TE Bvwg Beschluss 2020/12/10 W237 2201995-1

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Veröffentlicht am 10.12.2020
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Entscheidungsdatum

10.12.2020

Norm

AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §8
AVG §18 Abs3
B-VG Art133 Abs4
E-GovG §2
VwGVG §24 Abs2 Z1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch


W237 2201995-1/19E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch den Richter Mag. Martin WERNER über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Somalia, vertreten durch XXXX , gegen die Erledigung des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 23.05.2018, Zl. 1110736308-160498513:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG iVm § 18 Abs. 3 AVG als unzulässig zurückgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Begründung:

1. Feststellungen:

1.1. Mit als Bescheid bezeichneter Erledigung vom 23.05.2018 (im Folgenden auch: Bescheid) wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 06.04.2016 sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) als auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) ab, erkannte ihm einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht zu (Spruchpunkt III.), erließ im Sinne des § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG (Spruchpunkt IV.) und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass seine Abschiebung nach Somalia gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.); schließlich legte es die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest (Spruchpunkt VI.).

Die im Verwaltungsakt befindliche Urschrift des Bescheids bezeichnet auf der letzten Seite „ XXXX “ in einwandfrei leserlicher Druckschrift als Genehmiger. Über diesem Namen befindet sich folgender, mit blauem Kugelschreiber angefertigter Schriftzug:

Sonstige Hinweise bzw. Vermerke enthält die Urschrift nicht.

1.2. Im Verwaltungsakt ist der Bescheidurschrift die Zustellverfügung vom selben Tag angeschlossen, die ebenso in einem Textverarbeitungsprogramm abgefasst wurde. Die Zustellverfügungsseite enthält rechts unten die Wortfolge „Unterschrift Referent“ mit einer darüber befindlichen Punktlinie; über dieser Punktlinie befindet sich ein mit blauem Kugelschreiber geschriebener Schriftzug, der die Buchstabenfolge „ XXXX “ sowie eine aus dem letzten Buchstaben „g“ nach rechts oben auslaufende Linie bildet:

Die gleiche Abzeichnung findet sich auf der letzten Seite der Niederschrift der mit dem Beschwerdeführer durchgeführten Einvernahme vom 12.03.2018 sowie auf der ihm ausgefolgten Information zur Wohnsitzbeschränkung vom selben Tag.

1.3. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl adressierte die Erledigung vom 23.05.2018 an den Beschwerdeführer, der dagegen am 21.06.2018 Beschwerde erhob. Der Beschwerdeschriftsatz sowie der Bezug habende Verwaltungsakt wurden vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 27.07.2018 dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt.

1.4. In den Verwaltungsakten von drei Beschwerdeführern, deren Beschwerden gegen die ihren subsidiären Schutzstatus aberkennenden Bescheide im Jahr 2019 am Bundesverwaltungsgericht bei der fertigenden Gerichtsabteilung anhängig waren, lagen jeweils Aktenvermerke vom 25.04.2019 auf, die mit den folgenden Zeilen in Druckschrift endeten:

„Der Aktenvermerk wurde TL XXXX Eva (4-Augen-Prinzip) vorgelegt und von ihr abgezeichnet.

Teamleiter und Paraphe: XXXX Eva

Für den Direktor des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl

XXXX “

Über dem gedruckten Namen „ XXXX “ befand sich auf allen Aktenvermerken das gleiche Schriftzeichen wie auf der letzten Seite der Urschrift des gegenständlichen Bescheids vom 23.05.2018; diese Abzeichnungen der damaligen Aktenvermerke stammen von derselben Person, die auch das Schriftzeichen auf der Urschrift des angefochtenen Bescheids anfertigte.

2. Beweiswürdigung:

Die getroffenen Feststellungen ergeben sich aus dem Verwaltungsakt bzw. der darin aufliegenden Niederschrift der Einvernahme vom 12.03.2018, der Information zur Wohnsitzbeschränkung vom selben Tag, der Urschrift des angefochtenen Bescheids, der Zustellverfügung, dem Rückschein sowie den Angaben des Beschwerdeführers, gegen welchen behördlichen Akt sich seine Beschwerde richtet. Die unter Pkt. II.1.4. getroffenen Feststellungen beruhen auf den dem Bundesverwaltungsgericht während der offenen Beschwerdeverfahren vorgelegenen Verwaltungsakten, die auch die Grundlage für die damalige Entscheidung bildeten (vgl. BVwG 06.12.2019, W237 1426884-3 ua.). Dass es sich bei den Schriftzeichen auf den Aktenvermerken um den gleichen Schriftzug wie auf der letzten Seite der Urschrift des angefochtenen Bescheids handelt, ergibt sich aus einer vergleichenden Zusammenschau; insofern war auch festzustellen, dass diese von derselben Person stammen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

1. Im Anwendungsbereich des § 18 AVG wurde in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes der Grundsatz aufgestellt, dass jede Erledigung zu genehmigen ist, und zwar durch die Unterschrift eines (hiezu berufenen) Organwalters. Damit wird der wichtige Grundsatz zum Ausdruck gebracht, dass die Identität des Menschen, der eine Erledigung getroffen und daher zu verantworten hat, für den Betroffenen erkennbar sein muss. Die "Urschrift" einer Erledigung muss also das genehmigende Organ erkennen lassen (vgl VwGH 10.09.2015, Ra 2015/09/0043).

Unabhängig von der Frage, welchen Voraussetzungen die schriftliche Ausfertigung einer Erledigung zu genügen hat (externe Erledigung), muss daher die – interne – Erledigung selbst von jenem Organwalter, der die Behördenfunktion innehat, oder von einem approbationsbefugten Organwalter genehmigt worden sein. Fehlt es an einer solchen Genehmigung, liegt kein Bescheid vor (VwGH 11.11.2014, Ra 2014/08/0018).

Gemäß § 18 Abs. 3 AVG sind schriftliche Erledigungen vom Genehmigungsberechtigten mit seiner Unterschrift zu genehmigen; wurde die Erledigung elektronisch erstellt, kann an die Stelle dieser Unterschrift ein Verfahren zum Nachweis der Identität (§ 2 Z 1 E-GovG) des Genehmigenden und der Authentizität (§ 2 Z 5 E-GovG) der Erledigung treten. Im vorliegenden Fall wurde kein derartiges Verfahren nach E-GovG durchgeführt.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine Unterschrift im Sinn dieser Vorschrift ein Gebilde aus Buchstaben einer üblichen Schrift, aus der ein Dritter, der den Namen des Unterzeichneten kennt, diesen Namen aus dem Schriftbild noch herauslesen kann; eine Unterschrift muss nicht lesbar, aber ein "individueller Schriftzug" sein, der entsprechend charakteristische Merkmale aufweist. Die Anzahl der Schriftzeichen muss der Anzahl der Buchstaben des Namens nicht entsprechen (vgl. für viele VwGH 07.11.2019, Ra 2019/14/0389; 20.04.2017, Ra 2017/20/0095 mwN). Der Verwaltungsgerichtshof hielt aber wiederholt fest, dass eine Paraphe keine Unterschrift ist (vgl. VwGH 07.11.2019, Ra 2019/14/0389; 04.09.2000, 98/10/0013 und 0014; s. auch Hengstschläger/Leeb, AVG § 18, Rz 23 mwH).

2. Der Schriftzug auf der im Verwaltungsakt aufliegenden Urschrift des angefochtenen Bescheids erfüllt die Merkmale einer Unterschrift nicht:

2.1. Zwar muss die Anzahl der Schriftzeichen einer Unterschrift der Anzahl der Buchstaben des Namens nicht entsprechen, doch besteht der Nachname des Genehmigers im vorliegenden Fall aus zwei Wortstämmen („ XXXX “ und „ XXXX “) und insgesamt 13 Buchstaben. Die Urschrift ist hingegen mit einem kurzen Schriftzug abgezeichnet, dem keine irgendwie geartete Buchstabenfolge zu entnehmen ist. Selbst wenn dem Zeichen – in Kenntnis des Nachnamens des Genehmigers und größtmöglicher Abstrahierungstoleranz – die Ansätze des Buchstabens „W“ entnommen werden könnten, liegt jedenfalls kein Buchstabengebilde vor, aus dem der Name des Genehmigers auch in Kenntnis desselben noch in irgendeiner Form herauslesbar wäre.

2.2. Damit unterscheidet sich dieses Zeichen auch maßgeblich von jenem Schriftzug, den der zuständige Referent der Behörde auf der Zustellverfügung, der letzten Seite der Niederschrift vom 12.03.2018 und der Information zur Wohnsitzbeschränkung anbrachte. Dabei handelt es sich unzweifelhaft um Unterschriften, weil der erste Wortstamm des Namens des Genehmigers einwandfrei lesbar ist und der zweite durch den Anfangsbuchstaben „g“ sowie eine infolge eines starken Abschleifungsprozesses abstrahierende Linie gebildet wird, aus der – in Namenskenntnis und in Zusammenschau mit dem ersten Wortstamm – auf weitere Buchstaben geschlossen werden kann (vgl. dazu VwGH 19.02.2018, Ra 2017/12/0051).

2.3. Daraus erhellt umso mehr, dass es sich bei dem Schriftzeichen auf dem Bescheid eindeutig um eine bloße Paraphe (also ein auf wenige Zeichen verkürztes Namenszeichen bzw. -kürzel) handelt. Ob diese von der namentlich als genehmigende Person „ XXXX “ stammt oder der Bescheid überhaupt von einer anderen Bediensteten des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl abgezeichnet wurde – wofür in Ansehung der Unterschriften auf den sonstigen Aktenstücken und insbesondere der unter Pkt. II.1.4. festgestellten Aktenvermerke vom 25.04.2019 in anderen Verfahrensakten gewichtige Indizien bestehen –, kann dahingestellt bleiben, weil bereits die bloße Paraphe der namentlich als Genehmiger angeführten Person nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes keine Unterschrift darstellt.

2.4. An dieser Beurteilung ändert auch nichts, dass die Zustellverfügung durch den „Referent[en]“ unterschrieben wurde, weil es sich dabei – bereits dem Namen nach – um eine eigene behördliche Verfügung handelt, die die Zustellung eines separat davon zu genehmigenden Behördenaktes betrifft. So kann eine Zustellverfügung (§ 5 ZustG) auch von einer von dem den behördlichen Akt – sei es eine Ladung, ein Bescheid oder sonstiges – genehmigenden Organwalter verschiedenen Person getroffen werden und muss mit der Genehmigung dieses Behördenakts auch zeitlich nicht zusammenfallen. Im vorliegenden Fall kann die Zustellverfügung auch nicht als Teil des angefochtenen Bescheids gelesen werden, sodass die darauf befindliche Unterschrift dem auf der letzten Seite des Bescheids namentlich ausgewiesenen Genehmiger (allenfalls) zugerechnet werden könnte: So datiert die Zustellverfügung zwar ebenso auf den 23.05.2018, ist aber bereits ausweislich der – bei ihr nicht vorhandenen – Seitennummerierung des Bescheids erkennbar kein Teil desselben; die Zustellverfügung samt Referentenunterschrift wurde – obwohl dies möglich gewesen wäre – auch nicht auf der abschließenden Leerseite des Bescheids angebracht, was eine Zurechnung der Unterschrift zum Bescheid ermöglichen hätte können.

3. Der (als Bescheid bezeichneten) Erledigung der belangten Behörde vom 23.05.2018 fehlt es mangels Unterschrift des genehmigenden Organs und eines Hinweises auf eine elektronische Genehmigung sohin an der Bescheidqualität, weshalb sich die Beschwerde gegen eine als Bescheid absolut nichtige Erledigung richtet. Dies hat den Mangel der Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zu einem meritorischen Abspruch über das Rechtsmittel zur Folge; das Verfahren über den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 06.04.2016 ist stattdessen nach wie vor vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl anhängig.

Die Beschwerde ist daher als unzulässig zurückzuweisen (vgl. auch BVwG 26.05.2020, W234 2127997-2; 06.12.2019, W237 1426884-3 ua.).

Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen.

4. Ergänzend ist festzuhalten, dass das Bundesverwaltungsgericht die vorliegende (Formal-) Entscheidung erst nach einer bei Weitem zu langen Verfahrensdauer trifft, die in keinem Verhältnis zur Komplexität der gegenständlichen Rechtssache steht. Die Zurückweisung der Beschwerde mangels Vorliegens eines Bescheids hätte bereits im Sinne der Verfahrensökonomie umgehend nach Beschwerdevorlage ergehen müssen, um einen zügigen Abschluss des – sohin immer noch offenen – Verfahrens vor der Verwaltungsbehörde gewährleisten zu können.

Das Vorliegen einer bloßen Paraphe auf der angefochtenen Erledigung und (im Vergleich dazu) insbesondere die Unterschriften auf den genannten sonstigen Aktenstücken fielen dem beschließenden Richter aber erst im nunmehrigen Entscheidungszeitpunkt in Zusammenschau mit dem den Beschwerdeführer ebenso betreffenden und von ihm in Beschwerde gezogenen Bescheid der belangten Behörde vom 22.01.2019 auf, der – anders als die Erledigung vom 23.05.2018 – von einer Unterschrift des Genehmigers „ XXXX “ getragen ist. Die Zurückweisung der Beschwerde ist angesichts der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (und vor allem der hervorgekommenen begründeten Zweifel an der Identität der abzeichnenden Person und des ausgewiesenen Genehmigers) jedenfalls zwingend.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat in weiterer Folge die Möglichkeit, im Falle der Abweisung des Antrags auf internationalen Schutz und der Erlassung einer Rückkehrentscheidung gegen den Beschwerdeführer diese mit einem Einreiseverbot zu verbinden, wie es das bereits mit dem Bescheid vom 22.01.2019 beabsichtigte. Aufgrund des noch offenen Verfahrens über den Antrag auf internationalen Schutz vor der Behörde muss der genannte Bescheid im angefochtenen Umfang mit Erkenntnis vom heutigen Tag behoben werden (s. BVwG 10.12.2020, W237 2201995-2). Lediglich ergänzend ist festzuhalten, dass dieser Bescheid auch verfehlt gewesen wäre, wenn der Erledigung vom 23.05.2018 Bescheidqualität zugekommen und ein inhaltliches Beschwerdeverfahren zu führen gewesen wäre (vgl. VwGH 26.06.2019, Ra 2019/21/0146; für eine nähere Begründung s. BVwG 10.12.2020, W237 2201995-2, Pkt. II.3.2.).

Zu B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die gegenständliche Entscheidung weicht nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab; zudem fehlt es auch nicht an einer Rechtsprechung und die zu lösende Rechtsfrage wird in dieser auch nicht uneinheitlich beantwortet. So entspricht es ständiger, einheitlicher Rechtsprechung, dass eine Paraphe keine Unterschrift darstellt, wobei die Beurteilung, was (noch) eine Unterschrift darstellt, stets einzelfallbezogen ausfallen muss.

Schlagworte

Asylverfahren Bescheidqualität Genehmigung Nichtbescheid Unterfertigung Unterschrift Unzulässigkeit der Beschwerde Unzuständigkeit BVwG Zurückweisung Zustellverfügung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W237.2201995.1.00

Im RIS seit

03.03.2021

Zuletzt aktualisiert am

03.03.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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