TE Bvwg Erkenntnis 2020/12/3 W164 2210658-1

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Veröffentlicht am 03.12.2020
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Entscheidungsdatum

03.12.2020

Norm

AlVG §10
AlVG §38
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs5

Spruch


W164 2210658-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Rotraut LEITNER als Vorsitzende sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Robert POROD (aus dem Kreis der ArbeitgeberInnen) und Mag. Kurt RETZER (aus dem Kreis der ArbeitnehmerInnen) als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , VSNR. XXXX , gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice vom 07.08.2018, AMS 331-Tulln, nach Beschwerdevorentscheidung vom 30.10.2018, Zl. RAG/05661/2018, betreffend Verlust des Anspruchs auf Notstandshilfe nach einer nichtöffentlichen Beratung vom 01.12.2020 zu Recht erkannt:

A)

Der angefochtene Bescheid wird gemäß § 28 Abs 1, Abs 2 und Abs 5 VwGVG aufgehoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Bescheid vom 07.08.2018, AMS 331-Tulln, sprach das Arbeitsmarktservice (im Folgenden: AMS) aus, dass der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) gemäß § 38 iVm § 10 AlVG den Anspruch auf Notstandshilfe für den Zeitraum 30.07.2018 bis 09.09.2018 verloren habe. Eine Nachsicht sei nicht erteilt worden. Der angeführte Zeitraum verlängere sich um die in ihm liegenden Zeiträume, während derer Krankengeld bezogen worden sei. Begründend wurde ausgeführt, dass der BF eine ihm zugewiesene zumutbare Beschäftigungsmöglichkeit als Hilfsarbeiter (mögliche Arbeitsaufnahme per 30.07.2018) beim Dienstgeber XXXX (im Folgenden: L) vereitelt habe. Gründe für eine Nachsicht der Rechtsfolgen würden nicht vorliegen bzw. könnten nicht berücksichtigt werden.

2. Gegen diesen Bescheid erhob der BF fristgerecht Beschwerde und führte aus, dass er von einem Zahlungsstopp nicht informiert gewesen sei. In der mit ihm aufgenommenen Niederschriftgemäß § 10 AlVG habe er persönliche und soziale Gründe angegeben, weshalb ihm die Arbeitsstelle nicht zumutbar sei. Der BF habe sich stets um eine Stelle bemüht. Er ersuche um Aufhebung des Bescheides.

3. Mit Beschwerdevorentscheidung vom 30.10.2018 wurde die Beschwerde des BF abgewiesen. Darin wurde angeführt, dass der BF seit 14.04.2014 Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung beziehe. Am 18.07.2018 sei ihm im Zuge einer Vorsprache bei der Regionalen Geschäftsstelle des AMS das verfahrensgegenständliche Einladungsschreiben ausgehändigt worden. Dieses habe die Information enthalten, dass der BF an der darin genannten Infoveranstaltung am 30.07.2018 verpflichtend teilzunehmen habe. Am 30.07.2018 habe der Dienstgeber gemeldet, dass der BF die Beschäftigung beim Beschäftigungsprojekt L abgelehnt habe. Am 03.08.2018 habe der BF dem AMS niederschriftlich erklärt, dass das Umfeld der dort anwesenden Personen bzw. die Atmosphäre vor Ort nicht für ihn gepasst hätten, weshalb er das Jobangebot abgelehnt hätte. Diese Einwendungen seien jedoch nicht geeignet, die Zumutbarkeit der zugewiesenen Beschäftigung ausschließen. Der BF habe zwar an der Informationsveranstaltung teilgenommen, habe aber die Beschäftigung abgelehnt. Er erfülle damit den Tatbestand der Vereitlung. Berücksichtigungswürdige Gründe für eine Nachsicht würden nicht vorliegen.

4. Dagegen erhob der BF fristgerecht einen Vorlageantrag.

5. Mit 04.12.2018 wurde die Beschwerde samt Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt.

6. Über Ersuchen des Bundesverwaltungsgerichts übermittelte das AMS mit Eingabe vom 29.04.2019 das Zuweisungsschreiben vom 18.07.2018.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der BF war im verfahrensgegenständlichen Zeitraum Bezieher von Notstandshilfe. Am 18.07.2018 richtete das AMS ein Schreiben mit folgendem Inhalt an den BF:

„Landschaftspflege Vorbereitungsmaßnahme
Gemeinnütziges Beschäftigungsprojekt
XXXX

Sehr geehrter Herr XXXX ,

Anbei erhalten Sie die Einladung zur Teilnahme an der Informationsveranstaltung zur Vorbereitungsmaßnahme auf einen Arbeitsplatz im Beschäftigungsprojekt „Landschaftspflege“.

Beschäftigungsprojekt: Landschaftspflege
Veranstaltungsort: XXXX
Telefonnummer: XXXX
Kontakt: Frau XXXX
Beginn: Montag, 30.7.2018, 8:00 Uhr.

Sie werden im Rahmen dieser Vorbereitungsmaßnahmen in persönlichen und berufsbezogenen Belangen bestmöglich unterstützt.

Ihrer Teilnahme an der Vorbereitungsmaßnahme geht eine Informationsveranstaltung voraus. Bitte nehmen Sie an dieser Informationsveranstaltung verlässlich teil.

Allgemeine Inhalte der Informationsveranstaltung:

Bei der Informationsveranstaltung, zu der wir Sie herzlich einladen, erhalten Sie einen guten Überblick über folgende Inhalte:

-        Ihre Vorbereitungsmaßnahme im Zeitraum von 10.9.18 - 31.10.18 (auch schon früherer Einstieg möglich oder Direkteinstieg in ein befristetes Dienstverhältnis!)

-        Ihr Beratungsangebot und Unterstützungsangebot

-        Ihre Arbeitszeiten

-        Ihre Ziele

Im Anschluss an den allgemeinen Informationsteil erfolgt ein persönliches Aufnahmegespräch mit einem Mitarbeiter/einer Mitarbeiterin des Beschäftigungsprojektes.

Das Ergebnis Ihres Aufnahmegesprächs erfahren Sie an Ort und Stelle bzw. so zeitnah wie möglich.

Die Vorsprache zu Beginn der Veranstaltung gilt gleichzeitig als Kontrolltermin im Sinne der Bestimmungen des Arbeitslosenversicherungsgesetzes. Es wird darauf hingewiesen, dass im Falle Ihres Nichterscheinens ihr Leistungsbezug eingestellt wird. Ferner wird Ihnen mitgeteilt, dass bei Unterlassung einer Kontrollmeldung – ohne sich mit triftigen Gründen zu entschuldigen – vom Tag der versäumten Kontrollmeldung an bis zur Geltendmachung des Fortbezuges kein Arbeitslosengeld bzw. keine Notstandshilfe gewährt wird.

Gemäß § 49 Abs 2 Arbeitslosenversicherungsgesetz verliert ein Arbeitsloser, der trotz Belehrung über die Rechtsfolgen eine Kontrollmeldung unterlässt, ohne sich mit triftigen Gründen zu entschuldigen, vom Tage der versäumten Kontrollmeldung an bis zur Geltendmachung des Fortbezuges den Anspruch auf Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe. Liegen zwischen dem Tag der versäumten Kontrollmeldung und der Geltendmachung mehr als 62 Tage, so erhält er für den übersteigenden Zeitraum kein Arbeitslosengeld bzw. keine Notstandshilfe. Der Zeitraum des Anspruchsverlustes verkürzt sich um die Tage einer arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigung, die er in diesem Zeitraum ausgeübt hat. Ist die Frage strittig, ob ein triftiger Grund für die Unterlassung der Kontrollmeldung vorliegt, so ist der Regionalbeirat anzuhören.

Wichtig: Ihre Rückmeldung!

Sollten Sie zum angegebenen Termin verhindert oder bereits in Beschäftigung sein, dann setzen Sie sich bitte umgehend mit Ihrer Beraterin/Ihrem Berater beim AMS in Verbindung.

Mit freundlichen Grüßen
Ihr Arbeitsmarktservice“

Der BF hat an der angebotenen Informationsveranstaltung teilgenommen. Da ihm das Umfeld und die dort herrschende Arbeitsatmosphäre nicht zusagten, lehnte er in dem in die Informationsveranstaltung integrierten EinzeIgespräch den Einstieg in das angebotene Projekt ab.

Sein Berater notierte auf e-AMS am 6.8.2018 „er meint, er dachte, er könne es sich einfach anschauen und selber entscheiden. Info, dass er nie so informiert wurde […]“

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde aufgenommen durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt, insbesondere in das verfahrensgegenständliche Zuweisungsschreiben.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 56 Abs. 2 AlVG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide einer Geschäftsstelle durch einen Senat, dem zwei fachkundige Laienrichter angehören, je einer aus dem Kreis der Arbeitgeber und einer aus dem Kreis der Arbeitnehmer. Im vorliegenden Fall war daher Senatszuständigkeit gegeben.

Zu A)

Gegenstand des angefochtenen Bescheides - und damit Gegenstand des Beschwerdeverfahrens - ist die Feststellung, dass der BF gemäß § 38 iVm § 10 AlVG den Anspruch auf Notstandshilfe für den Zeitraum 30.07.2018 bis 09.09.2018 wegen Ablehnung einer zugewiesenen zumutbaren Beschäftigungsmöglichkeit verloren habe.

Aus der Rechtsbelehrung des festgestellten Zuweisungsschreibens geht hervor, dass die Teilnahme an der angebotenen Informationsveranstaltung als Kontrolltermin gelten würde und dass deren Versäumung die Rechtsfolgen der Versäumung eines Kontrolltermins iSd § 49 AlVG nach sich ziehen würden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis 2005/08/0159 vom 20.12.2006 in einem soweit hier wesentlich gleichgelagerten Fall ausgesprochen:

„Ungeachtet der Frage der Zulässigkeit eines Kontrolltermins bei einer anderen als der nach § 49 Abs. 1 AlVG zuständigen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice ist jedenfalls davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer angesichts des Hinweises, dass es sich bei dem Termin am 28. April 2005 um einen Kontrolltermin im Sinne des § 49 AlVG handelt, nicht wissen musste, dass sein Verhalten bei diesem Vorauswahltermin für die Erlangung einer Beschäftigung ebenso relevant im Sinne der §§ 9 und 10 AlVG ist, wie etwa sein Verhalten bei einem Vorstellungstermin beim potenziellen Dienstgeber. Eine im Bezug von Arbeitslosengeld stehende Person ist nämlich grundsätzlich berechtigt, beim Betreuungsgespräch mit einem Mitarbeiter des Arbeitsmarktservice alles vorzubringen, was aus ihrer Sicht gegen eine geplante Zuweisung spricht, ohne befürchten zu müssen, dass deswegen ihr Leistungsanspruch gekürzt wird. Sie ist nur verpflichtet, nach allfälliger Belehrung über die Zumutbarkeit, einer Zuweisung zu einer offenen Arbeitsstelle auch tatsächlich nachzukommen. Soll daher mit einer arbeitslosen Person kein Beratungs-, sondern ein "Vorstellungsgespräch" geführt werden, so setzt dies voraus, dass der Unterschied deutlich gemacht wird. Die Sanktion des §§ 9 iVm 10 AlVG scheidet somit aber für ein Verhalten bei einem Termin aus, wenn dieser (auch) als "Kontrolltermin" vorgeschrieben worden ist. Die beiden Tatbestände sind folglich scharf voneinander abzugrenzen, sodass die Nichteinhaltung eines Kontrolltermins im Sinne des § 49 AlVG nicht der Vereitelung einer Beschäftigung im Sinne des § 10 Abs. 1 Z. 1 AlVG gleichgestellt werden kann.“

Unter Beachtung dieser höchstgerichtlichen Judikatur hätte auch dem BF im vorliegenden Fall nur - bei Nichtteilnahme an der zugewiesenen Veranstaltung, was nicht der Fall war - der Verstoß gem. § 49 AlVG zur Last gelegt werden können: Dem BF wurde eine Informationsveranstaltung für ein Beschäftigungsprojekt beim potentiellen Dienstgeber zugewiesen, dies mit der Rechtsbelehrung, dass die Nichtteilnahme als Versäumung eines Kontrolltermins iSd § 49 AlVG gelten würde. Das AMS hatte dem BF mit der verfahrensgegenständlichen Zuweisung nicht deutlich gemacht, dass es sich bei dem in die allgemeine Informationsveranstaltung integrierten Einzelgespräch um ein Vorstellungsgespräch handeln würde. Die am 06.08.2018 ins EDV-Konto des BF eingegebene Notiz seines Beraters bestätigt, dass der BF tatsächlich der Meinung war, er hätte sich das Projekt einfach nur anschauen und dann selbst entscheiden können. Dies ist im vorliegenden Gesamtzusammenhang beachtlich.

Da eine Sanktion des §§ 9 iVm 10 AlVG für ein Verhalten bei einem Termin auscheidet, wenn dieser (auch) als "Kontrolltermin" vorgeschrieben worden ist, das AMS aber mit dem angefochtenen Bescheid dem BF eine Vereitelungshandlung iSd § 10 AlVG zur Last gelegt hat, war spruchgemäß zu entscheiden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung (s. die unter 3. zitierte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes); weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Kontrollmeldetermin Notstandshilfe Rechtsbelehrung Rechtsgrundlage zumutbare Beschäftigung Zuweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W164.2210658.1.00

Im RIS seit

03.03.2021

Zuletzt aktualisiert am

03.03.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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