TE Bvwg Erkenntnis 2020/12/4 L515 2216756-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 04.12.2020
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Entscheidungsdatum

04.12.2020

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §34
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs4
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §55
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs5

Spruch


L515 2216755-1/38E

L515 2216758-1/30E

L515 2216756-1/30E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

1.) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. H. LEITNER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Georgien, vertreten durch ARGE Rechtsberatung Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.02.2019, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A) Der Beschwerde gegen Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides wird gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG, Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz), BGBl I 33/2013 idgF stattgegeben und der beschwerdeführenden Partei gem. § 8 Abs. 1 AsylG 2005, BGBl I 100/2005 idgF der Status einer subsidiär Schutzberechtigen zuerkannt.

Der beschwerdeführenden Partei wird gem. § 8 Abs. 4 AsylG 2005, BGBl I 100/2005 idgF eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigte für die Dauer eines Jahres erteilt.

Die Spruchpunkte III – VII des angefochtenen Bescheides werden gem. gemäß § 28 Abs. 1 iVm Abs. 5 VwGVG, Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungs-gerichtsverfahrensgesetz), BGBl I 33/2013 idgF behoben.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

2.) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. H. LEITNER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Georgien, vertreten durch ARGE Rechtsberatung Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.02.2019, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A) Der Beschwerde gegen Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides wird gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG, Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz), BGBl I 33/2013 idgF stattgegeben und der beschwerdeführenden Partei gem. §§ 8 Abs. 1, 34 AsylG 2005, BGBl I 100/2005 idgF der Status eines subsidiär Schutzberechtigen zuerkannt.

Der beschwerdeführenden Partei wird gem. § 8 Abs. 4 AsylG 2005, BGBl I 100/2005 idgF eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter für die Dauer eines Jahres erteilt.

Die Spruchpunkte III – VII des angefochtenen Bescheides werden gem. gemäß § 28 Abs. 1 iVm Abs. 5 VwGVG, Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungs-gerichtsverfahrensgesetz), BGBl I 33/2013 idgF behoben.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

3.) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. H. LEITNER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Georgien, vertreten durch die Mutter, XXXX , geb. XXXX , diese vertreten durch ARGE Rechtsberatung Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.02.2019, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A) Der Beschwerde gegen Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides wird gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG, Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz), BGBl I 33/2013 idgF stattgegeben und der beschwerdeführenden Partei gem. §§ 8 Abs. 1, 34 AsylG 2005, BGBl I 100/2005 idgF der Status einer subsidiär Schutzberechtigen zuerkannt.

Der beschwerdeführenden Partei wird gem. § 8 Abs. 4 AsylG 2005, BGBl I 100/2005 idgF eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigte für die Dauer eines Jahres erteilt.

Die Spruchpunkte III – VII des angefochtenen Bescheides werden gem. gemäß § 28 Abs. 1 iVm Abs. 5 VwGVG, Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungs-gerichtsverfahrensgesetz), BGBl I 33/2013 idgF behoben.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrenshergang

I.1. Die beschwerdeführenden Parteien (in weiterer Folge als „bP“ bzw. gemäß der Reihenfolge ihrer Nennung im Spruch kurz als „bP1“ bis „bP3“ bezeichnet), sind Staatsangehörige der Republik Georgien und brachten nach rechtswidriger Einreise in das Hoheitsgebiet der Europäischen Union und in weiterer Folge nach Österreich am im Akt ersichtlichen Datum bei der belangten Behörde (in weiterer Folge „bB“) Anträge auf internationalen Schutz ein.

I.2. Die männliche bP2 und die weibliche bP1 sind Ehegatten und die Eltern der minderjährigen bP3.

bP1 brachte vor, an einem angeborenen Herzfehler zu leiden, welcher neben dem Herzleiden auch Bluthochdruck in der Lunge ausübe. Die Erkrankung sei mit Lebensgefährdung verbunden und hätte sie in ihrem Herkunftsstaat keine ausreichende Behandlung erhalten.

bP2 und bP3 beriefen sich auf die Gründe der bP1 und auf den gemeinsamen Familienverband.

I.2. Die Anträge der bP auf internationalen Schutz wurden folglich mit im Spruch genannten Bescheiden der bB gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I.). Gem. § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Georgien nicht zugesprochen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die bP eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung nach Georgien gemäß § 46 FPG zulässig sei. Der Beschwerde wurde gem. § 18 (1) Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt. Eine Frist zur freiwilligen Ausreise wurde nicht gewährt.

In Bezug auf sämtliche bP wurde ein im Spruch inhaltlich gleichlautender Bescheid erlassen, weshalb sich aus dem Titel des Familienverfahrens gem. § 34 AsylG ebenfalls kein anderslautender Bescheid ergab.

I.2.1. Im Rahmen der Beweiswürdigung erachtete die bB das Vorbringen der bP in Bezug auf die Existenz der von der bP1 beschriebenen Erkrankung als glaubhaft und führte hierzu Folgendes aus (Wiedergabe aus dem angefochtenen Bescheid in Bezug auf bP1):

„…

Sie haben einen angeborenen Herzfehler (Vorhofseptum defekt), welcher bei Ihnen bereits im Alter von sechs Monaten diagnostiziert wurde. Im Laufe der Jahre hat sich bei Ihnen ein Lungenhochdruck entwickelt, an welchen Sie derzeit laborieren.

Zur Bekämpfung Ihres Lungenhochdruckes nehmen Sie aktuell das Medikament Remodulin mit dem Wirkstoff Treprostinil ein. Der flüssige Wirkstoff wird Ihnen per Pumpe, welche Sie außer beim Baden durchgehend am Körper bei sich tragen, per Nadel, welche durch Ihre Bauchdecke direkt in Ihre Lunge vordringt, direkt injiziert. Der Wirkstoff wird durchschnittlich alle fünf Tage nachgefüllt. Ihr Gatte unterstützt Sie dabei und ist Ihnen ebenfalls bei der Versetzung und Neuanbringung der Nadel behilflich, da diese in Abstand von ein bis zwei Monaten, wegen auftretender Entzündungen an der offenen Einstichwunde, an einer anderen Einstichstelle angebracht wird.

Zur Senkung Ihres Lungenhochdruckes ist die lebenslange Einnahme einer entsprechenden Medikation notwendig und lebensverlängernd.

Weitere Medikamente nehmen Sie derzeit nicht ein. Sie befinden sich derzeit in keiner regelmäßigen ärztlichen Behandlung, sondern nehmen durchschnittlich im Abstand von zwei Monaten Kontrolluntersuchungen wahr.

Eine unmittelbar bevorstehende Lebensgefahr konnte derzeit nicht festgestellt werden und ist den vorgelegten Befunden nicht zu entnehmen. Eine etwaige Operation ist derzeit ebenfalls nicht indiziert bzw. laut derzeitigen Kenntnisstand nicht geplant oder dem Bundesamt bekannt.

Generell haben sich Ihr Gesundheitszustand und Ihr Wohlbefinden seit Ihrem Aufenthalt im Bundesgebiet gebessert.

Im Zuge des Ermittlungsverfahrens wurde festgestellt, dass in Ihrer Heimat dementsprechende medizinische Einrichtungen sowie eine medikamentöse Versorgung für die weitere Behandlung bzw. Versorgung Ihrer Erkrankung verfügbar sind.

So gibt es unter anderem seit dem Jahr 1996 die auf Herzchirurgie spezialisierte Klinik „Jo Ann“ in Tiflis. Das medizinische Zentrum „Jo Ann“ ist eine Einrichtung für alle Sorten kardiologischer Eingriffe sowie chirurgischer Behandlungen der Aorta. In Georgien stehen zur Behandlung echo-kardiologische Untersuchungen zur Verfügung, ebenso die stationäre und ambulante Behandlung durch einen Herzchirurgen, Lungenfacharzt, Kardiologen und Internisten. Der Wirkstoff Treprostinil ist zwar nicht vorhanden, ebenso nicht der alternative Wirkstoff Iloprost trometamol, jedoch ist zur neuartigen Therapie von Lungenhochdruck der Wirkstoff Sildenafil verfügbar. Von den notwendigen Therapien werden die ambulanten Behandlungen durch die oben genannten Fachärzte zu 70% (bis max. 15.000 Lari) abgedeckt. Das Medikament Libigran mit dem Wirkstoff Sildenafil ist selbst zu bezahlen. Laut MedCOI kostet eine Medikamentenpackung Libigran 19,64 GEL (umgerechnet ca. 6,50 Euro). Es besteht eine Sozialbeihilfe für registrierte Behinderte, die, so der Patient hierfür qualifiziert ist, 120 Lari (rund 40 Euro) beträgt. Der Patient hat nur Anspruch auf das vom Gesundheitsministerium angebotene universelle Versicherungspaket, das den Menschen je nach Einkommensniveau verschiedene Pakete anbietet. Um berechtigt zu sein, muss die Person georgischer Staatsbürger und in der Datenbank registriert sein. Die Behandlung ist nur in den Institutionen abgedeckt, die unter das Regierungsprogramm fallen. Es ist davon auszugehen, dass Sie im Falle Ihrer Rückkehr eine solche staatliche finanzielle Unterstützung zugesprochen bekommen, da Sie bereits vor Ihrer Ausreise eine staatliche Invaliditätspension bezogen haben.

Festzuhalten ist, dass die medizinische Versorgung für alle georgischen Staatsangehörigen durch eine staatlich finanzierte Grundversorgung (Universal Health Care) kostenlos gewährleistet ist. Nach der Einführung der universalen Gesundheitsvorsorge hat sich der Zugang der Bevölkerung zu den Dienstleistungen des Gesundheitsbereiches signifikant verbessert. Zudem kann anhand privater Krankenversicherungen die Leistungsübernahme medizinischer Behandlungen, ähnlich wie in Österreich, beitragsabhängig erweitert werden.

Im Falle Ihrer Rückkehr sind Sie als georgische Staatsbürgerin automatisch versichert. Sie müssen für eine Registrierung lediglich die nächstgelegene Klinik aufsuchen. Alle medizinischen Einrichtungen sind an der staatlichen Krankenversicherung beteiligt. Die Versicherung übernimmt 70-80% der Kosten. Die Übernahme der Kosten bei Behandlungen nicht-stationärer Patienten beträgt 100%. Die Behandlungen spezialisierter Ärzte nach Überweisung durch den Hausarzt betragen 70-100%. Für Rentner zahlt der Staat zusätzlich monatlich 100 GEL pro drei Monate (ausgegeben von Bürgerämtern).

Sie selbst sind im Falle Ihrer Rückkehr in Ihre Heimat ohne Probleme krankenversichert und können eine etwaige stationäre oder ambulante Behandlung in Anspruch nehmen.

Bezüglich Ihrer aktuellen Kontrolltermine sowie Medikation ist anzuführen, dass diese nicht ein und dieselben Qualitäten in Ihrem Herkunftsstaat wie in Österreich aufweisen müssen, sondern solche lediglich verfügbar und zugänglich sein müssen. Dies kann auch eine gänzlich Andere oder auch ortstypische medizinische Versorgung sowie Medikation beinhalten, welche qualitativ nicht mit der in Österreich gleichzusetzen ist und für Betroffene kostenintensiver ist.

So wurde festgestellt, dass zwar der Wirkstoff Treprostinil zur Behandlung von Lungenhochdruck nicht in Ihrer Heimat verfügbar ist, jedoch der Wirkstoff Sildenafil, welcher zudem vom polizeichefärztlichen Dienst als Alternative befunden wurde.

Wie den von Ihnen vorgelegten Dokumenten unter anderem zu entnehmen ist, wurde Ihnen zudem bereits in Ihrer Heimat der Wirkstoff Sildenafil zur medikamentösen Behandlung empfohlen. Die von Ihnen hierzu vorgebrachten Nebenwirkungen (Kopfschmerzen, Schwindelgefühle und Gleichgewichtsstörungen) bei der Einnahme von Sildenafil stellen keine Gefährdung i. S. d. Art. 3 EMRK dar. Es ist Ihnen zumutbar gegen Ihre auftretenden Beschwerden in Verbindung mit der Einnahme von Sildenafil entsprechende Medikamente (Schmerztabletten und dgl.) bei Bedarf einzunehmen. Ihr Privatleben ist aufgrund der Nebenwirkungen ebenso nicht maßgeblich beeinträchtigt, da Sie selbst bis dato Hausfrau waren und aufgrund Ihrer Erkrankung bereits eine staatliche Invaliditätspension bezogen haben.

Generell kann auch davon ausgegangen werden, dass sich die medizinischen und ärztlichen Standards in Staaten in dementsprechenden Zeiträumen verbessern. Es ist anzunehmen, dass sich die Standards der medizinischen, ärztlichen und medikamentösen Versorgungslage in Ihrer Heimat seit Ihrer Ausreise verbessert haben und sich überdies auch die Qualität diesbezüglich in Zukunft weiterhin in allen Staaten, auch in Georgien, verbessern wird.

Zusammenfassend steht fest, dass im Falle Ihrer Rückkehr nach Georgien eine fachärztliche und medikamentöse Versorgung und Behandlung Ihrer Person verfügbar und gewährleistet ist.

Zusammenfassend steht fest, dass im Falle Ihrer Rückkehr nach Georgien eine fachärztliche und medikamentöse Versorgung und Behandlung Ihrer Person verfügbar und gewährleistet ist.

Neben der verfügbaren medizinischen, fachärztlichen und medikamentösen Versorgung in Ihrem Herkunftsstaat wurde zudem die generelle Situation im Falle Ihrer Rückkehr geprüft.

Sie selbst sind nicht arbeitsfähig. Jedoch ist Ihr Gatte im arbeitsfähigen Alter und arbeitswillig. Sie selbst haben jahrelang die Schule besucht und zumindest die Pflichtschule abgeschlossen. Sie waren Hausfrau, während Ihr Gatte beruflich tätig war. Durch die beruflichen Tätigkeiten Ihres Gatten und Ihre staatliche Invaliditätspension war Ihr Familie imstande sich das Leben in Ihrer Heimat zu finanzieren

…“

In Bezug auf die weiteren bP wurde von keiner relevanten Erkrankung und keinem relevanten Rückkehrhindernis ausgegangen. Insbesondere wurde in Bezug auf die bP2 von deren Erwerbsfähigkeit ausgegangen.

Die bB ging im Rahmen einer Gesamtbetrachtung ging die bB davon aus, dass die bP in Georgien über eine Existenzgrundlage verfügen.

I.2.2. Zur allgemeinen abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Georgien traf die belangte Behörde ausführliche und schlüssige Feststellungen. Aus diesen geht hervor, dass in Georgien von einer unbedenklichen Sicherheitslage auszugehen und der georgische Staat gewillt und befähigt ist, sich auf seinem Territorium befindliche Menschen vor Repressalien Dritte wirksam zu schützen. Ebenso ist in Bezug auf die Lage der Menschenrechte davon auszugehen, dass sich hieraus in Bezug auf die bP ein im Wesentlichen unbedenkliches Bild ergibt. Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass in der Republik Georgien die Grundversorgung der Bevölkerung gesichert ist, eine soziale Absicherung auf niedrigem Niveau besteht, die medizinische Grundversorgung flächendeckend gewährleistet ist, Rückkehrer mit keinen Repressalien zu rechnen haben und in die Gesellschaft integriert werden.

Zum konkreten Vorbringen der bP1 stellte die bB folgendes fest:

„….

Medizinische Versorgung

Die Medizinische Versorgung ist für alle georgischen Staatsangehörigen durch eine staatlich finanzierte Grundversorgung (Universal Health Care) kostenlos gewährleistet. Anhand privater Krankenversicherungen kann die Leistungsübernahme medizinischer Behandlungen beitragsabhängig erweitert werden. Medizinische Einrichtungen gibt es landesweit, jedoch mit stark voneinander abweichender Qualität. In der Hauptstadt Tiflis und weiteren städtischen Zentren (Kutaissi, Batumi) bieten private Einrichtungen umfassende und moderne Behandlungen an; staatliche Einrichtungen, wie sie primär in den ländlichen Regionen anzutreffen sind, haben deutlichen Rückstand an technischer und personeller Ausstattung. Für manche überlebensnotwendigen Eingriffe und Maßnahmen ist daher allein eine Behandlung in Tiflis möglich. Medikamente werden weitgehend importiert, zumeist aus der Türkei und Russland, aber auch aus Deutschland (AA 11.12.2017).

Das staatliche Gesundheitssystem umfasst ambulante und stationäre Behandlung für Begünstigte verschiedener Alters- und Sozialgruppen. Universal Health Care:

•        Offen für alle Staatsbürger, sowie Asylsuchende (während des Verfahrens) und Personen mit Flüchtlingsstatus

•        Stationäre und ambulante Behandlung sind vollständig gedeckt

•        Behandlung von HIV und TB ist kostenfrei, sowie Insulin für Diabetespatienten

•        Dialyse ist ebenfalls gewährleistet

•        Kosten für die Behandlung von Kindern bis zu 5 Jahren ist teilweise gedeckt, abhängig von der Krankheit

•        Kontakt beim Ministerium für Gesundheit (Ministry of Health) und Einschreiben bei der nächstliegenden Klinik

Zugang, besonders für Rückkehrer:

Auswahl und Voraussetzungen: Georgische Staatsbürger sind automatisch versichert, hierfür muss lediglich die nächstgelegene Klinik aufgesucht werden. Registrierung: für georgische Staatsbürger genügt es im Krankheitsfall eine Klinik aufzusuchen, alle medizinischen Einrichtungen sind an der staatlichen Krankenversicherung beteiligt. Die Versicherung übernimmt 70-80% der Kosten, der Rest muss von dem Patienten beigesteuert werden. Benötigte Dokumente: nur gültiger Ausweis

Unterstützung:

Übernahme der Kosten bei Behandlungen nicht-stationärer Patienten (100%), Behandlungen spezialisierter Ärzte nach Überweisung durch den Hausarzt (70-100%), einige Notfallbehandlungen (100%), notwendige Operationen (70%), Chemotherapie (80% bis zu Gesamtkosten von 12.000 GEL), Geburten (bis zu 500 GEL), Kaiserschnitte (bis zu 800 GEL)

Kosten: Bei Kostenübernahmen von weniger als 100% kommt der Patient für den Rest auf. Für Rentner zahlt der Staat zusätzlich monatlich 100 GEL pro drei Monate (ausgegeben von Bürgerämtern)

Verfügbarkeit und Kosten von Medikamenten:

Alle Kliniken in Georgien sind privatisiert. Obwohl die Universal Health Care nicht alle Bereiche abdeckt, können georgische Staatsbürger zu jeder Zeit jede Klinik aufsuchen, jedoch müssen die Leistungen dann bezahlt werden. Vorzugsweise sollten Termine vereinbart werden. Bei Notfällen ist eine Behandlung ohne Termin mit Warteschlangen möglich. Patienten können einen Termin vereinbaren, für die Staatliche Versicherung muss der Hausarzt kontaktiert werden, welcher eine Überweisung zu spezialisierten Ärzten verfassen kann. Große Apotheken stellen eine Vielzahl von Medikamenten. Die Verfügbarkeit gewisser Medikamente kann anhand ihrer Handelsbezeichnung online oder telefonisch überprüft werden: Medical Information Service http://www.mis.ge/ka/FindDrug.jsp?Clear=True TEL: +995 032 2 252233. Die meisten Medikamente werden nicht vom staatlichen Programm erfasst. Daher müssen die Patienten die Kosten für diese selbst tragen. Für einige Medikamente ist eine Verschreibung nötig. In diesem Fall, sollte zunächst ein zuständiger Arzt aufgesucht werden, um von diesem die Verschreibung zu erhalten (IOM 2017).

Anfallende Behandlungskosten, die von Patienten selber getragen werden müssen, können gemäß dem staatlichen Programm zur Abdeckung von Dienstleistungen bei der zuständigen Kommission des Ministeriums, JPÖR, mittels entsprechenden Antrags eingebracht werden und um Kostenersatz ersucht werden. Dazu muss das erforderliche Formular ausgefüllt werden. Als Beilagen müssen neben den gesicherten Personalien des Antragstellers (Kopie des Reisepasses oder Personalausweises) auch die im laufenden Jahr angefallenen Rechnungen und vorhandenen Kalkulationen, bzw. im Falle der Beantragung von Kostenersatz für Medikamente die Originalrechnung, vorgelegt werden. Zusätzlich ist noch der soziale Status des Antragstellers (Pensionisten, sozial bedürftige Personen, Binnenvertriebene, Personen mit eingeschränktem Status) und die entsprechenden Zeugnisse vorzulegen. Die Kommission entscheidet dann (mindestens zweimal im Monat) über eine allfällige Finanzierung der vorgelegten Kosten, wobei hier keine generelle Festlegung über die Höhe der Rückerstattung besteht und diese Entscheidungen individuell, von Fall zu Fall, getroffen werden (VB 31.5.2018).

Einwohner der separatistischen Gebiete Abchasien und Südossetien werden in den georgischen Krankenhäusern auf Basis eines von der Regierung finanzierten Programms kostenlos versorgt. Diese wird wegen des vergleichsweise hohen medizinischen Standards auch in Anspruch genommen. …

Quellen:

•        AA - Auswärtiges Amt (11.12.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien

•        IOM – International Organization for Migration (2017): Länderinformationsblatt GEORGIEN, http://files.returningfromgermany.de/files/CFS_2017_Georgien_DE.pdf, Zugriff 30.5.2018

•        JF – The Jamestown Foundation (9.3.2015): Why Are Ossetians and Abkhazians Coming to Georgia for Medical Treatment? https://jamestown.org/program/why-are-ossetians-and-abkhazians-coming-to-georgia-for-medical-treatment/, Zugriff 30.5.2018

•        VB - Verbindungsbeamter des BM.I für Georgien und Aserbaidschan (31.5.2018): Auskunft des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales per Mai

Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 16.04.2018

GEORGIEN

Klinik „Jo Ann“_Eisenmenger Syndrom (Loch im Herz)

1.       Gibt es eine Klinik namens „Joe Enn“ in der Siedlung Digomi, in der Stadt Tiblissi, wo Herzkrankheiten behandelt werden?

Quellenlage/Quellenbeschreibung:

In öffentlich zugänglichen Quellen wurden im Rahmen der zeitlich begrenzten Recherche auf Deutsch und Englisch einige Informationen gefunden. Eine ausgewogene Auswahl wird entsprechend den Standards der Staatendokumentation im Folgenden zur Verfügung gestellt. Eine ausführliche Quellenbeschreibung zu einigen der verwendeten Quellen findet sich unter http://www.ecoi.net/5.unsere-quellen.htm. Als allgemein bekannt vorausgesetzte Quellen werden i.d.R. nicht näher beschrieben. Als weniger bekannt erkannte Quellen werden im Abschnitt „Einzelquellen“ näher beschrieben.

Zusammenfassung:

Die auf Herzchirugie spezialisierte Klinik „Jo Ann“ (Joe Enn) besteht seit 1996. Auch die MedCOI-Berichte bestätigen deren Bestehen.

Einzelquellen:

Es existiert eine eigene Facebook-Seite der Klinik „Jo Ann“ einschließlich Kontaktdaten.

Die georgische Adressen-Informationsplattform, Getinfo beschreibt das medizinische Zentrum „Jo Ann“ als Einrichtung für alle Sorten kardiologischer Eingriffe sowie der chirurgischer Behandlungen der Aorta. Nebst der medizinischen Behandlung werden auch Mediziner ausgebildet.

1.       Ist die angeborene Erkrankung, ein sog. „Loch im Herzen“, eine nicht verschlossene Lücke zwischen beiden Herzkammern, welche durch die Fehlleitung des Blutes zu einem erhöhten Druck in den Blutgefäßen der Lunge geführt hat, in Georgien medizinisch und operativ behandelbar? Gibt es die dafür entsprechend notwendigen medizinischen Einrichtungen/ Kliniken und Behandlungsmöglichkeiten in Georgien?

2.       Ist das notwendige Medikament/ Wirkstoff, „Treprostinil“ bzw. Medikamente mit gleichzusetzendem Wirkstoff, in Georgien verfügbar?

3.       Wer trägt die Kosten für das notwendige Medikament bzw. eine notwendige Operation? Wie hoch wären die Kosten bzw. wie hoch wäre die staatliche finanzielle Unterstützung, welche die Partei vom Staat bekommt (Stichwort: Behindertenrente 100 Lari)

Quellenlage/Quellenbeschreibung:

Aufgrund der medizinisch-spezifischen Art der Fragestellungen wurden diese an MedCOI zur Recherche übermittelt. Informationen zu MedCOI finden sich auf dem Quellenblatt der Staatendokumentation auf www.staatendokumentation.at.

Zusammenfassung:

Laut MedCOI stehen zur Behandlung echo-kardiologische Untersuchungen zur Verfügung, ebenso die stationäre und ambulante Behandlung durch einen Herzchirugen, Lungenfacharzt, Kardiologen und Internisten. Der Wirkstoff Treprostinil ist nicht vorhanden, ebenso nicht der alternative Wirkstoff Iloprost trometamol. Zur neuartigen Therapie von Lungenhochdruck ist nur der Wirkstoff Sildenafil verfügbar. Details sind dem beigefügten Originalbericht von MedCOI (BMA-10861) zu entnehmen.

Von den notwendigen Therapien werden nur die ambulanten Behandlungen durch die oben genannten Fachärzte zu 70% (bis max. 15.000 Lari) abgedeckt. Auch das Medikament Libigran mit dem Wirkstoff Sildenafil ist selbst zu bezahlen. Die jeweiligen Kosten sind dem beigelegten Originalbericht von MedCOI zu entnehmen (BDA-6771). Es besteht eine Sozialbeihilfe für registierte Behinderte, die, so der Patient hierfür qualifiziert ist, 120 Lari (rund 40 Euro) beträgt. Der Patient hat nur Anspruch auf das vom Gesundheitsministerium angebotene universelle Versicherungspaket, das den Menschen je nach Einkommensniveau verschiedene Pakete anbietet. Um berechtigt zu sein, muss die Person georgischer Staatsbürger und in der Datenbank registriert sein. Die Behandlung ist nur in den Institutionen abgedeckt, die unter das Regierungsprogramm fallen.

Einzelquellen:

Die Originale folgender Anfragebeantwortungen von MedCOI werden als Anlage übermittelt:

?        Local Doctor via MedCOI (3.3.2018): BMA-10861, Zugriff 16.4.2018

?        Belgian Desk on Accessibility (BDA) (13.4.2016): Question & Answer, BDA-20180305-GE-6771, Zugriff 16.4.2018”

I.2.3. Rechtlich führte die belangte Behörde aus, dass weder ein unter Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 der GKF noch unter § 8 Abs. 1 AsylG zu subsumierender Sachverhalt hervorkam. Es hätten sich weiters keine Hinweise auf einen Sachverhalt, welcher die Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG gebieten würde, ergeben und stelle die Rückkehrentscheidung auch keinen ungerechtfertigten Eingriff in Art. 8 EMRK dar. Da die bP aus einem sicheren Herkunftsstaat stammt, wurde der Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt (§ 18 (1) 1 BFA-VG).

I.3. Gegen die Spruchpunkt II - VII genannten Bescheid wurde mit im Akt ersichtlichen Schriftsatz innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben.

Im Wesentlichen wurde auf das bisherige Vorbringen, insbesondere die Erkrankung der bP1 und die behauptetermaßen fehlenden Behandlungsmöglichkeiten in Georgien verwiesen. Die bB hätte den relevanten Sachverhalt mangelhaft ermittelt und die falschen Schlüsse sowohl in rechtlicher als auch in tatsächlicher Hinsicht gezogen.

I. 4. Mit ho. Erkenntnis vom 8.4.2019 wies das ho. Gericht die Beschwerden in allen Spruch-punkten ab und erkannte den Beschwerden die aufschiebende Wirkung nicht zu.

Das ho. Gericht ging davon aus, dass die bP in Georgien über eine ausreichende Existenzgrundlage verfügen. Weiters ging das ho. Gericht davon aus, dass der bP1 hinsichtlich ihrer Erkrankung ausreichende Behandlungsmöglichkeiten in Georgien offen stehen. Ebenso sei die Republik Österreich in der Lage, im Rahmen einer Abschiebung entsprechende medizinische Begleitmaßnahmen zu setzen.

Weitere Abschiebehindernisse lagen laut dem erkennenden Gericht nicht vor.

Die Revision wurde nicht zugelassen.

I.5.1. Gegen das unter Punkt II.4. genannte Erkenntnis wurde eine außerordentliche Revision beim VwGH eingebracht. Die bP gingen davon aus, dass eine Abschiebung der bP1 mit Lebensgefahr verbunden wäre.

I.5.2. Mit Erkenntnis des VwGH vom 30.10.2020, Ra 2019/14/0436 bis 0438-9 wurde den Revisionen stattgegeben und das ho. angefochtene Erkenntnis behoben. Das Höchstgericht ging davon aus, das im Lichte der vorliegenden Bescheinigungsmittel nicht mit ausreichender Wahrscheinlichkeit festgestellt werden könnte, dass eine Abschiebung der bP1 mit keiner Lebensgefährdung verbunden sei. Konkret führte der VwGH Folgendes aus:

„…

28 Die revisionswerbenden Parteien haben den Beschwerden ein Schreiben des Allgemeinen Krankenhauses der Stadt über eine am 8. Februar 2019 vorgenommene ärztliche Kontrolle der Erstrevisionswerberin beigelegt. Darin wird von der Leiterin der Ambulanz für Lungenhochdruckerkrankungen Univ.Prof.in Dr.in L ausgeführt, die Erstrevisionswerberin sei "auf eine subcutane Remodulin-Therapie mittels Pumpe eingestellt" worden. Ihre laufende Versorgung mit Remodulin sei lebensnotwendig und könne "nicht durch Sildenafil oder einen oralen Endothelin-Rezeptor-Blocker ersetzt werden".

29 Damit hat sich das Bundesverwaltungsgericht nicht auseinandergesetzt. Dem angefochtenen Erkenntnis sind auch keine Feststellungen zu entnehmen, welche Auswirkungen auf den Gesundheitszustand der Erstrevisionswerberin bei alleiniger Einnahme des Medikaments Sildenafil zu gewärtigen sind. Derartige auf nachvollziehbare beweiswürdigende Überlegungen zu stützende Feststellungen - insoweit läge es nahe, solche zweckmäßigerweise auf ein Gutachten eines mit dem entsprechenden Fachgebiet vertrauten medizinischen Sachverständigen zu gründen (in dem im Akt erliegenden "Polizeichefärztlichen Befund und Gutachten" vom 18. Juli 2018 wird lediglich begründungslos die Aussage getroffen, dass "eine Alternative zum Treprostinil (...) aus ärztlicher Sicht Ambrisentan und Sildenafil" sei) - wären aber für eine auf die Umstände des Einzelfalles abstellende einwandfreie rechtliche Beurteilung erforderlich gewesen. Erst dann kann nämlich beurteilt werden, ob hier im Sinn der oben dargestellten Judikatur solche außergewöhnlichen Umstände vorliegen, sodass davon auszugehen wäre, es werde im Fall der Rückführung der Erstrevisionswerberin mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu einer Verletzung des Art. 3 EMRK kommen.

…“

I.5.3. Seitens des ho. Gerichts wurden ergänzende Ermittlungen durchgeführt, indem etwa die bP1 aufgefordert wurde, aktuelle Befunden vorzulegen und ein entsprechendes fachärztliches Gutachten eingeholt wurde. Ebenso wurden die Verfahrensparteien generell aufgefordert, an der Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts mitzuwirken.

Das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens wurden den Parteien zur Kenntnis gebracht. Die bP gingen –unter Vorlage von weiteren Bescheinigungen zum aktuellen Gesundheitszustand der bP1- davon aus, dass im Lichte des Ermittlungsverfahrens nach wie vor für die bP1 Lebensgefahr im Rahmen einer Abschiebung in den Herkunftsstaat bestünde.

Die bB wirkte im ergänzenden Ermittlungsverfahren nicht mit.

I.6. Die durch das ho. Gericht durchgeführten Ermittlungen führten zu keinem anderen feststellbaren Sachverhalt in Bezug auf den Gesundheitszustand der bP1.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.       Feststellungen (Sachverhalt)

II.1.1. Die beschwerdeführenden Parteien

Bei den bP handelt es sich um georgische Staatsbürger.

Die bP2 ist ein junger, gesunder, arbeitsfähiger Mensch mit bestehenden familiären Anknüpfungspunkten im Herkunftsstaat und einer –wenn auch auf niedrigerem Niveau als in Österreich- gesicherten Existenzgrundlage.

Die bP1 leidet an der bereits beschriebenen Erkrankung und verfügt ebenfalls über familiäre Anknüpfungspunkte in Georgien.

Die Pflege und Obsorge der minderjährigen bP3 ist durch deren Eltern gesichert.

Familienangehörige leben nach wie vor in Georgien.

Der Aufenthalt in Österreich begründet sich im Bestreben der bP1 sich im Bundesgebiet einer Krankenbehandlung zu unterziehen.

Die Identität der bP steht fest.

II.1.2. Die Lage im Herkunftsstaat im Herkunftsstaat Georgien

In Bezug auf die Lage in Georgien geht das ho. Gericht davon aus, dass von einer unbedenklichen Sicherheitslage auszugehen und der georgische Staat gewillt und befähigt ist, sich auf seinem Territorium befindliche Menschen vor Repressalien Dritte wirksam zu schützen. Ebenso ist in Bezug auf die Lage der Menschenrechte davon auszugehen, dass sich hieraus in Bezug auf die bP ein im Wesentlichen unbedenkliches Bild ergibt. Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass in der Republik Georgien die Grundversorgung der Bevölkerung gesichert ist, eine soziale Absicherung auf niedrigem Niveau besteht, die medizinische Grundversorgung flächendeckend gewährleistet ist und im Falle der Bedürftigkeit auf Antrag die Möglichkeit der unentgeltlichen Behandlung besteht, Rückkehrer mit keinen Repressalien zu rechnen haben und in die Gesellschaft integriert werden. In Bezug auf die Präsenz des Virus COVID-19 in Georgien ist festzuhalten, dass sich dieses nicht unkontrolliert verbreitet, der georgische Staat taugliche Mittel zu dessen Eindämmung einsetzt, Betroffenen Zugang zu medizinischer Versorgung haben und die Grundversorgung der Bevölkerung nicht zusammengebrochen ist.

In Bezug auf die Erkrankung der bP1 bestehen die bereits zitierten Behandlungsmöglichkeiten.

II.1.3. Behauptete Ausreisegründe aus dem bzw. Rückkehrhindernisse in den Herkunftsstaat

Die bP1 leidet an den von ihr genannten Erkrankungen. Die bP halten sich im Bundesgebiet auf, da die bP1 hierzulande den Zugang zum Gesundheitssystem suchte.

Die bP haben Zugang zum georgischen Sozial- und Gesundheitssystem und steht der bP1 in Georgien die genannte Medikation offen.

In Entsprechung der zitierten höchstgerichtlichen Judikatur geht das ho. Gericht davon aus, dass nicht festgestellt werden kann, dass die Umsetzung aufenthaltsbeendender Maßnahmen mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit nicht mit einer Lebensgefahr für die bP1 verbunden wäre.

2.       Beweiswürdigung

II.2.1. Der festgestellte Sachverhalt in Bezug auf den bisherigen Verfahrenshergang steht aufgrund der außer Zweifel stehenden Aktenlage fest und ist das ho. Gericht in der Lage, sich vom entscheidungsrelevanten Sachverhalt ein ausreichendes und abgerundetes Bild zu machen.

II.2.2. Die personenbezogenen Feststellungen hinsichtlich der bP ergeben sich aus ihren in diesem Punkt nicht widerlegten Angaben sowie ihren Sprach- und Ortskenntnissen und dem seitens der bP vorgelegten Bescheinigungsmittel in Form eines nationalen Identitätsdokuments.

II.2.3 Zu der getroffenen Auswahl der Quellen, welche zur Feststellung der asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat herangezogen wurden, ist anzuführen, dass es sich hierbei aus der Sicht des erkennenden Gerichts um eine ausgewogene Auswahl verschiedener Quellen -sowohl staatlichen, als auch nichtstaatlichen Ursprunges- handelt, welche es ermöglichen, sich ein möglichst umfassendes Bild von der Lage im Herkunftsstaat zu machen. Die getroffenen Feststellungen ergeben sich daher im Rahmen einer ausgewogenen Gesamtschau unter Berücksichtigung der Aktualität und der Autoren der einzelnen Quellen. Auch kommt den Quellen im Rahmen einer Gesamtschau in Bezug auf ihre Relevant nach wie vor Aktualität zu, zumal es zu keiner grundlegenden Änderung der Verhältnisse in Georgien kam.

Die bP trat auch den Quellen und deren Kernaussagen nicht konkret und substantiiert entgegen und wird neuerlich darauf hingewiesen, dass die Republik Österreich die Republik Georgien als sicheren Herkunftsstaat im Sinne des § 19 BFA-VG betrachtet und daher von der normativen Vergewisserung der Sicherheit Georgiens auszugehen ist.

Soweit Feststellungen zur COVID-19-bedingten Lage getroffen werden, ist festzuhalten, dass diese aufgrund der in ihrem Inhalt wesentlich gleichen Vielzahl von öffentlich zugänglichen Quellen für die bP als georgische Staatsbürger und die bB als Spezialbehörde als notorisch bekannt angesehen werden.

II.2.4. Soweit sich aus den nachfolgenden Ausführungen nichts anderes ergibt, ist anzuführen, dass die von der belangten Behörde vorgenommene freie Beweiswürdigung (VwGH 28.09.1978, Zahl 1013, 1015/76; Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, § 45 AVG, E 50, Seite 305) im hier dargestellten Rahmen im Sinne der allgemeinen Denklogik und der Denkgesetze im Wesentlichen von ihrem objektiven Aussagekern her in sich schlüssig und stimmig ist.

In Bezug auf den Gesundheitszustand der bP1 ist festzuhalten, dass einerseits außer Streit steht, dass sie an der beschriebenen Erkrankung leidet. Ebenso steht außer Streit, dass jene Medikation, welche sie in Österreich erhält in Georgien nicht möglich ist. Im Ermittungsverfahren kam hervor, dass ein anderes Medikament in Georgien erhältlich ist und dieses laut dem polizeiärztlichen Dienst eine medizinisch vertretbare Alternative darstellt. Das Feststehen dieses Umstandes wurde vom VwGH nicht angenommen, weshalb seitens des ho. Gerichts weitere Ermittlungen durchgeführt wurden, in welche auch die Verfahrensparteien eingebunden wurden und diese im Rahmen ihrer Obliegenheit zur Verfahrensförderung bzw. Mitwirkung an der Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts zur entsprechenden Mitwirkung aufgefordert wurden.

Das ho. Gericht konnte amtswegig keinen neuen Sachverhalt ermitteln und legten auch die Verfahrensparteien im Rahmen ihrer bereits beschriebenen Obliegenheiten keine Bescheinigungsmittel vor bzw. erstatteten sie kein Vorbringen, aus dem sich ein anderer als der bereits in den bereits genannten ho. Erkenntnissen vom 8.4.2019 festgestellte Sachverhalt ergab, weshalb das ho. Gericht in Entsprechung des Erkenntnisses des VwGH vom 30.10.2020, Ra 2019/14/0436 bis 0438-9 in dubio davon ausgeht, dass eine mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit vorhandene Lebensgefahr der bP1 im Falle ihrer Abschiebung nach Georgien nicht ausgeschlossen werden kann.

3.       Rechtliche Beurteilung

II.3.1. Zuständigkeit, Entscheidung durch den Einzelrichter, Anzuwendendes Verfahrensrecht, Sicherer Herkunftsstaat

II.3.1.1. Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des Bundesgesetzes, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden (BFA-Verfahrensgesetz – BFA-VG), BGBl I 87/2012 idgF) entscheidet das Bundesverwaltungs-gericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

II.3.1.2. Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesver-waltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz – BVwGG), BGBl I 10/2013 idgF entscheidet im gegenständlichen Fall der Einzelrichter.

II.3.1.3. Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz – VwGVG), BGBl. I 33/2013 idF BGBl I 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft und hat das ho. Gericht im gegenständlichen Fall gem. § 17 leg. cit das AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 1 BFA-VG bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt. Gem. §§ 16 Abs. 6, 18 Abs. 7 BFA-VG sind für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren, die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden.

II.3.1.4. Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, es den angefochtenen Bescheid, auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

II.3.1.5. Gem. § 19 Abs. 5 BFA-VG kann die Bundesregierung bestimmte Staaten durch Verordnung als sicher Herkunftsstaaten definieren. Gemäß § 1 Z 12 der Herkunftsstaaten-Verordnung (HStV), BGBl. II Nr. 177/2009 idgF, gilt die Republik Georgien als sicherer Herkunftsstaat und ist von der normativen Vergewisserung der Sicherheit Georgiens auszugehen (Erk. des VfGH vom 15.10.20014 G237/03 ua. [dieses bezieht sich zwar auf eine im Wesentlichen inhaltsgleiche Vorgängerbestimmung des § 19 BFA-VG, ist aber nach Ansicht des ho. Gerichts aufgrund der in diesem Punkt im Wesentlichen unveränderten materiellen Rechtslage nach wie vor anwendbar]).

Zu A) (Spruchpunkt I)

II.3.2. Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten

Mangels Einbringung eines Rechtsmittels erwuchsen die entsprechenden Teile der nicht im vollen Umfang angefochtenen Bescheide in Rechtskraft und sind somit nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens.

II.3.3. Zuerkennung des Status subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Georgien

II.3.3.1. Die hier maßgeblichen Bestimmungen des § 8 AsylG lauten:

„§ 8. (1) Der Status des subsidiär Schutzberechtigten ist einem Fremden zuzuerkennen,

1.

der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder

2.

wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

(2) Die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 ist mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 … zu verbinden.

(3) Anträge auf internationalen Schutz sind bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht.

…“

Bereits § 8 AsylG 1997 beschränkte den Prüfungsrahmen auf den „Herkunftsstaat“ des Asylwerbers. Dies war dahin gehend zu verstehen, dass damit derjenige Staat zu bezeichnen war, hinsichtlich dessen auch die Flüchtlingseigenschaft des Asylwerbers auf Grund seines Antrages zu prüfen ist (VwGH 22.4.1999, 98/20/0561; 20.5.1999, 98/20/0300). Diese Grundsätze sind auf die hier anzuwendende Rechtsmaterie insoweit zu übertragen, als dass auch hier der Prüfungsmaßstab hinsichtlich des Bestehend der Voraussetzungen, welche allenfalls zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten führen, sich auf den Herkunftsstaat beschränken.

Art. 2 EMRK lautet:

„(1) Das Recht jedes Menschen auf das Leben wird gesetzlich geschützt. Abgesehen von der Vollstreckung eines Todesurteils, das von einem Gericht im Falle eines durch Gesetz mit der Todesstrafe bedrohten Verbrechens ausgesprochen worden ist, darf eine absichtliche Tötung nicht vorgenommen werden.
(2) Die Tötung wird nicht als Verletzung dieses Artikels betrachtet, wenn sie sich aus einer unbedingt erforderlichen Gewaltanwendung ergibt:

Art. 3 EMRK lautet:
„Niemand darf der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.“

Folter bezeichnet jede Handlung, durch die einer Person vorsätzlich große körperliche oder seelische Schmerzen oder Leiden zugefügt werden, zum Beispiel um von ihr oder einem Dritten eine Aussage oder ein Geständnis zu erlangen, um sie für eine tatsächlich oder mutmaßlich von ihr oder einem Dritten begangene Tat zu bestrafen, um sie oder einen Dritten einzuschüchtern oder zu nötigen oder aus einem anderen, auf irgendeiner Art von Diskriminierung beruhenden Grund, wenn diese Schmerzen oder Leiden von einem Angehörigen des öffentlichen Dienstes oder einer anderen in amtlicher Eigenschaft handelnden Person, auf deren Veranlassung oder mit deren ausdrücklichem oder stillschweigendem Einverständnis verursacht werden. Der Ausdruck umfasst nicht Schmerzen oder Leiden, die sich lediglich aus gesetzlich zulässigen Sanktionen ergeben, dazu gehören oder damit verbunden sind (Art. 1 des UN-Übereinkommens gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe vom 10. Dezember 1984).

Unter unmenschlicher Behandlung ist die vorsätzliche Verursachung intensiven Leides unterhalb der Stufe der Folter zu verstehen (Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer, Bundesverfassungsrecht 10. Aufl. (2007), RZ 1394).

Unter einer erniedrigenden Behandlung ist die Zufügung einer Demütigung oder Entwürdigung von besonderem Grad zu verstehen (Näher Tomasovsky, FS Funk (2003) 579; Grabenwarter, Menschenrechtskonvention 134f).

Art. 3 EMRK enthält keinen Gesetzesvorbehalt und umfasst jede physische Person (auch Fremde), welche sich im Bundesgebiet aufhält.

Der EGMR geht in seiner ständigen Rechtsprechung davon aus, dass die EMRK kein Recht auf politisches Asyl garantiert. Die Ausweisung eines Fremden kann jedoch eine Verantwortlichkeit des ausweisenden Staates nach Art. 3 EMRK begründen, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass der betroffene Person im Falle seiner Ausweisung einem realen Risiko ausgesetzt würde, im Empfangsstaat einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung unterworfen zu werden (vgl. etwa EGMR, Urteil vom 8. April 2008, NNYANZI gegen das Vereinigte Königreich, Nr. 21878/06).

Eine aufenthaltsbeendende Maßnahme verletzt Art. 3 EMRK auch dann, wenn begründete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Fremde im Zielland gefoltert oder unmenschlich behandelt wird (für viele: VfSlg 13.314; EGMR 7.7.1989, Soering, EuGRZ 1989, 314). Die Asylbehörde hat daher auch Umstände im Herkunftsstaat der bP zu berücksichtigen, auch wenn diese nicht in die unmittelbare Verantwortlichkeit Österreichs fallen. Als Ausgleich für diesen weiten Prüfungsansatz und der absoluten Geltung dieses Grundrechts reduziert der EGMR jedoch die Verantwortlichkeit des Staates (hier: Österreich) dahingehend, dass er für ein „ausreichend reales Risiko“ für eine Verletzung des Art. 3 EMRK eingedenk des hohen Eingriffschwellenwertes („high threshold“) dieser Fundamentalnorm strenge Kriterien heranzieht, wenn dem Beschwerdefall nicht die unmittelbare Verantwortung des Vertragstaates für einen möglichen Schaden des Betroffenen zu Grunde liegt (vgl. Karl Premissl in Migralex „Schutz vor Abschiebung von Traumatisierten in „Dublin-Verfahren““, derselbe in Migralex: „Abschiebeschutz von Traumatisieren“; EGMR: Ovidenko vs. Finnland; Hukic vs. Scheden, Karim, vs. Schweden, 4.7.2006, Appilic 24171/05, Goncharova &Alekseytev vs. Schweden, 3.5.2007, Appilic 31246/06.

Der EGMR geht weiters allgemein davon aus, dass aus Art. 3 EMRK grundsätzlich kein Bleiberecht mit der Begründung abgeleitet werden kann, dass der Herkunftsstaat gewisse soziale, medizinische od. sonst. unterstützende Leistungen nicht biete, die der Staat des gegenwärtigen Aufenthaltes bietet. Nur unter außerordentlichen, ausnahmsweise vorliegenden Umständen kann die Entscheidung, den Fremden außer Landes zu schaffen, zu einer Verletzung des Art. 3 EMRK führen (vgl für mehrere. z. B. Urteil vom 2.5.1997, EGMR 146/1996/767/964 [„St. Kitts-Fall“], oder auch Application no. 7702/04 by SALKIC and Others against Sweden oder S.C.C. against Sweden v. 15.2.2000, 46553 / 99).

Gem. der Judikatur des EGMR muss die bP die erhebliche Wahrscheinlichkeit einer aktuellen und ernsthaften Gefahr schlüssig darstellen (vgl. EKMR, Entsch. Vom 7.7.1987, Nr. 12877/87 – Kalema gg. Frankreich, DR 53, S. 254, 264). Dazu ist es notwendig, dass die Ereignisse vor der Flucht in konkreter Weise geschildert und auf geeignete Weise belegt werden. Rein spekulative Befürchtungen reichen ebenso wenig aus (vgl. EKMR, Entsch. Vom 12.3.1980, Nr. 8897/80: X u. Y gg. Vereinigtes Königreich), wie vage oder generelle Angaben bezüglich möglicher Verfolgungshandlungen (vgl. EKMR, Entsch. Vom 17.10.1986, Nr. 12364/86: Kilic gg. Schweiz, DR 50, S. 280, 289). So führt der EGMR in stRsp aus, dass es trotz allfälliger Schwierigkeiten für den Antragsteller „Beweise“ zu beschaffen, es dennoch ihm obliegt -so weit als möglich- Informationen vorzulegen, die der Behörde eine Bewertung der von ihm behaupteten Gefahr im Falle einer Abschiebung ermöglicht ( z. B. EGMR Said gg. die Niederlande, 5.7.2005)

Auch nach Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Antragsteller das Bestehen einer aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder nicht effektiv verhinderbaren Bedrohung der relevanten Rechtsgüter glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (VwGH 26.6.1997, Zl. 95/18/1293, VwGH 17.7.1997, Zl. 97/18/0336).

Voraussetzung für das Vorliegen einer relevanten Bedrohung ist auch in diesem Fall, dass eine von staatlichen Stellen zumindest gebilligte oder nicht effektiv verhinderbare Bedrohung der relevanten Rechtsgüter vorliegt oder dass im Heimatstaat des Asylwerbers keine ausreichend funktionierende Ordnungsmacht (mehr) vorhanden ist und damit zu rechnen wäre, dass jeder dorthin abgeschobene Fremde mit erheblicher Wahrscheinlichkeit der in [nunmehr] § 8 Abs. 1 AsylG umschriebenen Gefahr unmittelbar ausgesetzt wäre (vgl. VwGH 26.6.1997, 95/21/0294).

Der VwGH geht davon aus, dass der Beschwerdeführer vernünftiger Weise (VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380) damit rechnen muss, in dessen Herkunftsstaat (Abschiebestaat) mit einer über die bloße Möglichkeit (z.B. VwGH vom 19.12.1995, Zl. 94/20/0858, VwGH vom 14.10.1998. Zl. 98/01/0262) hinausgehenden maßgeblichen Wahrscheinlichkeit von einer aktuellen (VwGH 05.06.1996, Zl. 95/20/0194) Gefahr betroffen zu sein. Wird dieses Wahrscheinlichkeitskalkül nicht erreicht, scheidet die Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten aus.

II.3.3.2. Umgelegt auf den gegenständlichen Fall werden im Lichte der dargestellten nationalen und internationalen Rechtsprechung folgende Überlegungen angestellt:

Da sich der Herkunftsstaat der bP nicht im Zustand willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes befindet (dies kann auch in Bezug auf den Konflikt um die Kontrolle der Regionen Abchasien und Südossetien bzw. jene Regionen Zentralgeorgiens, welche unmittelbar an Abchasien oder Südossetien angrenzen nicht angenommen werden), kann bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen nicht festgestellt werden, dass für die bP als Zivilpersonen eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines solchen internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes besteht.

Es kann weiters nicht festgestellt werden, dass eine nicht sanktionierte, ständige Praxis grober, offenkundiger, massenhafter Menschenrechtsverletzungen (iSd VfSlg 13.897/1994, 14.119/1995, vgl. auch Art. 3 des UN-Übereinkommens gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe vom 10. Dezember 1984) herrschen würde und praktisch, jeder der sich im Hoheitsgebiet des Staates aufhält schon alleine aufgrund des Faktums des Aufenthaltes aufgrund der allgemeinen Lage mit maßgeblicher Wahrscheinlichk

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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