TE Bvwg Erkenntnis 2020/12/3 W222 2203178-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 03.12.2020
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Entscheidungsdatum

03.12.2020

Norm

AVG §74
B-VG Art133 Abs4
FPG §46a
FPG §57
VwGVG §22 Abs3

Spruch


W222 2203178-2/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Obregon als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX alias XXXX , geb. XXXX , StA. Indien, vertreten durch den MigrantInnenverein St. Marx, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.02.2020, Zl. XXXX , zu Recht:

A)

I. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

II. Der Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung wird gemäß § 22 Abs. 3 VwGVG abgewiesen.

III. Der Antrag, der belangten Behörde den Kostenersatz aufzuerlegen, wird als unzulässig zurückgewiesen.

IV. Der Antrag auf Zuerkennung des Duldungsstatus wird wegen Unzuständigkeit zurückgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I.       Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer, ein indischer Staatsangehöriger, reiste illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 04.10.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.07.2018, Zahl: XXXX , wurde der Antrag des Beschwerdeführers betreffend die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten, sowie betreffend die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen und gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung nach Indien erlassen. Die gegen den Bescheid des Bundesamtes erhobene Beschwerde wurde seitens des Bundesverwaltungsgerichts mit Erkenntnis vom 02.10.2018, Zahl: XXXX , als unbegründet abgewiesen.

Am 08.01.2019 wurde der Beschwerdeführer einer Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vor der Regionaldirektion Wien unterzogen. Im Rahmen der Einvernahme wurde dem Beschwerdeführer vorgehalten, dass er sich trotz rechtskräftiger Rückkehrentscheidung und der damit verbundenen Pflicht zur Ausreise nach wie vor illegal im Bundesgebiet aufhalte. Darauf erklärte er, dass er das wisse. Er sei auch bereit, die notwendigen Dokumente zur Erlangung eines Heimreisezertifikates auszufüllen.

Am 07.02.2019 wurde der Beschwerdeführer von Organen der Landespolizeidirektion Wien beim Verteilen von Werbematerial angetroffen werden. Da er sich nicht ausweisen konnte, wurde er festgenommen und zwecks Rücksprache mit dem Bundesamt vorerst in die Polizeiinspektion verbracht. Zu seinem Wohnsitz befragt gab er an, dass er keinen Schlüssel für die Unterkunft habe, sich jedoch seine Sachen darin befinden würden. Eine Überprüfung dessen durch Organe der Landespolizeidirektion verlief positiv. Der Beschwerdeführer wurde daher entlassen und auf freiem Fuß angezeigt.

Mit Mandatsbescheid vom 26.09.2019 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 57 Abs. 1 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG aufgetragen, bis zu seiner Ausreise durchgängig Unterkunft in der folgenden Betreuungseinrichtung zu nehmen, dieser Verpflichtung habe er binnen drei Tagen nachzukommen: Betreuungsstelle Trixlegg 12, 6391 Fieberbrunn.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer fristgerecht das Rechtsmittel der Vorstellung.

Mit Schreiben vom 14.10.2019 wurde der Beschwerdeführer durch das Bundesamt über das Ergebnis der Beweisaufnahme verständigt. Es sei beabsichtigt, mit ordentlichem Bescheid die Anordnung einer Wohnsitzauflage gem. § 57 Abs. 1 Z 2 FPG anzuordnen. Der BF könne innerhalb von 14 Tage eine Stellungnahme dazu abgeben.

Am 29.10.2019 legte der Beschwerdeführer eine Stellungnahme vor, in der er die Erklärungen der Vorstellung bekräftigte und erklärte, dass die Anordnung der Wohnsitzauflage rechtswidrig und nicht notwendig sei und eine unzulässige Einschränkung seiner Rechte darstelle. Er habe stets konsistente und nachvollziehbare Angaben zu seiner Identität gemacht, zudem habe er ausreichend Deutsch erlernt, um sich um Alltag verständigen zu können. Er strebe einen weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet an, da die Sicherheitslage in seinem Heimatstaat katastrophal sei und ihm jede Existenzmöglichkeit im Falle einer Rückkehr fehle.

Mit Bescheid vom 20.02.2020 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 57 Abs. 1 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG aufgetragen, bis zu seiner Ausreise durchgängig Unterkunft in der folgenden Betreuungseinrichtung zu nehmen, dieser Verpflichtung habe er binnen drei Tagen nachzukommen: Betreuungsstelle Trixlegg 12, 6391 Fieberbrunn. Begründend wurde ausgeführt, dass der BF seiner Verpflichtung zur freiwilligen Ausreise bisher nicht nachgekommen sei und sich somit illegal im Bundesgebiet aufhalte. Zudem habe der Beschwerdeführer in seinem Asylverfahren versucht, über seine Identität zu täuschen und habe das Rückkehrberatungsgespräch nicht in Anspruch genommen. In Österreich sei er weder beruflich noch sozial verankert.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde. Der BF sei bereits seit dreieinhalb Jahren im Bundesgebiet und sei gut integriert. Er verfüge in Wien über eine reguläre Wohnmöglichkeit und sei dort auch gemeldet. Es sei kein Bedarf dafür ersichtlich, den Beschwerdeführer in Trixlegg in einer Betreuungseinrichtung unterzubringen, die sich abseits der urbanen Infrastruktur befinde und wo es keinerlei Möglichkeiten für sinnvolle Arbeit, Bildung, Sport oder anderweitige Beschäftigung gebe. Er habe sich stets kooperativ verhalten. Die Wohnsitzauflage stelle tatsächlich keinen bloß geringfügigen Eingriff, sondern eine große Änderung im Leben des Beschwerdeführers dar. Für einen derartig schweren Eingriff gebe es keinen Grund. Ein Wohnsitzwechsel für den Beschwerdeführer, der über eine private Unterkunft und daher über einen entsprechenden Hausrat und Fährnisse besitze, sei innerhalb von nur drei Tagen nicht zumutbar. Da das Rechtsmittel gegen den Bescheid keine aufschiebende Wirkung entfalte, diese sei aberkannt worden, habe der Beschwerdeführer kein effektives Rechtsmittel in der Hand, sich gegen die Entscheidung zu wehren, die die Behörde innerhalb von drei Tagen durchsetzen wolle. In die Betreuungsstelle in Trixlegg zu gehen, würde bedeuten, dass der Beschwerdeführer sein eigenständiges Leben samt Versicherung und seiner Integrationsbemühungen aufgeben müsste. Die Wohnsitzauflage bedeute einen Freiheitsentzug im Sinne des Rechts auf Freiheit und Sicherheit.

Die gegenständliche Beschwerde und der bezugshabende Verwaltungsakt langten beim Bundesverwaltungsgericht am 25.03.2020 ein.

II.      Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.Feststellungen:

Festgestellt wird der oben dargestellte Verfahrensgang.

Seit Erlassung des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichts vom 02.10.2018, Zahl: XXXX , mit dem der Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Indien rechtskräftig ausgewiesen wurde, hält sich der Beschwerdeführer unrechtmäßig im Bundesgebiet auf, seiner Ausreiseverpflichtung nach Indien ist er bislang nicht nachgekommen. Er ist nicht ausreisewillig. Der Beschwerdeführer verfügt in Indien noch über Familienangehörige. Im Bundesgebiet verfügt der Beschwerdeführer über keinerlei verwandtschaftliche Beziehungen. Er arbeitet in Wien ab und zu als Verteiler von Werbematerial. Der Beschwerdeführer ist nicht Mitglied in einem Verein. Der Beschwerdeführer ist in Wien gemeldet und unbescholten. Er ist gesund und im erwerbsfähigen Alter.

2.Beweiswürdigung:

Die Feststellungen stützen sich auf den Inhalt der Akten des Bundesamtes sowie die des Bundesverwaltungsgerichtes. Die Feststellungen zum Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich, zum Ausgang des Verfahrens über seinen Antrag auf internationalen Schutz sowie des Verfahrens betreffend seine Ausweisung, zum Bestehen einer Rückkehrentscheidung, zum Verbleib in Österreich trotz rechtskräftiger Ausweisung und Rückkehrentscheidung, sowie zu seiner Integration ergeben sich unstrittig aus dem Akteninhalt. Die Ausreiseunwilligkeit ergibt sich aus der Beschwerde und der eingebrachten Stellungnahme, wo der Beschwerdeführer angab, den weiteren Aufenthalt in Österreich wegen der Verfolgung in seiner Heimat und der katastrophalen Sicherheits- und Menschenrechtslage sowie fehlender Existenzmöglichkeiten im Herkunftsstaat und der Verbundenheit zu Österreich anzustreben.

Die Feststellungen der aufrechten Meldung und der Unbescholtenheit beruhen auf einer eingeholten Meldeauskunft und einem eingeholten Strafregisterauszug.

3.Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBL I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 1 BFA-VG, BGBl I 2012/87 idF BGBL I 2013/144, bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.

Gemäß § 9 Abs. 2 FPG, BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, und § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA. Somit ist das Bundesverwaltungsgericht für die Entscheidung zuständig.

Zu A)

Zu Spruchpunkt I.:

§ 57 FPG lautet auszugsweise:

„Wohnsitzauflage

§ 57. (1) Einem Drittstaatsangehörigen, gegen den eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen wurde und dessen Aufenthalt im Bundesgebiet nicht geduldet (§ 46a) ist, kann aufgetragen werden, bis zur Ausreise in vom Bundesamt bestimmten Quartieren des Bundes Unterkunft zu nehmen, wenn

1. keine Frist zur freiwilligen Ausreise gemäß § 55 gewährt wurde oder

2. nach Ablauf der Frist zur freiwilligen Ausreise gemäß § 55 bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Drittstaatsangehörige seiner Ausreiseverpflichtung weiterhin nicht nachkommen wird.

(2) Bei der Beurteilung, ob bestimmte Tatsachen gemäß Abs. 1 Z 2 vorliegen, ist insbesondere zu berücksichtigen, ob der Drittstaatsangehörige

1. entgegen einer Anordnung des Bundesamtes oder trotz eines nachweislichen Angebotes der Rückkehrberatungsstelle ein Rückkehrberatungsgespräch (§ 52a Abs. 2 BFA-VG) nicht in Anspruch genommen hat;

2. nach Ablauf der Frist für die freiwillige Ausreise seinen Wohnsitz oder den Ort seines gewöhnlichen Aufenthalts gewechselt und das Bundesamt davon nicht in Kenntnis gesetzt hat;

3. an den zur Erlangung einer Bewilligung oder eines Reisedokumentes notwendigen Handlungen im Sinne der § 46 Abs. 2 und 2a nicht mitwirkt;

4. im Rahmen des Asylverfahrens, des Verfahrens zur Erlassung der Rückkehrentscheidung oder des Rückkehrberatungsgesprächs erklärt hat, seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen zu wollen;

5. im Asylverfahren oder im Verfahren zur Erlassung der Rückkehrentscheidung über seinen Herkunftsstaat oder seine Identität getäuscht oder zu täuschen versucht hat.

(3) [...]

(4) Die Verpflichtungen des Drittstaatsangehörigen aufgrund einer Wohnsitzauflage gemäß Abs. 1 oder Abs. 3 ruhen, wenn und solange

1. die Rückkehrentscheidung gemäß § 59 Abs. 6 oder die Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 12a Abs. 4 AsylG 2005 vorübergehend nicht durchführbar,

2. sein Aufenthalt im Bundesgebiet gemäß § 46a geduldet oder

3. ihm die persönliche Freiheit entzogen ist.

(5) Wird eine Rückkehrentscheidung gemäß § 60 Abs. 3 gegenstandslos oder tritt eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 Abs. 4 außer Kraft, tritt auch die Wohnsitzauflage außer Kraft.

(6) Die Wohnsitzauflage gemäß Abs. 1 oder Abs. 3 ist mit Mandatsbescheid (§ 57 AVG) anzuordnen. In diesem sind dem Drittstaatsangehörigen auch die Folgen einer allfälligen Missachtung zur Kenntnis zu bringen."

Aus den Erläuterungen zum FRÄG 2017 betreffend § 57 FPG ergibt sich auszugsweise Folgendes:

"[...] Die Erlassung einer Wohnsitzauflage soll dabei nicht systematisch erfolgen, sondern hat jedenfalls abhängig von den konkreten Umständen des Einzelfalls zu ergehen. Dabei sind insbesondere der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sowie Art. 8 EMRK - insbesondere im Hinblick auf das Bestehen familiärer Strukturen, die Wahrung der Familieneinheit und die besonderen Bedürfnisse von Minderjährigen auch im Sinne der Jugendwohlfahrt - zu berücksichtigen. Die Wohnsitzauflage soll daher als ultima ratio nur dann angeordnet werden, wenn der Drittstaatsangehörige seiner Verpflichtung zur Ausreise bislang nicht nachgekommen ist und aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls anzunehmen ist, dass er auch weiterhin seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen wird.

[...]

Zu Abs. 1:

[...]

Die zweite Konstellation soll auch jene Fälle umfassen, in denen zwar eine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt wurde, der Drittstaatsangehörige aber nicht innerhalb der Frist ausgereist ist und anzunehmen ist, dass er seiner Ausreiseverpflichtung auch weiterhin nicht nachkommen wird.

[...]

Zu Abs. 2:

In Abs. 2 werden jene Tatsachen näher definiert und demonstrativ aufgezählt, welche im Sinne des Abs. 1 Z 2 die Annahme rechtfertigen, dass der Drittstaatsangehörige seiner Ausreiseverpflichtung weiterhin nicht nachkommen wird.

Ein Hinweis auf die mangelnde Bereitschaft zur Ausreise ist naturgemäß dann gegeben, wenn der Drittstaatsangehörige selbst angibt, dass er nicht bereit ist, seiner Ausreiseverpflichtung nachzukommen. Es kann des Weiteren davon ausgegangen werden, dass er seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen wird, wenn er ein ihm angebotenes oder angeordnetes Rückkehrberatungsgespräch zum Zweck der freiwilligen Ausreise nicht wahrnimmt. Ebenso wird davon auszugehen sein, dass der Drittstaatsangehörige nicht bereit ist auszureisen, wenn er während einer gewährten Frist zur freiwilligen Ausreise nicht ausgereist ist und anschließend seinen Wohnsitz bzw. den Ort seines gewöhnlichen Aufenthalts ändert, ohne das Bundesamt hiervon in Kenntnis zu setzen. Ferner kann von mangelhafter Bereitschaft zur Ausreise ausgegangen werden, wenn der betreffende Drittstaatsangehörige es unterlässt, an der Beschaffung von für die Ausreise erforderlichen Dokumenten mitzuwirken oder ein vorhandenes Reisedokument vernichtet oder sich dessen auf sonstige Weise entledigt. Hat der Drittstaatsangehörige bereits im Verfahren über seine Identität getäuscht oder zu täuschen versucht und damit die Beschaffung von für die Ausreise erforderlichen Dokumenten erschwert bzw. verhindert, wird ebenfalls von einer mangelnden Bereitschaft zur Ausreise auszugehen sein.

Da es sich bei Abs. 2 um eine demonstrative Aufzählung handelt, kommen auch weitere Umstände in Betracht, welche die Annahme rechtfertigen, dass der Drittstaatsangehörige seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen wird. Weitere denkbare Gründe in diesem Sinne sind etwa falsche oder widersprüchliche Angaben zum Vorliegen einer Voll- oder Minderjährigkeit bzw. voneinander abweichende Altersangaben in Verfahren vor verschiedenen Behörden (dazu VwGH 25.02.2015, Ra 2014/20/0045) sowie die Verschweigung von vorhandenen Identitätsdokumenten. Hievon sollen beispielsweise jene Fälle erfasst sein, in denen Drittstaatsangehörige im Verfahren vor dem Bundesamt angeben, über keine Identitätsdokumente zu verfügen, während sie im Verfahren vor anderen Behörden (bspw. dem Standesamt im Zuge einer Eheschließung) oder Gerichten solche vorlegen.

[...]

Zu Abs. 6:

Die Auferlegung der Wohnsitzauflage gemäß § 57 erfolgt mittels Mandatsbescheid gemäß §57 AVG. Ein solcher kann erlassen werden, wenn es sich um die Vorschreibung einer Geldleistung oder wegen Gefahr in Verzug um unaufschiebbare Maßnahmen handelt. Für den vorgeschlagenen § 57 ist der Tatbestand "Gefahr in Verzug" maßgeblich: In der Fallkonstellation nach Abs. 1 Z 1 ist der Ausschluss einer Frist zur freiwilligen Ausreise an die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung der Rückkehrentscheidung (§ 18 Abs. 2 BFA-VG) geknüpft. Somit wurde bereits im Falle einer Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde und der Nichtgewährung einer Frist gemäß § 55 festgestellt, dass eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit vorliegt. Dadurch ist die Erlassung der Wohnsitzauflage in dieser Konstellation mittels Mandatsbescheid aufgrund der bereits zuvor anlässlich des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung festgestellten Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit zulässig. Hinsichtlich der zweiten Fallkonstellation nach Abs. 1 Z 2 liegt eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit vor, wenn anzunehmen ist, dass der Drittstaatsangehörige weiterhin nicht ausreisen wird (zumal er dies bereits während der Frist für die freiwillige Ausreise nicht getan hat). Das bloße unrechtmäßige Verbleiben im Bundesgebiet sowie ein länger andauernder unrechtmäßiger Aufenthalt, ohne dass bereits eine entsprechende Entscheidung vorliegt, die eine Ausreiseverpflichtung auferlegt oder feststellt, und unabhängig davon, ob die Einreise bereits unrechtmäßig oder rechtmäßig erfolgte, stellt nach ständiger Rechtsprechung des VwGH eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit dar (VwGH 02.06.2000, 2000/19/0081; 23.03.2001, 2000/19/0042; 02.06.2000, 2000/19/0081; 23.03.2001, 2000/19/0042). Dies muss umso mehr gelten, wenn bereits eine im Wege eines rechtsstaatlichen Verfahrens getroffene Entscheidung vorliegt, die eine Ausreiseverpflichtung feststellt oder auferlegt, und der Drittstaatsangehörige dieser Verpflichtung auch nach Ablauf einer ihm eingeräumten Frist für die freiwillige Ausreise nicht nachkommt bzw. die Annahme gerechtfertigt ist, dass er ihr weiterhin nicht nachkommen wird. Weiters ergibt sich aus dieser Rechtsprechung, dass das beharrliche unrechtmäßige Verbleiben eines Fremden nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens bzw. ein länger andauernder unrechtmäßiger Aufenthalt eine gewichtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung im Hinblick auf ein geordnetes Fremdenwesen darstellt und der Befolgung der den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung durch geordnete Abwicklung des Fremdenwesens ein hoher Stellenwert zukommt (VwGH 31.10.2002, 2002/18/0190; 15.12.2015, Ra 2015/19/0247). Daher ist in diesen Fällen von einer Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit auszugehen, wodurch die Erlassung der Wohnsitzauflage mittels Mandatsbescheides gerechtfertigt ist."

Die belangte Behörde stützte die Annahme, dass der Beschwerdeführer seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen wird, einerseits darauf, dass der Beschwerdeführer das Rückkehrberatungsgespräch iSd § 52a Abs. 2 BFA-VG, welches er bis zum 20.06.2018 in Anspruch hätte nehmen müssen, nicht wahrgenommen habe. Er nahm erst am 16.11.2018 ein Rückkehrberatungsgespräch in Anspruch, jedoch nicht im Rahmen der Verfahrensanordnung, sondern im Rahmen seiner Grundversorgung im Auftrag des Fonds Soziales Wien.

Andererseits stützt die belangte Behörde die Annahme, dass der Beschwerdeführer seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen wird, auf § 57 Abs. 2 Z 5 FPG. Demnach habe der BF im Asylverfahren über seine Identität getäuscht oder zu täuschen versucht. Der BF gab im Rahmen seiner Antragstellung auf internationalen Schutz vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes an, XXXX zu heißen, erklärte im Laufe der niederschriftlichen Einvernahme jedoch, dass das nicht stimme und XXXX lediglich der Name seines Vaters sei. Der Name auf dem von ihm vorgelegten Ausweis sei nicht richtig. Daraus ergibt sich, dass der Tatbestand des § 57 Abs. 2 Z 5 FPG als erfüllt anzusehen ist.

Zudem muss angemerkt werden, dass die erkennende Richterin davon ausgeht, dass der Beschwerdeführer seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen wird, da er in der Stellungnahme vom 29.10.2019 angab, den weiteren Aufenthalt in Österreich wegen der drohenden Verfolgung und der katastrophalen Sicherheits- und Menschenrechtslage in seiner Heimat sowie der Verbundenheit zu Österreich anzustreben. Zudem beantragte er in der Beschwerdeschrift vom 18.03.2020 die Zuerkennung des Duldungsstatus, was ebenso auf einen angestrebten weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet hinweist.

Insgesamt betrachtet zeigte sich, dass im gegenständlichen Fall die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Beschwerdeführer seiner Ausreiseverpflichtung weiterhin nicht nachkommen wird, womit die vom Bundesamt erlassene Wohnsitzauflage rechtens ist.

Gem. Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung des Rechts auf Privat- und Familienleben, Wohnung und Briefverkehr nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Nach ständiger Rechtsprechung der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts kommt dem öffentlichen Interesse aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung iSd Art. 8 Abs. 2 EMRK ein hoher Stellenwert zu. Der Verfassungsgerichtshof und der Verwaltungsgerichtshof haben in ihrer Judikatur ein öffentliches Interesse in dem Sinne bejaht, als eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung von Personen, die sich bisher bloß auf Grund ihrer Asylantragsstellung im Inland aufhalten durften, verhindert werden soll (VfSlg. 17.516 und VwGH vom 26.06.2007, Zl. 2007/01/0479). Ebenso kommt Normen, die ein geordnetes Fremdenwesen betreffend Einreise und Aufenthalt von Fremden regeln, ein hoher Stellenwert zu (vgl. VwGH 30.06.2016, Ra 2016/21/0192). Nichts Anderes kann bezüglich der Ausreise nicht aufenthaltsberechtigter Fremder gelten.

Aus den Erläuternden Bemerkungen zur Wohnsitzauflage nach § 57 FPG ergibt sich, dass hinsichtlich der zweiten Fallkonstellation nach Abs. 1 Z 2 eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit vorliegt, wenn anzunehmen ist, dass der Drittstaatsangehörige weiterhin nicht ausreisen wird (zumal er dies bereits während der Frist für die freiwillige Ausreise nicht getan hat). Das bloße unrechtmäßige Verbleiben im Bundesgebiet sowie ein länger andauernder unrechtmäßiger Aufenthalt, ohne dass bereits eine entsprechende Entscheidung vorliegt, die eine Ausreiseverpflichtung auferlegt oder feststellt, und unabhängig davon, ob die Einreise bereits unrechtmäßig oder rechtmäßig erfolgte, stellt nach ständiger Rechtsprechung des VwGH eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit dar (VwGH 02.06.2000, 2000/19/0081; 23.03.2001, 2000/19/0042; 02.06.2000, 2000/19/0081; 23.03.2001, 2000/19/0042). Dies muss umso mehr gelten, wenn bereits eine im Wege eines rechtsstaatlichen Verfahrens getroffene Entscheidung vorliegt, die eine Ausreiseverpflichtung feststellt oder auferlegt, und der Drittstaatsangehörige dieser Verpflichtung auch nach Ablauf einer ihm eingeräumten Frist für die freiwillige Ausreise nicht nachkommt bzw. die Annahme gerechtfertigt ist, dass er ihr weiterhin nicht nachkommen wird. Weiters ergibt sich aus dieser Rechtsprechung, dass das beharrliche unrechtmäßige Verbleiben eines Fremden nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens bzw. ein länger andauernder unrechtmäßiger Aufenthalt eine gewichtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung im Hinblick auf ein geordnetes Fremdenwesen darstellt und der Befolgung der den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung durch geordnete Abwicklung des Fremdenwesens ein hoher Stellenwert zukommt (VwGH 31.10.2002, 2002/18/0190; 15.12.2015, Ra 2015/19/0247). Daher ist in diesen Fällen von einer Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit auszugehen, wodurch die Erlassung der Wohnsitzauflage mittels Mandatsbescheides gerechtfertigt ist.

Der Beschwerdeführer, welcher keine familiären Bindungen im Bundesgebiet aufweist und keiner legalen Erwerbstätigkeit nachgeht, hat seinen Lebensmittelpunkt in Wien, sodass durch die Wohnsitzauflage in das (in Wien) bestehende Privatleben und Wohnung des Beschwerdeführers eingegriffen wird. Der Eingriff ist aber trotz Bestehens von sozialen Kontakten im Hinblick auf ein geordnetes Fremdenwesen gerechtfertigt. So ist darauf hinzuweisen, dass sich der Beschwerdeführer auch nicht auf seine berufliche Integration in Wien berufen kann, da es hiefür einer entsprechenden Arbeitsbewilligung bedürfte, für die wie auch für eine Gewerbeausübung eine entsprechende Aufenthaltsberechtigung nötig wäre, wogegen sich der Beschwerdeführer unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, und gilt es im Rahmen eines geordneten Fremdenwesens illegale Beschäftigungen hintan zu halten. Zudem wiegt die Weigerung des Beschwerdeführers, der ihn treffenden Ausreiseverpflichtung auch nachzukommen, insbesondere im Lichte des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung durch geordnete Abwicklung des Fremdenwesens schwer zu seinen Lasten. Zudem muss sich der Beschwerdeführer aufgrund der gegen ihn erlassenen Rückkehrentscheidung dessen bewusst sein, dass er seinen Lebensmittelpunkt in Wien nicht aufrechterhalten wird können. In Abwägung der Bindung des Beschwerdeführers an seinen Wohnort sind in Relation zu dem dargestellten öffentlichen Interesse allfällige - insbesondere in der Beschwerde monierte - Unannehmlichkeiten durch die kurzfristige Aufgabe seines Wohnsitzes in Wien sowie bei der Anreise in das Quartier nach Trixlegg, weiters eine Einschränkung seiner sozialen Kontakte in Wien nicht so gewichtig, dass sie das öffentliche Interesse überwiegen würden.

Unter diesen Gesichtspunkten und im Hinblick darauf, dass damit ein dringendes öffentliches Interesse erfüllt wird, ist der mit der Wohnsitzauflage verbundene Eingriff in das Privatleben und die Wohnung des Beschwerdeführers verhältnismäßig und aufgrund des Verhaltens des Beschwerdeführers auch dringend geboten.

Der in der Beschwerde vertretenen Auffassung, es handle sich bei einer Wohnsitznahme in der Betreuungsstelle um einen Freiheitsentzug, kann sich das Bundesverwaltungsgericht nicht anschließen, da kein Grund ersichtlich ist, warum sich der Beschwerdeführer dort nicht frei bewegen könne. Allein der Umstand, dass die Betreuungsstelle nicht an ein öffentliches Verkehrsmittel angeschlossen ist, entspricht keinem Freiheitsentzug, zumal es dem BF auch zumutbar ist, gegebenenfalls Wegstrecken zu Fuß zu bewältigen oder Mitfahrgelegenheiten zu organisieren.

Die Behauptung, dass die Betreuungseinrichtung aus eigenem nicht erreichbar und zu teuer sei, muss entgegnet werden, dass sich aus der Information zur Wohnsitzauflage, die dem BF samt dem Bescheid zugestellt wurde, ergibt, dass dem Beschwerdeführer die Anreise in die Betreuungseinrichtung kostenlos ermöglicht werden kann, hierzu wurde auch eine Telefonnummer zur Kontaktaufnahme angegeben. Insofern ist das Argument, dass die Anreise unzumutbar kostspielig sein würde, nicht nachvollziehbar.

Die Anregung in der Beschwerde, ein Gesetzesprüfungsverfahren beim Verfassungsgerichtshof anzuregen, wird nicht aufgegriffen, da seitens des Bundesverwaltungsgerichts keine Zweifel an der Verfassungskonformität der anzuwendenden Bestimmungen bestehen.

Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides war daher abzuweisen.

Zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides:

§ 13 VwGVG lautet:

"(1) Eine rechtzeitig eingebrachte und zulässige Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat aufschiebende Wirkung.

(2) Die Behörde kann die aufschiebende Wirkung mit Bescheid ausschließen, wenn nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien der vorzeitige Vollzug des angefochtenen Bescheides oder die Ausübung der durch den angefochtenen Bescheid eingeräumten Berechtigung wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist. Ein solcher Ausspruch ist tunlichst schon in den über die Hauptsache ergehenden Bescheid aufzunehmen.

(3) Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 4 B-VG haben keine aufschiebende Wirkung. Die Behörde hat jedoch auf Antrag des Beschwerdeführers die aufschiebende Wirkung mit Bescheid zuzuerkennen, wenn dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien mit der sofortigen Verbindlichkeit der Weisung oder mit dem Andauern des Verhaltens der Behörde für den Beschwerdeführer ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.

(4) Die Behörde kann Bescheide gemäß Abs. 2 und 3 von Amts wegen oder auf Antrag einer Partei aufheben oder abändern, wenn sich der maßgebliche Sachverhalt so geändert hat, dass seine neuerliche Beurteilung einen im Hauptinhalt des Spruchs anderslautenden Bescheid zur Folge hätte.

(5) Die Beschwerde gegen einen Bescheid gemäß Abs. 2 oder 3 hat keine aufschiebende Wirkung. Sofern die Beschwerde nicht als verspätet oder unzulässig zurückzuweisen ist, hat die Behörde dem Verwaltungsgericht die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verfahrens unverzüglich vorzulegen. Das Verwaltungsgericht hat über die Beschwerde ohne weiteres Verfahren unverzüglich zu entscheiden und der Behörde, wenn diese nicht von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung absieht, die Akten des Verfahrens zurückzustellen."

§ 22 VwGVG lautet:

„(1) Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG haben keine aufschiebende Wirkung. Das Verwaltungsgericht hat jedoch auf Antrag des Beschwerdeführers die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, wenn dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen mit dem Andauern der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für den Beschwerdeführer ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.

(2) Im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG kann das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung durch Beschluss ausschließen, wenn nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien der vorzeitige Vollzug des angefochtenen Bescheides oder die Ausübung der durch den angefochtenen Bescheid eingeräumten Berechtigung wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist.

(3) Das Verwaltungsgericht kann Bescheide gemäß § 13 und Beschlüsse gemäß Abs. 1 und 2 auf Antrag einer Partei aufheben oder abändern, wenn es die Voraussetzungen der Zuerkennung bzw. des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung anders beurteilt oder wenn sich die Voraussetzungen, die für die Entscheidung über den Ausschluss bzw. die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde maßgebend waren, wesentlich geändert haben."

Im gegenständlichen Fall hat die belangte Behörde die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid gem. § 13 Abs. 2 VwGVG ausgeschlossen und dies mit einem überwiegenden öffentlichen Interesse am sofortigen Vollzug des Bescheides begründet. Das öffentliche Interesse sei bereits durch die Regelung der Wohnsitzauflage mittels sofort durchsetzbaren Mandatsbescheides indiziert, zudem würden diese Interessen in Hinblick auf die Ausreise in Erfüllung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme überwiegen.

Gemäß § 22 Abs. 3 1. Fall VwGVG kann das Verwaltungsgericht Bescheide gemäß § 13 VwGVG - ein solcher liegt in Hinblick auf Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides vor - auf Antrag einer Partei - ein solcher wurde in der Beschwerde gestellt - aufheben oder abändern, wenn es die Voraussetzungen der Zuerkennung bzw. des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung anders beurteilt oder wenn sich die Voraussetzungen, die für die Entscheidung über den Ausschluss bzw. die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde maßgebend waren, wesentlich geändert haben.

Letzteres ist nicht der Fall, da nicht zu erkennen ist, dass sich die Voraussetzungen, die für die Entscheidung über den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde maßgebend waren, entscheidungsrelevant geändert haben. Insbesondere wurde in diesem Zusammenhang kein substantiiertes Beschwerdevorbringen erstattet. Das erkennende Gericht folgt aber auch der Begründung der belangten Behörde zum Ausschluss der aufschiebenden Wirkung. Bereits das Behördenhandeln nach § 57 FPG hat schon inhaltlich das Vorliegen einer "Gefahr in Verzug" zur Voraussetzung - beide Konstellationen, in denen es überhaupt zu einer Wohnsitzauflage kommen kann (vgl. § 57 Abs. 1 Z 1 und Z 2 FPG), begründen nach den Materialen (vgl. oben zu Abs. 6 leg.cit.) eine "Gefahr in Verzug". Damit wird auch der gesetzlich vorgesehene Erlass eines Mandatsbescheids begründet, sodass im Hinblick auf die Voraussetzungen für den Erlass eines (gefahrenpolizeilichen) Mandatsbescheids der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung auch im Vorstellungsbescheid nicht zu beanstanden ist. Der oben ersichtlichen Interessenabwägung folgend überwiegen zudem die öffentlichen Interessen am vorzeitigen Vollzug des angefochtenen Bescheides.

Hinzu kommt, dass sich aufgrund der unter einem ergehenden Entscheidung in der Sache selbst eine Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung faktisch erübrigt.

Der Antrag auf Zuerkennung der (ausgeschlossenen) aufschiebenden Wirkung der Beschwerde ist daher abzuweisen.

Zum Antrag auf Auferlegung der Kosten

Im VwGVG ist mit § 35 leg. cit. Kostenersatz lediglich für Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt geregelt. Sonstige Regelungen über die Kostentragung sind nicht statuiert. Nach der Grundregel des § 74 Abs. 1 AVG iVm § 17 VwGVG hat jeder Beteiligte die ihm im Verwaltungsverfahren erwachsenden Kosten selbst zu bestreiten. Im Anwendungsbereich des AVG gilt damit der Grundsatz der Kostenselbsttragung (VwGH 27.06.2007, Zl. 2005/04/0257). Dieser Grundsatz gilt auch gegenüber der Behörde (VwGH 02.05.2005, Zl. 2004/07/0089). Ein Kostenersatz zwischen den Beteiligten findet nur dort statt, wo er in der Verwaltungsvorschrift geregelt ist. Da weder im verwaltungsgerichtlichen Verfahren, noch im Fremdenpolizeigesetz für diesen Fall Kostenersatz vorgesehen ist, war der Antrag des Beschwerdeführers, der belangten Behörde die Verfahrenskosten aufzuerlegen, somit mangels Rechtsgrundlage als unzulässig zurückzuweisen.

Zum Antrag auf Zuerkennung des Duldungsstatus

§ 46a lautet auszugsweise:

„(1) Der Aufenthalt von Fremden im Bundesgebiet ist zu dulden, solange

1.

deren Abschiebung gemäß §§ 50, 51 oder 52 Abs. 9 Satz 1 unzulässig ist, vorausgesetzt die Abschiebung ist nicht in einen anderen Staat zulässig;

2.

deren Abschiebung gemäß §§ 8 Abs. 3a und 9 Abs. 2 AsylG 2005 unzulässig ist;

3.

deren Abschiebung aus tatsächlichen, vom Fremden nicht zu vertretenen Gründen unmöglich erscheint oder

4.

die Rückkehrentscheidung im Sinne des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG vorübergehend unzulässig ist;

es sei denn, es besteht nach einer Entscheidung gemäß § 61 weiterhin die Zuständigkeit eines anderen Staates oder dieser erkennt sie weiterhin oder neuerlich an. Die Ausreiseverpflichtung eines Fremden, dessen Aufenthalt im Bundesgebiet gemäß Satz 1 geduldet ist, bleibt unberührt.

(2) Die Duldung gemäß Abs. 1 Z 3 kann vom Bundesamt mit Auflagen verbunden werden; sie endet jedenfalls mit Wegfall der Hinderungsgründe. Die festgesetzten Auflagen sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) während des anhängigen Verfahrens mitzuteilen; über sie ist insbesondere hinsichtlich ihrer Fortdauer im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen. § 56 gilt sinngemäß.

(3) Vom Fremden zu vertretende Gründe (Abschiebungshindernisse) liegen jedenfalls vor, wenn er

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

1.

seine Identität verschleiert,

2.

einen Ladungstermin zur Klärung seiner Identität oder zur Einholung eines Ersatzreisedokumentes nicht befolgt oder

3.

an den zur Erlangung eines Ersatzreisedokumentes notwendigen Schritten nicht mitwirkt oder diese vereitelt.

(4) Bei Vorliegen der Voraussetzungen nach Abs. 1 hat das Bundesamt von Amts wegen oder auf Antrag eine Karte für Geduldete auszustellen. Im Antrag ist der Grund der Duldung gemäß Abs. 1 Z 1, 2, 3 oder 4 zu bezeichnen. Die Karte dient dem Nachweis der Identität des Fremden im Verfahren vor dem Bundesamt und hat insbesondere die Bezeichnungen „Republik Österreich“ und „Karte für Geduldete“, weiters Namen, Geschlecht, Geburtsdatum, Staatsangehörigkeit, Lichtbild und Unterschrift des Geduldeten sowie die Bezeichnung der Behörde, Datum der Ausstellung und Namen des Genehmigenden zu enthalten. Die nähere Gestaltung der Karte legt der Bundesminister für Inneres durch Verordnung fest.“

[…]

Gem. § 46a Abs. 4 FPG ist bei Vorliegen der Voraussetzung vom Bundesamt auf Antrag eine Karte für Geduldete auszustellen.

Der VwGH hat in seinem Erkenntnis vom 27.02.2020, Ra 2017/22/0073, folgendes festgehalten:

„Mit dem am 20. Juli 2015 durch das FrÄG 2015 in Kraft gesetzten § 46a Abs. 6 FrPolG 2005 wurde der Beginn der Duldung insoweit geändert, als der Aufenthalt eines Fremden nunmehr - soweit das Vorliegen der Voraussetzungen nach § 46a Abs. 1 FrPolG 2005 nicht bereits zu einem früheren Zeitpunkt rechtskräftig festgestellt wurde - erst mit Ausfolgung der Karte als geduldet gilt. Demgegenüber trat die Duldung nach der bis zum FrÄG 2015 geltenden Rechtslage bereits ex lege mit dem Zeitpunkt ein, in dem feststand, dass die in den betreffenden Tatbeständen genannten Voraussetzungen gegeben waren. Das FrÄG 2015 bewirkte daher insofern einen "Systemwechsel", als der Ausstellung der Karte für Geduldete nunmehr grundsätzlich konstitutive Wirkung zukommt (vgl. VfSlg. 19.935/2014; 20.106/2016). Der Grund für die Überarbeitung der Systematik der Duldung lag darin, "ein Mehr an Rechtssicherheit - für den Fremden wie für die verschiedenen Behörden - zu erreichen" (vgl. ErläutRV 582 BlgNR 25. GP 19).“

§ 6 Abs. 1 AVG lautet:

„(1) Die Behörde hat ihre sachliche und örtliche Zuständigkeit von Amts wegen wahrzunehmen; langen bei ihr Anbringen ein, zu deren Behandlung sie nicht zuständig ist, so hat sie diese ohne unnötigen Aufschub auf Gefahr des Einschreiters an die zuständige Stelle weiterzuleiten oder den Einschreiter an diese zu weisen.“

Der Beschwerdeführer beantragte in der Beschwerdeschrift ihm „nach mündlicher Verhandlung und Durchführung der beantragten Beweise […] Duldungsstatus zuzuerkennen“. Für diesen Antrag ist gem. § 46a Abs. 4 FPG jedoch das Bundesamt zuständig, weshalb der Beschwerdeführer mit seinem Anbringen an dieses verwiesen wird.

Zum Absehen von einer mündlichen Beschwerdeverhandlung:

Die Voraussetzungen für ein Absehen von der Verhandlung gem. § 21 Abs. 7 BFA-VG, wonach eine mündliche Verhandlung unterbleiben kann, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht, sind, wie sich aus obigen Ausführungen ergibt, im gegenständlichen Fall erfüllt. Die Beschwerde bestreitet den von der Behörde festgestellten Sachverhalt nur völlig unbsubstantiiert, sodass sich daraus kein relevanter bzw. über das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens hinausgehender Sachverhalt ergibt. Das übrige Beschwerdevorbringen, das sich auf Unannehmlichkeiten durch die Aufgabe seines Wohnsitzes in Wien sowie bei der Anreise in das Quartier nach Trixlegg, eine Einschränkung seiner sozialen Kontakte, beschreibt Notorisches, sodass sich diesbezüglich keine Veranlassung für eine weitere mündliche Erörterung ergab. Dem Bundesverwaltungsgericht liegt sohin kein Beschwerdevorbringen vor, das mit dem Beschwerdeführer mündlich zu erörtern gewesen wäre. Da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint, konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG eine mündliche Verhandlung somit unterbleiben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG idF BGBl. I Nr. 51/2012 ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben.

Schlagworte

aufschiebende Wirkung Ausreiseverpflichtung Ausreisewilligkeit Duldung Identität Kostenersatz Unzuständigkeit Wohnsitzauflage Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W222.2203178.2.00

Im RIS seit

04.03.2021

Zuletzt aktualisiert am

04.03.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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