TE Bvwg Erkenntnis 2020/12/14 W195 1424958-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 14.12.2020
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Entscheidungsdatum

14.12.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §11
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs3
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs3
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2

Spruch


W195 1424958-3/26E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Vizepräsidenten Dr. Michael SACHS als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Bangladesch, vertreten durch den XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.04.2018, XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 10.12.2020 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.




Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

I.1. Vorangegangene Verfahren:

I.1.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) reiste am 29.12.2011 illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz über den – nach einer am 30.12.2011 durchgeführten Erstbefragung – mit Bescheid des Bundesasylamtes (im Folgenden: BAA) vom 15.2.2012 negativ entschieden wurde. Gegen diesen Bescheid erhob der BF Beschwerde, welcher durch den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 11.3.2016, XXXX , stattgegeben wurde, der Bescheid behoben und das Verfahren zur Erlassung eines neuerlichen Bescheides an das (Anm.: nunmehr zuständige) Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) zurückverwiesen wurde.

Zur ausführlichen Vorgeschichte wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf den oben angeführten hg. Beschluss verwiesen. Das Bundesverwaltungsgericht führte im angeführten Beschluss unter anderem aus:

„Das Bundesasylamt stützte sich in erster Linie darauf, dass der BF allgemeine Sachverhalte in den Raum stelle und Details – wenn überhaupt – erst dann vorgebracht worden seien, wenn er konkret danach gefragt worden sei. Es sei zu erwarten, dass der Antragsteller in einem Verfahren, von welchem er sich Schutz und Hilfe in einer für ihn aussichtslosen Lage erwarte oder erhoffe, nicht bloß eine ‚leere‘ Rahmengeschichte im Zuge der Einvernahme vorbringe, ohne diese durch das Vorbringen von Details, Interaktionen, glaubhaften Emotionen etc. zu substantiieren bzw. bei der Darlegung von persönlich erlebten Umständen sich selbst in die präsentierte Rahmengeschichte so integriere, dass man die eigenen Emotionen bzw. die eigene Erlebniswahrnehmung zu erklären versuche, sich allenfalls selbst beim Erzählten emotionalisiert zeige bzw. jedenfalls Handlungsabläufe bzw. die Kommunikation und Interaktion zwischen den handelnden Personen der Geschichte darlege. Die relevierten ungerechtfertigten Beschuldigungen wegen Mordes und Raubes konnten hiebei jedoch nicht mit der erforderlichen Sicherheit widerlegt werden, weshalb nicht von der Ermittlung des maßgeblichen Sachverhaltes ausgegangen werden kann.

Vor dem Hintergrund der bereits vom Bundesasylamt getroffenen Länderfeststellungen betreffend ungerechtfertigter Anschuldigungen, willkürlicher Festnahmen durch Polizeikräfte und Korruption im Behördenapparat von Bangladesch hätte es im Hinblick auf den relevierten unterstellten Mord und Raub auch Erhebungen vor Ort unter allfälliger Beiziehung eines Vertrauensanwaltes bedurft.

Eine Nachholung des durchzuführenden Ermittlungsverfahrens und eine erstmalige Beurteilung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Bundesverwaltungsgericht kann – im Lichte der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 66 Abs. 2 AVG – nicht im Sinne des Gesetzes liegen.“

I.1.2. Der BF wurde darauf durch das BFA durch Ladung vom 01.07.2016 zur neuerlichen Einvernahme am 16.08.2016 geladen.

I.1.3. Der BF legte vor der Einvernahme ein Konvolut an Schreiben vor, darunter mehrere Unterstützungsschreiben, Bestätigungen über den Besuch von Deutschkursen, einen Lebenslauf.

I.1.4. Der BF wurde am 16.08.2016 durch das BFA niederschriftlich einvernommen. Der BF führte zu seinen Fluchtgründen befragt aus, sein Vater sei am 10.11.2011 festgenommen worden, da habe der BF an Ausreise gedacht. Am 13.03.2011 sei ein Streit zwischen dem Vater des BF und einem anderen Mann auf der Straße entstanden. Der andere Mann habe dabei einen Herzinfarkt erlitten und sei gestorben. Daraufhin sei der Vater beschuldigt worden, den Mann umgebracht zu haben. Noch am selben Tag sei die Polizei zum Haus des BF gekommen und hätte die Mutter und einen Cousin mitgenommen. Der Vater, der BF und der Bruder des BF seien damals nach Comilla gegangen, da dort eine Tante leben würde. Bis November 2011 hätten sie bei der Tante gelebt. Ende September/Anfang Oktober hätte es einen Gerichtstermin gegeben, bei dem der Rechtsanwalt erreicht hätte, dass alle auf Kaution auf freiem Fuß bleiben würden. Der Rechtsanwalt hätte ihnen mitgeteilt, dass sie jederzeit vor Gericht erscheinen würden können, da eine Kaution hinterlegt worden sei. Ende Oktober/Anfang November 2011 habe der Anwalt mitgeteilt, dass der Gegner falsche Zeugen organisiert hätte und daher die Kaution gestrichen und alle festgenommen würden. Der Vater des BF sei trotzdem zu Gericht gegangen am 10.11.2011 und sei dort verhaftet worden.

I.1.5. Mit Bescheid vom 05.11.2016 wies das BFA den Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.), sowie gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 den Antrag auf Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Bangladesch ab (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem BF gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt und es wurde gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Bangladesch zulässig sei (Spruchpunkt III.) und die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt IV.).

Das BFA erachtete das Fluchtvorbringen des BF mit näherer Begründung als nicht glaubhaft. Es liege kein unter Art. 2 und 3 EMRK subsumierbarer Sachverhalt vor und würde die Ausweisung des BF keine Verletzung von Art. 8 EMRK bedeuten.

I.1.6. Dagegen erhob der BF fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

I.1.7. Mit hg. Schreiben vom 21.03.2017 wurde das BFA aufgefordert, bekannt zu geben, ob dem Auftrag des Bundesverwaltungsgerichts im Beschluss vom 11.3.2016, nämlich Erhebungen Vorort durchzuführen, entsprochen worden sei und berief sich das BFA auf eine Auskunft der Staatendokumentation.

I.1.8. Mit Mail 24.03.2017 führte das BFA zusammengefasst aus, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung durch das BFA Recherchen in Bangladesch nicht durchführbar gewesen seien, weshalb vom Auftrag des Bundesverwaltungsgerichtes „Abstand genommen“ worden sei.

I.1.9. Mit Schreiben vom 20.06.2017 wurde die Staatendokumentation aufgefordert, zum Schreiben des BFA vom 21.03.2017 und insbesondere zur Frage Stellung zu nehmen, warum im gegenständlichen Zeitpunkt keine Recherchen in Bangladesch durchgeführt werden konnten bzw. können.

I.1.10. Mit Schreiben vom 07.08.2017 nahm die Staatendokumentation Stellung und führte im Wesentlichen aus, dass Vor-Ort-Erhebungen in Bangladesch grundsätzlich möglich seien.

I.1.11. Das BFA wurde vom Ergebnis der Beweisaufnahme mit Schreiben vom 10.8.2017 in Kenntnis gesetzt und es wurde eine Frist zur Stellungnahme in der Dauer von zwei Wochen eingeräumt. Das BFA erstattete keine Stellungnahme.

I.1.12. Mit hg. Beschluss vom 04.09.2017, XXXX , wurde der Bescheid vom 05.11.2016 in Erledigung der Beschwerde behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 2. S VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das BFA zurückverwiesen (Spruchpunkt A) und die Revision für nicht zulässig erklärt (Spruchpunkt B).

Das Bundesverwaltungsgericht begründete dies damit, dass das BFA keine Vorortermittlungen durchgeführt habe, obwohl die Länderfeststellungen von ungerechtfertigten Anschuldigungen, willkürlicher Festnahmen durch Polizeikräfte und Korruption im Behördenapparat sprächen, weshalb es im gegenständlichen Fall Erhebungen vor Ort unter allfälliger Beiziehung eines Vertrauensanwaltes bedurft hätte. Dem gesamten Akt seien keinerlei dahingehende Ermittlungen zu entnehmen. Soweit die belangte Behörde in ihrem Schreiben vom 27.03.2017 darauf verweise, in Bangladesch seinen solche Ermittlungen derzeit nicht möglich und dieses auf grobe Missstände im Datenschutz verwiesen habe, werde damit in keiner Weise substantiiert dargelegt, worin diese Missstände lägen und warum solche Ermittlungen generell nicht möglich seien und Gegenteiliges ergebe sich auch nicht aus der Stellungnahme der Staatendokumentation. Dass eine unmittelbare weitere Beweisaufnahme durch das Bundesverwaltungsgericht „im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden“ wäre, sei nicht ersichtlich, auch, weil das BFA jegliche durch das Bundesverwaltungsgericht bereits aufgetragenen Schritte unterlassen habe.

I.2. Gegenständliches Verfahren:

I.2.1. Am 17.10.2017 wurde der BF vor dem BFA niederschriftlich einvernommen. Dabei gab er im Wesentlichen zu Protokoll, nach wie vor mit Frau XXXX liiert zu sein, jedoch wenig Kontakt zu haben, weil diese in Wien sei. Der BF sei gesund, er verwende teilweise XXXX , einen Spray zur Erweiterung der Atemwege. Sonst nehme er keine Medikamente. Er spreche hinreichend Deutsch um eine einfache Konversation zu führen. Darüber hinaus spreche er ein wenig englisch.

Der BF erklärte sich ausdrücklich zu Recherchen in seinem Heimatland einverstanden. Befragt, was er im Falle einer Rückkehr nach Bangladesch zu erwarten hätte, führte der BF aus, es gebe zwei Seiten. Der BF habe damals schon berichtet, dass es in Bangladesch eine Mordanklage gegen ihn gegeben habe. Der BF hätte, solle er in seine Heimat zurückkehren, polizeiliche Verfolgung und ein Gerichtsverfahren. wegen der gegen seinen Vater erhobenen Vorwürfe, zu gewärtigen. Gleichzeitig wolle er angeben, dass ein Dolmetscher in Österreich angezeigt worden sei. Dieser Dolmetscher namens XXXX sei angezeigt worden, weil er in Österreich Bestechungsgeld genommen habe. Dieser XXXX werde beschuldigt, von den Asylwerbern Bestechungsgeld genommen zu haben. XXXX habe Geld mit dem Versprechen genommen, damit einen positiven Asylbescheid zu erwirken. Der BF habe beim Bundesamt für Korruption gegen XXXX ausgesagt. Der BF habe beim „Bundesamt für Korruption“ ausgesagt, dass er dabei gewesen wäre, als andere Asylwerber XXXX Geld gegeben hätten, damit dieser ( XXXX ) seinen Einfluss geltend mache und der Asylwerber, welcher ihm Geld gegeben hätte, dafür einen positiven Asylbescheid erhalte. Freunde hätten den BF gebeten, bei der Geldübergabe dabei zu sein. Der BF fürchte nunmehr, dass er von den Freunden des XXXX in Bangladesch verfolgt würde, denn er habe gegen XXXX beim „Bundesamt für Korruption“ als Zeuge ausgesagt. Er könne aber nicht angeben, wer nun Herrn XXXX beim Bundesamt für Korruption zur Anzeige gebracht habe. Ob und wie der XXXX erfahren habe, dass der BF gegen ihn ausgesagt hätte, wisse der BF nicht. Vielleicht habe er es durch „Gerede“ erfahren.

Zu seiner Integration gab der BF an, alleine zu leben, eine Freundin und Freunde zu haben, bei einem Schachclub und bei der XXXX zu sein, monatlich € 10,– und manchmal auch € 20,– für arme Kinder und auch für das XXXX zu spenden, zuletzt habe er € 68,– gespendet. Er spreche bereits ausreichend Deutsch und er arbeite und finanziere seinen Lebensunterhalt davon. Im Moment arbeite er nicht, zahle aber seine Versicherung und seine Miete selbst.

I.2.2. Am 01.03.2018 langte eine vom BFA in Auftrag gegebene Anfragebeantwortung beim BFA ein, aus welcher soweit wesentlich folgendes hervorgeht.

„Dem Bericht des Vertrauensanwalts ist folgendes zu entnehmen:

Die Geburtsurkunde wird als authentisch erachtet.

Die Falldokumente zu XXXX werden als gefälscht und nicht authentisch erachtet.

Das Dokument XXXX ist zwar unleserlich, der Rechtsfall, auf den sich der FIR bezieht, XXXX wird jedoch als authentisch erachtet. Hierin wird ein Herr XXXX als erster Angeklagter genannt. Da diese Anklage jedoch am XXXX zurückgezogen wurde, werden die beklagten Personen nicht mehr strafrechtlich verfolgt.

Bezüglich der Identität des Antragstellers gibt es widersprüchliche Aussagen:

Der Vater des Antragstellers heißt XXXX , in den übermittelten und originalen Falldokumenten wird er jedoch als XXXX bezeichnet. Herr XXXX gibt an, dass er zwei Söhne namens XXXX (der Antragsteller) und XXXX sowie zwei Töchter namens XXXX und XXXX hat.

Befragte Ortsansässige erklärten, dass das übermittelte Foto des Antragstellers nicht Herrn XXXX , sondern Herrn XXXX zeige, den sie als dessen älteren Bruder identifizieren. Herr XXXX sei als Geschäftsinhaber in der Gegend tätig.

Weitere Details befinden sich im Originalbericht in der Beilage.

Einzelquellen:

Bei der durch den Vertrauensanwalt durchgeführten Recherche wurde folgendes festgestellt:

Gespräche mit Ortsansässigen an der angegebenen Adresse ergaben, dass einige von ihnen Herrn XXXX kannten. Die, die ihn kannten, erklärten, dass das Foto XXXX , den älteren Bruder von Herrn XXXX zeigen würde. Herr XXXX sei zwischen 30 und 35 Jahre alt und er sei unverheiratet. Laut manchen Ortsansässigen lebt Herr XXXX seit etwa 15 Jahren in Italien. Andere meinten, dass er für zehn bis zwölf Jahre in Italien gelebt habe und derzeit in Österreich sei, wo er seit sechs bis sieben Jahren leben würde. Herr XXXX , Herr XXXX jüngerer Bruder, sei Ladenbesitzer in der Gegend. Herr XXXX habe weiters zwei Schwestern namens XXXX und XXXX .

Herr XXXX sei während seiner Zeit in Bangladesch nicht in Politik involviert gewesen.

Die Recherchen des Vertrauensanwalts haben ergeben, dass die Geburtsurkunde als authentisch angesehen wird.

Die Falldokumente zu XXXX werden als gefälscht und nicht authentisch erachtet.

Das übermittelte Dokument XXXX , welches sich auf den Rechtsfall XXXX bezieht, ist unleserlich. Es wird jedoch als wahrscheinlich erachtet, dass der Rechtsfall XXXX authentisch ist, da ein Herr XXXX darin als erster Angeklagter genannt wird. Der Fall wurde jedoch am XXXX zurückgezogen. Die darin beschuldigten Personen werden deswegen nicht mehr strafrechtlich verfolgt.

Der Vater des Antragstellers erläuterte, dass sein Name XXXX sei. In den übermittelten und originalen Falldokumenten wird er jedoch als XXXX bezeichnet.

Herr XXXX sagte, er habe zwei Söhne namens XXXX (der Antragsteller) und XXXX sowie zwei Töchter namens XXXX und XXXX .

Die Ortsansässigen bezeichnen den Antragsteller jedoch als Herrn XXXX , den älteren Bruder von Herrn XXXX .“

I.2.3. Am 19.03.2018 wurde der BF neuerlich vor dem BFA niederschriftlich einvernommen. Dabei gab er im Wesentlichen zu Protokoll, gesund zu sein und keine Medikamente zu nehmen. Zu den Ermittlungsergebnissen befragt, gab er an, zu den Falldokumenten zu XXXX nichts sagen zu können. Was das Dokument XXXX betreffe, so wisse der BF nichts davon, dass hier die Anzeige zurückgezogen worden sei. Was die Namensdifferenz hinsichtlich des Namens seines Vater XXXX zu XXXX wolle er angeben, dass sein Vater XXXX heiße, aber auch als XXXX bezeichnet werden könne. Der BF habe nicht darauf geachtet, den Namen seines Vaters so anzugeben, wie er in den Dokumenten stehe, die er vorlegelegt habe, sondern habe den Namen seines Vaters aus Unbedachtheit als XXXX angegeben. Die Namen seiner Geschwister seien zutreffend. Sofern im Bericht angeben werde, dass der BF in Wahrheit nicht XXXX sondern XXXX sei und sein Bruder XXXX in Wahrheit in Bangladesch als Geschäftsmann tätig sei, wiederhole der BF, dass er der ältere Sohn meines Vaters sei und mit dem Namen XXXX (oder XXXX ) gerufen werde. In seinen Dokumenten stehe aber der Name XXXX .

Sein Bruder heiße XXXX . Auf Nachfrage gebe er an, dass sein Bruder XXXX gerufen werde. Der BF werde XXXX gerufen und sein Bruder wird XXXX gerufen.

Zu seiner Integration gab der BF an, alleine zu leben, eine Freundin und Freunde zu haben, bei einem Schachclub und bei der XXXX zu sein. Er spreche bereits ausreichend Deutsch und er arbeite und finanziere seinen Lebensunterhalt davon, er zahle seine Versicherung und seine Miete selbst.

I.2.4. Mit dem angefochtenen und im Spruch bezeichneten Bescheid vom 09.04.2018 wies das BFA den Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Bangladesch (Spruchpunkt II.) ab. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 wurde dem BF nicht erteilt, gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Bangladesch gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.) und ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV.).

Die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz bezüglich des Status eines Asylberechtigten begründete das BFA im Wesentlichen damit, der BF habe eine Verfolgung in Bangladesch nicht glaubhaft machen können, weswegen dem BF nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr, aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen verfolgt zu werden, drohe. Unter Berücksichtigung der individuellen (persönlichen) Umstände des BF sei nicht davon auszugehen, dass der BF im Falle einer Rückkehr in sein Heimatland in eine ausweglose Situation gerate, weswegen auch keine Anhaltspunkte für die Gewährung subsidiären Schutzes vorliegen würden. Ebenso wenig lägen Anhaltspunkte für die Erteilung einer „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ vor und zudem würden die öffentlichen Interessen an einem geordneten Vollzug des Fremdenwesens gegenüber den privaten Interessen des BF an einem Verbleib im Bundesgebiet überwiegen, weswegen eine Rückkehrentscheidung zu erlassen sei. Die Abschiebung des BF sei als zulässig zu bewerten.

I.2.5. Mit Schriftsatz vom 12.06.2018 wurde dieser Bescheid des BFA seitens des – durch den XXXX vertretenen – BF wegen unrichtiger Feststellungen, Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung zur Gänze angefochten.

Darin bringt er im Wesentlichen (neben Sachverhaltswiederholungen) vor, das BFA habe keine nachvollziehbare Erklärung, warum dem BF kein Glaube geschenkt würde, dem Bescheid zugrunde gelegt. Der BF habe konkrete und umfangreiche Angaben zu seinen Fluchtgründen gemacht. Der BF sei in seinen Wahrnehmungen aufgrund der Unübersichtlichkeit der Ereignisse überfordert gewesen, zumal diese „natürlich“ traumatisierend gewesen seien. Die Angaben des BF entsprächen genau dem, was von jemandem in seiner Situation zu erwarten sei. Das BFA hätte keine objektive Beurteilung unternommen. Dem BF drohe staatliche Verfolgung und Verfolgung durch Privatpersonen, die entgegen der Ansicht des BFA (mit näherer Begründung) asylrelevant wäre. Mit dem zentralen Vorbringen des BF habe sich das BFA nicht auseinandergesetzt. Es habe sich „Textbausteinen“ bedient. Bestritten werde, dass für den BF die Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative in Betracht komme. Hilfsweise ersucht die Beschwerde, dem BF subsidiären Schutz zu erteilen bzw. sein (näher dargetanes) Privat- und Familienleben zu berücksichtigen.

In der Beschwerde werden die Anträge gestellt:

„a) dem BF Asyl zu gewähren;

b) allenfalls subsidiären Schutz zu gewähren;

c) allenfalls den angefochtenen Bescheid aufzuheben und zur Ergänzung des Verfahrens an die 1. Instanz zurückzuverweisen;

d) einen landeskundigen Sachverständigen zu beauftragen, der sich mit der aktuellen Situation in Bangladesch und den spezifischen vom BF vorgebrachten

Punkten befasst;

e) eine mündliche Beschwerdeverhandlung anzuberaumen;

f) aufschiebende Wirkung zu gewähren;

g) allenfalls eine Rückkehrentscheidung auf Dauer für unzulässig zu erklären;

h) allenfalls einen Aufenthaltstitel aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen zu erteilen;

i) allenfalls festzustellen, dass die Abschiebung nach Bangladesch unzulässig ist.“

I.2.6. Mit Schreiben vom 04.07.2018 legte das BFA die Beschwerde und die Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

I.2.7. Mit der Ladung zur Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde dem BF das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Bangladesch (September 2020) zur allfälligen Stellungnahme bis längstens im Rahmen der für den 10.12.2020 angesetzten mündlichen Beschwerdeverhandlung, übermittelt.

I.2.8. Am 10.12.2020 führte das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Bengali und des ausgewiesenen Rechtsvertreters des BF eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durch, im Zuge derer der BF ausführlich u.a. zu seinen Fluchtgründen, seinen Rückkehrbefürchtungen, seinen Familienverhältnissen und seinen Lebensverhältnissen in Österreich befragt wurde.

Eingangs legte der BF eine Arbeitsbestätigung als „Hilfskoch“ des Restaurants XXXX in XXXX vor. Im Dienstvertrag ist ein Bruttolohn von € 1.850 vorgesehen. Tatsächlich ergibt sich jedoch aus den monatlichen Abrechnungen ein Verdienst von € 1.900 brutto, € 1.500 netto in Folge von Überstunden.

Der BF nimmt Schlaftabletten und Medikamente gegen Depression; er ist in ärztlicher Behandlung.

Der BF gab an, dass er keinen Kontakt zu seiner Familie habe. Sein Vater sei dieses Jahr im Juli verstorben, das habe er auf Facebook über einen Freund erfahren. Als er dies auf Facebook gesehen habe, hätte er ihn sofort angerufen. Dieser habe ihm dann mitgeteilt, dass sein Vater verstorben sei. Gegenwärtig seien 13 Familienangehörige mit dem Coronavirus infiziert, sein Onkel sei vor zwei, drei Wochen verstorben. Die Mutter wäre derzeit im Spital. Er habe diese Nachrichten von dem Bekannten, dessen Vater das Nachbargeschäft hatte. Die Mutter des BF kenne sich mit Handys nicht aus.

Eine Schwester lebe in Malaysia mit ihrem Ehemann, die andere in Singapur, auch mit ihrem Ehemann, mittlerweile seien sie aber geschieden.

Wovon seine Mutter lebe wisse er nicht, der Familie ginge es zumindest besser als durchschnittlich.

Der BF hat keine Verwandten in Österreich und keine Kinder.

Der BF gab jedoch an, dass er eine Beziehung zu XXXX habe, welche ihm 2016 einen Brief geschrieben habe, welchen er vorgelegt habe. Er sei mit ihr im Kontakt, wegen des Coronavirus könne er sie nicht persönlich treffen, er würde täglich mit ihr telefonieren. XXXX wohne in Wien am Gürtel und arbeite in einem Kindergarten. Sie wisse über den unsicheren Status des BF als Asylwerber Bescheid.

In weiterer Folge wurde der BF in deutscher Sprache befragt, was gut möglich war, weil die Sprachkenntnisse ausreichend waren. Die Antworten waren verständlich und klar. Der BF hat ein Deutsch-Zertifikat in A2

Der BF wolle ein Restaurant eröffnen, er habe bereits zwei mögliche Lokale gefunden, eines in XXXX , das andere wäre in XXXX . Da der BF vier Jahre lang gearbeitet habe, habe er sich ein bisschen Geld gespart.

Danach wurde die Einvernahme des BF wieder in Bengali geführt.

Der BF habe keine Ausbildung als Koch, er habe dies „durch das Arbeiten“ gelernt.

Neben seiner Tätigkeit als Hilfskoch habe er sich freiwillig für zwei Hilfsorganisationen engagiert. Er ginge oft in ein Altersheim und helfe dort. Der BF ist Mitglied beim XXXX und in einem Schachverein, er habe nur österreichische Freunde. Er spende auch für das XXXX .

Der BF wohne jetzt in XXXX in einer Mitarbeiterwohnung, für welche er nichts zahlen müsse außer Stromkosten von ca € 80 pro Monat.

Nach seinem Fluchtgrund befragt meinte der BF, er würde verfolgt werden wegen einer Mordanzeige, die gegen ihn, gegen seinen Vater und gegen seinen Bruder erstattet worden sei. Angeblich hätte sie jemanden am 13.03.2011 ermordet, aber der BF sei an diesem Tag gar nicht im Geschäft gewesen, sondern ca einen Kilometer entfernt. Der BF sei geflüchtet, sein Vater sei vier, fünf Monate eingesperrt gewesen, er habe Beschwerde erhoben und wurde entlassen.

Darauf angesprochen, dass somit offensichtlich der Vater kein Mörder sei, bestätigte dies der BF; sein Vater sei freiwillig zur Polizei gegangen, er wurde dann inhaftiert, später freigelassen.

Vom vorsitzenden Richter darauf angesprochen, dass der BF einen Autopsiebericht des Amtsarztes des Staatsspitals XXXX vorgelegt habe, in welchem der angesprochene Todesfall als natürlicher Todesfall (Herzinfarkt) berichtet wird, bestätigte dies der BF nochmals.

Der BF selbst habe Bangladesch vor ca neun Jahren verlassen. Er sei am Flughafen gewesen und mit einem Flugzeug von XXXX nach XXXX geflogen. Am Flughafen hätte er keine Schwierigkeiten gehabt. Es sei wohl der 18.11.2011 gewesen.

Nachgefragt, ob er schon vorher Bangladesch verlassen habe, meinte der BF, er wisse es nicht, seitdem er eine Depression habe, könne er sich nichts merken. Aufgefordert, dass er nochmals scharf nachdenken solle, fiel dem BF plötzlich ein, dass er im Jahr 2005 in Italien gewesen sei, dies für drei Jahre. Er habe Italien im Juni oder Juli 2008 verlassen müssen und sei freiwillig nach Bangladesch zurückgekehrt.

Der Grund, warum der BF in Italien gewesen sei, sei politischer Natur gewesen; er sei Mitglied der (nunmehr politisch regierenden) Awami-League gewesen.

Gefragt, was ihn erwarten würde, wenn er nunmehr nach Bangladesch zurückkehren müsste, meinte der BF, dass er und sein Bruder nach wie vor als Beschuldigte gesucht werden. Er wisse nicht, wo sich sein Bruder befinde, zuletzt hatte er vor nach Katar zu gehen.

Zum Ergebnis der Recherchen des Vertrauensanwaltes befragt meinte der BF folgendes: er wisse nicht, dass die Anklage gegen XXXX am 24.05.2012 zurückgezogen worden sei. Er könne sich auch nicht erklären, dass Ortansässige gegenüber dem Vertrauensanwalt der Republik Österreich gemeint hätten, dass das vorgelegte Bild nicht XXXX , sondern seinen Bruder XXXX zeigen würde. Der BF versuchte dies so zu erklären, dass die Dorfbewohner ihn schützen wollten und deshalb angaben, dass das vorgelegte Bild der Bruder sei. Damit konfrontiert, dass sie den BF damit ja nicht schützen würden, indem die Ortsansässigen sagen, dass der Bruder in Italien gewesen sei, konnte der BF keine logische Antwort geben.

Auf die Frage, wie der BF normalerweise gerufen werde, antwortete dieser: „Ich habe drei Namen: XXXX .“

Der Vertreter des BF fasste am Ende der Verhandlung zusammen, dass der BF schon seit neune Jahren in Österreich sei, Deutschkenntnisse auf dem Niveau A2 habe, und selbsterhaltungsfähig sei. Er sei gut integriert und habe viele österreichische Freunde.

Abschließend wurde noch auf den Länderbericht sowie die aktuelle Corona-Pandemie eingegangen. Der BF meinte, er falle unter die Risikogruppe auf Grund von Lungenproblemen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

II.1. Feststellungen:

II.1.1. Zur Person des BF, seinen Familienverhältnissen und seinen Lebensumständen in Österreich (auf der Grundlage der Einvernahme vor dem BVwG sowie des Administrativaktes):

Der volljährige BF ist Staatsangehöriger von Bangladesch und der Volksgruppe der Bengalen sowie der sunnitischen Glaubensgemeinschaft zugehörig. Seine Muttersprache ist Bengali (gleichlautende Angaben in der Erstbefragung AS 1 sowie in den Einvernahmen vor dem BFA AS 85).

Festgestellt wird, dass der BF einen bengalischen Passport vorgelegt hat ausgestellt am XXXX , gültig bis XXXX , in welchem er als XXXX bezeichnet wird (bengalischer Passport, AS 875 ff.).

Widersprüchlich sind die Angaben der Ortsansässigen gegenüber dem Vertrauensanwalt der Republik Österreich, welche meinten, dass das übermittelte und vorgelegte Foto XXXX , sondern seinen Bruder „ XXXX “ zeigen würde.

Der BF widerspricht sich, wenn er einerseits vor dem BFA angibt, man hätte seinen Bruder auch „ XXXX “ gerufen und ihn „ XXXX “ (AS°994), er jedoch andererseits vor dem BVwG (Verhandlung 10.11.2020) angibt, man rufe ihn: „ XXXX “.

Der BF ist im Ort XXXX geboren, ist dort aufgewachsen und hat dort gelebt (AS 1, 5; 361). Er hat in seinem Heimatland von 1996 bis 2003 die Grundschule besucht und vor seiner Ausreise aus Bangladesch als Hilfsarbeiter gearbeitet (AS 25).

Der BF ist ledig und hat keine Kinder (AS 1; 23; 87; 863). In Bangladesch halten sich die Eltern, zwei Schwestern und ein Bruder des BF auf (AS 23;). Zwischen dem BF und seinen Verwandten besteht kein regelmäßiger Kontakt. Mittlerweile gab der BF an, dass seine Schwestern sich nicht mehr in Bangladesch aufhielten, sein Vater verstorben sei und er nicht wisse, wo sich sein Bruder befindet, möglicherweise in Katar. Zu seiner Mutter habe er Kontakt über einen Bekannten, er wisse auch, dass zahlreiche Verwandte am Coronavirus erkrankt seien, ein Onkel sogar daran verstorben sei.

Der BF gab an, dass er sich von 2005 bis 2008 in Italien aufgehalten habe. Dieser Aufenthalt in Italien ergab sich erst auf Grund von Nachforschungen des BFA. Der BF gab an, dass er freiwillig aus Italien ausgereist sei.

Der BF ist im Dezember 2011 nicht legal in das Bundesgebiet eingereist. Der BF ist nicht die Grundversorgung einbezogen und in Österreich unbescholten. Der BF arbeitet als Hilfskoch in XXXX und erwirtschaftet damit seinen Unterhalt in der Höhe von ca € 1.900 monatlich; er zahle keine Miete, weil der Arbeitgeber ihm eine Mitarbeiterwohnung zur Verfügung stelle.

Der BF habe viele österreichische Freunde, etwa auch einen täglichen Telefonkontakt zu einer Bekannten in XXXX , nicht zuletzt in Folge seiner Mitgliedschaft in einem Schachklub, beim XXXX und bei der XXXX (AS 865; 993).

In Österreich leben keine Verwandten des BF, er hat keine Kinder und er führt auch kein Familienleben in Österreich.

Der BF verfügt über gute Deutschkenntnisse. Er ist strafrechtlich unbescholten.

Der BF ist in ärztlicher Behandlung, hat aber keine lebensbedrohliche Erkrankung vorgebracht. Er nimmt Medikamente.

Der BF kann Rückkehrhilfe in Anspruch nehmen.

I.1.2. Zum Fluchtvorbringen des BF:

Nicht festgestellt werden kann eine konkrete Verfolgung des BF in Bangladesch.

Die gegen den Vater des BF, seinen Bruder und gegen ihn eingebrachte Anzeige wurde zurückgelegt, nachdem auf Grund einer Autopsie im März 2011 verbindlich feststand, dass die verstorbene Person – und Anlassfall der behaupteten Anzeige wegen Mordes - eines natürlichen Todes gestorben ist und nicht durch die Angezeigten ermordet wurde. Diese Feststellung wird auf Grund der Vor-Ort Erhebungen des Vertrauensanwaltes der Republik Österreich in Bangladesch getroffen. Der in diesem Zusammenhang inhaftierte Vater des BF – er hatte sich selbst bei der Polizei gestellt - wurde seinerzeit wieder freigelassen.

Die Falldokumente XXXX werden nach den vor-Ort-Feststellungen des Vertrauensanwaltes der Republik Österreich als gefälscht festgestellt.

Nicht festgestellt werden kann, dass gegen den BF politische Anzeigen eingebracht wurden. Es wird ebenfalls nicht festgestellt, dass gegen den BF eine Mordanklage erhoben wurde.

II.1.3. Zur maßgeblichen Lage in Bangladesch:

Politische Lage:

Letzte Änderung: 19.8.2020

Bangladesch – offizielle Bezeichnung Volksrepublik Bangladesch (People's Republic of Bangladesh/Ga?apraj?tantr? B??l?de?) ist seit 1991 eine parlamentarische Demokratie (GIZ 11.2019a). Die Hauptstadt ist Dhaka (ca. 20 Millionen Einwohner). Auf einer Fläche von ca. 148.000 km² (CIA 13.3.2020) leben etwa 163 Millionen Einwohner (CIA 13.3.2020; vgl. GIZ 3.2020, AA 6.3.2020a). Bangladesch ist mit 1.127 Einwohnern pro Quadratkilometer der am dichtesten besiedelte Flächenstaat der Welt (zum Vergleich: Österreich 104 Einwohner pro km²) (WPR o.D.; vgl. AA 6.3.2020a).

Der Verwaltungsaufbau von Bangladesch ist zentralistisch: Das Land ist in acht Regionen (Divisions), 64 Bezirke (Districts), 92 Landkreise bzw. Großstädte (Upazilas / City Corporations), über 4.500 Gemeindeverbände (Union Councils / Municipalities) und circa 87.000 Dorfgemeinden gegliedert (ÖB 8.2019). Im Gebiet der Chittagong Hill Tracts gilt eine besondere Verwaltung, die der lokalen (indigenen), nicht-bengalischen Bevölkerung verstärkte Mitwirkungsmöglichkeiten einräumen soll (ÖB 8.2019). Das Staatsoberhaupt ist der Präsident, der vom Parlament alle fünf Jahre gewählt wird. Eine einmalige Wiederwahl ist möglich. Er übt größtenteils zeremonielle Funktionen aus, während die Macht in den Händen des Premierministers als Regierungschef liegt. Dieser wird von der stärksten im Parlament vertretenen Partei nominiert und vom Präsidenten formell ernannt. Zusätzlich obliegt dem Premierminister die Kontrolle der Geheimdienste, der Streitkräfte und der paramilitärischen Einheiten (GIZ 11.2019a).

Das Parlament (National Parliament oder Jatiya Sangsad) besteht aus einer Kammer mit 300, in Einzelwahlkreisen auf fünf Jahre direkt gewählten Abgeordneten (ÖB 8.2019) sowie zusätzlichen 50 Sitzen, die nur für Frauen reserviert sind (USDOS 11.3.2020; vgl. GIZ 11.2019a). Das Mehrheitswahlrecht führt zu stabilen Mehrheiten im Parlament und hat die Herausbildung der Bangladesh Nationalist Party (BNP) und der Awami League (AL) als dominierende und konkurrierende Parteien begünstigt. Während die konservative BNP Verbündete bei den islamistischen Parteien wie der Jamaat-e-Islami (JI) hat, bekommt die AL traditionell Unterstützung von linken und säkularen Parteien, wie der Arbeiterpartei, der liberaldemokratischen Partei, der national-sozialen Partei Jatiyo Samajtantrik Dal und jüngst auch von der Jatiya Partei, unter dem ehemaligen Militärdiktator Hossain Mohammad Ershad (ÖB 8.2019).

Die erste Verfassung trat 1972 in Kraft und setzte neben der demokratischen Staatsform auch Säkularismus, Sozialismus und Nationalismus als Ziele fest. Nach zahlreichen Verfassungsänderungen wurde 1988 der Islam als Staatsreligion eingeführt bei gleichzeitiger verfassungsrechtlicher Verankerung des Rechts auf friedliche Ausübung anderer Religionen (ÖB 8.2019).

Das politische Leben wird durch die beiden dominierenden und konkurrierenden größten Parteien AL und BNP bestimmt (ÖB 8.2019; vgl. AA 21.6.2020, BS 29.4.2020). Klientelismus und Korruption sowie mafiöse Strukturen sind weit verbreitet. Gewerkschaften, Studentenorganisationen, Polizei und Verwaltung sind parteipolitisch durchdrungen (AA 21.6.2020; vgl. DGVN 2016). Beide Parteien haben keine demokratische interne Struktur und werden von Familien geführt, die Bangladesch seit der Unabhängigkeit geprägt haben (FH 2020).

Seit 2009 ist Sheikh Hasina Wazed von der AL Premierministerin (GIZ 11.2019a; vgl. ÖB 8.2019). Im Jänner 2019 wurde sie für ihre vierte Amtszeit – die dritte Amtszeit in Folge – als Premierministerin angelobt. Im Februar 2019 gab sie bekannt, dass sie nach dieser Amtszeit an die „junge Generation“ übergeben wolle (DW 14.2.2019).

Wahlen und Willensbildungsprozess:

Bei den elften bangladeschischen Parlamentswahlen vom 30.12.2018 erzielte die „Große Allianz“ um die regierende AL einen Erdrutschsieg mit 96 % der Stimmen und 289 der 300 zur Wahl stehenden Parlamentssitze (Guardian 30.12.2018; vgl. BN24 31.12.2018, DT 27.1.2019, DW 14.2.2019), wobei in zwei Wahlkreisen aufgrund von Gewalt (DS 10.1.2019) bzw. dem Tod eines Kandidaten Nachwahlen notwendig waren (DT 27.1.2019).

Die Opposition verurteilte die Wahl als „Farce“ und fordert die Annullierung des Ergebnisses und Neuwahlen. Die Regierungspartei wies die Manipulationsvorwürfe und Neuwahlforderungen zurück und nannte die Wahl „völlig frei und unabhängig“ (BBC 31.12.2018). In einer vorläufigen Bewertung erklärten Wahlbeobachter der SAARC (South Asian Association for Regional Cooperation), dass die Wahl „viel freier und fairer“ ablief als die vorherigen (Hindu 1.1.2019). Bereits im Vorfeld der Wahl kam es zu Gewalt zwischen rivalisierenden Anhängern und einem harten Vorgehen der Regierung (BBC 31.12.2018; vgl. Hindu 1.1.2019). Die Wahlen vom 30. Dezember 2018 waren durch Übergriffe auf Oppositionelle, willkürliche Verhaftungen und Einschüchterungen der Stimmberechtigten gekennzeichnet (HRW 14.1.2020). Am Wahltag waren rund 600.000 Sicherheitskräfte, darunter Armee und paramilitärische Truppen, im Einsatz, um die Gewalt einzudämmen (Guardian 30.12.2018). Frühzeitig wurde die Wahl durch die Wahlkommission als frei und fair bezeichnet. Unregelmäßigkeiten wurden nicht untersucht. Stattdessen wurden Journalisten wegen ihrer Berichterstattung verhaftet (HRW 14.1.2020). Es wurden mindestens 17 Menschen bei Zusammenstößen zwischen Anhängern der regierenden Partei und der Opposition getötet (Reuters 1.1.2019).

Infolge der Dominanz der AL und der fehlenden innerparteilichen Demokratie hat de facto die exekutive Spitze das ausschließliche Sagen bei Gesetzesentwürfen. Wie schon die Vorgängerregierungen baut auch die gegenwärtige AL-Regierung ihre Netzwerke in Verwaltung, Rechtswesen und Militär aus. Verschärfend kommt hinzu, dass die BNP als vormals größte Oppositionspartei das Wahlergebnis angefochten hatte und nun nicht mehr im Parlament vertreten ist (GIZ 11.2019a). Die oppositionelle BNP hat aufgrund ihrer starken gesellschaftlichen Verankerung das Potenzial, durch Generalstreiks großen außerparlamentarischen Druck zu erzeugen (GIZ 11.2019a).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (6.3.2020a): Bangladesch – Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/bangladesch-node/-/206322, Zugriff 1.4.2020

?        AA – Auswärtiges Amt (Deutschland) (21.6.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch (Stand: Mai 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2033573/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_Bangladesch_%28Stand_Mai_2020%29%2C_21.06.2020.pdf, Zugriff 5.8.2020

?        BBC – British Broadcasting Corporation (31.12.2018): Bangladesh election: PM Sheikh Hasina wins landslide in disputed vote, https://www.bbc.com/news/world-asia-46718393, Zugriff 6.4.2020

?        BN24 - Bangla News 24 (31.12.2018): Grand alliance wins 288 seats, https://www.banglanews24.com/english/national/article/73191/Grand-alliance-wins-288-seats, Zugriff 7.3.2019

?        BS - Bertelsmann Stiftung (29.4.2020): BTI 2020 Country Report Bangladesh, https://www.ecoi.net/en/file/local/2029402/country_report_2020_BGD.pdf, Zugriff 5.8.2020

?        CIA – Central Intelligence Agency (13.3.2020): The World Factbook – Bangladesh, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/bg.html, Zugriff 1.4.2020

?        DT – Dhaka Tribune (27.1.2019): Ruling party's Dr Younus Ali Sarker wins Gaibandha 3 by-polls,https://www.dhakatribune.com/bangladesh/election/2019/01/27/voting-in-gaibandha-3-by-polls-underway, Zugriff 6.4.2020

?        DT – Dhaka Tribune (8.12.2018): EC rejects Khaleda Zia’s candidature by majority decision, https://www.dhakatribune.com/bangladesh/election/2018/12/08/khaleda-zia-s-appeal-remains-pending, Zugriff 7.3.2019

?        DW – Deutsche Welle (14.2.2019): Bangladesh PM Sheikh Hasina hints at last term as prime minister, https://www.dw.com/en/bangladesh-pm-sheikh-hasina-hints-at-last-term-as-prime-minister/a-47513555, Zugriff 6.4.2020

?        DGVN – Deutsche Gesellschaft für die Vereintern Nationen (2016): EWP – Eine Welt Presse. Menschenwürdige Arbeitsbedingungen, https://nachhaltig-entwickeln.dgvn.de/fileadmin/publications/PDFs/Eine_Welt_Presse/20170119_EWP_Arbeitsbedingungen_Nachdruck-web.pdf, Zugriff 2.4.2020

?        FH – Freedom House (2020): Freedom in the World 2020 – Bangladesh, https://freedomhouse.org/country/bangladesh/freedom-world/2020, Zugriff 1.4.2020

?        GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (11.2019a): Bangladesch – Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/bangladesch/geschichte-staat/, Zugriff 24.3.2020

?        GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (3.2020): Bangladesch – Überblick, https://www.liportal.de/bangladesch/ueberblick/, Zugriff 24.3.2020

?        Guardian, The (30.12.2018): Bangladesh PM Hasina wins thumping victory in elections opposition reject as 'farcical', https://www.theguardian.com/world/2018/dec/30/bangladesh-election-polls-open-after-campaign-marred-by-violence, Zugriff 6.4.2020

?        Hindu, The (1.1.2019): Hasina’s triumph: on Bangladesh election results, https://www.thehindu.com/opinion/editorial/hasinas-triumph/article25874907.ece, Zugriff 6.4.2020

?        HRW – Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 – Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2022700.html, Zugriff 1.4.2020

?        HRW - Human Rights Watch (13.12.2018): Bangladesh: Crackdown as Elections Loom, https://www.ecoi.net/de/dokumet/n1454483.html, Zugriff 6.4.2020

?        ÖB – Österreichische Botschaft Neu Delhi (8.2019): Asylländerbericht Bangladesch, per E-Mail

?        Reuters (1.1.2019): Western powers call for probe into Bangladesh election irregularities, violence, https://www.reuters.com/article/us-bangladesh-election/western-powers-call-for-probe-into-bangladesh-election-irregularities-violence-idUSKCN1OV1PK, Zugriff 6.4.2020

?        USDOS – US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026382.html, Zugriff 24.3.2020

?        WPR – World Population Review (o.D.): World Countries by Population Density 2020, http://worldpopulationreview.com/countries/countries-by-density/. Zugriff 6.4.2020

Sicherheitslage:

Letzte Änderung: 19.8.2020

Der Hass zwischen den politischen Parteien, insbesondere der Awami League (AL) und der Bangladesh Nationalist Party (BNP), ist für den größten Teil an Gewalt im Land verantwortlich (ACLED 9.11.2018). Die regierende AL hat ihre politische Macht durch die nachhaltige Einschüchterung der Opposition, wie auch der mit ihr verbündet geltenden Kräfte, sowie der kritischen Medien und Stimmen in der Zivilgesellschaft ausgebaut (FH 2020). Beide Parteien sind – gemeinsam mit unidentifizierten bewaffneten Gruppen – in Vandalismus und gewalttätige Auseinandersetzungen verwickelt und greifen auch friedliche Zivilisten an (ACLED 9.11.2018).

Von nichtstaatlichen Akteuren (insbesondere Opposition, Islamisten, Studenten) geht nach wie vor in vielen Fällen Gewalt aus. Die öffentliche Sicherheit ist fragil. Das staatliche Gewaltmonopol wird durchbrochen. Es kommt häufig zu Morden und gewalttätigen Auseinandersetzungen aufgrund politischer (auch innerparteilicher) oder krimineller Rivalitäten. Eine Aufklärung erfolgt selten. Die großen Parteien verfügen über eigene „Studentenorganisationen“. Mit dem stillschweigenden Einverständnis der Mutterparteien fungieren diese bewaffneten Organisationen als deren Schild und Schwert. Ihr Mitwirken im politischen Prozess ist eine der wichtigsten Ursachen für die politische Gewalt in Bangladesch (AA 21.6.2020).

Spontane Streiks und Kundgebungen können jederzeit stattfinden (BMEIA 27.7.2020; vgl. AA 28.7.2020), dabei können Kämpfe zwischen Sicherheitsbehörden und Demonstranten, Brandstiftung, Gewalt und Vandalismus unvorhergesehen auftreten (UKFCO 29.3.2020a).

Gewalt gegen Zivilisten oder staatliche Kräfte durch Rebellen macht einen relativ kleinen Anteil an allen Gewaltereignissen aus. Es gibt radikale islamistische Gruppen wie die Mujahideen Bangladesh (JMB) und Ansarullah Bangla Team (ABT). Sowohl der Islamische Staat (IS) und Al Qaeda in the Indian Subcontinent (AQIS) geben an, in Bangladesch aktiv zu sein, was von der Regierung jedoch dementiert wird (ACLED 9.11.2018). 2017 kam es zu fünf Selbstmordattentaten mit Todesfolge, zu denen sich der Islamische Staat bekannte (BMEIA 18.3.2020; vgl. SATP 2.4.2020). 2019 gab es mehrere Angriffe gegen Polizei und Sicherheitskräfte in Dhaka und in der Stadt Khulna. Am 29.2.2020 erfolgte ein Anschlag auf die Polizei in Chittagong, bei welchem auch improvisierten Sprengkörper (IEDs) eingesetzt worden sind. Einige Operationen gegen mutmaßliche Militante haben ebenfalls zu Todesfällen geführt (UKFCO 29.3.2020b). Extremistische Gruppen führen Angriffe auf Angehörige vulnerabler Gruppen durch (USDOS 11.3.2020; AA 21.6.2020). In vielen Fällen ist nicht eindeutig differenzierbar, ob religiöse Motive oder säkulare Interessen, wie z.B. Racheakte oder Landraub, Grund für die Vorfälle sind. Sicherheitsbehörden reagieren manchmal nicht zeitnah auf religiös motivierte Vorfälle (AA 21.6.2020).

In der Division Chittagong, insbesondere im Gebiet der Chittagong Hill Tracts (Bezirke Rangamati, Khagrachari und Bandarban) kommt es zu bewaffneten Unruhen und kriminellen Übergriffen (AA 28.7.2020; vgl. UKFCO 29.3.2020a, AI 30.1.2020). Im südöstlichen Verwaltungsbezirk Cox’s Bazar der Gebietsverwaltung Chittagong hat es zuletzt unter anderem in der Nähe von Flüchtlingslagern vereinzelt gewalttätige Zwischenfälle gegeben. Es gibt Berichte über Sicherheitsprobleme, Protestkundgebungen sowie Gewalttätigkeiten und Unruhen sowohl in der örtlichen Bevölkerung als auch unter den Bewohnern der Lager, nachdem ein lokaler politischer Führer ermordet worden ist (HRW 18.9.2019; vgl. AnAg 5.11.2019, TDS 24.8.2019).

Im März 2019 wurden bei den Kommunalwahlen im Gebiet Baghicahhari im Norden des Distrikts Rangamati mehrere Wahl- und Sicherheitsbeamte getötet (UKFCO 29.3.2020a).

An der Grenze zu Indien kommt es gelegentlich zu Schusswechseln zwischen indischen und bangladeschischen Grenzwächtern. Regelmäßig werden Menschen getötet, die versuchen, illegal die Grenze zu überqueren (UKFCO 29.3.2020a).

Das South Asia Terrorism Portal (SATP) verzeichnet in einer Aufstellung für das Jahr 2017 insgesamt 263 Vorfälle terrorismusrelevanter Gewalt im Land. Im Jahr 2018 waren es 135 solcher Vorfälle und 2019 wurden 104 Vorfälle registriert. Bis zum 15.8.2020 wurden im Jahr 2020 58 Vorfälle terroristischer Gewaltanwendungen registriert (SATP 17.8.2020).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (28.7.2020): Bangladesch: Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/bangladesch-node/bangladeschsicherheit/206292, Zugriff 5.8.2020

?        AA – Auswärtiges Amt (Deutschland) (21.6.2020): Auswärtiges Amt_Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch (Stand: Mai 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2033573/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_Bangladesch_%28Stand_Mai_2020%29%2C_21.06.2020.pdf, Zugriff 5.8.2020

?        AnAg – Anadolu Agency (5.11.2019): Bangladesh rejects Amnesty report on Rohingya killings, https://www.aa.com.tr/en/asia-pacific/bangladesh-rejects-amnesty-report-on-rohingya-killings/1636457, Zugriff 2.4.2020

?        ACLED – Armed Conflict Location & Event Data Project (9.11.2018): The Anatomy of Violence in Bangladesh, https://www.acleddata.com/2018/11/09/the-anatomy-of-violence-in-bangladesh/, Zugriff 6.3.2019

?        AI – Amnesty International (30.1.2020): Human Rights in Asia-Pacific; Review of 2019 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2023864.html, Zugriff 2.4.2020

?        BMEIA – Bundesministerium Europa, Integration und Äußeres (27.7.2020): Bangladesch – Reiseinformation, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/bangladesch/, Zugriff 5.8.2020

?        FH – Freedom House (2020): Freedom in the World 2020 – Bangladesh, https://freedomhouse.org/country/bangladesh/freedom-world/2020, Zugriff 1.4.2020

?        HRW – Human Rights Watch (18.9.2019): Spate of Bangladesh ‘Crossfire’ Killings of Rohingya, https://www.hrw.org/news/2019/09/18/spate-bangladesh-crossfire-killings-rohingya, Zugriff 4.2.2020

?        SATP – South Asia Terrorism Portal (17.8.2020): Data Sheet – Bangladesh, Yearly Sucide Attacks, Advance Search 2000 - 2020, https://www.satp.org/datasheet-terrorist-attack/incidents-data/bangladesh, Zugriff 17.5.2020

?        TDS – The Daily Star (24.8.2019): Jubo League leader killed by ‘Rohingyas’, https://www.thedailystar.net/frontpage/news/jubo-league-leader-killed-rohingyas-1789726, Zugriff 15.1.2020

?        UKFCO – UK Foreign and Commonwealth Office (29.3.2020a): Foreign travel advice Bangladesh - Safety and security, https://www.gov.uk/foreign-travel-advice/bangladesh/safety-and-security, Zugriff 4.2.2020

?        UKFCO – UK Foreign and Commonwealth Office (29.3.2020b): Foreign travel advice Bangladesh – Terrorism, https://www.gov.uk/foreign-travel-advice/bangladesh/terrorism, Zugriff 4.2.2020

?        USDOS – US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026382.html, Zugriff 24.3.2020

Rechtsschutz/Justizwesen:

Letzte Änderung: 19.8.2020

Die Justiz ist überlastet. Überlange Verfahrensdauern, Korruption und politische Einflussnahme behindern die Unabhängigkeit. Presseberichten zufolge kommt es in ländlichen Gebieten zu Verurteilungen durch unbefugte Dorfälteste oder Geistliche nach traditionellem, islamischem „Scharia Recht“. Nicht immer greifen die Behörden ein (AA 21.6.2020).

Das Gerichtssystem besteht aus zwei Instanzen, den untergeordneten Gerichten (Magistrates, Session- und District Judges) und dem Obersten Gerichtshof (Supreme Court). Beide verhandeln Zivil- und Strafrechtssachen. Das Rechtssystem beruht weitgehend auf dem englischen „Common Law“. Der Oberste Gerichtshof besteht aus zwei Abteilungen, dem „High Court“, der Verfassungsfragen verhandelt und als Berufungsinstanz zu den erstinstanzlichen Gerichten fungiert, sowie dem „Appellate Court“, dessen Entscheidungen für alle übrigen Gerichte bindend sind. Die Richter beider Abteilungen werden gemäß der Verfassung vom Präsidenten ernannt (ÖB 8.2019).

Die Unabhängigkeit der Richter wird von der Verfassung garantiert. In der Praxis unterstellt allerdings eine schon lange geltende temporäre Bestimmung der Verfassung die erstinstanzlichen Richter der Exekutive. Auch ihre Ernennung und Remuneration ist Sache der Exekutive. Demgegenüber haben die Richter des Obersten Gerichtshofs des Öfteren ihre Unabhängigkeit demonstriert und gegen die Regierung entschieden (ÖB 8.2019). Die Einflussnahme der Regierungspartei auf Parlament und Justiz haben deren Unabhängigkeit inzwischen weitgehend beseitigt (AA 21.6.2020).

Auf Grundlage mehrerer Gesetze („Public Safety Act“, „Law and Order Disruption Crimes Speedy Trial Act“, „Women and Children Repression Prevention Act“, „Special Powers Act“) wurden Sondertribunale errichtet, die Fälle innerhalb eines festgesetzten Zeitrahmens erledigen müssen. Es fehlen allerdings Vorschriften für den Fall, dass sie dieser Verpflichtung nicht nachkommen. Diese „Speedy Trial“-Tribunale haben Medienberichten zufolge in den vergangenen Jahren mehrere Hundert Personen zum Tode verurteilt (ÖB 8.2019).

Wie die meisten Beobachter von Bangladesch übereinstimmend angeben, stellen Korruption, Ineffizienz der Justiz, gezielte Gewalt gegen Richter und ein gewaltiger Rückstau an offenen Fällen große Probleme dar (ÖB 8.2019; vgl. FH 2020). Strafanzeigen gegen Mitglieder der regierenden Partei werden regelmäßig zurückgezogen (FH 2020). Die schiere Zahl der gegen die politische Opposition eingeleiteten Klagen im Vorfeld zur 11. Parlamentswahl vom 30.12.2018, deutet auf ein ungehindertes Spielfeld und die Kontrolle der Regierungspartei über die Justiz- und Sicherheitsinstitutionen hin (FIDH 29.12.2018).

Zwei Drittel aller Streitfälle erreichen nicht das formelle Justizsystem, sondern werden von informellen Dorfgerichten oder bedeutenden Persönlichkeiten der lokalen Gemeinschaften entschieden. Diese behandeln meist Fälle betreffend Familienrecht, Unterhalt, Zweitehen, Mitgiftstreitigkeiten und Landeigentum. Obwohl diese „Gerichte“ eine durch Tradition legitimierte, schnellere und günstigere Alternative zu ordentlichen Gerichten darstellen, sind sie hinsichtlich der Einflussnahmemöglichkeiten durch lokal bedeutsame Persönlichkeiten sowie der gesellschaftlichen Stellung von Frauen nicht unproblematisch. Die islamische Scharia ist zwar nicht formell als Gesetz eingeführt, spielt aber insbesondere in den Bereichen des Zivilrechts (Erbschaft, Grunderwerb, Heirat und Scheidung etc.) eine große Rolle (ÖB 8.2019).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt (Deutschland) (21.6.2020): Auswärtiges Amt_Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch (Stand: Mai 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2033573/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_Bangladesch_%28Stand_Mai_2020%29%2C_21.06.2020.pdf, Zugriff 5.8.2020

?        FH – Freedom House (2020): Freedom in the World 2020 – Bangladesh, https://freedomhouse.org/country/bangladesh/freedom-world/2020, Zugriff 1.4.2020

?        FIDH - International Federation for Human Rights (Hg.) (29.12.2018): Joint statement on the undemocratic electoral environment in Bangladesh, https://www.fidh.org/en/region/asia/bangladesh/joint-statement-on-the-undemocratic-electoral-environment-in, Zugriff 3.4.2020

?        ÖB – Österreichische Botschaft Neu Delhi (8.2019): Asylländerbericht Bangladesch

Sicherheitsbehörden:

Letzte Änderung: 19.8.2020

Die Polizei ist beim Ministerium für Inneres angesiedelt und hat das Mandat, die innere Sicherheit sowie Recht und Ordnung aufrechtzuerhalten. Die Armee, die dem Büro des Ministerpräsidenten untersteht, ist für die äußere Sicherheit zuständig, kann aber auch für innerstaatliche Sicherheitsaufgaben herangezogen werden. Zivile Stellen hatten weiterhin effektive Kontrolle über die Streitkräfte und andere Sicherheitsbehörden. Die Regierung verfügt über Mechanismen, Missbrauch und Korruption zu untersuchen und zu bestrafen; sie werden aber nicht immer angewandt (USDOS 11.3.2020).

Das Wirken der Polizei ist gekennzeichnet durch einen Mangel an Ressourcen inklusive mangelhafter Infrastruktur, Mangel an Personal, Ausbildung und Arbeitsmaterialien, Ineffizienz und Korruption (AA 21.6.2020). Die Regierung unternahm Schritte, um in der Polizei Professionalität, Disziplin, Ausbildung und Reaktionsfähigkeit zu verbessern und die Korruption zu verringern (USDOS 11.3.2020). Trotz dieser Bemühungen kommt es weiterhin zu Machtmissbrauch und unangebrachter Gewaltanwendung von Sicherheitskräften, insbesondere durch die Rapid Action Batallions (RAPs), die in weiterer Folge ungestraft bleiben (ÖB 8.2019).

Es gibt Hinweise auf willkürliche Festnahmen durch die Polizeikräfte, obwohl dies gesetzlich verboten ist, sowie auf willkürliche Nutzung der gesetzlich erlaubten präventiven Festnahmen. Die Festnahme ohne Angabe von Gründen ist für bis zu 30 Tagen zur Verhinderung von Taten, die die nationale Sicherheit, Verteidigung, Souveränität, öffentliche Ordnung oder auch wirtschaftliche Interessen des Landes gefährden, erlaubt. Die Arretierten haben kein Recht auf einen Verteidiger. Die hauptsächlich Betroffenen sind Aktivisten der politischen Parteien und NGO-Vertreter, die Kritik an der Regierung üben. Nach wie vor problematisch ist auch die in vielen Fällen unverhältnismäßig lange Untersuchungshaft. Als Gründe hierfür werden bürokratische Ineffizienz, limitierte Ressourcen und Korruption genannt. Gegenwärtig geht man von über 2 Millionen ausständigen Zivil- und Strafverfahren aus (ÖB 8.2019).

Die Sicherheitskräfte lassen Personen weiterhin routinemäßig „verschwinden“ (AI 30.1.2020; siehe auch Abschnitt 5). Betroffene sehen aus Angst vor Vergeltung in der Regel davon ab, Mitglieder der Sicherheitsbehörden wegen Menschenrechtsvergehen anzuzeigen, sodass diese straflos bleiben. Auch im Falle einer Beschwerde herrscht weitestgehend Straffreiheit. Wenn allerdings die Medien Polizeiversagen öffentlich anprangern, werden durch die politische Ebene die zuständigen Polizisten oft bestraft (AA 21.6.2020).

Die Sicherheitsbehörden bestehen zum Hauptteil aus der dem Innenministerium unterstellten „Bangladesch Police“, die ca. 116.000 Mann zählt. Zur Unterstützung der Polizei stehen weitere Einheiten zur Verfügung (ÖB 8.2019).

Rapid Action Batallions (RABs): Es gibt rund 12 RABs mit insgesamt ca. 8.500 Mann, die ebenfalls dem Innenministerium unterstellt sind. Ihre Aufgabe ist der Kampf gegen bewaffnete kriminelle Organisationen. Die RABs sind hauptsächlich in urbanen Zentren stationiert, rekrutieren sich hauptsächlich aus Polizei und Armee, sind gut ausgebildet und mit moderner Ausrüstung versehen (ÖB 8.2019). Ihnen werden schwere Menschenrechtsverstöße wie z.B. extralegale Tötungen zugeschrieben (AA 21.6.2020). Die RABs verfolgen eine aggressive Strategie gegen bewaffnete „Gang“-Mitglied

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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