK genannten öffentlichen Interessen der öffentlichen Ruhe und Ordnung sowie der Verhinderung von strafbaren Handlungen begegnet es keinen Bedenken, wenn die belangte Behörde zu dem Ergebnis kam, daß die privaten Interessen des Beschwerdeführers gegenüber den maßgeblichen öffentlichen Interessen zurückzutreten hätten. Die Gefährdung öffentlicher Interessen durch den Beschwerdeführer wird umso deutlicher, als sich gezeigt hat, daß der Beschwerdeführer auch durch gerichtliche Verurteilungen bzw. den Widerruf der bedingten Strafnachsichten nicht von der Begehung weiterer, schwerwiegender Delikte abgehalten werden konnte.
Der Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers erweist sich daher zum Schutz der genannten öffentlichen Interessen als notwendig im Sinn des Art. 8 Abs. 2 MRK. Wenn die belangte Behörde wegen der vom Beschwerdeführer gezeigten Mißachtung der österreichischen Rechtsordnung das öffentliche Interesse an der Verweigerung einer Aufenthaltsbewilligung für schwerwiegender ansah als das private Interesse des Beschwerdeführers, kann ihr daher nicht mit Erfolg entgegengetreten werden.
Soweit sich der Beschwerdeführer auf ein aus dem Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei sowie den darauf gestützten Beschluß Nr. 1/80 des Assoziationsrates vom 19. September 1980 ableitbares Aufenthaltsrecht beruft, ist er auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach in ein - allenfalls bestehendes
- Aufenthaltsrecht nach Art. 6 oder 7 des auf das Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei gestützten Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates vom 19. September 1980 durch einen auf das AufG gestützten, eine Aufenthaltsbewilligung nach diesem Gesetz versagenden Bescheid nicht eingegriffen wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Februar 1996, Zl. 95/19/1661).
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Von der Durchführung der beantragten Verhandlung wurde aus dem Grunde des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG Abstand genommen, zumal die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen lassen, daß die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten läßt.
Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert werden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art.14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1996190542.X00Im RIS seit
02.05.2001