TE Bvwg Erkenntnis 2020/12/1 I414 2237255-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 01.12.2020
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Entscheidungsdatum

01.12.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §58 Abs1
AsylG 2005 §58 Abs2
AsylG 2005 §58 Abs3
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs3
BFA-VG §18 Abs1 Z1
BFA-VG §19
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art2
EMRK Art3
EMRK Art8
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs1 Z1
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1a
VwGVG §24 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I414 2237255-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Christian EGGER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. ALGERIEN, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung (Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH und Volkshilfe Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung GmbH), gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 23.10.2020, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer (in der Folge als BF bezeichnet) reiste mit dem Flugzeug von Algerien aus in die Türkei und reiste weiter nach Griechenland. In der Folge reiste er über weitere Länder illegal nach Österreich und stellte am 20.10.2020 gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Bei seiner Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 21.10.2020 gab der BF zusammengefasst an, dass die wirtschaftliche Lage in seinem Herkunftsstaat sehr schlecht sei. Er habe studiert, aber keine Arbeit finden können. Die Familie des BF sei sehr arm. Er wolle nach Frankreich, weil er französisch spreche. Er möchte im Tourismus arbeiten, um seine Familie finanziell zu unterstützen. Weitere Fluchtgründe habe er nicht. Er wolle nicht mehr nach Algerien zurück, da er Angst um seine Zukunft habe. Zudem brachte er vor, dass in Annaba/Algerien seine Eltern, seine Ehefrau und seine fünf Geschwister leben würden (AS 3ff).

Am 21.10.2020 wurde der BF von einem Organ des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge als BFA bezeichnet) niederschriftlich einvernommen. Dabei gab er zusammengefasst an, dass seine Eltern und seine fünf Geschwister in Algerien leben würde. Er habe am 16.10.2019 seine Freundin in der Türkei geheiratet, mittlerweile sei seine Ehefrau nach Algerien zurückgekehrt (AS 23ff). Er spreche Arabisch und Französisch. Er sei gesund. Seinen Reisepass habe er in der Türkei bei einem Freund zurückgelassen, weil er befürchtete den Reisepass bei seiner Reise zu verlieren. In seinem Herkunftsstaat habe er Soziologie studiert und zuletzt in der Türkei in einer Textilfabrik gearbeitet. Der Grund seiner Asylantragstellung sei seinen Lebensstandard hier in Österreich zu verbessern. In Algerien habe er nur wenig verdienen können. In Algerien habe er als Selbständiger im Bereich Marketing gearbeitet. Bei einer Rückkehr in seine Heimat habe er grundsätzlich keine Probleme, jedoch habe er aufgrund seiner Selbständigkeit in Algerien Steuerschulden in Höhe von EURO 5.000,--. Des Weiteren gab er an, dass seine Ehefrau gegenwärtig bei seinen Eltern leben würde (AS 35ff).

Am 23.10.2020 wurde der BF im Beisein einer Rechtsberatung vom BFA neuerlich einvernommen. Dabei gab er zusammengefasst an, dass er bisher die Wahrheit gesagt habe. Ergänzend zum bisherigen Vorbringen gab er an, dass er Berber sei und aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit in Algerien keine Arbeit gefunden habe. In Algerien habe er als Berber keine Zukunft. Er wolle nicht mehr nach Algerien zurück, weil er in Österreich arbeiten und sich hier eine Zukunft aufbauen möchte (AS 85ff.)

Mit dem Bescheid vom 23.10.2020, wies die belangte Behörde den Antrag des BF auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Algerien (Spruchpunkt II.) als unbegründet ab. Zugleich erteilte sie dem BF keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III.), erließ gegen den BF eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.) und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Algerien zulässig ist (Spruchpunkt V.). Eine Frist für die freiwillige Ausreise besteht nicht (Spruchpunkt VI.). Zugleich erkannte die belangte Behörde einer Beschwerde gegen diese Entscheidung die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt VII.)

Mit Verfahrensanordnung vom 27.10.2020 wurde dem BF die ARGE Rechtsberatung – Diakonie und Volkshilfe als Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zur Seite gestellt (AS 141ff).

Mit fristgerecht eingebrachtem Beschwerdeschriftsatz erhob der BF Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (in der Folge als BVwG bezeichnet). Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der BF weder in der Erstbefragung am 21.10.2020 noch in der niederschriftlichen Einvernahme am 23.10.2020 zu seiner Volksgruppenzugehörigkeit befragt worden sei. Bei ordnungsgemäßer Befragung hätte der BF ausführen können, inwieweit seine Zugehörigkeit zur Minderheit der Amazigh ihn in seinen Menschenrechten verletze und aufgrund dessen Diskriminierung und Unterdrückung in seiner Heimat stattfinde. Es werde daher beantragt, mittels Sprachgutachten feststellen zu lassen, dass der BF der Ethnie der Amazigh angehöre und seine Muttersprache Tamazight sei. Das BFA habe es unterlassen sich eingehend mit der Lage von Minderheiten und indigenen Völkern, insbesondere jenen der Amazigh in Algerien zu befassen. Es sei zu berücksichtigen, dass die Sicherheitslage in Algerien derzeit prekär sei, weite Teile des Landes seien von Terrorismus betroffen und es komme aktuell immer wieder zu Terroranschlägen und Entführungen. Hinzu komme die Unterdrückung, Nichtanerkennung und Diskriminierung der indigenen Bevölkerung der Amazigh, denen der BF angehöre. Die wirtschaftliche Benachteiligung sei nach der Judikatur des VwGH dann asylrelevant, wenn sie jegliche Existenzgrundlage entziehe. Der BF habe in Algerien keine wirtschaftliche Existenzgrundlage. Obwohl er Französisch und Soziologie studiert habe, sei es ihm aufgrund seiner Zugehörigkeit zur indigenen Gruppe der Amazigh nicht möglich, eine Arbeit zu finden. Im Falle seiner Rückkehr in sein Heimatland würde er in eine lebensbedrohliche Situation gelangen. Es werde daher beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge den angefochtenen Bescheid zur Gänze beheben und dem BF Asyl gewähren, in eventu dem BF den Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkennen, in eventu den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit zur Gänze beheben und zur Durchführung eines erneuten Verfahrens und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt zurückverweisen, sowie der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkennen, auf jeden Fall zur gebotenen Ergänzung des mangelhaft gebliebenen Ermittlungsverfahrens eine mündliche Verhandlung anberaumen (AS 163ff).

Mit Beschwerdevorlage vom 20.11.2020, beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt am 27.11.2020, legte das BFA dem BVwG die Beschwerde samt Verwaltungsakt vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der 33-jährige BF ist verheiratet, kinderlos, Staatsangehöriger von Algerien. Er gehört der Volksgruppe der Berber an und bekennt sich zum muslimischen Glauben.

Die Identität des BF steht nicht fest.

Der BF ist gesund und arbeitsfähig.

Der BF reiste von Algerien mit dem Flugzeug in die Türkei aus, wo er ca. eineinhalb Jahre verblieb, und über Griechenland und weitere Länder nach Österreich. Spätestens am 20.10.2020 reiste der BF unter Umgehung der Grenzkontrollen in das Bundesgebiet ein und stellte den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Der BF spricht Arabisch, Tamazight und Französisch.

Der BF hat in Algerien die Schule abgeschlossen und anschließend Soziologie studiert. Er war in Algerien als Selbständiger im Bereich Marketing tätig, zuletzt arbeitete er in der Türkei in einer Textilfabrik. Im Bundesgebiet geht der BF keiner Erwerbstätigkeit nach.

In Algerien leben nach wie vor seine Ehefrau, seine Eltern und seine fünf Geschwister. Zu seiner Familie hat der BF regelmäßig Kontakt. Im Bundesgebiet verfügt der BF über keine familiären Anknüpfungspunkte und keine maßgeblichen privaten Beziehungen.

Eine Integration des BF in sprachlicher, beruflicher oder sozialer Hinsicht liegt nicht vor.

Der BF ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

1.2. Zu den Fluchtmotiven des Beschwerdeführers:

Der BF hat für das Verlassen seines Herkunftsstaates wirtschaftliche Gründe angeführt. Auch das – erstmals in der zweiten Einvernahme getätigte – Vorbringen hinsichtlich seiner Volksgruppenzugehörigkeit keine Arbeit gefunden zu haben entfaltet keine Asylrelevanz.

Der BF wird in seinem Herkunftsland Algerien weder aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe noch aufgrund seiner politischen Gesinnung verfolgt und ist in seinem Herkunftsstaat nicht gefährdet, aus solchen Gründen verfolgt zu werden.

Der BF wird im Fall seiner Rückkehr nach Algerien mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner realen Gefahr der Folter, einer unmenschlichen Bestrafung oder Behandlung, der Todesstrafe ausgesetzt sein. Im Fall seiner Rückkehr nach Algerien droht dem BF nicht die Gefahr, durch einen innerstaatlichen oder zwischenstaatlichen Konflikt in seinem Herkunftsstaat in seiner körperlichen Integrität verletzt zu werden. Ihm droht im Fall der Rückkehr in seinen Herkunftsstaat auch keine reale Gefahr, in seiner Existenz bedroht zu werden.

1.3. Zu den Feststellungen zur Lage in Algerien:

Hinsichtlich der aktuellen Lage im Herkunftsstaat des BF sind gegenüber den im angefochtenen Bescheid vom 23.10.2020 getroffenen Feststellungen keine entscheidungsmaßgeblichen Änderungen eingetreten. Im angefochtenen Bescheid wurde das „Länderinformationsblatt der Staatendokumentation“ zu Algerien auszugsweise zitiert. Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens ist auch keine Änderung bekannt geworden, sodass das Bundesverwaltungsgericht sich diesen Ausführungen vollinhaltlich anschließt und auch zu den seinen erhebt. Im gegebenen Zusammenhang sind mangels sonstiger Bezüge zum Vorbringen die folgenden Informationen von Relevanz und werden festgestellt:

Algerien ist ein sicherer Herkunftsstaat.

Fallbezogen werden nachstehende Passagen aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation hervorgehoben:

Algeriens ethnische Zusammensetzung ist eine Mischung aus Arabern und Berbern, wobei die große Mehrheit der Algerier berberischen Ursprungs ist. Nur eine Minderheit identifiziert sich selbst als Berber, etwa 15% (CIA 3.3.2020).

Staatliche Repressionen, die allein wegen Rasse, Religion, Nationalität oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe erfolgen, sind in Algerien nicht feststellbar. Eine rassisch diskriminierende Gesetzgebung existiert nicht; es liegen auch keine belastbaren Erkenntnisse über tatsächlich erfolgte Diskriminierungen vor (AA 25.6.2019).

Neben der mehrheitlich arabischen Bevölkerung leben in verschiedenen Regionen Berbervölker, unter denen sich besonders die Kabylen seit der Unabhängigkeit Algeriens für die Anerkennung ihrer Sprache (Tamazight) und ihrer Kultur einsetzen. Durch die Verfassungsreform von 2016 wurde Tamazight, nach dem Arabischen, zur Amtssprache erklärt (AA 25.6.2019).

Ethnische (Berber)Minderheiten, vor allem im Süden des Landes, führen diskriminierendes Verhalten der Sicherheitskräfte an. Mozabiten [Anm.: eine muslimische Minderheit] in der Wilaya Ghardaia beklagen, dass sie von Sicherheitskräften nicht ausreichend gegen Gewalt geschützt würden. Polizei und Gendarmerie seien parteiisch, außerdem mache sich bemerkbar, dass Mozabiten vom verpflichtenden Militärdienst praktisch befreit seien und keine Vertreter in Polizei und Gendarmerie entsendeten. Auch in der Kabylei mit einer starken regionalen Identität gibt es immer wieder Klagen über systematische Benachteiligungen und Repressionen (ÖB 11.2019).

Im Zuge von Protestbewegungen wurden im Herbst 2019 einige Personen zu Haft- und Geldstrafen für das öffentliche Mitführen der Fahne der Berberminderheit verurteilt. Das Tragen der Fahne ist gesetzlich nicht verboten, verurteilt wurden die Angeklagten daher für das "Untergraben der nationalen Integrität". Die Staats- und Armeeführung versucht mit dem gezielten Vorgehen gegen Berberaktivisten, die Protestbewegung zu spalten und Araber und Berber gegeneinander auszuspielen (Standard 13.11.2019; vgl. IPB 12.6.2020).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (25.6.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Demokratischen Volksrepublik Algerien (Stand: Mai 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/2014264/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Demokratischen_Volksrepublik_Algerien_%28Stand_Mai_2019%29%2C_25.06.2019.pdf, Zugriff 27.11.2019

- CIA - Central Intelligence Agency (3.3.2020): The World Factbook - Algeria - Peoples and Society, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/ag.html, Zugriff 18.3.2020

- IPB - Institut für Protest- und Bewegungsforschung (12.6.2020): Hirak - Bewegung in Algerien, https://protestinstitut.eu/hirak-bewegung-in-algerien/, Zugriff 17.6.2020

- ÖB - Österreichische Botschaft Algier (11.2019): Asylländerbericht Algerien.

- Standard, der (13.11.2019): Politisch motivierte Urteile gegen Berberaktivisten in Algerien, https://www.derstandard.at/story/2000111030569/politisch-motivierte-urteile-gegen-berberaktivisten-in-algerien, Zugriff 27.11.2019

Nahezu die gesamten Staatseinkünfte des Landes stammen aus dem Export von Erdöl und Erdgas. Rund 90 Prozent der Grundnahrungsmittel und fast die Gesamtheit der Pharmazeutika und Gebrauchsgüter werden importiert. Eine an den Bedürfnissen der Bevölkerung orientierte oder auf Autarkie zielende Industrialisierung hat nicht stattgefunden. Die Staatseinnahmen – und damit die Fähigkeit zur Subventionierung von Grundbedürfnissen (Grundnahrungsmittel, Wohnungsbau, Infrastruktur) – sind seit 2014 aufgrund des sinkenden Öl- und Gaspreises drastisch zurückgegangen (RLS 17.12.2019; vgl. BS 29.4.2020).

Algerien leistet sich aus Gründen der sozialen und politischen Stabilität ein für die Möglichkeiten des Landes aufwendiges Sozialsystem, das aus den Öl- und Gasexporten finanziert wird. Algerien ist eines der wenigen Länder, die in den letzten 20 Jahren eine Reduktion der Armutsquote von 25% auf 5% erreicht hat. Schulbesuch und Gesundheitsfürsorge sind kostenlos. Energie, Wasser und Grundnahrungsmittel werden stark subventioniert. Ein Menschenrecht auf Wohnraum wird anerkannt. Für Bedürftige wird Wohnraum kostenlos zur Verfügung gestellt. Missbräuchliche Verwendung ist häufig (ÖB 11.2019).

Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln ist bislang durch umfassende Importe gewährleistet. Insbesondere im Vorfeld religiöser Feste, wie auch im gesamten Monat Ramadan, kommt es allerdings immer wieder zu substanziellen Preissteigerungen bei Grundnahrungsmitteln. Für Grundnahrungsmittel wie Weizenmehl, Zucker und Speiseöl gelten Preisdeckelungen und Steuersenkungen. Im Bereich der Sozialfürsorge kommt, neben geringfügigen staatlichen Transferleistungen, vornehmlich der Familien-, im Süden des Landes auch der Stammesverband, für die Versorgung alter Menschen, Behinderter oder chronisch Kranker auf. In den Großstädten des Nordens existieren „Selbsthilfegruppen“ in Form von Vereinen, die sich um spezielle Einzelfälle (etwa die Einschulung behinderter Kinder) kümmern. Teilweise fördert das Solidaritätsministerium solche Initiativen mit Grundbeträgen (AA 25.6.2019).

Die Arbeitslosigkeit liegt bei 12 bis 17%, die Jugendarbeitslosigkeit (15-24-jährige) bei 30 bis 50% (WKO 10.2019 [jeweils niedrigerer Wert], RLS 17.12.2019 [jeweils höherer Wert]). Das staatliche Arbeitsamt Agence national d’emploi / ANEM (http://www.anem.dz/) bietet Dienste an, es existieren auch private Jobvermittlungsagenturen (z.B. http://www.tancib.com/index.php?page=apropos). Seit Februar 2011 stehen jungen Menschen Starthilfekredite offen, wobei keine Daten darüber vorliegen, ob diese Mittel ausgeschöpft wurden. Die Regierung anerkennt die Problematik der hohen Akademikerarbeitslosigkeit. Grundsätzlich ist anzumerken, dass allen staatlichen Genehmigungen/Unterstützungen eine (nicht immer deklarierte) sicherheitspolitische Überprüfung vorausgeht, und dass Arbeitsplätze oft aufgrund von Interventionen besetzt werden. Der offiziell erfasste Wirtschaftssektor ist von staatlichen Betrieben dominiert (ÖB 11.2019).

Im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie werden an vulnerable Familien in isolierten und vom Lockdown besonders betroffenen Gebieten Lebensmittel und Hygieneprodukte verteilt (Gentilini et al 12.6.2020: 29f).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (25.6.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Demokratischen Volksrepublik Algerien (Stand: Mai 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/2014264/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Demokratischen_Volksrepublik_Algerien_%28Stand_Mai_2019%29%2C_25.06.2019.pdf, Zugriff 27.11.2019

- BS - Bertelsmann Stiftung (29.4.2020): BTI 2020 Country Report - Algeria, https://www.bti-project.org/content/en/downloads/reports/country_report_2020_DZA.pdf, Zugriff 23.6.2020

- Gentilini, Ugo; Mohamed Almenfi, Pamela Dale, Ana Veronica Lopez, Ingrid Veronica Mujica, Rodrigo Quintana, Usama Zafar (12.6.2020): Social Protection and Jobs Responses to COVID-19: A Real-Time Review of Country Measures - “Living paper” version 11 (June 12, 2020), http://documents.worldbank.org/curated/en/590531592231143435/pdf/Social-Protection-and-Jobs-Responses-to-COVID-19-A-Real-Time-Review-of-Country-Measures-June-12-2020.pdf, Zugriff 17.6.2020

- IPB - Institut für Protest- und Bewegungsforschung (12.6.2020): Hirak – Bewegung in Algerien, https://protestinstitut.eu/hirak-bewegung-in-algerien/, Zugriff 17.6.2020

- ÖB - Österreichische Botschaft Algier (11.2019): Asylländerbericht Algerien.

- RLS - Rosa-Luxemburg-Stiftung (17.12.2019): Algerien: Wahlen gegen Legitimität, https://www.rosalux.de/news/id/41412/algerien-wahlen-gegen-legitimitaet, Zugriff 17.6.2020

- WKO - Wirtschaftskammer Österreich (10.2019): Länderprofil Algerien, https://wko.at/statistik/laenderprofile/lp-algerien.pdf, Zugriff 18.3.2020

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Sachverhalt:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des BF vor dieser am 21.10.2020 und im Beisein der Rechtsberatung am 23.10.2020 sowie den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 21.10.2020, in den bekämpften Bescheid vom 23.10.2020 und in den Beschwerdeschriftsatz sowie in das „Länderinformationsblatt der Staatendokumentation“ zu Algerien. Ergänzend wurden Auszüge des Zentralen Melderegisters (ZMR), des Informationsverbundsystems Zentrales Fremdenregister (IZR), des Betreuungsinformationssystems über die Grundversorgung (GVS) und des Strafregisters eingeholt, weiters auch ein Sozialversicherungsdatenauszug.

Der BF bestreitet den von der belangten Behörde festgestellten Sachverhalt nicht substantiiert und erstattete in der Beschwerde auch kein konkretes sachverhaltsbezogenes Vorbringen, sodass das Bundesverwaltungsgericht den maßgeblichen Sachverhalt als ausreichend ermittelt ansieht und sich der von der belangten Behörde vorgenommenen, nachvollziehbaren Beweiswürdigung vollumfänglich anschließt.

Die belangte Behörde hat ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse dieses Verfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammengefasst. Das Bundesverwaltungsgericht verweist daher zunächst auf diese schlüssigen und nachvollziehbaren beweiswürdigenden Ausführungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid. Auch der Beschwerde vermag das Bundesverwaltungsgericht keine neuen Sachverhaltselemente zu entnehmen, welche geeignet wären, die von der erstinstanzlichen Behörde getroffenen Entscheidungen in Frage zu stellen.

2.2. Zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zu seinen Lebensumständen, seiner Herkunft, seiner Glaubens- und Volksgruppenzugehörigkeit ergibt sich aus den Angaben des BF bei der Erstbefragung und vor der belangten Behörde.

Da der BF entweder nicht im Stande oder nicht Willens war, den österreichischen Behörden identitätsbezeugende Dokumente vorzulegen, steht seine Identität nicht fest. So gab er vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes an, dass er seinen Reisepass bei einem Bekannten in der Türkei zurückgelassen habe (AS 9).

Die Feststellung zum Gesundheitszustand des BF ergibt sich aus den glaubhaften Angaben des BF vor der belangten Behörde am 21.10.2020 (AS 39) und am 23.10.2020 (AS 87).

Die Feststellung zur Arbeitsfähigkeit des BF ergibt sich aus den Angaben des BF in den niederschriftlichen Einvernahmen. So gab er an, dass er in Algerien als Selbständiger im Bereich des Marketings gearbeitet habe (AS 43). Des Weiteren gab er an, dass er zuletzt in der Türkei in einer Textilfabrik beschäftigt gewesen sei (AS 41).

Die Feststellung zur Ausreise des BF ergibt sich aus seinen Angaben in der Erstbefragung. So gab er an, dass er von Algerien über die Türkei und weiteren Länder nach Österreich reiste (AS 9).

Die Feststellung zu seinen Sprachkenntnissen ergibt sich aus den Angaben des BF in der Erstbefragung und in den niederschriftlichen Einvernahmen vor der belangten Behörde. Die Feststellung, wonach der BF Tamazight spricht, ergibt sich aus dem Beschwerdeschriftsatz.

Die Feststellungen zu seiner schulischen und universitären Ausbildung in Algerien ergeben sich aus den Angaben des BF in der Erstbefragung, in den niederschriftlichen Einvernahmen sowie aus dem Beschwerdeschriftsatz.

Die Feststellungen zu seiner in Algerien lebenden Ehefrau und seiner Familie ergeben sich aus den Angaben des BF in den niederschriftlichen Einvernahmen. Die Feststellung, wonach der BF regelmäßig zu seiner im Herkunftsstaat lebenden Familie Kontakt hat, ergibt sich ebenfalls aus seinen Angaben. So gab er an, dass er zuletzt vor einer Woche mit seiner Familie Kontakt hatte (AS 41).

Die Feststellung, wonach der BF über keine familiären Anknüpfungspunkte in Österreich verfügt, ergibt sich aus den Angaben des BF in der niederschriftlichen Einvernahme (AS 43).

Die Feststellung zur Integration des BF in Österreich ergibt sich aus den Angaben des BF in der niederschriftlichen Einvernahme am 21.10.2020 (AS 43) sowie unter Zugrundelegung der kurzen Dauer - von einem Monat - seines Aufenthaltes im Bundesgebiet.

Die Feststellung zu seiner strafgerichtlichen Unbescholtenheit in Österreich ergibt sich aus dem aktuellen Strafregisterauszug.

2.3. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

Da im gegenständlichen Verfahren die Aussage des BF die zentrale Erkenntnisquelle darstellt, müssen die Angaben des BF bei einer Gesamtbetrachtung auf ihre Glaubwürdigkeit überprüft werden. Generell ist zur Glaubwürdigkeit eines Vorbringens auszuführen, dass eine Aussage grundsätzlich dann als glaubhaft zu qualifizieren ist, wenn das Vorbringen hinreichend substantiiert ist; der BF sohin in der Lage ist, konkrete und detaillierte Angaben über von ihm relevierte Umstände bzw. Erlebnisse zu machen. Weiters muss das Vorbringen plausibel sein, d.h. mit überprüfbaren Tatsachen oder der allgemeinen Lebenserfahrung entspringenden Erkenntnissen übereinstimmen. Hingegen scheinen erhebliche Zweifel am Wahrheitsgehalt einer Aussage angezeigt, wenn der BF den seiner Meinung nach seinen Antrag stützenden Sachverhalt bloß vage schildert oder sich auf Gemeinplätze beschränkt. Weiteres Erfordernis für den Wahrheitsgehalt einer Aussage ist, dass die Angaben in sich schlüssig sind; so darf sich der BF nicht in wesentlichen Passagen seiner Aussage widersprechen.

Es ist für das das Bundesverwaltungsgericht schlüssig nachvollziehbar, dass die belangte Behörde dieses Fluchtvorbringen als widersprüchlich und daher unglaubwürdig einstuft. Dem BF ist es nicht gelungen, ein asylrelevantes Vorbringen glaubwürdig und in sich schlüssig darzulegen. Insbesondere nicht im Hinblick auf eine Flucht aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung aus politischen Gründen, religiösen Gründen, der Nationalität oder der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe. Dieser Beurteilung tritt auch die Beschwerde in keiner Weise entgegen, sodass für das Bundesverwaltungsgericht kein Grund besteht, an der Würdigung der belangten Behörde zu zweifeln. Daher schließt sich das Bundesverwaltungsgericht dieser Beweiswürdigung vollinhaltlich an.

Der belangten Behörde kann vor diesem Hintergrund nicht entgegengetreten werden, wenn sie in Zusammenschau der Angaben des BF letztlich davon ausgeht, dass dem BF keine Verfolgung im Sinne der GFK droht, bzw. dass er nicht glaubhaft machen konnte, dass er in seinem Heimatstaat einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt war.

Wie sich aus der Erstbefragung am 21.10.2020 und den Einvernahmen im Verfahren vor der belangten Behörde am 21.10.2020 und am 23.10.2020 in Anwesenheit einer Rechtsberatung sowie aus der Beschwerde ergibt, hatte der BF im gesamten Verfahren ausreichend Zeit und Gelegenheit, seine Fluchtgründe umfassend und im Detail darzulegen sowie allfällige Beweismittel vorzulegen. Im Übrigen wurde der BF von der belangten Behörde auch zur umfassenden und detaillierten Angaben von Fluchtgründen und zur Vorlage allfälligen Beweismitteln aufgefordert sowie über die Folgen unrichtiger Angaben belehrt.

Vorweg ist auszuführen, dass die Identität des BF nicht festgestellt werden konnte, da der BF seinen Reisepass bewusst in der Türkei bei einem Bekannten zurückgelassen hat.

In der Erstbefragung gab der BF zusammenfassend an, dass er Algerien aufgrund der wirtschaftlichen Lage verlassen hat und er seine Familie finanziell unterstützen möchte. Darüber hinaus gab er an Angst vor der Zukunft zu haben. In der niederschriftlichen Einvernahme am gleichen Tag gab er zusammengefasst an, dass er mit seinem Einkommen in Algerien nicht gut leben konnte und um seinen Lebensstandard zu verbessern sei er nach Österreich gereist, jedoch sei aufgrund seiner französischen Sprachkenntnisse Frankreich sein Zielland gewesen. Auf Nachfrage gab er an, dass er aus wirtschaftlichen Gründe seine Heimat verlassen habe. Zudem gab er an, sonst keine Probleme beziehungsweise Schwierigkeiten in Algerien gehabt zu haben. Seine Volksgruppenzugehörigkeit der Amazigh wurde vom BF erstmals in der niederschriftlichen Einvernahme am 23.10.2020 vorgebracht, weder in der Erstbefragung noch in der niederschriftlichen Einvernahme am 21.10.2020 brachte er vor dieser Volksgruppe anzugehören. Am 23.10.2020 brachte er vor aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit keine Arbeit in Algerien zu finden. Dementgegen ist auszuführen, dass der BF seinen eigenen Angaben nach als Selbständiger im Bereich des Marketings ein Unternehmen geführt habe und davon leben konnte. Seine Mutter und seine Schwester würden von der Pension seines Vaters leben. Darüber hinaus war es dem BF trotz seiner Volksgruppenzugehörigkeit in Algerien möglich ein Soziologiestudium zu absolvieren.

Wie die belangte Behörde zutreffend ausgeführt hat, hat der BF weitere Fluchtgründe nicht vorgebracht und verneinte sowohl eine politische Tätigkeit als auch Probleme aufgrund seiner Religionszugehörigkeit, sodass in einer Gesamtbetrachtung aller relevanten Umstände keine asylrelevante Verfolgung in Algerien erkennbar ist, zudem hat der BF selbst angegeben, dass er im Falle seiner Rückkehr weder die Todesstrafe oder unmenschliche Behandlung zu befürchten hätte.

Eine persönliche gegen ihn gerichtete Bedrohung oder Verfolgung lässt sich dem Vorbringen des BF nicht entnehmen bzw. konnte er dies nicht glaubhaft machen und hat er dahingehend auch in der Beschwerde kein substantiiertes Vorbringen erstattet.

Es ist der belangten Behörde aufgrund der Angaben zuzustimmen, dass die Ausführungen des BF in ihrer Gesamtbetrachtung klar erkennen lassen, dass der BF Algerien in Erwartung besserer Lebensbedingungen und wirtschaftliche Rahmenbedingungen verlassen habe.

Es kann in diesem Zusammenhang auch nicht als Aufgabe der belangten Behörde gesehen werden, dem BF dahingehend anzuleiten, dass er ein Vorbringen erstattet welches unter Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention zu subsumieren ist, sondern liegt es am BF ein detailliertes und stimmiges Vorbringen zu erstatten, um die nötige Asylrelevanz feststellen zu können.

Auch der Verwaltungsgerichtshof vertritt die Ansicht, dass es dem Asylwerber obliegt, alles Zweckdienliche für die Erlangung der von ihm angestrebten Rechtsstellung vorzubringen (VwGH 20.1.1993, 92/01/0752; 19.5.1994, 94/19/0465 mwN.) und dass weder die erstinstanzliche Behörde noch das Bundesverwaltungsgericht verpflichtet ist, den Antragsteller derart anzuleiten, dass sein Antrag von Erfolg gekrönt sein muss.

Die Ausführungen des BF lassen in ihrer Gesamtbetrachtung die Fluchtgeschichte als reine gedankliche Konstruktion erscheinen, der jegliche Stringenz hinsichtlich einer Verfolgung/ Bedrohung fehlt, sodass davon auszugehen ist, dass diese Geschichte nur zum Zwecke der Erlangung eines Aufenthaltstitels vorgebracht wurde.

Es wird vom BF darüber hinaus in seiner Beschwerde kein konkretes Vorbringen, welches über sein Vorbringen im Administrativverfahren hinausgeht erstattet. Seine Beschwerdebegründung erschöpft sich darin, dass er als Angehöriger der Berber Volksgruppe Amazigh diskriminiert wird, ohne individuelle asylrelevante Tatsachen vorzubringen, oder sich mit der konkreten Beweiswürdigung auseinander zu setzen und geht auch nicht substantiiert darauf ein, warum das Fluchtvorbringen entgegen der Ansicht der belangten Behörde subjektiv einen asylrechtlichen Tatbestand erfüllen würde. Insgesamt gelingt es dem BF nicht, die Asylrelevanz seines Vorbringens glaubhaft erscheinen zu lassen, weshalb für das Bundesverwaltungsgericht kein Grund besteht, an der Würdigung der belangten Behörde zu zweifeln.

Für das Bundesverwaltungsgericht besteht daher kein Grund, an der Würdigung der belangten Behörde zu zweifeln und entfaltet auch das Beschwerdevorbringen in Zusammenhang mit einer Bedrohung bzw. Verfolgung aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Ethnie der Berber keine Entscheidungsrelevanz. Das Bundesverwaltungsgericht verkennt dabei nicht, dass sich rund 15% der algerischen Bevölkerung der berberischen Volksgruppe zugehörig fühlt und das Zusammenleben mit der arabischen Mehrheitsbevölkerung durchaus von Spannungen geprägt ist. Allerdings erreichen diese - insbesondere unter Berücksichtigung der Ausführungen in den Länderberichten - kein derartiges Ausmaß, dass sich daraus eine systematische Diskriminierung und Verfolgung von Berbern in Algerien schließen lässt.

Das Bundesverwaltungsgericht kommt daher - wie auch die belangte Behörde - zu dem Schluss, dass der BF keine individuelle Verfolgung, bzw. asylrelevante Fluchtgründe im Sinne der GFK angegeben hat, bzw. dass seinem Vorbringen die Asylrelevanz zu versagen war.

Sofern im Beschwerdeschriftsatz zum Ausdruck gebracht wird, dass ihm aufgrund seines Vorbringens eine Rückkehr nach Algerien nicht mehr möglich sei und er sich bei seiner Rückkehr nach Algerien in eine ausweglose, seine Rechte nach Art. 2 und Art. 3 EMRK verletzende Lage geraten würde, ist dies unter dem Gesichtspunkt der mangelnden Asylrelevanz seines Vorbringens zu beurteilen und kann demnach weder eine Verfolgung durch den Staat gesehen werden, dies vor allem, unter dem Gesichtspunkt, dass ihm aufgrund seiner eigenen Angaben eine staatliche Verfolgung gar nicht droht, weshalb es ihm zumutbar ist, nach Algerien zurückzukehren und unter Zugrundelegung dieser Ausführungen auch keine gesonderte weitere Beurteilung hinsichtlich einer innerstaatlichen Fluchtalternative erforderlich war.

Des Weiteren kann nicht davon ausgegangen werden, dass der gesunde und arbeitsfähige 33-Jährige BF, der laut eigenen Angaben über eine Schul- und eine Universitätsausbildung sowie über Berufserfahrung verfügt, bei einer Rückkehr ins Herkunftsland in Bezug auf existentielle Grundbedürfnisse in eine ausweglose Situation geraten würde, zumal er in Algerien über ein familiäres Netzwerk verfügt. So lebt seine Ehefrau, seine Eltern und seine fünf Geschwister in Algerien. Darüber hinaus verfügt der BF über weitere Verwandte in seiner Heimat. Der BF ist auch nicht von willkürlicher Gewalt infolge eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts bedroht. Ferner ist Algerien ein sicherer Herkunftsstaat.

2.4. Zum Herkunftsstaat:

Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat beruhen auf dem aktuellen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation für Algerien und den dort zitierten Quellen. Dieser Bericht stützt sich sowohl auf Berichten verschiedener ausländischer Behörden, etwa die allgemein anerkannten Berichte des Deutschen Auswärtigen Amtes, als auch jene von internationalen Organisationen, wie bspw. dem UNHCR, sowie Berichte von allgemein anerkannten unabhängigen Nachrichtenorganisationen, wie zum Beispiel der Schweizerischen Flüchtlingshilfe.

Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängigen Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wissentliche Widersprüche dargestellt wird, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

Aufgrund der Kürze der verstrichenen Zeit zwischen der Erlassung des bekämpften Bescheides und der vorliegenden Entscheidung von rund einem Monat haben sich keine Änderungen zu den im bekämpften Bescheid getroffenen Länderfeststellungen ergeben. Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich daher diesen Feststellungen vollinhaltlich an.

Auch wenn die angespannte wirtschaftliche Lage in Algerien durchaus nicht verkannt wird, steht es für das Bundesverwaltungsgericht nach Würdigung sämtlicher Umstände fest, dass Algerien ein Staat ist, der hinsichtlich seiner Bürger schutzfähig und schutzwillig ist und dass dem jungen, gesunden und arbeitsfähigen BF daher aufgrund der Lage im Herkunftsstaat mit höchster Wahrscheinlichkeit keine Gefahr an Leib und Leben oder einer unmenschlichen Strafe droht, wenn er nach Algerien zurückkehrt. Das unsubstantiierte Vorbringen im Zuge der Beschwerde vermag dabei keine gegenteilige Ansicht zu erwirken.

In Zusammenhang mit der COVID-19-Situation gilt es anzumerken, dass es sich um eine weltweite Pandemie handelt, somit sowohl Österreich als auch Algerien davon betroffen ist.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde

3.1.    Zur Nichtgewährung von Asyl (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):

Vorab ist zum Antrag im Beschwerdeschriftsatz hinsichtlich der Volksgruppenzugehörigkeit des BF ein Sprachgutachten einzuholen auszuführen, dass der BF unzweifelhaft der Volksgruppe der Amazigh angehört. Im gegenständlichen Erkenntnis wurde auch festgestellt, dass der BF Tamazight spricht, gleichwohl dies trotz Beisein einer Rechtsberatung erstmals im Beschwerdeschriftsatz erwähnt wurde. Da der BF unstrittig Berber ist und Tamazight spricht wird die Einholung eines Sprachgutachtens für nicht notwendig erachtet.

Gemäß § 3 Abs 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 leg. cit. zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art 1 Absch A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht.

Im Sinne des Art 1 Absch A Z 2 GFK ist als Flüchtling anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität und Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich in Folge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentraler Aspekt der in Art 1 Absch A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 06.10.1999, 99/01/0279).

Selbst in einem Staat herrschende allgemein schlechte Verhältnisse oder bürgerkriegsähnliche Zustände begründen für sich alleine noch keine Verfolgungsgefahr im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention. Um eine Verfolgung im Sinne des AsylG erfolgreich geltend zu machen, bedarf es einer zusätzlichen, auf asylrelevante Gründe gestützten Gefährdung des Asylwerbers, die über die gleichermaßen die anderen Staatsbürger des Herkunftsstaates treffenden Unbilligkeiten hinausgeht (VwGH 19.10.2000, 98/20/0233).

Im vorliegenden Fall brachte der BF als Fluchtgrund vor, Algerien verlassen zu haben, da er als Angehöriger der Berber Volksgruppe Amazigh keine Arbeit gefunden zu haben. Wie in der Beweiswürdigung bereits dargestellt, konnte der BF im gegenständlichen Verfahren keine begründete Furcht vor einer asylrelevanten Verfolgung durch staatliche Behörden darlegen, bzw. war seinem Vorbringen aus den obgenannten Gründen die Asylrelevanz zu versagen.

Im gegenständlichen Fall gelangt das Bundesverwaltungsgericht zum Ergebnis, dass der BF keiner individuellen Verfolgung im Herkunftsstaat ausgesetzt war oder im Fall der Rückkehr ausgesetzt wäre, sodass internationaler Schutz nicht zu gewähren ist. Die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt jedenfalls nicht, um den Status des Asylberechtigten zu erhalten (VwGH 15.12.2015, Ra 2015/18/0100). Dass in Algerien eine generelle und systematische Verfolgung der Volksgruppe der Berber stattfindet, kann aus den länderkundlichen Feststellungen zur Lage in Algerien nicht abgeleitet werden. Wiewohl nicht auszuschließen ist, dass es nach Einschätzung der Botschaft eine Diskriminierung auf Grund der berberischen Herkunft im Einzelfall vorkommen kann. Aufgrund der obigen Ausführungen hat der BF aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit keine individuell gegen seine Person gerichtete Verfolgung zu befürchten.

Der BF hat demnach nicht bereits aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit eine individuell gegen seine Person gerichtete Verfolgung zu befürchten.

Eine darüberhinausgehende persönliche Bedrohung oder Verfolgung wurde weder von Seiten des BF behauptet noch war eine solche für das Bundesverwaltungsgericht erkennbar.

Die Voraussetzungen für die Erteilung von Asyl sind daher nicht gegeben. Aus diesem Grund war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs 2 VwGVG iVm § 3 Abs 1 AsylG als unbegründet abzuweisen.

3.2.    Zur Nichtgewährung von subsidiärem Schutz (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß § 8 Abs 1 Z 1 AsylG ist einem Fremden der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zur EMRK (ZPERMRK) bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Im Rahmen der Prüfung des Einzelfalls ist die Frage zu beantworten, ob einem Fremden im Falle der Abschiebung in seinen Herkunftsstaat ein – über eine bloße Möglichkeit hinausgehendes – "real risk" einer gegen Art 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht (vgl VwGH 28.06.2011, 2008/01/0102; 06.11.2018, Ra 2018/01/0106 mwH). Im Sinne einer mit der Statusrichtlinie (Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.04.2004) konformen Auslegung des § 8 Abs 1 AsylG ist subsidiärer Schutz nur zu gewähren, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme vorliegen, dass er bei seiner Rückkehr in sein Herkunftsland tatsächlich Gefahr liefe, eine der drei in Art 15 der Statusrichtlinie definierten Arten eines ernsthaften Schadens (Todesstrafe oder Hinrichtung [lit. a], Folter, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung des BF im Herkunftsstaat [lit b] und ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts [lit c]) zu erleiden (VwGH 06.11.2018, Ra 2018/01/0106 mit Verweis auf die dort zitierte Rechtsprechung des EuGH).

Dem BF droht in Algerien keine Gefahr einer asylrelevanten Verfolgung. Es droht ihm auch keine reale Gefahr, im Falle seiner Rückkehr entgegen Art 3 EMRK behandelt zu werden. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzungen des Art 3 EMRK ist hingegen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht ausreichend. Diese Lebensumstände betreffen sämtliche Personen, die in Algerien leben und können daher nicht als Grund für die Zuerkennung eines Status eines subsidiär Schutzberechtigten herangezogen werden. So liegt hinsichtlich des BF kein stichhaltiger Grund dafür dar anzunehmen, dass der BF bei seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat tatsächlich in Gefahr liefe, die Todesstrafe oder Hinrichtung, die Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung des BF in Algerien und auch nicht eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit des BF in Folge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes in Algerien erleiden würde. Nachdem keine Gründe ersichtlich sind, die auf den Vorwurf einer Straftat, welcher zu der Verhängung der Todesstrafe, der Folter oder Bestrafung des Antragstellers im Herkunftsstaat hindeuten könnten, ist ein „ernsthafter Schaden“ im Sinne des Art 15 der Statusrichtlinie auszuschließen. Ein bewaffneter Konflikt besteht in Algerien ebenfalls nicht. Zwar ist es so, dass in Algerien die Sicherheitslage nicht mit der österreichischen vergleichbar ist, jedoch erreichen die nach dem Länderinformationsblatt für Algerien möglichen Gewaltakte nicht ein so hohes Niveau, dass stichhaltige Gründe dafür bestehen, dass der BF bei einer Rückkehr nach Algerien alleine durch seine Anwesenheit im Gebiet von Algerien tatsächlich in Gefahr liefe, einer solchen Bedrohung ausgesetzt zu sein. Der BF konnte nicht glaubhaft machen, dass er aufgrund seiner persönlichen Situation in Algerien und den hiermit verbundenen Umständen spezifisch von willkürlicher Gewalt in Algerien betroffen wäre. Daher ist auch diese Voraussetzung für die Gewährung subsidiären Schutzes nicht erfüllt. Eine Gefahr eines ernsthaften Schadens durch unmenschliche oder erniedrigende Behandlung des BF in Algerien liegt ebenfalls nicht vor.

Der BF gehört weder einer Bevölkerungsgruppe an, die in Algerien allgemein einer besonderen Gefahr ausgesetzt worden wäre, noch liegen individuelle Bedrohungen, die dazu führen könnten, dass der BF bei Rückkehr nach Algerien einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt worden wäre. Wie schon ausgeführt ist ein generelles diskriminierende Verhalten gegen die Volksgruppe der Berber nicht erkennbar.

Ganz allgemein besteht in Algerien derzeit keine solche Gefährdungslage, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung im Sinne des Art 2 oder Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zur EMRK ausgesetzt wäre. Im Verfahren sind auch keine diesbezüglichen Umstände bekannt geworden. Es ergeben sich auch aus dem Länderinformationsblatt für Algerien keine Gründe, die es naheliegen würde, dass bezogen auf den BF, ein reales Risiko gegen Art 2 oder 3 EMRK verstoßenden Behandlung oder Strafe bzw der Todesstrafe besteht.

Zudem gilt Algerien als ein sicherer Herkunftsstaat gemäß § 1 Z 10 der Herkunftsstaaten-Verordnung.

Im vorliegenden Fall ist zu beachten, dass der noch junge BF arbeitsfähig und gesund ist. Es ist davon auszugehen, dass der BF deshalb bei seiner Rückkehr nach Algerien jedenfalls einen zumindest bescheidenen Lebensunterhalt verdienen wird. Zumal er in Algerien die Schule und ein Studium absolvierte und in seinem Herkunftsstaat als Selbständiger im Bereich Marketing tätig war. Darüber hinaus spricht der BF mehrere Sprachen. Hinzu kommt, dass seine Ehefrau, seine Familie und Freunde in Algerien leben.

Der BF kann auch durch die Inanspruchnahme von Rückkehrhilfe zumindest übergangsweise das Auslangen finden, weshalb auch nicht zu befürchten ist, dass er bereits unmittelbar nach seiner Rückkehr und noch bevor er in der Lage wäre, selbst für seinen Unterhalt zu sorgen, in eine existenzbedrohende bzw. wirtschaftlich ausweglose Lage geraten könnte.

Schließlich ist im Hinblick auf die derzeit bestehende Pandemie aufgrund des Corona-Virus festzuhalten, dass der BF aktuell 33 Jahre alt ist und an keinen schwerwiegenden Erkrankungen leidet, womit er nicht unter die Risikogruppe der älteren Personen und der Personen mit Vorerkrankungen fällt. Ein bei einer Überstellung des BF nach Algerien vorliegendes „real risk“ einer Verletzung des Art. 3 EMRK ist somit auch hierzu nicht zu erkennen.

Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, sodass sie auch hinsichtlich des Spruchpunktes II. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs 2 VwGVG iVm § 8 Abs 1 Z 1 AsylG abzuweisen war.

3.3.    Zur Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß § 58 Abs 1 AsylG hat das Bundesamt die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG (Aufenthaltstitel besonderer Schutz) von Amts wegen zu prüfen, wenn der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird (Z 2) oder wenn ein Fremder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt (Z 5). Gemäß § 58 Abs 2 AsylG hat das Bundesamt einen Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG (Aufenthaltstitel aus Gründen des Art 8 EMRK) von Amts wegen zu erteilen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs 1 bis 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt wird. Das Bundesamt hat über das Ergebnis der von Amts wegen erfolgten Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen (§ 58 Abs 3 AsylG). Auch wenn der Gesetzgeber das Bundesamt im Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung zur Prüfung und spruchmäßigen Erledigung der Voraussetzungen der §§ 55 und 57 AsylG von Amts wegen, dh auch ohne dahingehenden Antrag des BF, verpflichtet, ist die Frage der Erteilung eines solchen Titels auch ohne vorhergehenden Antrag im Beschwerdeverfahren gegen den negativen Bescheid durchsetzbar und daher Gegenstand der Sachentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl VwGH 28.01.2015, Ra 2014/20/0121).

Indizien dafür, dass der BF einen Sachverhalt verwirklicht, bei dem ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG (Aufenthaltstitel besonderer Schutz) zu erteilen wäre, sind weder vorgebracht worden, noch hervorgekommen: Weder war der Aufenthalt des BF seit mindestens einem Jahr im Sinne des § 46 Abs 1 Z 1 oder Z 3 FPG geduldet, noch ist dieser zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig, noch ist der BF Opfer von Gewalt im Sinne des § 57 Abs 1 Z 3 AsylG. Ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG war daher nicht zu erteilen.

Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, dass sie hinsichtlich des Spruchpunktes III. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs 2 VwGVG iVm § 57 AsylG, abzuweisen war.

3.4.    Zur Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz (dem AsylG) mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird.

Gemäß § 52 Abs 1 Z 1 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt.

Gemäß § 9 Abs 1 BFA-VG ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, wenn dadurch in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind insbesondere die in § 9 Abs 2 Z 1 bis 9 BFA-VG aufgezählten Gesichtspunkte zu berücksichtigen (die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration, die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist).

Zu prüfen ist, ob die von der belangten Behörde getroffene Rückkehrentscheidung mit Art 8 EMRK vereinbar ist, weil sie nur dann zulässig wäre und nur im verneinenden Fall ein Aufenthaltstitel nach § 55 AsylG überhaupt in Betracht käme. Die Vereinbarkeit mit Art 8 EMRK ist aus folgenden Gründen gegeben:

Das vorliegende Asylverfahren erreichte, gerechnet von der Antragstellung am 20.10.2020 bis zum Datum der vorliegenden Entscheidung am 23.10.2020 rund eine Woche. Der seit 20.10.2020 andauernde Aufenthalt des BF beruhte dessen ungeachtet auf einer vorläufigen, nicht endgültig gesicherten rechtlichen Grundlage, weshalb dieser während der gesamten Daher des Aufenthaltes in Österreich nicht darauf vertrauen durfte, dass er sich in Österreich auf rechtlich gesicherte Weise bleibend verfestigen kann.

Hinsichtlich eines in Österreich im Sinne des Art. 8 EMRK geschützten Familienlebens ist auszuführen, dass das Bestehen eines Familienlebens vom BF nicht behauptet wurde und stellt somit die Ausweisungsentscheidung schon aus dieser Erwägung keine Verletzung des Art. 8 EMRK dar (AsylGH 03.12.2009, A2 253.985-0/200853).

Das Gewicht seiner privaten Interessen wird daher dadurch gemindert, dass sie in einem Zeitpunkt entstanden, in dem er sich seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst war (vgl VwGH 19.02.2009, 2008/18/0721; 30.04.2009, 2009/21/0086; VfSlg. 18.382/2008 mHa EGMR 24.11.1998, 40.447/98, Mitchell; EGMR 11.04.2006, 61.292/00, Useinov). Der BF führt – wie die belangte Behörde zu Recht ausführt – nach eigenen Angaben keine Lebensgemeinschaft oder eine „familienähnliche“ Beziehung in Österreich. Es fehlen alle Sachverhaltselemente, aus denen sich die Existenz gewisser in einem Zeitraum eines rund ein monatigen Aufenthaltes entstandener – unter dem Gesichtspunkt des Privatlebens relevanter – Bindungen allenfalls hätte ergeben können (wie etwa Teilnahme am Erwerbsleben und am sozialen Leben in Österreich, Selbsterhaltungsfähigkeit, Erwerb von nachweisbaren Sprachkenntnissen). Gleichzeitig hat der BF in seinem Herkunftsstaat, in dem er aufgewachsen ist und knapp den Großteil seines bisherigen Lebens verbracht hat, sprachliche und kulturelle Verbindungen und auch soziale Anknüpfungspunkte.

Dem allenfalls bestehenden Interesse des BF an einem Verbleib in Österreich (bzw Europa) stehen öffentliche Interessen gegenüber.

Ihm steht das öffentliche Interesse daran gegenüber, dass das geltende Migrationsrecht auch vollzogen wird, indem Personen, die ohne Aufenthaltstitel aufhältig sind – gegebenenfalls nach Abschluss eines allfälligen Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz – auch zur tatsächlichen Ausreise verhalten werden. Bei einer Gesamtbetrachtung wiegt unter diesen Umständen das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der Durchsetzung der geltenden Bedingungen des Einwanderungsrechts und an der Befolgung der den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften, denen aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechthaltung der öffentlichen Ordnung – und damit eines von Art 8 Abs 2 EMRK erfassten Interesses – ein hoher Stellenwert zukommt (vgl zB VwGH 30.04.2009, 2009/21/0086), schwerer als die schwach ausgebildeten privaten Interessen des BF am Verbleib in Österreich.

Darüber hinaus hat sowohl der Verwaltungsgerichthof (vgl. VwGH vom 30.07.2015, Ra 2014/22/0055, VwGH vom 10.04.2019, Ra, 2019/18/0049 und Ra 2019/18/0058, VwGH 19.06.2019, Ra 2019/01/0051), als auch der Verfassungsgerichtshof (26.04.2010, U 493/10-5, VfGH 12.06.2013, U485/2012), bereits mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die durchzuführende Interessenabwägung zukommt und entspricht dies auch der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (siehe etwa EGMR, 08.04.2008, Nnyanzi v. UK, 21878/06).

Ebenso wenig vermag die strafgerichtliche Unbescholtenheit seine persönlichen Interessen entscheidend zu stärken (VwGH 25.02.2010, 2010/18/0029).

Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung kann daher nicht im Sinne von § 9 Abs 2 BFA-VG als unzulässig angesehen werden, weshalb auch die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG nicht in Betracht kommt.

Die sonstigen Voraussetzungen einer Rückkehrentscheidung nach § 10 Abs 1 Z 3 AsylG und § 52 Abs 2 Z 2 FPG sind erfüllt. Sie ist auch sonst nicht (zB vorübergehend nach Art 8 EMRK, vgl § 9 Abs 3 BFA-VG und VwGH 28.04.2015, Ra 2014/18/0146) unzulässig. Der BF verfügt auch über kein sonstiges Aufenthaltsrecht.

Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, dass sie hinsichtlich des Spruchpunktes IV. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs 2 VwGVG iVm § 10 Abs 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG und § 52 Abs 2 Z 2 FPG abzuweisen war.

3.5.    Zum Ausspruch, dass die Ausweisung nach Algerien zulässig ist (Spruchpunkt V.):

Gemäß § 52 Abs 9 FPG hat das Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 FPG in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist. Die Abschiebung in einen Staat ist gemäß § 50 Abs 1 FPG unzulässig, wenn dadurch Art 2 oder 3 EMRK oder deren 6. bzw 13. ZPEMRK verletzt würden oder für den Betroffenen als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes verbunden wäre. Gemäß § 50 Abs 2 FPG ist die Abschiebung in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort das Leben des Betroffenen oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder persönlichen Ansichten bedroht wäre, es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative. Nach § 50 Abs 3 FPG ist die Abschiebung unzulässig, solange ihr die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.

Im vorliegenden Fall liegen keine Gründe vor, wonach die Abschiebung in den Herkunftsstaat gemäß § 50 Abs 1 FPG unzulässig wäre.

Ein inhaltliches Auseinanderfallen der Entscheidungen nach § 8 Abs 1 AsylG (zur Frage der Gewährung von subsidiärem Schutz) und nach § 52 Abs 9 FPG (zur Frage der Zulässigkeit der Abschiebung) ist ausgeschlossen. Damit ist es unmöglich, die Frage der Zulässigkeit der Abschiebung in den Herkunftsstaat im Rahmen der von Amts wegen zu treffenden Feststellung nach § 52 Abs 9 FPG neu aufzurollen und entgegen der getroffenen Entscheidung über die Versagung von Asyl und subsidiärem Schutz anders zu beurteilen (vgl dazu etwa VwGH 16.12.2015, Ra 2015/21/0119 und auch die Beschlüsse VwGH 19.02.2015, Ra 2015/21/0005 und 30.06.2015, Ra 2015/21/0059 – 0062). Da – wie oben angeführt – keine Gründe für die Zuerkennung von internationalem Schutz hinsichtlich des Status eines subsidiär Schutzberechtigten vorliegen, ist im Sinne der oben zitierten, auch nach dem Erkenntnis VwGH 06.11.2018, Ra 2018/01/0106, weiterhin beachtlichen Judikatur eine neuerliche Prüfung eines Abschiebehindernisses aus Gründen der ernsthaften Gefahr der Todesstrafe, unmenschlichen Strafe oder Behandlung und der Gefahr durch einen innerstaatlichen oder zwischenstaatlichen bewaffneten Konflikt persönlich zu Schaden zu kommen, nicht mehr neu zu prüfen. Da die nach § 50 Abs 1 FPG vorzunehmende Prüfung der Zulässigkeit der Abschiebung über die von der Prüfung des subsidiären Schutzes erfassten Bereiche hinausgeht, ist in diesem Zusammenhang auch zu prüfen, ob die Abschiebung des BF nach Algerien eine Verletzung von Art 3 EMRK bedeutet, weil sonstige ernste Schäden aufgrund allgemeiner Unzulänglichkeiten im Herkunftsstaat dem BF drohen, etwa, dass der BF dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also bezogen auf den Einzelfall die Grundbedürfnisse der menschlich

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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