TE Bvwg Beschluss 2020/12/2 W245 2159118-1

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Veröffentlicht am 02.12.2020
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Entscheidungsdatum

02.12.2020

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AVG §9
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §17
VwGVG §28 Abs1

Spruch


W245 2159118-1/32E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch den Richter Mag. Bernhard SCHILDBERGER, LL.M. als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch XXXX gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.05.2017, Zahl: XXXX :

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG als unzulässig zurückgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Begründung:

I.       Verfahrensgang:

I.1.    Der Beschwerdeführer (in der Folge auch „BF“), ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste illegal ins österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 01.10.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

I.2.     Am 01.10.2015 erfolgte die Erstbefragung des BF durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes. Am 11.04.2017 wurde der BF vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge auch „belangte Behörde“ oder „bB“) einvernommen.

I.3.    Mit Bescheid vom 08.05.2017 wies die bB den Antrag des BF auf internationalen Schutz zur Gänze ab (Spruchpunkt I. und II.). Es wurde dem BF kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt, eine Rückkehrentscheidung gegen ihn erlassen und festgestellt, dass eine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Entscheidung festgesetzt (Spruchpunkt IV.).

Mit Zustellverfügung ordnete die bB die Zustellung dieses Bescheides ausschließlich an den BF als Empfänger (Adressaten) an.

I.4.    Am 10.05.2017 wurde der Bescheid dem BF durch Hinterlegung zugestellt.

I.5.    Mit Verfahrensanordnung vom 08.05.2017 wurde dem BF gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG XXXX als Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren zur Seite gestellt. Ebenso wurde mit Verfahrensanordnung vom 08.05.2017 ein Rückkehrberatungsgespräch gemäß § 52a Abs. 2 BFA-VG angeordnet.

I.6.    Am 17.05.2017 erteilte der BF der XXXX Vollmacht.

I.7.    Gegen den Bescheid der bB richtete sich die am 24.05.2017 fristgerecht erhobene Beschwerde.

I.8.    Die gegenständliche Beschwerde und der bezugshabende Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht (in der Folge auch „BVwG“) am 29.05.2017 von der bB vorgelegt.

I.9.    Mit Schreiben vom 20.04.2018 wurde die Bestellung eines Sachwalters (nunmehr Erwachsenenvertreter) für den BF beim Bezirksgericht Bregenz beantragt.

I.10.   Mit Beschluss des Bezirksgerichts Bregenz vom 01.08.2018, XXXX , wurde XXXX als gerichtlicher Erwachsenenvertreter des BF für die Vertretung im anhängigen Asylverfahren, W245 2159118-1, bestellt. Darin wurde weiters festgehalten, dass die Erwachsenenvertretung vorbehaltlich der vorzeitigen Beendigung oder der Einleitung eines Erneuerungsverfahrens gemäß § 128 AußStrG am 01.08.2021 ende.

I.11.   Am 03.09.2018 erteilte der BF, vertreten durch seinen Erwachsenenvertreter, XXXX Vollmacht.

I.12.   Mit Schreiben vom 07.09.2018 erstattete der BF im Wege seiner Vertretung eine Beschwerdeergänzung.

I.13.   Mit Beschluss des BVwG vom 17.01.2020 wurde XXXX gemäß § 52 Abs. 2 AVG iVm § 17 VwGVG als Sachverständige aus dem Fachgebiet Psychiatrie und Neurologie im gegenständlichen Verfahren bestellt und dieser aufgetragen, ein schriftliches Gutachten unter Berücksichtigung der beigelegten ärztlichen Untersuchungsberichte (Befunde, Diagnosen, notwendigen Behandlungen und Medikamente) mit Schwerpunkt der Aussagetüchtigkeit und Vernehmungsfähigkeit des BF zu erstatten.

I.14.    Mit Schreiben vom 17.01.2020 wurden der BF und eine Dolmetscherin zu einer anberaumten Beweisaufnahme für eine medizinische Untersuchung am 06.02.2020 geladen.

I.15.   In der Stellungnahme vom 05.02.2020 wurde dem BVwG mitgeteilt, dass der BF den Termin für die medizinische Untersuchung am 06.02.2020 aus gesundheitlichen Gründen nicht wahrnehmen könne.

I.16.   Mit Beschluss des BVwG vom 25.02.2020 wurde XXXX gemäß § 52 Abs. 2 AVG iVm § 17 VwGVG als Sachverständiger aus dem Fachgebiet Psychiatrie und Neurologie im gegenständlichen Verfahren bestellt und diesem aufgetragen, ein schriftliches Gutachten unter Berücksichtigung der beigelegten ärztlichen Untersuchungsberichte (Befunde, Diagnosen, notwendigen Behandlungen und Medikamente) mit Schwerpunkt der Aussagetüchtigkeit und Vernehmungsfähigkeit des BF zu erstatten.

I.17.   Mit Schreiben vom 25.02.2020 wurden der BF und eine Dolmetscherin zu einer anberaumten Beweisaufnahme für eine medizinische Untersuchung am 16.03.2020 geladen. Dieser Termin wurde vom Sachverständigen abgesagt und sowohl der BF als auch die Dolmetscherin darüber informiert.

I.18.   Am 25.06.2020 wurde dem BVwG zur Kenntnis gebracht, dass der BF wegen Verdacht auf Besitz von Dateien mit pornographischen Darstellungen Minderjähriger durch Beamte des Landeskriminalamtes Vorarlberg angezeigt worden sei.

I.19.   Am 14.08.2020 langte beim BVwG ein Abschlussbericht der Landeskriminalpolizei Vorarlberg vom 13.08.2020 ein, welchem zu entnehmen ist, dass der BF dringend verdächtig sei, zumindest am 17.01.2020 auf Facebook eine Bilddatei mit kinderpornographischem Inhalt hochgeladen zu haben.

I.20.   Am 16.10.2020 langte das psychiatrische Gutachten von XXXX vom 10.10.2020 beim BVwG ein. Der bB, dem BF bzw. dessen Erwachsenenvertreter wurde Parteiengehör eingeräumt. Dazu brachte der BF am 04.11.2020 eine schriftliche Stellungnahme ein.

I.21.   Am 06.11.2020 erstattete der Sachverständige XXXX eine Ergänzung des psychiatrischen Erstgutachtens vom 10.10.2020. Der bB, dem BF bzw. dessen Erwachsenenvertreter wurde wiederum Parteiengehör eingeräumt.

II.      Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

II.1.   Feststellungen:

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest.

II.1.1. Zum Verfahrensgang:

Der unter Punkt I. dargestellte Verfahrensgang wird festgestellt und der Entscheidung zu Grunde gelegt.

II.1.2. Zur Person des BF:

Der BF führt den Namen XXXX , geb. XXXX , ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan, Angehöriger der Volksgruppe der Tadschiken und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam.

II.1.3. Zum Gesundheitszustand des BF:

Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass der BF an einer krankheitswertigen psychischen Störung wie einer posttraumatischen Belastungsstörung oder an einer geistigen Behinderung leidet.

Mit Beschluss des Bezirksgerichts Bregenz vom 01.08.2018, XXXX , wurde XXXX als gerichtlicher Erwachsenenvertreter des BF für die Vertretung im anhängigen Asylverfahren, W245 2159118-1, bestellt.

Der BF kann jedenfalls seit Beginn seiner Volljährigkeit einzelne seiner Angelegenheiten nicht ohne Gefahr eines Nachteils für sich selbst erledigen. Er konnte insbesondere die Bedeutung und die Tragweite des Verfahrens über internationalen Schutz und der prozessualen Vorgänge nicht erkennen und diese nicht verstehen.

Er ist nicht in der Lage, sich den Anforderungen eines Verfahrens über internationalen Schutz entsprechend zu verhalten. Dies ist auch zukünftig nicht zu erwarten.

II.2.   Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den Verwaltungsakt sowie in den Gerichtsakt, der Beschwerde gegen den im Spruch genannten Bescheid der bB, der im Verfahren vorgelegten Dokumente, dem eingeholten Sachverständigengutachten sowie durch Einsichtnahme in das Zentrale Melderegister, das Fremdeninformationssystem, das Strafregister und das Grundversorgungs-Informationssystem. Die Feststellungen basieren auf den in den Klammern angeführten Beweismitteln.

II.2.1. Zum Verfahrensgang:

Der oben angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes der bB und des Gerichtsaktes des BVwG.

II.2.2. Zur Person des BF:

Die Feststellungen zur Identität (Name und Geburtsdatum) des BF ergeben sich aus seinen Angaben vor der bB und in der Beschwerde (vgl. Niederschrift, Seite 4). Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität des BF getroffen wurden, gelten diese ausschließlich für die Identifizierung der Person des BF im Asylverfahren, da seine Identität – mangels Vorlage unbedenklicher Identitätsdokumente oder anderer relevanter Bescheinigungsmittel – nicht abschließend geklärt werden konnte.

II.2.3. Zum Gesundheitszustand des BF:

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand des BF ergeben sich aus dem eingeholten psychiatrischen Gutachten von XXXX , Facharzt für Psychiatrie und Neurologie, vom 10.10.2020 und insbesondere den im Verfahren vorgelegten Unterlagen (Kopie von Medikamentenpackungen, AS 53; Arztbrief des Landeskrankenhaus Rankweil betreffend die stationäre Behandlung vom 01.03.2016 bis 18.03.2016 und Entlassungsdiagnose vom 16.03.2016, AS 69-73; Arztmitteilung des Landeskrankenhaus Rankweil betreffend die stationäre Behandlung vom 21.02.2017 bis 28.02.2017 und Entlassungsdiagnose vom 28.02.2017, AS 75-77; Fachärztliches Attest von XXXX vom 15.05.2017, Anhang zur Beschwerde; Psychologischer Bericht von XXXX vom 23.05.2017, Anhang zur Beschwerde; Therapieausweis für Xepiion, Anhang zur Beschwerde; Anregung der Bestellung eines Erwachsenenvertreters vom 20.04.2018, OZ 8; Beschluss für die Bestellung eines gerichtlichen Erwachsenenvertreters vom 01.08.2018, OZ 9; Medikamentenverschreibung von XXXX vom 05.05.2017, OZ 10; Krankenhauseinweisung vom 03.05.2017, OZ 10; Arztbrief des Landeskrankenhaus Rankweil betreffend die stationäre Behandlung vom 09.07.2017 bis 21.07.2017 und Entlassungsdiagnose vom 21.07.2017, OZ 10; Arztbrief des Landeskrankenhaus Rankweil betreffend die stationäre Behandlung vom 28.07.2017 bis 31.07.2017 und Entlassungsdiagnose vom 31.07.2017, OZ 10; Untersuchungsbericht von XXXX , vom 03.07.2018, OZ 10; Befund vom 09.05.2018, OZ 10; Stellungnahme vom 05.02.2020, OZ 15; Psychiatrisches Gutachten von XXXX vom 10.10.2020, OZ 25; Stellungnahme vom 04.11.2020, OZ 28 und Ergänzung zum psychiatrischen Erstgutachten vom 06.11.2020, OZ 30) sowie aus der Einvernahme vor der bB zum Gesundheitszustand (Niederschrift vom 11.04.2017, AS 55-66).

Dem psychiatrischen Gutachten von XXXX , Facharzt für Psychiatrie und Neurologie, vom 10.10.2020 ist zu entnehmen, dass aufgrund der vorliegenden Befunde und Untersuchungsberichte (siehe oben) nicht ausgeschlossen werden kann, dass der BF an einer krankheitswertigen psychischen Störung wie einer posttraumatischen Belastungsstörung oder an einer geistigen Behinderung leidet (psychiatrisches Gutachten von XXXX , Seite 11). Nachdem das Gutachten vollständig, in sich schlüssig und widerspruchsfrei ist, konnte auf Grundlage dessen, zweifelsfrei die Feststellung zum Gesundheitszustand des BF getroffen werden. Auch wurde dies von den Parteien nicht bestritten.

Hinsichtlich des Erkrankungszeitpunktes des BF und dem Verlauf der Erkrankung, wird im ergänzenden Gutachten näher ausgeführt, dass der BF anhaltend seit Beginn seiner Volljährigkeit einzelne seiner Angelegenheiten nicht ohne Gefahr eines Nachteils für sich selbst erledigen könne. Dies betreffe unter anderem die Erledigung von ihn betreffenden Angelegenheiten vor Behörden und Gerichten (Ergänzung des psychiatrischen Erstgutachtens von XXXX ). Der BF werde derzeit spezifisch medikamentös behandelt. Eine tiefergehende Gesprächstherapie sei wegen der Sprachbarriere und seiner intellektuell einfachen Strukturiertheit nicht möglich, jedoch werde er sozialpsychiatrisch im Sinne einer sinnvollen Tagesstrukturierung und Alltagsbewältigung durch die Caritas betreut (psychiatrisches Gutachten von XXXX , Seite 12). Auch wenn der Gutachter die Fragen, ob der BF durch eine krankheitswertige psychische Störung oder geistige Behinderung gehindert sei oder in der Vergangenheit gehindert gewesen sei, die Bedeutung und die Tragweite des Verfahrens über internationalen Schutz und der prozessualen Vorgänge zu erkennen, zu verstehen und sich den Anforderungen eines derartigen Verfahrens entsprechend zu verhalten, verneinte, ist zu beachten, dass er dabei auf die „obigen Ausführungen“, somit auf den Umstand, dass nicht ausgeschlossen werden kann, dass der BF an einer krankheitswertigen psychischen Störung wie einer posttraumatischen Belastungsstörung oder an einer geistigen Behinderung leidet, verwies (vgl. psychiatrisches Gutachten von XXXX , Seite 12). Ferner wurde ausdrücklich festgehalten, dass die Frage zur Fähigkeit, Vollmacht zu erteilen bzw. einen Vertreter zu wählen, beim BF derzeit zu verneinen sei und auch rückblickend für den 17.05.2017, den Zeitpunkt der Vollmachtserteilung für die XXXX , verneint werden könne (psychiatrisches Gutachten von XXXX , Seite 12 f.). Zudem stellte der Gutachter in seinem ergänzenden Schreiben zum psychiatrischen Erstgutachten zweifellos klar, dass der BF einzelne seiner Angelegenheiten nicht ohne Gefahr eines Nachteils für sich selbst erledigen könne, und zwar zum Untersuchungszeitpunkt wie auch anhaltend seit Beginn seiner Volljährigkeit. Dies betreffe insbesondere die Besorgung aller seiner finanziellen Angelegenheiten wie auch im Bedarfsfall die Erledigung von ihn betreffenden Angelegenheiten vor Ämtern, Behörden, Banken, Gerichten, Sozialversicherungsträgern und gegenüber privaten Geschäftspartnern (vgl. Ergänzung des psychiatrischen Erstgutachtens von XXXX vom 06.11.2020). Aufgrund der in sich schlüssigen und substantiierten Ausführungen des Gutachters konnte daher zu der Feststellung gelangt werden, dass der BF die Bedeutung und die Tragweite des Verfahrens über internationalen Schutz und der prozessualen Vorgänge nicht erkennen und diese nicht verstehen konnte sowie nicht in der Lage ist, sich den Anforderungen eines Verfahrens über internationalen Schutz entsprechend zu verhalten.

Dafür, dass der BF nicht in der Lage ist, sich den Anforderungen eines Asylverfahrens entsprechend zu verhalten, und dies auch zukünftig nicht zu erwarten ist, sprechen auch die Ausführungen des Gutachters dahingehend, dass der BF ohne fremde Hilfe auch nicht in der Lage sei, sich selbstständig Arbeit, Unterkunft, Verpflegung und medizinische Betreuung zu verschaffen oder sich in einer fremden Stadt zu orientieren. Außerdem könne im Falle einer Abschiebung nach Afghanistan die Gefahr eines Suizids nicht ausgeschlossen werden. Es müsse aus psychiatrischer Sicht zum jetzigen Zeitpunkt mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit bei einer Abschiebung nach Afghanistan von einer Verschlechterung der krankheitswertigen psychischen Störung oder einer geistigen Behinderung ausgegangen werden (psychiatrisches Gutachten von XXXX , Seite 12 f.).

Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass die Ausführungen im Gutachten, wonach der BF aus psychiatrischer Sicht grundsätzlich in der Lage sei, unter Berücksichtigung auf seine einfache intellektuelle Grundausstattung Erlebtes wiederzugeben, eine Einschränkung seiner kognitiven Fähigkeit nur beim Thema „Muslime“ gegeben sei und der BF einvernahmefähig sei (psychiatrisches Gutachten von XXXX , Seite 13 f.), alleine nicht geeignet sind, die getroffenen Feststellungen zu entkräften und in diesem Zusammenhang insbesondere auf den Umstand zu verweisen ist, dass der BF ihn betreffende Angelegenheiten vor Behörden und Gerichten nicht ohne Gefahr eines Nachteils für sich selbst erledigen kann.

Vor diesem Hintergrund konnten unzweifelhaft die Feststellungen getroffen werden.

II.3.   Rechtliche Beurteilung:

Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Mangels materienspezifischer Sonderregelung besteht somit gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles sowie andere näher genannte (im vorliegenden Fall nicht relevante) Gesetze und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

Die Zulässigkeit einer Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG setzt einen tauglichen Anfechtungsgegenstand, somit die Erlassung (rechtliche Existenz) eines Bescheides einer Verwaltungsbehörde voraus.

II.3.1. Zu A) Zurückweisung der Beschwerde:

II.3.1.1. Zur Rechtslage im gegenständlichen Beschwerdeverfahrens:

Die Erlassung eines - wie hier - schriftlichen Bescheides hat durch rechtswirksame Zustellung bzw. Ausfolgung zu erfolgen.

Verfahrensakte, wie etwa Zustellungen, gegen prozessunfähige Personen sind unwirksam. Mangelt es einem Adressaten einer Verfahrenshandlung (insbesondere auch eines Bescheides) in Bezug auf den Verfahrensgegenstand an der Prozessfähigkeit, so geht die Verfahrenshandlung insofern ins Leere, als sie diesem Adressaten gegenüber keinerlei Rechtswirkungen entfaltet. Die Behörde kann diesfalls Verfahrenshandlungen rechtswirksam nur gegenüber dem gesetzlichen Vertreter (etwa einem Sachwalter [nunmehr Erwachsenenvertreter]) setzen (vgl. etwa VwGH 25.02.2016, Ra 2016/19/0007, mwN sowie die in Hengstschläger/Leeb, AVG I2, unter Rz 5 f zu § 9 AVG wiedergegebene weitere Judikatur).

II.3.1.2. Vor diesem Hintergrund ist im vorliegenden Fall Folgendes auszuführen:

Die - nur an den BF als Zustellungsempfänger verfügte und erfolgte - Zustellung des angefochtenen Bescheides wäre nur dann rechtswirksam - und der angefochtene Bescheid damit erlassen (rechtlich existent) -, wenn der BF im Zeitpunkt der Zustellung des Bescheides am 10.05.2017 prozessfähig gewesen wäre. Davon kann aus folgenden Gründen nicht ausgegangen werden.

Insoweit die persönliche Rechts- und Handlungsfähigkeit von Beteiligten (hier: des BF) in Frage kommt, ist diese gemäß § 9 AVG, soweit in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts zu beurteilen. Einen Mangel der Prozessfähigkeit ist in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen wahrzunehmen (VwGH 21.05.2019, Ra 2019/03/0037).

Der Beschluss über die Bestellung eines Sachwalters (nunmehr Erwachsenenvertreters) führt ab seiner Erlassung - innerhalb des Wirkungskreises des Sachwalters - zur eingeschränkten Geschäfts- und Handlungsfähigkeit des Betroffenen und wirkt insofern konstitutiv, als ab seiner Wirksamkeit die Prozessfähigkeit und Handlungsfähigkeit im dort umschriebenen Ausmaß keinesfalls mehr gegeben ist (vgl. etwa VwGH 22.06.2016, Ra 2016/03/0064; VwGH 20.12.2016, Ra 2015/01/0162; VwGH 27.10.2014, Ra 2014/02/0107, mwH). Für die Zeit davor ist erforderlichenfalls zu prüfen, ob der Betroffene schon damals nicht mehr prozessfähig gewesen ist und somit nicht mehr in der Lage war, Bedeutung und Tragweite der Verfahren und der sich in diesen ereignenden prozessualen Vorgänge zu erkennen, zu verstehen und sich den Anforderungen derartiger Verfahren entsprechend zu verhalten (zur Prüfungsbefugnis der Prozessfähigkeit für die Zeit vor Erlassung des im Sachwalterverfahren ergangenen gerichtlichen Bestellungsbeschlusses vgl. zB VwGH 30.03.2017, Ra 2016/07/0084; VwGH 16.05.2000, 98/14/0225, mwN; ebenso VwGH 25.03.1999, 98/06/0141).

Im vorliegenden Fall wurde erstmals mit bezirksgerichtlichem Beschluss vom 01.08.2018, XXXX , ein gerichtlicher Erwachsenenvertreter des BF für die Vertretung im anhängigen Asylverfahren, W245 2159118-1, bestellt. Vor diesem Hintergrund ist die Prozess- und Handlungsfähigkeit des BF ab diesem Zeitpunkt im verfahrensgegenständlichen Gerichtsverfahren jedenfalls nicht mehr gegeben gewesen.

Hinsichtlich der Frage der wirksamen Zustellung des angefochtenen Bescheides ist zu prüfen, ob der BF als Bescheidadressat bzw. im Zeitpunkt der Zustellung des Bescheides (10.05.2017) im angeführten Sinn prozessfähig war.

Angesichts des oben dargelegten, auf einer Befundung durch einen psychiatrischen Sachverständigen beruhenden Zustandsbildes des BF, dem zufolge beim BF eine krankheitswertige psychische Störung wie eine posttraumatische Belastungsstörung oder eine geistige Behinderung nicht ausgeschlossen werden kann und der BF anhaltend seit Beginn seiner Volljährigkeit ihn betreffende Angelegenheiten vor Behörden und Gerichten nicht ohne Gefahr eines Nachteils für sich selbst erledigen kann, geht das BVwG davon aus, dass der BF im Zeitpunkt des Zustellvorganges betreffend den angefochtenen Bescheid im Mai 2017 nicht prozessfähig war. Sowohl der BF als auch die bB traten dem vom Sachverständigen beschriebenen Zustandsbild nicht entgegen und brachten im Übrigen auch keine konkreten, überzeugenden Umstände vor, die gegen die Richtigkeit der gerichtlichen Bestellung eines Erwachsenenvertreters sprechen.

Vor diesem Hintergrund vermochte die von der belangten Behörde vorgenommene Zustellung des angefochtenen Bescheides an den prozessual handlungsunfähigen BF keine Rechtswirkungen auszulösen (vgl. etwa VwGH 25.02.2016, Ra 2016/19/0007, mwN).

Es wurde auch nicht behauptet und ist auch sonst nicht ersichtlich geworden, dass der angefochtene Bescheid dadurch wirksam erlassen worden wäre, dass er etwa einem gewillkürten Vertreter des BF zugestellt worden wäre (wobei sich aus den Ausführungen des psychiatrischen Sachverständigen überdies ergibt, dass der BF nicht in der Lage war, Vollmachten zu erteilen, die Bestellung eines gewillkürten Vertreters die Prozessfähigkeit aber voraussetzt).

Das BVwG gelangt daher zum Ergebnis, dass der angefochtene Bescheid nicht rechtswirksam erlassen (rechtlich existent) wurde. Die Beschwerde war daher schon deshalb (ungeachtet allfälliger weiterer die Unzulässigkeit der Beschwerde bewirkender Mängel, etwa der Vollmacht oder der Genehmigung durch den gesetzlichen bzw. gerichtlichen Vertreter) mangels eines tauglichen Anfechtungsgegenstandes als unzulässig zurückzuweisen (vgl. etwa VwGH 27.04.2011, 2008/23/1027, dessen diesbezügliche Aussagen auch für das Verfahren vor den Verwaltungsgerichten gelten).

Der Vollständigkeit halber ist noch auf Folgendes hinzuweisen: Die Frage der Prozessfähigkeit ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes als Vorfrage (iSd § 38 AVG) zu beurteilen. Muss die Behörde von Amts wegen oder auf Grund eines eingebrachten Antrages gegen einen Prozessunfähigen, der eines gesetzlichen Vertreters entbehrt, eine Amtshandlung vornehmen, so muss sie einen Kurator (etwa einen Sachwalter [nunmehr Erwachsenenvertreter]) bestellen lassen. Im Fall der Anhängigkeit eines Verfahrens zur Vorfrage steht es im Ermessen der Behörde, das Verfahren auszusetzen oder selbst die Vorfrage zu beurteilen.

II.3.2. Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:

Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen, weil die Beschwerde zurückzuweisen war.

II.3.3. Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzlichen Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen (siehe dazu insbesondere die unter A) zitierte Judikatur). Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zum Teil zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich weitestgehend gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Anfechtungsgegenstand Aussetzung Bescheiderlassung Bescheidqualität Gesundheitszustand Handlungsfähigkeit Prozessfähigkeit psychische Störung PTBS (posttraumatische Belastungsstörung) Sachwalter Tauglichkeit Unzulässigkeit der Beschwerde Vorfrage Zurückweisung Zustellmangel Zustellung Zustellwirkung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W245.2159118.1.00

Im RIS seit

03.03.2021

Zuletzt aktualisiert am

03.03.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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