Entscheidungsdatum
16.12.2020Norm
FPG §67 Abs1Spruch
G314 2216171-2/6E
GEKÜRZTE AUSFERTIGUNG DES AM 30.11.2020 MÜNDLICH VERKÜNDETEN ENDERKENNTNISSES
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a Katharina BAUMGARTNER über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , ungarischer Staatsangehöriger, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX .03.2019, Zl. XXXX , betreffend die Erlassung eines Aufenthaltsverbots zu Recht erkannt:
A) Der Beschwerde wird teilweise Folge gegeben und der angefochtene Bescheid dahingehend abgeändert, dass es in Spruchpunkt I. zu lauten hat: „Gemäß § 67 Abs 1 und 2 FPG wird gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von vier Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.“
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Beschwerdeführer (BF), der Ungarisch spricht und in seinem Heimatstaat die Schule und eine Ausbildung zum XXXX und XXXX absolvierte, beantragte im April 2015 in XXXX die Ausstellung einer Anmeldebescheinigung als Arbeitnehmer. Dieser Antrag wurde am XXXX .2015 abgewiesen.
Am XXXX .2018 wurde der BF im Bundesgebiet verhaftet, in Untersuchungshaft genommen und mit dem Urteil des XXXX vom XXXX , XXXX , wegen der Vergehen des schweren gewerbsmäßigen Diebstahls, teils durch Einbruch (§§ 127, 128 Abs 1 Z 5, 129 Abs 1 Z 1, 130 Abs 1 erster Fall StGB) und der Fälschung besonders geschützter Urkunden (§§ 223 Abs 2, 224 StGB) zu einer 14-monatigen Freiheitsstrafe verurteilt. Ein Strafteil von zehn Monaten wurde für eine dreijährige Probezeit bedingt nachgesehen. Der Verurteilung lag zugrunde, dass er zwischen XXXX und XXXX 2018 teils allein, teils gemeinsam mit einem Mittäter, in insgesamt acht Angriffen Starkstrom- und Kupferkabel im Gesamtwert von über EUR 17.000 stahl, wobei er einmal mit einem Bolzenschneider in einen Baucontainer einbrach und die Kabel sonst von unversperrten Baustellen oder aus unversperrten Kellerabteilen mitnahm. Außerdem verwendete er am XXXX .2018 einen falschen XXXX Führerschein zum Nachweis seiner Identität und Lenkberechtigung. Bei der Strafzumessung wurden das Geständnis und der bisher ordentliche Lebenswandel als mildernd, das Zusammentreffen von zwei Vergehen und die mehrfachen Angriffe dagegen als erschwerend berücksichtigt.
Der BF ist ledig; Anhaltspunkte für Sorgepflichten sind nicht aktenkundig. Er ist gesund und arbeitsfähig, war aber zuletzt ohne Beschäftigung und ohne finanzielle Mittel. Laut dem Zentralen Melderegister (ZMR) war er von XXXX .2010 bis XXXX .2012, von XXXX bis XXXX .2014 und von XXXX bis XXXX .2018 mit Hauptwohnsitz an verschiedenen Adressen in XXXX gemeldet; von XXXX bis XXXX .2010, von XXXX .2011 bis XXXX .2012 und von XXXX .2018 bis XXXX .2019 bestanden Nebenwohnsitzmeldungen, zuletzt in der Justizanstalt XXXX . Er behauptete vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA), er habe vor seiner Verhaftung nicht an seiner Meldeadresse, sondern in einer Lebensgemeinschaft mit XXXX in deren Wohnung gewohnt. Nach dem Versicherungsdatenauszug war er im Bundesgebiet von XXXX bis XXXX .2011, von XXXX bis XXXX .2015, von XXXX bis XXXX .2015, von XXXX bis XXXX .2015 und zuletzt von XXXX bis XXXX .2017 vollversichert erwerbstätig sowie von XXXX bis XXXX .2016 und von XXXX . bis XXXX .2017 geringfügig beschäftigt. Vor dem BFA gab er an, er habe in Österreich seit 2003, zum Teil schwarz, gearbeitet.
Der BF wurde am XXXX .2019 nach dem Vollzug des unbedingten Strafteils aus der Strafhaft entlassen, vor dem zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme vernommen und nach der Zustellung des nunmehr angefochtenen Bescheids nach Ungarn abgeschoben.
Ein zehn Jahre übersteigender kontinuierlicher Aufenthalt des BF im Bundesgebiet oder der Erwerb des unionsrechtlichen Rechts auf Daueraufenthalt kann nicht festgestellt werden, sodass der Gefährdungsmaßstab des § 67 Abs 1 Satz zwei bis vier FPG anzuwenden ist.
Aufgrund der gewerbsmäßigen Eigentumsdelinquenz des BF und der Verwendung gefälschter Dokumente zur Verschleierung seiner Identität geht von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit aus, die ein Aufenthaltsverbot gegen ihn notwendig macht. Sein persönliches Verhalten stellt eine Gefahr dar, die Grundinteressen der Gesellschaft iSd Art 8 Abs 2 EMRK (an der Verteidigung der öffentlichen Ruhe und Ordnung, der Verhinderung von strafbaren Handlungen sowie zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer) berührt. Aufgrund der wiederholten Angriffe gegen fremde Vermögenswerte und der daraus ableitbaren hohen Gefährdung der öffentlichen Ordnung kann für ihn trotz der im Inland ausgeübten Erwerbstätigkeit Erwerbstätigkeit und der Beziehung zu einer in Österreich lebenden Ungarin keine positive Zukunftsprognose erstellt werden, zumal er melderechtliche Vorschriften missachtete und im Inland teilweise „schwarz“, ohne Anmeldung zur Sozialversicherung arbeitete. Ein Gesinnungswandel eines Straftäters ist grundsätzlich daran zu messen, ob und wie lange er sich - nach dem Vollzug einer Haftstrafe - in Freiheit wohlverhalten hat (VwGH 19.12.2019, Ra 2019/21/0276). Die seit der Entlassung des BF aus dem Strafvollzug verstrichene Zeit reicht noch nicht aus, um einen Wegfall oder eine maßgebliche Minderung der von ihm ausgehende Gefahr annehmen zu können.
Da das Aufenthaltsverbot in sein Privatleben eingreift, ist eine einzelfallbezogene gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an der Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen persönlichen Interessen des BF, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs 2 BFA-VG genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs 3 BFA-VG ergebenden Wertungen in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen. Diese Interessenabwägung ergibt hier, dass der mit dem Aufenthaltsverbot verbundene Eingriff in sein Privat- und Familienleben verhältnismäßig ist. Er kann allfällige Kontakte zu in Österreich lebenden Freunden und Bekannten auch durch Telefonate, Briefe und elektronische Kommunikationsmittel (Internet, E-Mail, soziale Medien) sowie durch Besuche außerhalb Österreichs pflegen. Es ist ihm auch zumutbar, während der Dauer des Aufenthaltsverbots eine Erwerbstätigkeit außerhalb Österreichs aufzunehmen. Das Aufenthaltsverbot wurde somit dem Grunde nach zu Recht erlassen.
Da der BF zum ersten Mal strafgerichtlich verurteilt, der Strafrahmen nicht ausgeschöpft und die Strafe zum Teil bedingt nachgesehen wurde, ist ein vierjähriges Aufenthaltsverbot ausreichend, um der von ihm ausgehenden Gefährdung der öffentlichen Ordnung wirksam zu begegnen. Dadurch wird auch der erhöhten spezialpräventiven Wirkung des Erstvollzugs und seinem langjährigen rechtmäßigen Inlandsaufenthalt Rechnung getragen. Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheids ist in diesem Sinn abzuändern.
Gemäß § 70 Abs 3 FPG ist EWR-Bürgern bei der Erlassung einer Ausweisung von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich.
Im Ergebnis war – wie sich auch aus dem Teilerkenntnis vom 29.04.2019 ergibt - die sofortige Ausreise des BF nach dem Strafvollzug aus Gründen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit aufgrund der wiederholten gewerbsmäßigen Vermögensdelinquenz erforderlich, zumal aufgrund seiner Mittellosigkeit eine erhebliche Wiederholungsgefahr besteht, seine Taten sowie der Strafvollzug noch nicht lange zurückliegen und er sich ohne Anmeldebescheinigung im Bundesgebiet aufhielt. Die Nichtgewährung eines Durchsetzungsaufschubs laut Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheids ist daher nicht zu beanstanden.
Die Revision nach Art 133 Abs 4 B-VG ist nicht zulässig, weil das BVwG keine grundsätzlichen Rechtsfragen im Sinne dieser Gesetzesstelle zu lösen hatte.
Diese gekürzte Ausfertigung des nach Schluss der mündlichen Verhandlung am 30.11.2020 verkündeten Erkenntnisses ergeht gemäß § 29 Abs. 5 VwGVG, weil ein Antrag auf Ausfertigung des Erkenntnisses gemäß § 29 Abs. 4 VwGVG durch die hiezu Berechtigten innerhalb der zweiwöchigen Frist nicht gestellt wurde.
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
Gerichtsabteilung G314, am 16.12.2020
Mag.a Katharina BAUMGARTNER
(Richterin)
Schlagworte
gekürzte AusfertigungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:G314.2216171.2.00Im RIS seit
04.03.2021Zuletzt aktualisiert am
04.03.2021