TE Bvwg Erkenntnis 2020/12/2 G307 2236817-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 02.12.2020
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Entscheidungsdatum

02.12.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs2
AsylG 2005 §57
BFA-VG §18 Abs2 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs1 Z1
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z5
FPG §55 Abs4

Spruch

G307 2236817-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Markus MAYRHOLD als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Bosnien und Herzegowina, vertreten durch RA Mag. Alexander FUCHS in 4020 Linz, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.09.2020, Zahl XXXX , zu Recht erkannt:

A)       Der Beschwerde wird insofern stattgegeben, als das Einreiseverbot auf 7 Jahre herabgesetzt wird und sich auf § 53 Abs. 1 iVm. Abs. 3 Z 5 FPG stützt. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

B)       Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Schreiben des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) vom 07.05.2020, dem Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) zugestellt am 12.05.2020, wurde dieser anlässlich seiner Verurteilung durch das LG XXXX , Zahl XXXX , vom XXXX .2020, wegen der Verbrechen des Suchtgifthandels gemäß § 28a Abs. 1 2. und 3. Fall, Abs. 4 Z 3 SMG, § 13 2. Fall StGB, § 28a Abs. 1 5. Fall Abs. 2 Z 2 und Abs. 4 Z 3 SMG sowie des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften gemäß § 27 Abs. 1 Z 1 1. und 2. Fall, Abs. 2 SMG, zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 3 Jahren, über die in Aussicht genommene Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot in Kenntnis gesetzt. Gleichzeitig wurde der BF zu einer dahingehenden Stellungnahme binnen zwei Wochen ab Erhalt dieses Schreibens aufgefordert.

2. Mit per Post am 22.05.2020 beim BFA eingebrachtem Schriftsatz gab der BF dazu eine Stellungnahme ab.

3. Mit oben im Spruch genannten Bescheid, dem Rechtsvertreter (RV) des BF zugestellt am 15.09.2020, wurde diesem ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt I.), gegen den BF gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen (Spruchpunkt II.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG nach Bosnien und Herzegowina (im Folgenden: BuH) zulässig sei (Spruchpunkt III.), gegen den BF gemäß § 53 Abs. 1 iVm. Abs. 3 Z 1 FPG ein auf 10 Jahre befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IV.), gemäß § 55 Abs. 4 FPG eine Frist zur freiwilligen Ausreise nicht gewährt (Spruchpunkt V.), sowie einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VI.),

4. Mit per Telefax am 08.10.2020 beim BFA eingebrachtem Schriftsatz erhob der BF durch seinen RV Beschwerde gegen den im Spruch genannten Bescheid beim Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG).

Darin wurden neben der Anberaumung einer mündlichen Verhandlung und Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung, die gänzliche Behebung des angefochtenen Bescheides samt Feststellung, dass eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig sei, in eventu die Zurückverweisung der Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an die belangte Behörde beantragt.

5. Die gegenständliche Beschwerde und der zugehörige Verwaltungsakt wurden dem BVwG samt einer kurzen Stellungnahme vom BFA vorgelegt und langten am 12.11.2020 ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der BF führt die im Spruch angegebene Identität (Name und Geburtsdatum), ist Staatsangehöriger der Republik BuH, ledig, frei von Obsorgepflichten, gesund und arbeitsfähig.

1.2 Der BF hält sich seit 09.01.2014 durchgehend gemeldet im Bundesgebiet auf und wurde ihm am XXXX .2014 erstmals ein in weiterer Folge wiederholt verlängerter befristeter Aufenthaltstitel erteilt. Der letzte dem BF erteilte befristete Aufenthaltstitel war bis XXXX .2019 gültig und hat er erst am XXXX .2020 einen Antrag auf Verlängerung desselben bei der zuständigen NAG-Behörde gestellt. Über den besagten Antrag ist seitens der NAG-Behörde noch keine Entscheidung ergangen.

1.3. Der BF wurde in BuH geboren hat im Bundesgebiet von XXXX .2015 bis XXXX .2018 eine Lehre als Dachdecker und Spengler bei der Firma XXXX , in XXXX , absolviert. Er war von 15.03.2019 bis 21.03.2019 sowie von 01.04.2019 bis zu seiner Festnahme am XXXX .2019 erwerbstätig und brachte zuletzt monatlich ca. € 2.000,00 ins Verdienen.

1.4. Im Bundesgebiet halten sich zudem der Bruder des BF, XXXX , geb. XXXX , StA. BuH, die Mutter des BF, XXXX , geb. XXXX , StA.: BuH sowie der Stiefvater des BF auf, mit denen der BF bis zu seiner Festnahme im gemeinsamen Haushalt gelebt hat. Ferner sind auch Cousinen und Cousins des BF in Österreich aufhältig, zu welchen ein besonderes Naheverhältnis jedoch nicht festgestellt werden konnte.

Der BF verfügt auch über soziale Anknüpfungspunkte in Österreich.

1.5. Der BF wurde am XXXX .2019 im Bundesgebiet festgenommen und mit Urteil des LG XXXX , zu Zahl XXXX , vom XXXX .2020, wegen der Verbrechen des Suchtgifthandels gemäß § 28a Abs. 1 2. und 3. Fall, Abs. 4 Z 3 SMG, § 13 2. Fall StGB, § 28a Abs. 1 5. Fall Abs. 2 Z 2 und Abs. 4 Z 3 SMG sowie dem Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften gemäß § 27 Abs. 1 Z 1 1. und 2. Fall, Abs. 2 SMG, zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 3 Jahren verurteilt.

Mit besagtem Urteil wurde der BF für schuldig befunden, er habe in XXXX und andernorts, teils als Mitglied einer – aus zumindest drei Personen, dem BF, dessen Bruder und dessen Mutter bestehenden – kriminellen Vereinigung, vorschriftswidrig Suchtgift

A.       in einer die Grenzmenge das 25fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge aus dem Ausland aus- und in Österreich eingeführt, nämlich

a.       als Bestimmungstäter (§ 12 2. Fall StGB) insgesamt unbekannte Mengen an Suchtgiften, jedoch ca. 2.700 Gramm Heroin und eine unbekannte Menge Ecstasy-Tabletten, und zwar

i.       von Jänner 2019 bis Anfang August 2019 eine unbekannte Menge Ecstasy-Tabletten, indem er diese über das Darknet bei unbekannten Tätern im Ausland (zu einem günstigeren Preis) bestellt und sie sich anschließend nach Wien und Linz liefern ließ;

ii.      von Jänner 2019 bis Anfang August 2019 eine unbekannte Menge, jedenfalls aber rund 2.700 Gramm Heroin beschafft, indem er das Heroin über das Darknet bei unbekannten Tätern und/oder dem abgesondert verfolgten G.Z. im Ausland (in Serbien) bestellte und es sich anschließend nach Wien und/oder Linz liefern ließ, wobei er alle zwei Wochen nach Wien fuhr und anfangs jeweils 50 Gramm nach XXXX beförderte (zumindest 10 Fahrten à 50g von Jänner bis Mai 2019) und dies auf 550 Gramm (zumindest vier Fahrten im Juni und Juli 2019) steigerte.

B.       in einer die Grenzmenge das 25-Fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge anderen überlassen, nämlich

a.       von Juli 2015, in einem Fall auch seit ca. Oktober 2013, bis zur Festnahme am XXXX .2019 insgesamt unbekannte Mengen an Suchtgiften, zumindest aber rund 3 Kilogramm Cannabiskraut, 2.723 Gramm Heroin und eine unbekannte Menge Ecstasy-Tabletten, indem er die ab Juli 2015 von A.J, der Mutter des BF, von Bosnien nach Österreich geschmuggelte Menge von rund 3 Kilogramm Cannabiskraut sowie die von ihm (als Bestimmungstäter) eingeführte Menge von 2.700 Gramm Heroin und der Ecstasy-Tabletten, wie auch die vom abgesondert verfolgten L.S. und einem „ XXXX “ erhaltene Menge von insgesamt 23 Gramm Heroin überwiegend gewinnbringend und – soweit es das Cannabiskraut betrifft – im bewussten und gewollten, arbeitsteiligen Zusammenwirken mit dem Erstangeklagten, A.K., dem Bruder des BF, und der Zweitangeklagten, A.J., der Mutter des BF, teils bekannten, überwiegend aber unbekannten Abnehmern überließ, und zwar unter anderem

i.       dem abgesondert verfolgten M.F von Jänner 2019 bis Juni 2019 in drei Teilübergaben zumindest 1,5 Gramm Heroin, von zumindest August 2017 bis August 2019 in mehreren Teilübergaben eine unbekannte Menge Cannabiskraut durch Überlassen von Joints;

ii.      dem abgesondert verfolgten J.K. seit Oktober 2013 in mehreren Teilübergaben eine unbekannte Menge Cannabiskraut durch Überlassen von Joints, zumindest ab Jänner 2019 bis Juni 2019 in mehreren Teilübergaben insgesamt 1,2 Gramm Heroin;

iii.    dem K.R. von etwa Anfang März 2019 bis Anfang Juni 2019 jeden dritten Tag 1 Gramm Heroin um € 80,00 sowie von Anfang Juni 2019 bis Ende Juli 2019 noch weitere 3 Gramm in drei Teilverkäufen, insgesamt daher zumindest 33 Gramm Heroin, sowie eine unbekannte Menge Cannabiskraut durch Überlassen von Joints;

iv.      zu nicht näher bekannten Zeitpunkten unbekannte Mengen Heroin dem abgesondert verfolgten C.K.

v.       im Sommer 2018 in Linz in mehreren Teilübergaben eine unbekannte, 2,5 Gramm jedenfalls übersteigende Menge Cannabiskraut, teilweise durch Überlassen von Joints, dem abgesondert verfolgten D.G.N;

vi.      von etwa Juli 2015 bis Ende Juli 2018 wöchentlich 2-3 Gramm Cannabiskraut um je € 10,00 insgesamt daher zumindest 470 Gramm Cannabiskraut, dem abgesondert verfolgten A.B.;

vii.    von März 2018 bis November 2018 in rund 20 Teilverkäufen insgesamt 46 Gramm Cannabiskraut zu einem Grammpreis von € 8,00 bis € 10,00 dem abgesondert verfolgten I.S.;

viii.   von August 2018 bis März 2019 in mehreren Teilverkäufen/-übergaben eine unbekannte, 9 Gramm jedenfalls übersteigende Menge Cannabiskraut, teilweise durch Überlassen von Joints, dem abgesondert verfolgten A.M.;

ix.      von August 2018 bis März 2019 eine unbekannte Menge Cannabiskraut dem abgesondert verfolgten E.B.;

x.       am 18. oder 19.06.2019 eine unbekannte Menge Cannabiskraut dem abgesondert verfolgten C.P. durch Überlassen eines Joints;

xi.      von Jänner 2019 bis Juni 2019 in drei Teilübergaben zumindest 1,5 Gramm Heroin dem A.H. ;

xii.    von Jänner 2019 bis Juni 2019 zwei bis drei Mal wöchentlich jeweils 0,5 Gramm dem E.Ö.;

xiii.   von Frühling 2019 bis Juni 2019 in fünf Teilübergaben eine noch festzustellende Menge Heroin der abgesondert verfolgten S.M.S.;

xiv.    im Frühjahr 2019 in zwei Teilverkäufen insgesamt 2 Gramm Heroin zu einem Grammpreis von € 70,00 bis € 80,00 dem abgesondert verfolgten K.S.;

xv.      zu noch festzustellenden Zeitpunkten bis Ende Juni 2019 in mehreren Teilübergaben unbekannte Mengen an Cannabiskraut dem abgesondert verfolgten E.P. durch Überlassen von Joints;

xvi.    Ende Juni 2019 59,6 Gramm Heroin dem Erstangeklagten, zum weiteren Verkauf an den verdeckten Ermittler;

xvii.   von Juni 2018 bis Juli 2019 in mehreren Teilübergaben eine unbekannte, 3 Gramm jedenfalls übersteigenden Menge Cannabiskraut, teilweise durch überlassen von Joints, dem abgesondert verfolgten D.H.;

xviii.  von April 2019 bis Juni oder Juli 2019 in mehreren Teilverkäufen/-übergaben insgesamt 8,2 Gramm Heroin überwiegend zu einem Grammpreis von € 80,00 dem abgesondert verfolgten J.S.;

xix.    von Ende Juni 2019 bis Juli 2019 in mehreren Teilverkäufen insgesamt 12 Gramm Heroin zu einem unbekannten Grammpreis, meist jedoch für € 80,00/Gramm, dem abgesondert verfolgten G.S;

xx.      von August 2018 bis 04.08.2019 in mehreren Teilübergaben eine unbekannte Menge Cannabiskraut, teilweise durch Überlassen von Joints, dem abgesondert verfolgten M.K.;

xxi.    an unbekannte Abnehmer im bewussten und gewollten, arbeitsteiligen Zusammenwirken mit dem Erstangeklagten, sowie der Zweitangeklagten, unbekannte Mengen an Suchtgift (Cannabiskraut);

C.       anderen angeboten, und zwar

a.       am XXXX . oder XXXX .2019 eine unbekannt Menge Cannabiskraut dem abgesondert verfolgten C.P.

D.       erworben und bis zur Sicherstellung oder ausschließlich zum persönlichen Gebrauch bis zum Eigenkonsum besessen, und zwar ab einem unbekannten Zeitpunkt bis zur Festnahme am XXXX .2019 unbekannte (geringe, vor allem aus dem Schmuggel stammende) Mengen Cannabiskraut, Heroin, Amphetamin und Ecstasy-Tabletten, so auch in der Zeit von XXXX . bis XXXX .2019 in XXXX , vom abgesondert verfolgten S.L. eine unbekannte Menge Heroin.

Die Zweitangeklagte, die Mutter des BF, wurde im selben Urteil unter anderem für schuldig befunden, teils als Mitglied einer – aus zumindest derselben, dem BF und dessen Bruder bestehenden – kriminellen Vereinigung, vorschriftswidrig Suchtgift (Cannabiskraut) in einer die Grenzmenge mehrfach überteigenden Menge aus dem Ausland aus- und in Österreich eingeführt zu haben, wobei diese das Cannabiskraut in BuH bei ihrer Mutter selbst angebaut hat.

Als mildernd wurde beim BF sein Teilgeständnis, dessen Alter von teils unter 21 Jahren, die teils objektive Sicherstellung, als erschwerend das Zusammentreffen von Verbrechen mit Vergehen und der lange Tatzeitraum gewertet.

Zudem weist der BF eine mit Urteil des LG XXXX , Zl. XXXX , vom XXXX .2017, RK XXXX .2017, wegen des Vergehens der Begünstigung gemäß § 299 Abs. 1 StGB ausgesprochene Verurteilung zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von 2 Monaten auf.

Es wird festgestellt, dass der BF die besagten Straftaten begangen und die beschriebenen Verhaltensweisen gesetzt hat.

1.6. Es konnte nicht festgestellt werden, dass der BF die besagten Straftaten einzig dazu begangen hat, um sich seinen Suchtmitteleigenkonsum zu finanzieren.

1.7. Der BF verbüßt aktuell seit XXXX .2019 seine Freiheitsstrafe in Österreich und fällt das rechnerische Strafende auf den XXXX .2022.

1.8. Der Bruder sowie die Mutter des BF wurden mit demselben Urteil des LG XXXX , Zahl XXXX , vom XXXX .2020, jeweils zu Freiheitsstrafen, der Bruder zu einer 2 ¼jährigen Freiheitsstrafe wegen § 27 (1) Z 1 1. und 2. Fall und (2) SMG, § 28a (1) 5. Fall und (2) Z 2 SMG und § 28a (1) 4. Fall und (4) Z 3 SMG, und die Mutter zu einer 2jährigen Freiheitsstrafe, wovon 16 Monate bedingt nachgesehen wurden, wegen § 28a Abs. 1 2. und 3. Fall SMG, § 28a Abs. 1 5. Fall, Abs. 2 Z 2 SMG und § 27 Abs. 1 Z 1 1. und 2. Fall, Abs. 2 SMG verurteilt.

1.9. Der Bruder des BF befindet sich ebenfalls aktuell in Strafhaft.

1.10. Der BF ist der deutschen sowie der bosnischen Sprache mächtig und halten sich nach wie vor seine Großeltern in BuH auf. Auch der Vater des BF lebt in BuH, jedoch pflegt er zu diesem keinen Kontakt.

1.11. Der BF ist im Besitz einer Einstellungszusage der Firma XXXX , in XXXX , wonach er im Falle einer auftragslagenbedingten Notwendigkeit eingestellt werden könnte.

1.12. BuH gilt als sicherer Herkunftsstaat und konnten keine Anhaltspunkte festgestellt werden, welche eine Rückkehr bzw. Abschiebung des BF nach BuH im Wege stünden.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Verfahrensgang:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

2.2. Die oben getroffenen Feststellungen beruhen auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht auf Grund der vorliegenden Akten durchgeführten Ermittlungsverfahrens und werden in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung als maßgeblicher Sachverhalt zugrunde gelegt:

2.2.1. Die Feststellungen zu Festnahme und strafgerichtlichen Verurteilung des BF sowie Verurteilungen seines Bruders und seiner Mutter in Österreich samt den näheren Ausführungen zu den Straftaten und der Feststellung, dass der BF die besagten Straftaten begangen wie die beschriebenen Verhaltensweisen gesetzt hat, folgen dem Amtswissen des erkennenden Gerichtes durch Einsichtnahme in das Strafregister der Republik Österreich sowie auf einer Ausfertigung des oben zitierten Strafurteiles des LG XXXX vom XXXX .2020.

Dass nicht festgestellt werden konnte, der BF habe die Straftaten einzig zur Finanzierung seines Eigenkonsums begangen hat, beruht auf dem Umstand, dass eine derartige Feststellung im besagten Strafurteil nicht getroffen, jedoch festgestellt wurde, dass sich der Eigenkonsum des BF auf eine geringe Menge des aus- und eingeführten Suchtgiftes beschränkte und die Mutter des BF das Cannabiskraut selbst in BuH kultiviert habe. Die vom BF in Österreich umgesetzten Mengen an Suchtgift und die damit erzielten Gewinne überstiegen demzufolge die Eigenkonsumkosten bei weitem, sodass dessen Finanzierung nur als untergeordnetes Motiv des BF anzuerkennen ist.

Die aktuelle Anhaltung des BF und dessen Bruder in Strafhaft ist dem Inhalt der jeweiligen ZMR-Auszüge ersichtlich. Unter Berücksichtigung der im besagten Strafurteil ausgesprochenen Anrechnung der Vorhaft des BF beginnend mit XXXX .2019, lässt sich angesichts der ausgesprochenen Strafdauer das oben angegebene Strafende des BF errechnen.

Die dem BF erteilten Aufenthaltstitel, deren Verlängerungen sowie der zuletzt gestellte Antrag auf Verlängerung desselben samt den noch ausstehenden diesbezüglichen Entscheidungen durch die NAG-Behörde beruhen auf den Feststellungen im angefochtenen Bescheid sowie einer Einsichtnahme in das Zentrale Fremdenregister (ZFR).

Ferner führte der BF vor dem BFA aus, dass sein Vater in BuH aufhältig sei, er jedoch zu diesem keinen Kontakt pflege (siehe AS 193f).

Zudem räumte der BF vor der belangten Behörde ein, der bosnischen Sprache mächtig zu sein und konnte der BF seine Deutschkenntnisse in seinen Eingaben vor dem BFA belegen. Darüber hinaus werden die Deutschkenntnisse des BF durch den Umstand, dass er in Österreich eine Lehre absolviert hat, gestützt.

Den Besitz einer an Bedingungen geknüpften Einstellungszusage konnte der BF durch Vorlage derselben nachweisen und kann dieser die oben angeführte Einstellungsbedingung entnommen werden.

Der Aufenthalt von weiteren Verwandten des BF folgt den konkreten und verifizierbaren Angaben des BF in der gegenständlichen Beschwerde und den diesbezüglichen Feststellungen im angefochtenen Bescheid. In Ermanglung einer gemeinsamen Haushaltsführung oder des Bestehens eines Abhängigkeitsverhältnisses in Bezug auf die in Österreich aufhältigen Cousins und Cousinen konnte das Bestehen eines diesbezüglichen besonderen Naheverhältnisses nicht festgestellt werden.

Die Feststellung, dass BuH als sichere Herkunftsstaat gilt, beruht auf § 1 Z 1 HStV.

Die Nichtfeststellbarkeit von Rückkehr- bzw. Abschiebehindernissen beruht – wie noch näher ausgeführt werden wird – auf dem Nichtvorbringen eines diesbezüglichen substantiierten Sachverhaltes seitens des BF.

Die sonstigen oben getroffenen Feststellungen sind den Feststellungen im angefochtenen Bescheid, denen in der gegenständlichen Beschwerde nicht substantiiert entgegengetreten wurde, zu entnehmen.

2.2.2. Wie die an den BF gerichtete schriftliche Aufforderung des BFA zur Stellungnahme zeigt, wurde diesem hinreichend die Möglichkeit geboten, sich zur Sache zu äußern und allfällige Beweismittel in Vorlage zu bringen. Ein in diese Richtung gehender Verfahrensmangel konnte sohin nicht festgestellt werden.

Insofern der BF wiederholt vorbringt, über keine Bezugspunkte im Herkunftsstaat zu verfügen, ist dem entgegenzuhalten, dass seine Mutter in einer Stellungnahme vor der belangten Behörde (siehe AS 209f) eingestanden hat, deren Eltern, sohin die Großeltern des BF, lebten nach wie vor im Herkunftsstaat. Dass der Kontakt zu diesen seitens des BF abgebrochen wurde bzw. nicht wiederhergestellt werden könnte, konnte der BF durch eine bloße, nicht näher begründete Behauptung, keinen Kontakt zu seinen Angehörigen in BuH zu pflegen, nicht glaubhaft darlegen.

Darüber hinaus ist festzuhalten, dass den Länderfeststellungen die Funktionstüchtigkeit des bosnischen Gesundheitswesens abgewonnen werden kann, dort eine staatliche Krankenversicherung besteht und jeder bosnische Staatsangehörige, sohin auch Rückkehrer, – ungeachtet des Bestehens einer Versicherung – ein Recht auf medizinische Versorgung hat. Ferner wurden seitens BuH Maßnahmen hinsichtlich der Verhinderung einer Überforderung des herkunftsstaatlichen Gesundheitswesens durch die COVID-19 Pandemie getroffen. Insofern der BF in der gegenständlichen Beschwerde erstmals vorbringt, in BuH noch nie über eine Krankenversicherung verfügt und daher keinen Zugang zu medizinischen Leistungen bei seiner Rückkehr zu haben, ist dem entgegenzuhalten, dass er dafür bis dato weder einen Beweis vorgebracht bzw. angeboten hat, noch – im Lichte der Länderfeststellungen – damit seinen Ausschluss vom Zugang zu medizinischen Leistungen im Herkunftsstaat glaubhaft machen konnte.

Wenn auch der Arbeitsmarkt im Herkunftsstaat des BF durch die aktuelle Pandemie zusätzlich belastet wird, gelang es dem BF nicht, seine unmittelbare Betroffenheit von Arbeitslosigkeit als junger, gesunder, arbeitsfähiger und über eine Berufsausbildung sowie Berufserfahrung verfügender Erwachsener darzulegen.

2.2.3. Die getroffenen Feststellungen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat ergeben sich aus den von der belangten Behörde in das Verfahren eingebrachten herkunftsstaatsbezogenen Erkenntnisquellen. Die belangte Behörde hat dabei Berichte verschiedenster allgemein anerkannter Institutionen berücksichtigt. Diese Quellen liegen dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vor und decken sich im Wesentlichen mit dem Amtswissen des Bundesverwaltungsgerichtes, das sich aus der ständigen Beachtung der aktuellen Quellenlage (Einsicht in aktuelle Berichte zur Lage im Herkunftsstaat) ergibt.

Insoweit die belangte Behörde ihren Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde gelegt hat, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben.

Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

In BuH herrschen keine kriegerischen oder sonstigen bewaffneten Auseinandersetzungen vor und ist der BF den besagten Länderberichten nicht entgegengetreten.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

3.1. Zu Spruchpunkt I., II. und III. des angefochtenen Bescheides:

3.1.1.  Der mit „Rückkehrentscheidung“ betitelte § 52 FPG lautet wie folgt:

„§ 52. (1) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich

1.       nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält oder

2.       nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und das Rückkehrentscheidungsverfahren binnen sechs Wochen ab Ausreise eingeleitet wurde.

(2) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

1.       dessen Antrag auf internationalen Schutz wegen Drittstaatsicherheit zurückgewiesen wird,

2.       dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

3.       ihm der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder

4.       ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird

und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

(3) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG 2005 zurück- oder abgewiesen wird.

(4) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

1.       nachträglich ein Versagungsgrund gemäß § 60 AsylG 2005 oder § 11 Abs. 1 und 2 NAG eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels entgegengestanden wäre,

1a.      nachträglich ein Versagungsgrund eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Einreisetitels entgegengestanden wäre oder eine Voraussetzung gemäß § 31 Abs. 1 wegfällt, die für die erlaubte visumfreie Einreise oder den rechtmäßigen Aufenthalt erforderlich ist,

2.       ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 oder 2 NAG erteilt wurde, er der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht und im ersten Jahr seiner Niederlassung mehr als vier Monate keiner erlaubten unselbständigen Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,

3.       ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 oder 2 NAG erteilt wurde, er länger als ein Jahr aber kürzer als fünf Jahre im Bundesgebiet niedergelassen ist und während der Dauer eines Jahres nahezu ununterbrochen keiner erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,

4.       der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund (§ 11 Abs. 1 und 2 NAG) entgegensteht oder

5.       das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, aus Gründen, die ausschließlich vom Drittstaatsangehörigen zu vertreten sind, nicht rechtzeitig erfüllt wurde.

Werden der Behörde nach dem NAG Tatsachen bekannt, die eine Rückkehrentscheidung rechtfertigen, so ist diese verpflichtet dem Bundesamt diese unter Anschluss der relevanten Unterlagen mitzuteilen. Im Fall des Verlängerungsverfahrens gemäß § 24 NAG hat das Bundesamt nur all jene Umstände zu würdigen, die der Drittstaatsangehörige im Rahmen eines solchen Verfahrens bei der Behörde nach dem NAG bereits hätte nachweisen können und müssen.

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes auf Dauer rechtmäßig niedergelassen war und über einen Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt – EU“ verfügt, hat das Bundesamt eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 die Annahme rechtfertigen, dass dessen weiterer Aufenthalt eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen würde.

(6) Ist ein nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältiger Drittstaatsangehöriger im Besitz eines Aufenthaltstitels oder einer sonstigen Aufenthaltsberechtigung eines anderen Mitgliedstaates, hat er sich unverzüglich in das Hoheitsgebiet dieses Staates zu begeben. Dies hat der Drittstaatsangehörige nachzuweisen. Kommt er seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach oder ist seine sofortige Ausreise aus dem Bundesgebiet aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich, ist eine Rückkehrentscheidung gemäß Abs. 1 zu erlassen.

(7) Von der Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß Abs. 1 ist abzusehen, wenn ein Fall des § 45 Abs. 1 vorliegt und ein Rückübernahmeabkommen mit jenem Mitgliedstaat besteht, in den der Drittstaatsangehörige zurückgeschoben werden soll.

(8) Die Rückkehrentscheidung wird im Fall des § 16 Abs. 4 BFA-VG oder mit Eintritt der Rechtskraft durchsetzbar und verpflichtet den Drittstaatsangehörigen zur unverzüglichen Ausreise in dessen Herkunftsstaat, ein Transitland gemäß unionsrechtlichen oder bilateralen Rückübernahmeabkommen oder anderen Vereinbarungen oder einen anderen Drittstaat, sofern ihm eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht eingeräumt wurde. Im Falle einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung ist § 28 Abs. 2 Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 auch dann anzuwenden, wenn er sich zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung nicht mehr im Bundesgebiet aufhält.

(9) Mit der Rückkehrentscheidung ist gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.

(10) Die Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 kann auch über andere als in Abs. 9 festgestellte Staaten erfolgen.

(11) Der Umstand, dass in einem Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung deren Unzulässigkeit gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG festgestellt wurde, hindert nicht daran, im Rahmen eines weiteren Verfahrens zur Erlassung einer solchen Entscheidung neuerlich eine Abwägung gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG vorzunehmen, wenn der Fremde in der Zwischenzeit wieder ein Verhalten gesetzt hat, das die Erlassung einer Rückkehrentscheidung rechtfertigen würde.“

Der mit „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ betitelte § 57 AsylG lautet:

„§ 57. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zu erteilen:

1.       wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

2.       zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

3.       wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

(2) Hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen nach Abs. 1 Z 2 und 3 hat das Bundesamt vor der Erteilung der „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ eine begründete Stellungnahme der zuständigen Landespolizeidirektion einzuholen. Bis zum Einlangen dieser Stellungnahme bei der Behörde ist der Ablauf der Fristen gemäß Abs. 3 und § 73 AVG gehemmt.

(3) Ein Antrag gemäß Abs. 1 Z 2 ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein Strafverfahren nicht begonnen wurde oder zivilrechtliche Ansprüche nicht geltend gemacht wurden. Die Behörde hat binnen sechs Wochen über den Antrag zu entscheiden.

(4) Ein Antrag gemäß Abs. 1 Z 3 ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO nicht vorliegt oder nicht erlassen hätte werden können.“

Der mit „Antragstellung und amtswegiges Verfahren“ betitelte § 58 AsylG lautet:

„§ 58. (1) Das Bundesamt hat die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 von Amts wegen zu prüfen, wenn

1.       der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

2.       der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

3.       einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt,

4.       einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird oder

1.       5.       ein Fremder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt.

(2) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 ist von Amts wegen zu prüfen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt wird.

(3) Das Bundesamt hat über das Ergebnis der von Amts wegen erfolgten Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.

(4) Das Bundesamt hat den von Amts wegen erteilten Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 oder 57 auszufolgen, wenn der Spruchpunkt (Abs. 3) im verfahrensabschließenden Bescheid in Rechtskraft erwachsen ist. Abs. 11 gilt.

(5) Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 bis 57 sowie auf Verlängerung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 sind persönlich beim Bundesamt zu stellen. Soweit der Antragsteller nicht selbst handlungsfähig ist, hat den Antrag sein gesetzlicher Vertreter einzubringen.

(6) Im Antrag ist der angestrebte Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 bis 57 genau zu bezeichnen. Ergibt sich auf Grund des Antrages oder im Ermittlungsverfahren, dass der Drittstaatsangehörige für seinen beabsichtigten Aufenthaltszweck einen anderen Aufenthaltstitel benötigt, so ist er über diesen Umstand zu belehren; § 13 Abs. 3 AVG gilt.

(7) Wird einem Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 stattgegeben, so ist dem Fremden der Aufenthaltstitel auszufolgen. Abs. 11 gilt.

(8) Wird ein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 zurück- oder abgewiesen, so hat das Bundesamt darüber im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.

(9) Ein Antrag auf einen Aufenthaltstitel nach diesem Hauptstück ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn der Drittstaatsangehörige

1.       sich in einem Verfahren nach dem NAG befindet,

2.       bereits über ein Aufenthaltsrecht nach diesem Bundesgesetz oder dem NAG verfügt oder

3.       gemäß § 95 FPG über einen Lichtbildausweis für Träger von Privilegien und Immunitäten verfügt oder gemäß § 24 FPG zur Ausübung einer bloß vorübergehenden Erwerbstätigkeit berechtigt ist

soweit dieses Bundesgesetz nicht anderes bestimmt. Dies gilt auch im Falle des gleichzeitigen Stellens mehrerer Anträge.

(10) Anträge gemäß § 55 sind als unzulässig zurückzuweisen, wenn gegen den Antragsteller eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen wurde und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG ein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, nicht hervorgeht. Anträge gemäß §§ 56 und 57, die einem bereits rechtskräftig erledigten Antrag (Folgeantrag) oder einer rechtskräftigen Entscheidung nachfolgen, sind als unzulässig zurückzuweisen, wenn aus dem begründeten Antragsvorbringen ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht hervorkommt.

(11) Kommt der Drittstaatsangehörige seiner allgemeinen Mitwirkungspflicht im erforderlichen Ausmaß, insbesondere im Hinblick auf die Ermittlung und Überprüfung erkennungsdienstlicher Daten, nicht nach, ist

1.       das Verfahren zur Ausfolgung des von Amts wegen zu erteilenden Aufenthaltstitels (Abs. 4) ohne weiteres einzustellen oder

2.       der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zurückzuweisen.

Über diesen Umstand ist der Drittstaatsangehörige zu belehren.

(12) Aufenthaltstitel dürfen Drittstaatsangehörigen, die das 14. Lebensjahr vollendet haben, nur persönlich ausgefolgt werden. Aufenthaltstitel für unmündige Minderjährige dürfen nur an deren gesetzlichen Vertreter ausgefolgt werden. Anlässlich der Ausfolgung ist der Drittstaatsangehörige nachweislich über die befristete Gültigkeitsdauer, die Unzulässigkeit eines Zweckwechsels, die Nichtverlängerbarkeit der Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 und 56 und die anschließende Möglichkeit einen Aufenthaltstitel nach dem NAG zu erlangen, zu belehren.

(13) Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 bis 57 begründen kein Aufenthalts- oder Bleiberecht. Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 stehen der Erlassung und Durchführung aufenthaltsbeendender Maßnahmen nicht entgegen. Sie können daher in Verfahren nach dem 7. und 8. Hauptstück des FPG keine aufschiebende Wirkung entfalten. Bei Anträgen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 hat das Bundesamt bis zur rechtskräftigen Entscheidung über diesen Antrag jedoch mit der Durchführung der einer Rückkehrentscheidung umsetzenden Abschiebung zuzuwarten, wenn

1.       ein Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung erst nach einer Antragstellung gemäß § 56 eingeleitet wurde und

2.       die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 wahrscheinlich ist, wofür die Voraussetzungen des § 56 Abs. 1 Z 1, 2 und 3 jedenfalls vorzuliegen haben.

(14) Der Bundesminister für Inneres ist ermächtigt, durch Verordnung festzulegen, welche Urkunden und Nachweise allgemein und für den jeweiligen Aufenthaltstitel dem Antrag jedenfalls anzuschließen sind. Diese Verordnung kann auch Form und Art einer Antragstellung, einschließlich bestimmter, ausschließlich zu verwendender Antragsformulare, enthalten.“

Der mit „Schutz des Privat- und Familienlebens“ betitelte § 9 BFA-VG lautet wie folgt:

„§ 9 (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1.       die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2.       das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3.       die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4.       der Grad der Integration,

5.       die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6.       die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7.       Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8.       die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9.       die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

(4) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich auf Grund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 Abs. 1a FPG nicht erlassen werden, wenn

1.       ihm vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes die Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG), BGBl. Nr. 311, verliehen hätte werden können, oder

2.       er von klein auf im Inland aufgewachsen und hier langjährig rechtmäßig niedergelassen ist.

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.

(6) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG vorliegen. § 73 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974 gilt.“

3.1.2.  Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich:

Gemäß § 2 Abs. 4 Z 1 FPG gilt als Fremder, wer die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzt und gemäß Z 10 leg cit als Drittstaatsangehöriger jeder Fremder der nicht EWR-Bürger oder Schweizer Bürger ist.

Der BF ist aufgrund seiner Staatsangehörigkeit von BuH sohin Drittstaatsangehöriger iSd. § 2 Abs. 4 Z 10 FPG.

Staatsangehörige der Republik BuH, die Inhaber eines biometrischen Reisepasses sind, sind nach Art. 1 Abs. 2 iVm Anlage II der Verordnung (EG) Nr. 539/2011 vom 15.03.2001, ABl. L 81 vom 21.03.2001, S. 1, von der Visumpflicht für einen Aufenthalt, der 90 Tage je Zeitraum von 180 Tagen nicht überschreitet, befreit.

Gemäß Art. 20 Abs. 1 des Schengener Durchführungsübereinkommens (SDÜ) können sich sichtvermerksbefreite Drittausländer im Hoheitsgebiet der Vertragsstaaten frei bewegen, höchstens jedoch drei Monate innerhalb einer Frist von sechs Monaten ab dem Datum der ersten Einreise an und soweit sie die nunmehr im Schengener Grenzkodex vorgesehenen Einreisevoraussetzungen erfüllen. Für einen geplanten Aufenthalt im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten von bis zu 90 Tagen je Zeitraum von 180 Tagen, wobei der Zeitraum von 180 Tagen, der jedem Tag des Aufenthalts vorangeht, berücksichtigt wird, gelten für einen Drittstaatsangehörigen die in Art. 6 Abs. 1 Schengener Grenzkodex, VO (EU) 2016/399, genannten Einreisevoraussetzungen. So muss der Drittstaatsangehörige im Besitz eines gültigen Reisedokuments und, sofern dies in der sog. Visumpflicht-Verordnung VO (EG) Nr. 539/2001 vorgesehen ist, im Besitz eines gültigen Visums sein. Er muss weiters den Zweck und die Umstände des beabsichtigten Aufenthalts belegen und über ausreichende Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts sowohl für die Dauer des Aufenthalts als auch für die Rückreise in den Herkunftsstaat oder für die Durchreise in einen Drittstaat, in dem seine Zulassung gewährleistet ist, verfügen oder in der Lage sein, diese Mittel rechtmäßig zu erwerben; er darf nicht im SIS zur Einreiseverweigerung ausgeschrieben sein und keine Gefahr für die öffentliche Ordnung, die innere Sicherheit, die öffentliche Gesundheit oder die internationalen Beziehungen eines Mitgliedstaates darstellen und insbesondere nicht in den nationalen Datenbanken der Mitgliedstaaten zur Einreiseverweigerung aus denselben Gründen ausgeschrieben worden sein.

Gemäß § 31 Abs. 1 FPG halten sich Fremde rechtmäßig im Bundesgebiet auf, wenn sie rechtmäßig eingereist sind und während des Aufenthaltes im Bundesgebiet die Befristung oder Bedingungen des Einreisetitels oder des visumfreien Aufenthaltes oder die durch zwischenstaatliche Vereinbarungen, Bundesgesetz oder Verordnung bestimmte Aufenthaltsdauer nicht überschritten haben (Z 1), oder sie auf Grund einer Aufenthaltsberechtigung oder eine Dokumentation des Aufenthaltsrechtes nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz zur Niederlassung oder zum Aufenthalt oder aufgrund einer Verordnung für Vertriebene zum Aufenthalt berechtigt sind (Z 2).

Der BF fällt nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG.

3.1.3. Der BF war bis XXXX .2019 im Besitz eines befristeten Aufenthaltstitels für Österreich, stellte jedoch erst am XXXX .2020 einen bis dato noch offenen Antrag auf Verlängerung desselben, sodass sich der Aufenthalt des BF gemäß § 24 Abs. 1 1. und 2. Satz iVm. § 21 NAG seit Ablauf seines letzten Aufenthaltstitels als durchgehend unrechtmäßig erweist.

3.1.4. Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jede Person Anspruch auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihres Briefverkehrs.

Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit ein Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Bei der Setzung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, wie sie eine Ausweisung eines Fremden darstellt, kann ein ungerechtfertigter Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens des Fremden iSd. Art. 8 Abs. 1 EMRK vorliegen. Daher muss überprüft werden, ob die Ausweisung einen Eingriff und in weiterer Folge eine Verletzung des Privat- und/oder Familienlebens des Fremden darstellt:

Zu den in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) zu Art. 8 EMRK entwickelten Grundsätzen zählt unter anderem, dass das durch Art. 8 EMRK gewährleistete Recht auf Achtung des Familienlebens, das Vorhandensein einer „Familie“ voraussetzt. Der Begriff des „Familienlebens“ in Art. 8 EMRK umfasst nicht nur die Kernfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern bzw. von verheirateten Ehegatten, sondern auch andere nahe verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine hinreichende Intensität für die Annahme einer familiären Beziehung iSd. Art. 8 EMRK erreichen. Der EGMR unterscheidet in seiner Rechtsprechung nicht zwischen einer ehelichen Familie (sog. „legitimate family“ bzw. „famille légitime“) oder einer unehelichen Familie („illegitimate family“ bzw. „famille naturelle“), sondern stellt auf das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens ab (siehe EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 454; 18.12.1986, Johnston u.a., EuGRZ 1987, 313; 26.05.1994, Keegan, EuGRZ 1995, 113; 12.07.2001 [GK], K. u. T., Zl. 25702/94; 20.01.2009, ?erife Yi?it, Zl. 03976/05). Als Kriterien für die Beurteilung, ob eine Beziehung im Einzelfall einem Familienleben iSd. Art. 8 EMRK entspricht, kommen tatsächliche Anhaltspunkte in Frage, wie etwa das Vorliegen eines gemeinsamen Haushaltes, die Art und die Dauer der Beziehung sowie das Interesse und die Bindung der Partner aneinander, etwa durch gemeinsame Kinder, oder andere Umstände, wie etwa die Gewährung von Unterhaltsleistungen (EGMR 22.04.1997, X., Y. und Z., Zl. 21830/93; 22.12.2004, Merger u. Cros, Zl. 68864/01). So verlangt der EGMR auch das Vorliegen besonderer Elemente der Abhängigkeit, die über die übliche emotionale Bindung hinausgeht (siehe Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention3 [2008] 197 ff.). In der bisherigen Spruchpraxis des EGMR wurden als unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zu schützende Beziehungen bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; auch EKMR 07.12.1981, B 9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Onkel bzw. Tante und Neffen bzw. Nichten (EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; EKMR 05.07.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt (vgl. Baumgartner, ÖJZ 1998, 761; Rosenmayer, ZfV 1988, 1). Das Kriterium einer gewissen Beziehungsintensität wurde von der Europäischen Kommission für Menschenrechte auch für die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern gefordert (EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215). Das Zusammenleben und die Bindung von Partnern, die auf einer gleichgeschlechtlichen Beziehung beruhen, fallen jedoch nicht unter den Begriff des Familienlebens iSd. Art. 8 EMRK (EGMR 10.05.2001, Mata Estevez, Zl. 56501/00).

Wie der Verfassungsgerichtshof (VfGH) bereits in zwei Erkenntnissen vom 29.09.2007, Zl. B 328/07 und Zl. B 1150/07, dargelegt hat, sind die Behörden stets dazu verpflichtet, das öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung gegen die persönlichen Interessen des Fremden an einem weiteren Verbleib in Österreich am Maßstab des Art. 8 EMRK abzuwägen, wenn sie eine Ausweisung verfügt. In den zitierten Entscheidungen wurden vom VfGH auch unterschiedliche – in der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) fallbezogen entwickelte – Kriterien aufgezeigt, die in jedem Einzelfall bei Vornahme einer solchen Interessenabwägung zu beachten sind und als Ergebnis einer Gesamtbetrachtung dazu führen können, dass Art. 8 EMRK einer Ausweisung entgegensteht:

-        die Aufenthaltsdauer, die vom EGMR an keine fixen zeitlichen Vorgaben geknüpft wird (EGMR 31.01.2006, Rodrigues da Silva und Hoogkamer, Zl. 50435/99, ÖJZ 2006, 738 = EuGRZ 2006, 562; 16.09.2004, Ghiban, Zl. 11103/03, NVwZ 2005, 1046),

-        das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (EGMR 28.05.1985, Abdulaziz ua., Zl. 9214/80, 9473/81, 9474/81, EuGRZ 1985, 567; 20.06.2002, Al-Nashif, Zl. 50963/99, ÖJZ 2003, 344; 22.04.1997, X, Y und Z, Zl. 21830/93, ÖJZ 1998, 271) und dessen Intensität (EGMR 02.08.2001, Boultif, Zl. 54273/00),

-        die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

-        den Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert (vgl. EGMR 04.10.2001, Adam, Zl. 43359/98, EuGRZ 2002, 582; 09.10.2003, Slivenko, Zl. 48321/99, EuGRZ 2006, 560; 16.06.2005, Sisojeva, Zl. 60654/00, EuGRZ 2006, 554; vgl. auch VwGH 05.07.2005, Zl. 2004/21/0124; 11.10.2005, Zl. 2002/21/0124),

-        die Bindungen zum Heimatstaat,

-        die strafgerichtliche Unbescholtenheit, aber auch Verstöße gegen das Einwanderungsrecht und Erfordernisse der öffentlichen Ordnung (vgl. zB EGMR 24.11.1998, Mitchell, Zl. 40447/98; 11.04.2006, Useinov, Zl. 61292/00), sowie

-        auch die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren (EGMR 24.11.1998, Mitchell, Zl. 40447/98; 05.09.2000, Solomon, Zl. 44328/98; 31.01.2006, Rodrigues da Silva und Hoogkamer, Zl. 50435/99, ÖJZ 2006, 738 = EuGRZ 2006, 562; 31.07.2008, Omoregie ua., Zl. 265/07).

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) sind die Staaten im Hinblick auf das internationale Recht und ihre vertraglichen Verpflichtungen befugt, die Einreise, den Aufenthalt und die Ausweisung von Fremden zu überwachen (EGMR 28.05.1985, Abdulaziz ua., Zl. 9214/80 ua, EuGRZ 1985, 567; 21.10.1997, Boujlifa, Zl. 25404/94; 18.10.2006, Üner, Zl. 46410/99; 23.06.2008 [GK], Maslov, 1638/03; 31.07.2008, Omoregie ua., Zl. 265/07). Die EMRK garantiert Ausländern kein Recht auf Einreise, Aufenthalt und Einbürgerung in einem bestimmten Staat (EGMR 02.08.2001, Boultif, Zl. 54273/00; 28.06.2011, Nunez, Zl. 55597/09).

Hinsichtlich der Rechtfertigung eines Eingriffs in die nach Art. 8 EMRK garantierten Rechte muss der Staat ein Gleichgewicht zwischen den Interessen des Einzelnen und jenen der Gesellschaft schaffen, wobei er in beiden Fällen einen gewissen Ermessensspielraum hat. Art. 8 EMRK begründet keine generelle Verpflichtung für den Staat, Einwanderer in seinem Territorium zu akzeptieren und Familienzusammenführungen zuzulassen. Jedoch hängt in Fällen, die sowohl Familienleben als auch Einwanderung betreffen, die staatliche Verpflichtung, Familienangehörigen von ihm Staat Ansässigen Aufenthalt zu gewähren, von der jeweiligen Situation der Betroffenen und dem Allgemeininteresse ab. Von Bedeutung sind dabei das Ausmaß des Eingriffs in das Familienleben, der Umfang der Beziehungen zum Konventionsstaat, weiters ob im Ursprungsstaat unüberwindbare Hindernisse für das Familienleben bestehen, sowie ob Gründe der Einwanderungskontrolle oder Erwägungen zum Schutz der öffentlichen Ordnung für eine Ausweisung sprechen. War ein Fortbestehen des Familienlebens im Gastland bereits bei dessen Begründung wegen des fremdenrechtlichen Status einer der betroffenen Personen ungewiss und dies den Familienmitgliedern bewusst, kann eine Ausweisung nur in Ausnahmefällen eine Verletzung von Art. 8 EMRK bedeuten (EGMR 31.07.2008, Omoregie ua., Zl. 265/07, mwN; 28.06.2011, Nunez, Zl. 55597/09; 03.11.2011, Arvelo Aponte, Zl. 28770/05; 14.02.2012, Antwi u.a., Zl. 26940/10).

3.1.5. Auch wenn das persönliche Interesse am Verbleib in Österreich grundsätzlich mit der Dauer des bisherigen Aufenthalts des Fremden zunimmt, so ist die bloße Aufenthaltsdauer freilich nicht allein maßgeblich, sondern es ist anhand der jeweiligen Umstände des Einzelfalles vor allem zu prüfen, inwieweit der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit genützt hat, sich sozial und beruflich zu integrieren. Bei der Einschätzung des persönlichen Interesses ist auch auf die Auswirkungen, die eine Aufenthaltsbeendigung auf die familiären und sonstigen Bindungen des Fremden hätte, Bedacht zu nehmen (vgl. VwGH 15.12.2015, Zl. Ra 2015/19/0247).

Der BF hält sich mittlerweile seit nicht ganz 7 Jahren durchgehend und überwiegend rechtmäßig im Bundesgebiet auf. Aufgrund der Versäumung einer Frist für einen Verlängerungsantrag erweist sich der Aufenthalt des BF jedoch seit XXXX .2019 als durchgehend unrechtmäßig. Der BF absolvierte zudem in Österreich eine Lehrausbildung und ging bis zu seiner vorläufigen Verwahrung Erwerbstätigkeiten nach. Ferner verfügt der BF über kernfamiliäre Anknüpfungspunkte in Österreich und lebte er mit seinen Familienangehörigen bis zu seiner Festnahme im gemeinsamen Haushalt. Letztlich hat er durch die absolvierte Lehrausbildung und Vorlage einer Einstellungszusage seinen auf Erreichen der Selbsterhaltungsfähigkeit ausgerichteten Willen aufgezeigt. Ob eine tatsächliche Einstellung jedoch erfolgen wird, bleibt insofern fraglich, als es sich bloß um eine Einstellungszusage und nicht um einen Arbeitsvorvertrag handelt, welche zudem an aus heutiger Sicht nicht vorhersehbarer Bedingungen geknüpft ist, zumal diese von der dann gegebenen Auftragslage abhängig gemacht wird.

Demgegenüber brachte der BF durch sein massiv strafbares Verhalten in Österreich eindrucksvoll seinen Unwillen, sich in die österreichische Gesellschaft zu integrieren, zum Ausdruck und müssen seine Integrationsleistungen sowie seine Bezugspunkte in Österreich durch sein Verhalten, aber auch der aktuell anhaltenden Anhaltung in Strafhaft eine maßgebliche Schwächung hinnehmen.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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