TE Bvwg Erkenntnis 2020/12/14 W195 2134539-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 14.12.2020
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Entscheidungsdatum

14.12.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs3
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs1 Z1
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch


W195 2134539-2/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Vizepräsidenten Dr. Michael SACHS als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX geb. XXXX , StA: Bangladesch, vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.10.2020, XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 11.12.2020 zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

I.1. Der Beschwerdeführer – ein bengalischer Staatsangehöriger – stellte nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 27.05.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz und wurde am 02.06.2015 durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes einer Erstbefragung unterzogen. Zu seinen Fluchtgründen befragt gab der Beschwerdeführer an, es gebe in seinem Heimatland zwei Vorwürfe gegen ihn, welche nicht stimmten. Beim ersten Vorwurf von September 2010 gehe es darum, dass ein Unbekannter in seinem Geschäft, während er abwesend gewesen sei, eine Pistole versteckt habe und diese von der Polizei gefunden worden sei. Dafür habe der Beschwerdeführer sieben Jahre Strafe bekommen. Er sei dafür noch nicht im Gefängnis gewesen. Beim zweiten Vorwurf von Mai 2011 gehe es um eine Auseinandersetzung zwischen den beiden Parteien BNP und Awami League. Dabei sei ein Mitglied der Awami League umgebracht worden. Dieses Verbrechen sei dem Beschwerdeführer vorgeworfen worden, obwohl er nichts damit zu tun gehabt habe. Für die Tat würden noch die Ermittlungen laufen. Der Beschwerdeführer selbst sei von der Partei XXXX League. Drei Mitglieder der Awami League namens XXXX und XXXX hätten diese Vorwürfe gegen den Beschwerdeführer geäußert. Er sei Generalsekretär seiner Partei und habe dadurch eine wichtige Rolle. Mit den Vorwürfen hätten sie dadurch der Partei schaden wollen. Der Beschwerdeführer wisse, dass die Polizei bzw. die Sicherheitsbehörden unter Einfluss von mächtigen Männern stünden. Deswegen hätte er kein faires Verfahren erwarten können. Der Beschwerdeführer habe einen Anwalt in Bangladesch namens XXXX dieser hätte ihm mitgeteilt, dass zwei Haftbefehle gegen ihn vorliegen würden, wegen der sieben Jahre Strafe und wegen des Mordes an dem Parteiangehörigen. Aus diesen Gründen sei er geflohen. Im Falle einer Rückkehr in seine Heimat befürchte er, dass er unschuldig ins Gefängnis müsse.

I.2 Am 25.11.2015 wurde der Beschwerdeführer durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge "BFA") niederschriftlich einvernommen. Dabei gab er zusammengefasst an, dass er den Dolmetscher verstehe, aber etwas genauer aufpassen müsse, weil dieser XXXX er selbst aber nur XXXX spreche. Er verstehe den hier anwesenden Dolmetscher und habe keine Einwände gegen diesen. Der Beschwerdeführer könne gut reden, er sei derzeit in ärztlicher Behandlung, weil er Rückenprobleme und einen Stein im Magen habe.

Der Beschwerdeführer legte eine ärztliche Überweisung vom 13.10.2015, eine Geburtsurkunde vom XXXX , ein Schreiben betreffend die politische Partei des Beschwerdeführers samt Mitgliederliste, eine Lizenz für das Bekleidungsgeschäft, Lizenzen für das Geschäft, diverse Fotos, diverse Schreiben des Gerichts, ein Anwaltsschreiben vom 09.06.2015, ein Empfehlungsschreiben eines XXXX vom 24.11.2015 und ein Empfehlungsschreiben XXXX vom 23.11.2015 vor.

Einem Aktenvermerk vom 25.11.2015 ist zu entnehmen, dass der BF nach der Rückübersetzung gegenüber dem Dolmetscher geäußert habe, dass bei einer Überprüfung der vorgelegten Dokumente in seinem Heimatland, wenn man dort etwas Geld vorlege, die Dokumente echt seien. Dann würden falsche Dokumente auch als echt bestätigt werden.

Weiters vorgelegt wurde ein ärztliches Attest vom 02.02.2009 und eine ärztliche Bestätigung vom 01.12.2015. Ebenso wurde ein Urteil des Bezirksgerichtes XXXX vorgelegt.

I.3 Den Anfragebeantwortungen der Staatendokumentation vom 03.05.2016 ist zu entnehmen, dass die Erkrankungen des Beschwerdeführers in Bangladesch behandelbar seien und auch die angefragten Behandlungsmöglichkeiten bestünden. Dem Bericht des Vertrauensanwaltes sei zu entnehmen, dass die vom Beschwerdeführer vorgelegten und übermittelten Gerichtsschreiben gefälscht seien und mit den Originaldokumenten nicht übereinstimmten. Die Identität des Beschwerdeführers habe hingegen, auch anhand der dazu übermittelten Dokumente, bestätigt werden können. Dem Bericht des Vertrauensanwaltes sei auch zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer wahrscheinlich Mitglied der XXXX League sei, wobei Aktivitäten des Beschwerdeführers nicht bestätigt werden hätten können.

I.4 Mit Schreiben des BFA vom 09.05.2016 wurde dem Beschwerdeführer zur Wahrung des Parteiengehörs eine Frist von zwei Wochen zur Stellungnahme zu den übermittelten Ermittlungsergebnissen eingeräumt.

I.5 In seiner Stellungnahme vom 10.06.2016 führte der Beschwerdeführer zusammengefasst im Wesentlichen aus, dass die medizinische Behandlung in Bangladesch problematisch sei. Eine Behandlung wäre für den Beschwerdeführer nicht leistbar, seine Familie könne ihn nicht unterstützen. In den Länderfeststellungen fänden sich keine Ausführungen zur Partei des Beschwerdeführers. Viele Angehörige einer Oppositionspartei hätten Probleme mit der Regierung oder der Polizei und würden ihnen Straftaten angehängt. Fälle erfundener und gefälschter Verfahren seien häufig. Dem Beschwerdeführer würden staatsfeindliche Aktivitäten unterstellt, als Sekretär seiner Partei habe er eine hohe Position innegehabt. Er sei auch bei Demonstrationen anwesend gewesen. Viele Menschen im Umfeld des Beschwerdeführers – besonders Anhänger der regierenden Partei – wüssten, dass er Mitglied der XXXX League sei und werde er folglich aufgrund dieser politischen Gesinnung verfolgt. Der Vertrauensanwalt habe nicht ausgeführt, warum die vorgelegten Dokumente eine Fälschung seien. Dass der Anwalt des Beschwerdeführers gegenüber dem Vertrauensanwalt geleugnet habe, ihn jemals vertreten zu haben, könne sich der Beschwerdeführer damit erklären, dass die Regierung seinen Anwalt bestochen habe. Ein möglicher anderer Grund dafür könne sein, dass der Vertrauensanwalt den falschen Rechtsanwalt zu seinem Fall befragt hätte. Vorgelegt wurde eine ärztliche Überweisung vom 09.06.2016.

I.6 Mit Bescheid des BFA vom 12.08.2016 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Bangladesch gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 57 AsylG nicht erteilt und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG erlassen. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Bangladesch zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).

Begründend führte das BFA zusammengefasst aus, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers als gänzlich unglaubhaft und die von ihm behauptete Bedrohungssituation als offensichtlich nicht den Tatsachen entsprechend erwiesen sei. Es habe nicht festgestellt werden können, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in sein Heimatland dort der Gefahr einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt wäre. Eine Rückkehr nach Bangladesch sei dem Beschwerdeführer möglich und zumutbar. Der Beschwerdeführer habe in Österreich keine familiären Anknüpfungspunkte und verfüge hier auch nicht über schützenswerte private Bindungen.

I.7 Mit Schriftsatz vom 06.09.2016 erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde gegen den Bescheid des BFA vom 12.08.2016. Auf die Stellungnahme vom 10.06.2016 wurde verwiesen. Die getroffenen Länderfeststellungen seien unvollständig. Die belangte Behörde habe keine zielgerichteten Ermittlungen hinsichtlich der Angaben des Beschwerdeführers, dass er Parteimitglied und Sekretär der XXXX League gewesen sei, durchgeführt. Die Ausführungen des Vertrauensanwaltes seien wenig nachvollziehbar, das BFA hätte weitere nachvollziehbare Echtheitsüberprüfungen vorzunehmen gehabt. Der Anfragebeantwortung vom 03.05.2016 komme diesbezüglich keine Beweiskraft zu. Selbst wenn die Dokumente gefälscht wären, könne nicht mit ausreichender Sicherheit ausgeschlossen werden, dass der Beschwerdeführer von der Polizei gesucht werde. Der Beschwerdeführer habe bereits einige Integrationsnachweise vorgelegt und sei weiter bemüht, sich zu integrieren und ein Leben in Österreich aufzubauen, weshalb ihm zumindest ein Aufenthaltstitel zu gewähren gewesen wäre. Vorgelegt wurden ein Empfehlungsschreiben XXXX vom 01.09.2016, eine Kursbestätigung "Deutsch als Fremdsprache (Lesen & Schreiben 2)" vom 20.09.2016, eine Teilnehmerliste Kurs A1.1., eine Bestätigung XXXX vom 06.09.2016 über eine Beschäftigung über das Projekt "Nachbarschaftshilfe" sowie Zusatzvereinbarungen vom 11.01.2016 und 12.01.2016.

I.8 Am 09.09.2016 wurde der Akt dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt.

Vorgelegt wurden weiters ein Praxisnachweis vom 12.01.2018, eine Bestätigung gemäß § 3 Abs. 5 AuslBG des AMS XXXX vom XXXX ein Praxisnachweis vom 30.06.2018 sowie ein Praxisnachweis vom 18.02.2020.

Am 25.09.2017 legte der Beschwerdeführer fremdsprachige Zeitungsartikel vor. Diese wurden von einem durch das erkennende Gericht beauftragen Übersetzer ins Deutsche übertragen. Weiters vorgelegt wurde eine Bestätigung über eine Tätigkeit in Bangladesch.

I.9 Am 28.02.2020 führte das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit des Beschwerdeführers und seines Rechtsvertreters eine mündliche Verhandlung durch. Im Zuge der Ladung zur Verhandlung wurden dem Beschwerdeführer aktuelle Länderberichte zu Bangladesch übermittelt. Das erkennende Gericht verfügte den Schluss des Beweisverfahrens gemäß § 39 Abs. 3 AVG.

In der Verhandlung legte der Beschwerdeführer einen Strafregisterauszug vom 24.02.2020, diverse Fotos sowie ein Empfehlungsschreiben vom 25.02.2020 vor.

I.10 Mit Schreiben vom 03.03.2020 legte der Beschwerdeführer – trotz vorangegangenem Schluss des Beweisverfahrens - abermals ein Konvolut an Integrationsunterlagen vor.

I.11 Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 09.03.2020, XXXX , wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde ab und entschied, dass eine ordentliche Revision nicht zulässig sei.

I.12 Die Behandlung der gegen diese Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes erhobenen Beschwerde des BF lehnte der Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 26.06.2020 XXXX ab.

I.13 Der Verfassungsgerichtshof trat mit Beschluss vom 04.08.2020, XXXX , über den nachträglichen Antrag des BF das Verfahren an den Verwaltungsgerichtshof ab.

I.14 Der Verwaltungsgerichtshof fasste am 12.10.2020, XXXX , den Beschluss, die außerordentliche Revision zurückzuweisen.

Zum gegenständlichen Verfahren:

I 15 Der BF beantragte am 15.07.2020 die Erteilung eines Aufenthaltstitels „in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen“.

Neben dem ausgefüllten Formblatt legte der BF zahlreiche Unterlagen bei, welche im Wesentlichen bereits im zuvor angeführten Verfahren sowohl der Administrativbehörde als auch in weiterer Folge dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt worden waren.

I.16 Am 15.09.2020 übermittelte das BFA dem BF das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens zu seinem Antrag und räumte dem BF die Möglichkeit der Abgabe einer schriftlichen Stellungnahme innerhalb von 14 Tagen ein.

Konkret wurden dazu auch vier Fragen gestellt, insbesondere zu den Themenbereichen „Wie bestreiten Sie ihren Lebensunterhalt?“, „Welche Integrationsschritte haben Sie in den vergangenen Jahren gemacht?“, „Was hat sich seit dem negativen BvWg Erkenntnis privat und beruflich verändert?“ sowie „Haben Sie noch Verwandte in ihrem Heimatland? Haben Sie Kontakt zu diesen? Wie ist das Verhältnis zu diesen?“

I.17 Der BF beantwortete in seiner Stellungnahme diese Fragen – zusammengefasst – dahingehend, dass

- er sich in der Grundversorgung befinde; er habe jedoch einen Arbeitsvorvertrag

- er habe Deutschkurse besucht. Da er „Analphabet“ sei, müsse er mehrere Kurse wiederholen. Er sei bei dem Niveau A2 gescheitert.

- er könne sich in täglichen Situationen sehr gut verständigen.

- er sei „vom Beruf Maschinenbautechniker“, er habe in diesem Beruf drei Jahre lang in Bangladesch gearbeitet. In Österreich hatte er zwei „Volontariate“ bei einer Firma.

- er habe versucht in der Gastronomie eine Saisonstelle zu erhalten, was nicht geglückt sei

- er habe bei Caritas-Integrationsprojekten mitgearbeitet und geholfen

- er habe seitdem er „von Bangladesch geflüchtet sei“ mit seinen Eltern „keinen Kontakt mehr mit denen“. Auch mit seinen Geschwistern habe er „keinen Kontakt mehr“.

I.18 Mit Bescheid des BFA vom 20.10.2020 wurde der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen abgewiesen (Spruchteil°I), eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchteil°II), die Abschiebung für zulässig festgestellt (Spruchteil°III) sowie die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tage ab Rechtskraft festgelegt (Spruchteil°IV).

Begründend wurde – zusammengefasst – ausgeführt, dass es keine Gründe für eine aktuelle, unmittelbare persönliche oder konkrete Verfolgung, Bedrohung oder sonstigen Gefährdung vorliege oder im Falle der Rückkehr einer solchen ausgesetzt wäre. Es gäbe keinen Hinweis auf berücksichtigungswürdige Gründe privater, gesundheitlicher oder beruflicher Natur.

I.19 Mit Schriftsatz vom 16.11.2020 legte der BF, vertreten durch XXXX Beschwerde „im vollem Umfang“ ein. Begründet wird diese mit einem mangelnden Ermittlungsverfahren (zB keine mündliche Verhandlung durch das BFA), mangelhaften Feststellungen (zB hinsichtlich des maßgebenden Sachverhaltes) sowie einer mangelhaften Beweiswürdigung (zB geringe Befassung des BFA mit den vorgelegten Unterlagen): darüber hinaus bestünde auch eine inhaltliche Rechtswidrigkeit hinsichtlich der Anwendbarkeit des § 56 AsylG.

I.20 Im Bundesverwaltungsgericht langte die vom BFA vorgelegte Beschwerde am 20.11.2020 ein.

I.21 Mit der Ladung vom 23.11.2020 zur mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde dem BF auch der aktuellste Länderbericht der Staatendokumentation (November 2020) zur Stellungnahme bis spätestens im Rahmen der Verhandlung übermittelt.

I.22 Mit Schriftsatz vom 04.12.2020 teilte XXXX namens XXXX mit, dass die Vollmacht zurückgelegt werde. Gleichzeitig erfolgte der Hinweis, dass der BF bei der Verhandlung durch einen Rechtsanwalt vertreten sein werde.

I.23 Am 11.12.2020 führte das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit des Beschwerdeführers und seines Rechtsvertreters XXXX , sowie einer Dolmetscherin für die Sprache Bangla eine mündliche Verhandlung durch.

Eingangs legte der BF diverse Unterlagen vor, welche großteils jedoch bereits im Administrativakt des ersten Verfahrens enthalten waren. Es wurden vorgelegt: vier Bilder des BF an Werkmaschinen, ein technischer Plan der XXXX , eine händische Liste von Namen und Telefonnummern, eine Anmeldebestätigung für eine (neuerliche) Integrationsprüfung in A2, eine XXXX Zugkarte, ein Internetausdruck (sechs Seiten vom 30.04.2020), drei Farbkopien von Dokumenten aus 2009 betreffend XXXX , elf Fotografien ohne Datum des BF in geselliger Runde (aus 2019 und 2020) sowie – später in der Verhandlung – zwei A4-Farbfotos sowie fünf Fotografien von angeblichen Verwandten bzw. Bekannten des BF; zusätzlich wurde ein Zeitungsartikel in bengalischer Sprache vorgelegt.

Der BF gab eingangs an, dass er Rückenprobleme habe, sonst aber fähig wäre, der Verhandlung körperlich und geistig zu folgen.

Zu seiner Familie habe er keinen Kontakt, seinen letzten Kontakt hatte er vor „acht oder neun Monaten“ (widersprüchlich zur Stellungnahme des BF vom 24.09.2020, Punkt 3: er habe seitdem er aus Bangladesch geflüchtet sei, keinen Kontakt zur Familie). Seine Eltern haben zuletzt in Bangladesch gelebt, ein Bruder in Dubai, eine Schwester in Kanada, die anderen Beiden in Indien. Den Eltern ginge es finanziell durchschnittlich.

Alle Mitglieder seiner Familie hätten „Probleme“ in Bangladesch.

Es gibt keine Verwandten in Österreich, er ist ledig, ohne Beziehung in Österreich (in Bangladesch hatte er eine Beziehung) und hat keine Kinder.

Während der Verhandlung stellte der VR fest, dass eine Konversation mit dem BF in deutscher Sprache schwer möglich war, weil der Sprachwortschatz sehr begrenzt ist. Die Antworten- so ferne überhaupt welche erfolgten - (etwa auf die Fragen: „Was erwarten Sie sich von Ihrer Zukunft?; Sind Sie schon durch Österreich gereist?; Was essen Sie am liebsten?; Was trinken Sie gerne?; Machen Sie Sport?“) erfolgten nicht mit vollen Sätzen und man musste ihnen mit großer Aufmerksamkeit begegnen. Gegen diese Feststellungen wendete sich der Rechtsvertreter des BF, der vermeinte, „wenn ich mich mit dem Mandanten unterhalte, gibt es keine Probleme mit der deutschen Konversation“. Als der Anwalt des BF diesem sodann ebenfalls einige Fragen in deutscher Sprache stellte (zB: Waren Sie in Linz?; Waren Sie in Wien auch schon einmal?; Haben Sie eine Jobzusage?; Wieviel würden Sie bei Herrn Heinz verdienen?; Welche Personen sind auf dem Foto zu sehen?“ etc…), antwortete dieser zweifellos in besserer Qualität. Der VR gelangte jedoch im Rahmen dieser Konversation zu dem Eindruck, dass die vom BVF mit dem BF geführte Konversation in deutscher Sprache sehr einstudiert war.

Unbestritten ist, dass der BF bisher erst ein Sprachzeugnis auf dem Niveau A1 erlangte. An der A2-Prüfung scheiterte der BF bisher mehrmals (laut seiner Stellungnahme vom 24.09.2020, Punkt 3: insgesamt letztlich viermal), er möchte jedoch am 23.12.2020 nochmals zur Prüfung antreten.

Der BF gab weiters zu Protokoll, dass er in Bangladesch „fünf Jahre lang in der Volksschule und zwei Jahre lang in der Mittelschule gewesen sei. Er habe eine Berufsausbildung in der „Maschinenarbeit“ (BF dazu in der Stellungnahme vom 24.09.2020, Punkt 2, zweiter Satz: „Da ich ein Analphabet bin, musste ich mehrmals die gleichen Kurse besuchen“ [gemeint wohl: Analphabet hinsichtlich der lateinischen Schrift]; bestätigend jedoch im dritten Absatz: „Ich bin vom Beruf ein Maschinenbautechniker“).

Er habe freiwillig als „Volontär“ bei einer Maschinenbaufirma in Österreich gearbeitet, er habe entsprechende Einstellungszusagen. Er habe auch freiwillig bei der XXXX gearbeitet, er habe viele österreichische und türkische Freunde. Dies sei seit 2017 erfolgt.

Er sei kein Mitglied in einem Verein, nur im Fitnessclub.

Er wohne in einem Einzelzimmer und würde dieses von der XXXX finanziert werden. Er lebe von der Grundversorgung, habe aber mehrere Einstellungszusagen, welche ihm ein Bruttogehalt von ca € 2.000 monatlich erwarten ließen. Der Chef der Maschinenbaufirma sei sehr um ihn bemüht, er habe auch technische Pläne verfasst.

Hinsichtlich der vorgelegten Bilder und Unterlagen aus Bangladesch gab der BF zu Protokoll, dass diese seinen Onkel bzw. Cousin betreffen würden. Der Onkel sei bei einem Anschlag verletzt, der Cousin dabei „am 30.04.2020“ getötet worden. Beide seien bei der gleichen Partei gewesen wie der BF. Diese Fotos seien, so die Aussage des BFV, bereits „dem Richter in Linz“ (also im Februar 2020) vorgelegt worden.

Daraufhin fragte der VR den BF: „Was hat sich seit dem 28.02.2020 geändert?“ Auf diese Frage antwortete der BF: „Nichts hat sich geändert“.

In weiterer Folge verwies der VR auf die Verhandlung vor dem BVwG am 28.02.2020 und die Entscheidung des BVwG vom 09.03.2020, mit welcher die Beschwerde des BF gegen den Bescheid des BFA vom 12.08.2016 in allen Spruchpunkten (somit einschließlich Aufenthalt, Rückkehrentscheidung, Abschiebung, freiwillige Ausreise) abgewiesen wurde.

Der BF meinte dazu lediglich, dass er diese Entscheidung erhalten habe.

Nachgefragt gab der BF an, dass er die österreichische Rechtsordnung befolge, er sei nie straffällig geworden. Befragt, meinte der BF, er würde auch österreichische Gerichtsurteile respektieren.

Darauf angesprochen, dass der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 12.10.2020 XXXX die außerordentliche Revision zurückgewiesen habe, bestätigte der BF, dass er diese Entscheidung kenne – im Gegensatz zu seinem Rechtsanwalt, welchem die Entscheidung des VwGH in Kopie ausgehändigt wurde.

Weiters wurde der BF zu den Beschluss des Verfassungsgerichtshofes des Republik Österreich vom 26.02.2020, XXXX befragt; mit diesem Beschluss wurde die Beschwerde gegen das Erkenntnis des BVwG vom 09.03.2020 abgelehnt. Der BF meinte dazu, „ich habe es verstanden“.

Im Gegensatz dazu vermeinte der Anwalt des BF, dass er diesen Beschluss ebenfalls nicht kenne; es wurde ihm diese Entscheidung ebenfalls in Kopie ausgehändigt.

Der Anwalt des BF meinte, dass er lediglich den „Abtretungsbeschluss“ des VfGH vom 04.08.2020 kenne; da er aber keinen „Abtretungsantrag“ kenne sei er der Meinung gewesen, dass es keine Revision gab.

Der „Abtretungsbeschluss“ des VfGH vom 04.08.2020, XXXX befindet sich ebenfalls im Administrativakt. Aus diesem geht hervor, dass die Beschwerde des BF gegen die Entscheidung des BVwG „über nachträglichen Antrag“ dem VwGH abgetreten wurde.

Letztlich wurde der BF gefragt, ob er die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid des BFA aufrecht halte, was dieser nach Rücksprache mit seinem Anwalt bejahte.

Daraufhin wurde der BF gefragt, was ihn in Bangladesch erwarte, wenn er zurückkehren müsste. Dieser gab an, dass ihn „politische Probleme“ erwarten würden. Er würde verfolgt werden und man würde ihn töten. Er würde seit zehn Jahren nicht mehr in Bangladesch leben, er habe niemanden in Bangladesch und er möchte nicht dorthin zurückkehren.

Nachgefragt ergänzte der BF, dass die politischen Probleme in seinem Heimatdorf begründet seien.

Danach wurde nochmal auf den aktuellen Länderbericht Bezug genommen sowie auf die aktuelle Corona-Pandemie. Der BF meinte, dass in Bangladesch zu wenige Menschen getestet würden, man hätte sonst mehr Infizierte festgestellt.

Abschließend ersuchte der BF nochmals, dass er die Chance erhalte, hier zu arbeiten, seine schwachen Deutschkenntnisse erklärte der BF mit seiner Angst, die er gehabt hatte, als er hierhergekommen sei.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Grundsätzlich wird auf die rechtkräftigen Feststellungen im Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 09.03.2020, XXXX E, verwiesen, welche auch für das gegenständliche Verfahren maßgeblich sind.

Festgestellt wird, dass der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der Beschwerde des BF gegen dieses Erkenntnis mit Beschluss vom 26.06.2020, XXXX , abgelehnt hat.

Festgestellt wird, dass der VfGH mit Beschluss vom 04.08.2020, XXXX über nachträglichen Antrag des BF das Verfahren an den VwGH abgetreten hat.

Festgestellt wird, dass der VwGH mit Beschluss vom 12.10.2020, XXXX , die Revision des BF zurückgewiesen hat.

Festgestellt wird, dass der BF in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 11.12.2020 aussagte, dass sich seit der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 28.02.2020 „nichts geändert hat“.

Die Identität des Beschwerdeführers konnte anhand der im Verfahren vorgelegten Dokumente (Geburtsurkunde) im Zuge der Ermittlungen des Vertrauensanwaltes in Bangladesch bestätigt werden. Dem trat die Beschwerde nicht entgegen.

Die Ausführungen zum bisherigen Leben des Beschwerdeführers in Bangladesch sowie zu seinen Familienangehörigen sind insoferne widersprüchlich, als der BF in seiner Stellungnahme vom 24.09.2020 vor dem BFA behauptete, er habe seit seiner Flucht aus Bangladesch (somit seit „2010, 2011“) keinen Kontakt mehr gehabt, vor dem BVwG am 11.12.2020 jedoch ausführte, dass er seit „acht oder neune Monaten“ keinen Kontakt mehr hatte.

Der BF ist ledig, hat keine Verwandten in Österreich, keine Kinder und auch keine Beziehung.

Er hat österreichische und türkische Freunde. Er lebt von der Grundversorgung. Seine Deutschkenntnisse sind gering, der BF hat bisher das Niveau A1 erreicht. Von den Deutschkenntnissen des Beschwerdeführers konnte sich das erkennende Gericht in der mündlichen Verhandlung selbst ein Bild machen

Zur freiwilligen Tätigkeit des Beschwerdeführers im Rahmen des Projektes "Nachbarschaftshilfe" der XXXX ist festzuhalten, dass die Dauer seines Einsatzes nicht nachgewiesen wurde.

Dass der Beschwerdeführer an den festgestellten gesundheitlichen Problemen leidet, ergibt sich aus einer im Akt erliegenden ärztlichen Bestätigung vom 01.12.2015, wobei jedoch festzuhalten ist, dass die genannte Bestätigung mehr als fünf Jahre alt ist und der Beschwerdeführer auch keine jüngeren Befunde vorgelegt hat.

So gab der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung lediglich an, dass seine Beschwerden nach wie vor bestünden, ohne jedoch auf die bisherige Behandlung näher einzugehen. Darüber hinaus trat der Beschwerdeführer weder im Zuge des Administrativverfahrens noch in der Beschwerde den Ermittlungen der belangten Behörde über die Verfügbarkeit der Behandlungsmöglichkeiten der Leiden des Beschwerdeführers entgegen.

Der Beschwerdeführer kann ohne weiters eine Arbeit in Bangladesch aufnehmen, was sich schon daraus ergibt, dass er ja auch in Österreich Praktika absolvierte bzw. selbst ausführte.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in Bangladesch einer aktuellen, unmittelbaren persönlichen und konkreten Verfolgung, Bedrohung oder sonstigen Gefährdung ausgesetzt war oder er im Falle seiner Rückkehr dorthin mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer solchen ausgesetzt wäre.

Weiters kann unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände nicht festgestellt werden, dass eine Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Bangladesch eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur Konvention bedeuten oder für den Beschwerdeführer als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der körperlichen Unversehrtheit mit sich bringen würde. Es steht auch nicht fest, dass der Beschwerdeführer um sein Leben zu fürchten hat. Darüber hinaus wird festgestellt, dass der BF die Möglichkeit hat durch ein Leben in anderen Teilen von Bangladesch allfälligen Behelligungen in seinem Dorf auszuweichen.

Eine berücksichtigungswürdige Integration des Beschwerdeführers kann nicht festgestellt werden.

1.2. Länderfeststellungen:

COVID-19

Letzte Änderung: 11.11.2020

Die COVID-Krise trifft Bangladesch sehr hart, nachdem am 8.3.2020 die ersten Fälle nachgewiesen wurden. Die Regierung verhängte ab dem 22.3.2020 einen umfassenden Lockdown, der jedoch de facto immer brüchig war und einmal mehr und einmal weniger eingehalten wurde. Am 30.5.2020 wurde der Lockdown wieder aufgehoben, da eine weiter Fortsetzung wirtschaftlich nicht mehr vertretbar war (ÖB 9.2020). Die bangladeschische Regierung hat im April 2020 Hilfspakete mit einem Volumen in Höhe von 12 Milliarden USD beschlossen. Die Konjunkturmaßnahmen zielen unter anderem auf eine Stützung von für die Wirtschaft bedeutende Industriezweige wie die Textil- und Bekleidungsherstellung sowie den Agrar- und Nahrungsmittelsektor ab (GTAI 21.9.2020a). Im Zuge der COVID-Krise 2020 verloren nach Schätzungen der Bangladesh Economic Association etwa 36 Mio. Menschen während des Lockdowns ihre Arbeit, 25 Mio. rutschen zurück in die absolute Armut (ÖB 9.2020).

Das ohnehin schwache Gesundheitssystem Bangladeschs ist mit der Pandemie völlig überlastet (ÖB 9.2020). Durch die Coronakrise gerät das seit Jahrzehnten unterfinanzierte staatliche Gesundheitswesen in Bangladesch enorm unter Druck und die Versorgung von Covid-19-Patienten stößt an ihre Grenzen (GTAI 21.9.2020b). So sind landesweit nur etwas mehr als knapp 1.000 Intensivbetten verfügbar (GTAI 21.9.2020; vgl. WKO 4.2020). Davon sind 400 für die Behandlung von Patienten mit schweren Atemwegserkrankungen ausgerüstet. Während es in der Hauptstadt Dhaka 400 Intensivbetten gibt, stehen in 47 der insgesamt 64 Verwaltungsbezirke überhaupt keine zur Verfügung (GTAI 21.9.2020).

Eine weitere Problemstellung für das Land stellen die zahlreichen Rückkehrer aus den Ländern des Nahen Ostens dar. Auf Grund der beengten Arbeits- und Lebensverhältnissen in den Gastländern sind diese Arbeiter besonders von Ansteckungen mit dem Virus betroffen. Darum, aber auch wegen des mit COVID verbundenen weltweiten Wirtschaftsabschwungs, schicken vor allem die Staaten des Nahen Osten tausende Arbeiter wieder zurück nach Bangladesch. Viele bringen so das Virus auf ihrem Heimweg mit ins Land. Da viele Migranten aus Bangladesch im Nahen Osten im Zuge der COVID-Krise ihre Arbeit verloren haben und ausgewiesen wurden, ist in den kommenden Jahren mit einem vermehrten Aufkommen von AsylwerberInnen aus Bangladesch in (West-)Europa zu rechnen (ÖB 9.2020).

Quellen:

?        GTAI - Germany Trade and Invest (21.9.2020a): Covid-19: Maßnahmen der Regierung, https://www.gtai.de/gtai-de/trade/specials/special/bangladesch/covid-19-massnahmen-der-regierung-260866, Zugriff 5.11.2020

?        GTAI - Germany Trade and Invest (21.9.2020b): Covid-19: Gesundheitswesen in Bangladesch: https://www.gtai.de/gtai-de/trade/specials/special/bangladesch/bangladeschs-wirtschaft-behauptet-sich-trotz-coronakrise-260868, Zugriff 5.11.2020

?        ÖB – Österreichische Botschaft Neu Delhi (9.2020): Asylländerbericht Bangladesch

?        WKO – Wirtschaftskammer Österreich (25.4.2020): Coronavirus: Situation in Bangladesch, https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/coronavirus-info-bangladesch.html, Zugriff 8.5.2020

Politische Lage

Letzte Änderung: 16.11.2020

Bangladesch ist seit 1991 eine parlamentarische Demokratie (GIZ 11.2019a). Die Hauptstadt ist Dhaka (ca. 20 Millionen Einwohner). Auf einer Fläche von ca. 148.000 km² leben etwa 163 Millionen Einwohner (CIA 4.11.2020; vgl. GIZ 5.2020, AA 6.11.2020).

Der Verwaltungsaufbau von Bangladesch ist zentralistisch: Das Land ist in acht Regionen (Divisions), 64 Bezirke (Districts), 492 Polizeidistrikte (Thana/Upazila), mehr als 4.500 Gemeindeverbände (Unions) und circa 87.000 Dorfgemeinden gegliedert (ÖB 9.2020). Im Gebiet der Chittagong Hill Tracts gilt eine besondere Verwaltung, die der lokalen (indigenen), nicht-bengalischen Bevölkerung verstärkte Mitwirkungsmöglichkeiten einräumen soll (ÖB 9.2020). Das Staatsoberhaupt ist der Präsident, der vom Parlament alle fünf Jahre gewählt wird. Eine einmalige Wiederwahl ist möglich. Er übt größtenteils zeremonielle Funktionen aus, während die Macht in den Händen des Premierministers als Regierungschef liegt. Dieser wird von der stärksten im Parlament vertretenen Partei nominiert und vom Präsidenten formell ernannt. Zusätzlich obliegt dem Premierminister die Kontrolle der Geheimdienste, der Streitkräfte und der paramilitärischen Einheiten (GIZ 11.2019a).

Das Parlament (National Parliament oder Jatiya Sangsad) besteht aus einer Kammer mit 300 direkt gewählten Abgeordneten (ÖB 9.2020) sowie zusätzlichen 50 Sitzen, die nur für Frauen reserviert sind (USDOS 11.3.2020; vgl. GIZ 11.2019a). Das Mehrheitswahlrecht führt zu stabilen Mehrheiten im Parlament und hat die Herausbildung der Bangladesh Nationalist Party (BNP) und der Awami League (AL) als dominierende und konkurrierende Parteien begünstigt. Die erste Verfassung trat 1972 in Kraft und setzte neben der demokratischen Staatsform auch Säkularismus, Sozialismus und Nationalismus als Ziele fest. Nach zahlreichen Verfassungsänderungen wurde 1988 der Islam als Staatsreligion eingeführt bei gleichzeitiger verfassungsrechtlicher Verankerung des Rechts auf friedliche Ausübung anderer Religionen (ÖB 9.2020).

Das politische Leben wird durch die beiden dominierenden und konkurrierenden größten Parteien AL und BNP bestimmt (ÖB 9.2020; vgl. AA 21.6.2020, BS 29.4.2020). Klientelismus und Korruption sowie mafiöse Strukturen sind weit verbreitet. Gewerkschaften, Studentenorganisationen, Polizei und Verwaltung sind parteipolitisch durchdrungen (AA 21.6.2020; vgl. DGVN 2016). Beide Parteien haben keine demokratische interne Struktur und werden von Familien geführt, die Bangladesch seit der Unabhängigkeit geprägt haben (FH 2020). Wie in der Region üblich, geht es bei politischen Parteien weniger um Ideologie, als um einzelne Persönlichkeiten und deren Netzwerke, die im Falle eines Wahlsieges auch finanziell profitieren, in dem sie mit wichtigen Staatsposten versorgt werden (ÖB 9.2020).

Bei den elften bangladeschischen Parlamentswahlen vom 30.12.2018 erzielte die „Große Allianz“ um die regierende AL einen überragenden Sieg (ÖB 9.2020) mit 96 Prozent der Stimmen und 289 der 300 zur Wahl stehenden Parlamentssitze (Guardian 30.12.2018; vgl. DT 27.1.2019, DW 14.2.2019).

Die Wahlen vom 30. Dezember 2018 waren durch Übergriffe auf Oppositionelle, willkürliche Verhaftungen und Einschüchterungen der Stimmberechtigten gekennzeichnet (HRW 14.1.2020). Bereits im Vorfeld der Wahl kam es zu Gewalt zwischen rivalisierenden Anhängern und einem harten Vorgehen der Regierung (BBC 31.12.2018; vgl. Hindu 1.1.2019). Am Wahltag waren rund 600.000 Sicherheitskräfte, darunter Armee und paramilitärische Truppen, im Einsatz, um die Gewalt einzudämmen (Guardian 31.12.2018). Frühzeitig wurde die Wahl durch die Wahlkommission als frei und fair bezeichnet. Unregelmäßigkeiten wurden nicht untersucht. Stattdessen wurden Journalisten wegen ihrer Berichterstattung verhaftet (HRW 14.1.2020). Es wurden rund 20 Menschen bei Zusammenstößen zwischen Anhängern der regierenden Partei und der Opposition getötet und Tausende verletzt (ÖB 9.2020; vgl. Reuters 1.1.2019). Die Opposition verurteilte die Wahl als „Farce“ und fordert die Annullierung des Ergebnisses und Neuwahlen (ÖB 9.2020).

Infolge der Dominanz der AL und der fehlenden innerparteilichen Demokratie hat de facto die exekutive Spitze das ausschließliche Sagen bei Gesetzesentwürfen. Wie schon die Vorgängerregierungen baut auch die gegenwärtige AL-Regierung ihre Netzwerke in Verwaltung, Rechtswesen und Militär aus. Verschärfend kommt hinzu, dass die BNP als vormals größte Oppositionspartei das Wahlergebnis angefochten hatte und nun nicht mehr im Parlament vertreten ist. Die oppositionelle BNP hat aufgrund ihrer starken gesellschaftlichen Verankerung das Potenzial, durch Generalstreiks großen außerparlamentarischen Druck zu erzeugen (GIZ 11.2019a).

Da die Politik in Bangladesch generell extrem korrupt ist, sind die Grenzen zwischen begründeter Strafverfolgung und politisch motivierter Verfolgung fließend. Sicherheitskräfte sind in jüngster Vergangenheit sowohl bei Demonstrationen von Anhängern der beiden Großparteien, als auch bei islamistischen oder gewerkschaftlichen Protesten mit Brutalität vorgegangen. Im Zuge des Wahlkampfes Ende 2018 wurden gegen Anhänger und KandidatInnen der oppositionellen BNP durch die Sicherheitsbehörden falsche Anzeigen verfasst (ÖB 9.2020).

Im Vorfeld der elften Parlamentswahl in Bangladesch wurden nach Angaben der Opposition seit Anfang November 2018 bis zu 21.000 ihrer Mitglieder und Aktivisten verhaftet. Mehrere Menschenrechtsgruppen haben seit Anfang 2018 einen dramatischen Anstieg von fingierten Klagen gegen Gegner der Regierungspartei festgestellt. Unter den Verhafteten befinden sich prominente Führer des Oppositionsbündnisses, wie Mainul Hosain wegen krimineller Diffamierung und Dr. Zaffrullah Chowdhury wegen Verrats, Erpressung und Fischdiebstahls (FIDH 9.1.2019). Die BNP-Vorsitzende, Khaleda Zia, war von März 2018 bis März 2020 aufgrund von Korruptionsvorwürfen im Gefängnis (AA 21.6.2020; vgl. NAU 25.3.2020). Seit Zia auf freiem Fuß ist, sind praktisch keine Aktivitäten der BNP mehr wahrnehmbar (ÖB 9.2020).

Nachdem die oppositionelle BNP nunmehr nicht existent ist und im politischen Prozess kaum bis gar keine Rolle mehr spielt, ist eine Verfolgung, bzw. Unterdrückung ihrer AnhängerInnen aus Sicht der Regierung offenbar nicht mehr nötig. Anzumerken ist, dass seit März 2020 das politische Geschehen vollständig von der COVID-Krise überlagert wird. Von einer staatlichen Überwachung der politischen Opposition ist auszugehen (ÖB 9.2020).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (6.11.2020): Bangladesch – Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/bangladesch-node/-/206322, Zugriff 10.11.2020

?        AA – Auswärtiges Amt (Deutschland) (21.6.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch (Stand: Mai 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2033573/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_Bangladesch_%28Stand_Mai_2020%29%2C_21.06.2020.pdf, Zugriff 9.11.2020

?        BBC – British Broadcasting Corporation (31.12.2018): Bangladesh election: PM Sheikh Hasina wins landslide in disputed vote, https://www.bbc.com/news/world-asia-46718393, Zugriff 11.11.2020

?        BS - Bertelsmann Stiftung (29.4.2020): BTI 2020 Country Report Bangladesh, https://www.ecoi.net/en/file/local/2029402/country_report_2020_BGD.pdf, Zugriff 10.11.2020

?        CIA – Central Intelligence Agency (4.11.2020): The World Factbook – Bangladesh, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/bg.html, Zugriff 10.11.2020

?        DT – Dhaka Tribune (27.1.2019): Ruling party's Dr Younus Ali Sarker wins Gaibandha 3 by-polls, https://www.dhakatribune.com/bangladesh/election/2019/01/27/voting-in-gaibandha-3-by-polls-underway, Zugriff 10.11.2020

?        DW – Deutsche Welle (14.2.2019): Bangladesh PM Sheikh Hasina hints at last term as prime minister, https://www.dw.com/en/bangladesh-pm-sheikh-hasina-hints-at-last-term-as-prime-minister/a-47513555, Zugriff 10.11.2020

?        DGVN – Deutsche Gesellschaft für die Vereinten Nationen (2016): EWP – Eine Welt Presse . Menschenwürdige Arbeitsbedingungen, https://nachhaltig-entwickeln.dgvn.de/fileadmin/publications/PDFs/Eine_Welt_Presse/20170119_EWP_Arbeitsbedingungen_Nachdruck-web.pdf, Zugriff 9.11.2020

?        FH – Freedom House (2020): Freedom in the World 2020 – Bangladesh, https://freedomhouse.org/country/bangladesh/freedom-world/2020, Zugriff 1.11.2020

?        FIDH - International Federation for Human Rights (Hg.) (9.1.2019): Joint statement [by AHRC - Asian Human Rights Commission; ANFREL - Asian Network for Free Elections; GNDEM - Global Network of Domestic Election Monitors; FIDH - International Federation for Human Rights; CMEV - Centre for Monitoring Election Violence, Sri Lanka] on the undemocratic electoral environment in Bangladesh, https://www.fidh.org/en/region/asia/bangladesh/joint-statement-on-the-undemocratic-electoral-environment-in, Zugriff 10.11.2020

?        GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (11.2019a): Bangladesch – Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/bangladesch/geschichte-staat/, Zugriff 10.11.2020

?        GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (5.2020): Bangladesch – Überblick, https://www.liportal.de/bangladesch/ueberblick/, Zugriff 10.11.2020

?        Guardian, The (31.12.2018): Bangladesh PM Hasina wins thumping victory in elections opposition reject as 'farcical', https://www.theguardian.com/world/2018/dec/30/bangladesh-election-polls-open-after-campaign-marred-by-violence, Zugriff 10.11.2020

?        Hindu, The (1.1.2019): Hasina’s triumph: on Bangladesh election results, https://www.thehindu.com/opinion/editorial/hasinas-triumph/article25874907.ece, Zugriff 10.11.2020

?        HRW – Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 – Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2022700.html, Zugriff 11.11.2020

?        NAU – Schweizer Nachrichtenportal (25.3.2020): Bangladeschs Oppositionsführerin Zia aus Haft entlassen, https://www.nau.ch/politik/international/bangladeschs-oppositionsfuhrerin-zia-aus-haft-entlassen-65684195, Zugriff 10.11.2020

?        ÖB – Österreichische Botschaft Neu Delhi (9.2020): Asylländerbericht Bangladesch, per E-Mail

?        Reuters (1.1.2019): Western powers call for probe into Bangladesh election irregularities, violence, https://www.reuters.com/article/us-bangladesh-election/western-powers-call-for-probe-into-bangladesh-election-irregularities-violence-idUSKCN1OV1PK, Zugriff 10.11.2020

?        USDOS – US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026382.html, Zugriff 10.11.2020

Sicherheitslage

Letzte Änderung: 16.11.2020

Der Hass zwischen den politischen Parteien, insbesondere der Awami League (AL) und der Bangladesh Nationalist Party (BNP), ist für den größten Teil an Gewalt im Land verantwortlich (ACLED 9.11.2018). Die regierende AL hat ihre politische Macht durch anhaltende Schikanen gegenüber der Opposition und den als mit ihr verbündet wahrgenommenen Personen sowie gegenüber kritischen Medien und Stimmen in der Zivilgesellschaft gefestigt (FH 2020). Beide Parteien sind – gemeinsam mit unidentifizierten bewaffneten Gruppen – in Vandalismus und gewalttätige Auseinandersetzungen verwickelt und greifen auch friedliche Zivilisten an (ACLED 9.11.2018).

Von nichtstaatlichen Akteuren (insbesondere der Opposition, Islamisten, Studenten) geht in vielen Fällen nach wie vor Gewalt aus. Die öffentliche Sicherheit ist fragil. Das staatliche Gewaltmonopol wird durchbrochen. Es kommt häufig zu Morden und gewalttätigen Auseinandersetzungen aufgrund politischer (auch innerparteilicher) oder krimineller Rivalitäten. Eine Aufklärung erfolgt selten. Die großen Parteien verfügen über eigene „Studentenorganisationen“. Mit dem stillschweigenden Einverständnis der Mutterparteien fungieren diese bewaffneten Organisationen als deren Schild und Schwert. Ihr Mitwirken im politischen Prozess ist eine der wichtigsten Ursachen für die politische Gewalt in Bangladesch (AA 21.6.2020).

Spontane Streiks und Kundgebungen können jederzeit stattfinden (BMEIA 6.8.2020; vgl. AA 28.7.2020), dabei können Kämpfe zwischen Sicherheitsbehörden und Demonstranten, Brandstiftung, Gewalt und Vandalismus unvorhergesehen auftreten (UKFCO 12.11.2020a).

Gewalt gegen Zivilisten oder staatliche Kräfte durch Rebellen macht einen relativ kleinen Anteil an allen Gewaltereignissen aus. Es gibt radikale islamistische Gruppen wie die Mujahideen Bangladesh (JMB) und Ansarullah Bangla Team (ABT). Sowohl der Islamische Staat (IS) und Al Qaeda in the Indian Subcontinent (AQIS) geben an, in Bangladesch aktiv zu sein, was von der Regierung jedoch dementiert wird (ACLED 9.11.2018). Spontane Streiks und Kundgebungen können jederzeit stattfinden (BMEIA 6.8.2020). 2019 gab es mehrere Angriffe gegen Polizei und Sicherheitskräfte in Dhaka und in der Stadt Khulna (UKFCO 12.11.2020b). In vielen Fällen ist nicht eindeutig differenzierbar, ob religiöse Motive oder säkulare Interessen, wie z.B. Racheakte oder Landraub, Grund für solche Vorfälle sind (AA 21.6.2020).

In der Division Chittagong, insbesondere im Gebiet der Chittagong Hill Tracts (Bezirke Rangamati, Khagrachari und Bandarban) kommt es zu bewaffneten Unruhen und kriminellen Übergriffen (AA 28.7.2020; vgl. UKFCO 29.3.2020a, AI 30.1.2020). Der inter-ethnische Konflikt in Myanmar wirkt sich auf Bangladesch aus. Er hat politische und soziale Spannungen insbesondere aufgrund der Ankunft von rund einer Million Rohingya-Flüchtlingen seit August 2017 verstärkt. Im südöstlichen Verwaltungsbezirk Cox’s Bazar der Gebietsverwaltung Chittagong hat es zuletzt unter anderem in der Nähe von Flüchtlingslagern vereinzelt gewalttätige Zwischenfälle gegeben (HRW 18.9.2019; vgl. AnAg 5.11.2019, TDS 24.8.2019). Die Schutzfähigkeit staatlicher Behörden ist grundsätzlich gering. Die Behörden sind in der Regel keine neutralen Akteure, sondern unterstützen die politischen Ziele der jeweiligen Machthaber (ÖB 9.2020).

An der Grenze zu Indien kommt es gelegentlich zu Schusswechseln zwischen indischen und bangladeschischen Grenzsicherungsorganen. Regelmäßig werden Menschen getötet, die versuchen, illegal die Grenze zu überqueren (UKFCO 12.11.2020a). Auch wenn sich die dortige Lage zeitweise etwas entspannt, bleibt sie grundsätzlich labil (EDA 14.8.2020).

Das South Asia Terrorism Portal (SATP) verzeichnet in einer Aufstellung für das Jahr 2018 insgesamt 135 Vorfälle terrorismusrelevanter Gewalt im Land. Im Jahr 2019 wurden 104 solcher Vorfälle, bis zum 8.11.2020 wurden im Jahr 2020 insgesamt 82 Vorfälle terroristischer Gewaltanwendungen registriert (SATP 8.11.2020).

Das Armed Conflict Location & Event Data Project (ACLED) verzeichnet im Berichtzeitraum 2019 insgesamt 1.713 Konfliktvorfälle (angeführt werden beispielsweise Demonstrationen, Ausschreitungen, Kampfhandlungen, Gewalthandlungen gegen Zivilpersonen u.a.) bei denen 337 Personen getötet wurden (ACCORD 29.6.2020). 2020 wurden bis Ende Oktober in insgesamt 1.189 Konfliktvorfällen 244 Personen getötet (ACLED 4.11.2020).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (28.7.2020): Bangladesch: Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/bangladesch-node/bangladeschsicherheit/206292, Zugriff 9.11.2020

?        AA – Auswärtiges Amt (Deutschland) (21.6.2020): Auswärtiges Amt_Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch (Stand: Mai 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2033573/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_Bangladesch_%28Stand_Mai_2020%29%2C_21.06.2020.pdf, Zugriff 9.11.2020

?        ACCORD – Austrian Centre for Country of Origin & Asylum Research and Documentation (29.6.2020): Bangladesh, year 2019: Update on incidents according to the Armed Conflict Location & Event Data Project (ACLED), https://www.ecoi.net/en/file/local/2032553/2019yBangladesh_en.pdf, Zugriff 5.11.2020

?        ACLED - Armed Conflict Location & Event Data Project (4.11.2020): South Asia Regional Overview: Bangladesh, https://acleddata.com/2020/11/04/regional-overview-south-asia25-31-october-2020/, Zugriff 5.11.2020

?        ACLED – Armed Conflict Location & Event Data Project (9.11.2018): The Anatomy of Violence in Bangladesh, https://www.acleddata.com/2018/11/09/the-anatomy-of-violence-in-bangladesh/, Zugriff 5.11.2020

?        AnAg – Anadolu Agency (5.11.2019): Bangladesh rejects Amnesty report on Rohingya killings, https://www.aa.com.tr/en/asia-pacific/bangladesh-rejects-amnesty-report-on-rohingya-killings/1636457, Zugriff 13.11.2020

?        AI – Amnesty International (30.1.2020): Human Rights in Asia-Pacific; Review of 2019 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2023864.html, Zugriff 13.11.2020

?        BMEIA – Bundesministerium Europa, Integration und Äußeres (6.8.2020): Bangladesch – Reiseinformation, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/bangladesch/, Zugriff 16.11.2020

?        EDA - Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten (14.8.2020): Bangladesch, Spezifische regionale Risiken, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/vertretungen-und-reisehinweise/bangladesch/reisehinweise-fuerbangladesch.html#par_textimage, Zugriff 10.11.2020

?        FH – Freedom House (2020): Freedom in the World 2020 – Bangladesh, https://freedomhouse.org/country/bangladesh/freedom-world/2020, Zugriff 16.11.2020

?        HRW – Human Rights Watch (18.9.2019): Spate of Bangladesh ‘Crossfire’ Killings of Rohingya, https://www.hrw.org/news/2019/09/18/spate-bangladesh-crossfire-killings-rohingya, Zugriff 16.11.2020

?        ÖB – Österreichische Botschaft Neu Delhi (9.2020): Asylländerbericht Bangladesch

?        SATP – South Asia Terrorism Portal (8.11.2020): Data Sheet – Bangladesh, Yearly Sucide Attacks, Advance Search 2000 - 2020, https://www.satp.org/datasheet-terrorist-attack/incidents-data/bangladesh, Zugriff 10.11.2020

?        TDS – The Daily Star (24.8.2019): Jubo League leader killed by ‘Rohingyas’, https://www.thedailystar.net/frontpage/news/jubo-league-leader-killed-rohingyas-1789726, Zugriff 16.11.2020

?        UKFCO – UK Foreign and Commonwealth Office (12.11.2020a): Foreign travel advice Bangladesh - Safety and security, https://www.gov.uk/foreign-travel-advice/bangladesh/safety-and-security, Zugriff 16.11.2020

?        UKFCO – UK Foreign and Commonwealth Office (12.11.2020b): Foreign travel advice Bangladesh – Terrorism, https://www.gov.uk/foreign-travel-advice/bangladesh/terrorism, Zugriff 16.11.2020

Rechtsschutz / Justizwesen

Letzte Änderung: 11.11.2020

Die Justiz ist überlastet. Überlange Verfahrensdauern, Korruption und politische Einflussnahme behindern die Unabhängigkeit. Presseberichten zufolge kommt es in ländlichen Gebieten zu Verurteilungen durch unbefugte Dorfälteste oder Geistliche nach traditionellem, islamischem "Scharia Recht". Die islamische Scharia ist zwar nicht formell als Gesetz eingeführt, spielt aber insbesondere in den Bereichen des Zivilrechts (Erbschaft, Grunderwerb, Heirat und Scheidung etc.) eine große Rolle (ÖB 8.2019). Nicht immer greifen die Behörden ein (AA 21.6.2020).

Das Gerichtssystem besteht aus zwei Instanzen, den untergeordneten Gerichten (Magistrates, Session- und District Judges) und dem Obersten Gerichtshof (Supreme Court). Beide verhandeln Zivil- und Strafrechtssachen. Das Rechtssystem beruht weitgehend auf dem englischen Common Law. Die erstinstanzlichen Gerichte bestehen aus „Magistrates“, die der Exekutive zuzurechnen sind, sowie Session und District Judges, die der Judikative angehören. Der Oberste Gerichtshof besteht aus zwei Abteilungen, dem High Court, der Verfassungsfragen verhandelt und als Berufungsinstanz zu den erstinstanzlichen Gerichten fungiert, sowie dem Appellate Court, dessen
Entscheidungen alle übrigen Gerichte, einschließlich des High Court, binden. Die Richter beider Abteilungen werden gemäß der Verfassung vom Präsidenten ernannt (ÖB 9.2020).

Die Unabhängigkeit der Richter wird von der Verfassung garantiert. In der Praxis unterstellt allerdings eine schon lange geltende temporäre Bestimmung der Verfassung die erstinstanzlichen Richter der Exekutive. Auch ihre Ernennung und Remuneration ist Sache der Exekutive. Demgegenüber haben die Richter des Obersten Gerichtshofs des Öfteren ihre Unabhängigkeit demonstriert und gegen die Regierung entschieden (ÖB 9.2020). Die Einflussnahme der Regierungspartei auf Parlament und Justiz haben deren Unabhängigkeit inzwischen weitgehend beseitigt (AA 21.6.2020).

Auf Grundlage des „Public Safety Act“, des „Law and Order Disruption Crimes Speedy Trial Act”, “Women and Children Repression Prevention Act” sowie des „Special Powers Act“ wurden Sondertribunale errichtet, die Fälle innerhalb eines festgesetzten Zeitrahmens erledigen müssen – es fehlen allerdings Vorschriften für den Fall, dass sie dieser Verpflichtung nicht nachkommen. Speedy Trial Tribunals haben Medienberichten zufolge in den vergangenen Jahren mehrere Hundert Personen zu Tode verurteilt (ÖB 9.2020).

Wie die meisten Beobachter von Bangladesch übereinstimmend angeben, stellen Korruption, Ineffizienz der Justiz, gezielte Gewalt gegen Richter und ein gewaltiger Rückstau an offenen Fällen große Probleme dar (ÖB 8.2019; vgl. FH 2020). Strafanzeigen gegen Mitglieder der regierenden Partei werden regelmäßig zurückgezogen (FH 2020). Die schiere Zahl der gegen die politische Opposition eingeleiteten Klagen im Vorfeld zur 11. Parlamentswahl vom Dezember 2018, deutet auf ein ungehindertes Spielfeld und die Kontrolle der Regierungspartei über die Justiz- und Sicherheitsinstitutionen hin (FIDH 29.12.2018).

Zwei Drittel aller Streitfälle erreichen nicht das formelle Justizsystem, sondern werden von informellen Dorfgerichten oder bedeutenden Persönlichkeiten der lokalen Gemeinschaften entschieden. Diese behandeln meist Fälle betreffend Familienrecht, Unterhalt, Zweitehen, Mitgiftstreitigkeiten und Landeigentum. Obwohl diese "Gerichte" eine durch Tradition legitimierte, schnellere und günstigere Alternative zu ordentlichen Gerichten darstellen, sind sie hinsichtlich der Einflussnahmemöglichkeiten durch lokal bedeutsame Persönlichkeiten sowie der gesellschaftlichen Stellung von Frauen nicht unproblematisch (ÖB 9.2020).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt (Deutschland) (21.6.2020): Auswärtiges Amt_Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch (Stand: Mai 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2033573/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_Bangladesch_%28Stand_Mai_2020%29%2C_21.06.2020.pdf, Zugriff 5.8.2020

?        FH – Freedom House (2020): Freedom in the World 2020 – Bangladesh, https://freedomhouse.org/country/bangladesh/freedom-world/2020, Zugriff 1.4.2020

?        FIDH - International Federation for Human Rights (Hg.) (29.12.2018): Joint statement on the undemocratic electoral environment in Bangladesh, https://www.fidh.org/en/region/asia/bangladesh/joint-statement-on-the-undemocratic-electoral-environment-in, Zugriff 3.4.2020

?        ÖB – Österreichische Botschaft Neu Delhi (9.2020): Asylländerbericht Bangladesch

Sicherheitsbehörden

Letzte Änderung: 16.11.2020

Die Polizei ist beim Ministerium für Inneres angesiedelt und hat das Mandat, die innere Sicherheit sowie Recht und Ordnung aufrechtzuerhalten. Die Armee, die dem Büro des Ministerpräsidenten untersteht, ist für die äußere Sicherheit zuständig, kann aber auch für innerstaatliche Sicherheitsaufgaben herangezogen werden. Zivile Stellen hatten weiterhin effektive Kontrolle über die Streitkräfte und andere Sicherheitsbehörden. Die Regierung verfügt über Mechanismen, Missbrauch und Korruption zu untersuchen und zu bestrafen; sie werden aber nicht immer angewandt (USDOS 11.3.2020).

Das Wirken der Polizei ist gekennzeichnet durch einen Mangel an Ressourcen inklusive mangelhafter Infrastruktur, Mangel an Personal, Ausbildung und Arbeitsmaterialien, Ineffizienz und Korruption (AA 21.6.2020). Die Regierung unternahm Schritte, um in der Polizei Professionalität, Disziplin, Ausbildung und Reaktionsfähigkeit zu verbessern und die Korruption zu verringern (USDOS 11.3.2020; vgl. ÖB 9.2020). Trotz dieser Bemühungen kommt es weiterhin zu Machtmissbrauch und unangebrachter Gewaltanwendung von Sicherheitskräften, insbesondere durch die Rapid Action Batallions (RAPs), die in weiterer Folge ungestraft bleiben (ÖB 9.2020).

Es gibt Hinweise auf willkürliche Festnahmen durch die Polizeikräfte, obwohl dies gesetzlich verboten ist, sowie auf willkürliche Nutzung der gesetzlich erlaubten präventiven Festnahmen. Die Festnahme ohne Angabe von Gründen ist für bis zu 30 Tagen zur Verhinderung von Taten, die die nationale Sicherheit, Verteidigung, Souveränität, öffentliche Ordnung oder auch wirtschaftliche Interessen des Landes gefährden, erlaubt. Die Arretierten haben kein Recht auf einen Verteidiger. Die hauptsächlich Betroffenen sind Aktivisten der politischen Parteien und NGO-Vertreter, die Kritik an der Regierung üben. Nach wie vor problematisch ist auch die in vielen Fällen unverhältnismäßig lange Untersuchungshaft. Als Gründe hierfür werden bürokratische Ineffizienz, limitierte Ressourcen und Korruption genannt. Gegenwärtig geht man von über 2 Millionen ausständigen Zivil- und Strafverfahren aus (ÖB 9.2020).

Die Sicherheitskräfte lassen Personen weiterhin routinemäßig „verschwinden“ (AI 30.1.2020; siehe auch Abschnitt 5). Betroffene sehen aus Angst vor Vergeltung in der Regel davon ab, Mitglieder der Sicherheitsbehörden wegen Menschenrechtsverge

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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