TE Bvwg Erkenntnis 2020/12/23 I403 2206996-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 23.12.2020
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Entscheidungsdatum

23.12.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §58 Abs1 Z2
AsylG 2005 §58 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs3
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art2
EMRK Art3
EMRK Art8
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs2
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I403 2206996-1/16E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Birgit ERTL als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Ägypten, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, Alser Straße 20/5, 1090 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.09.2018, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 21.12.2020 zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer wurde am 01.10.2014 durch Exekutivbeamte der LPD XXXX festgenommen, nachdem er ohne Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet betreten worden war. Im Rahmen einer niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA / belangte Behörde) am 01.10.2014 hinsichtlich der beabsichtigten Erlassung einer gegen ihn gerichteten Rückkehrentscheidung stellte er den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz, welchen er im Wesentlichen damit begründete, sich in Ägypten politisch für einen Gegner des späteren Staatspräsidenten Mohammed Mursi engagiert zu haben. Nachdem zwei Prediger in einer Moschee in seinem Heimatdorf im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen in Ägypten im Jahr 2012 die Leute gegen Mursis Gegner aufgehetzt hätten, habe dies ein befreundeter Polizist des Beschwerdeführers aus seinem Heimatdorf ebenfalls wahrgenommen und habe ihm der Beschwerdeführer ergänzend von dieser Hetze berichtet. Drei Tage später seien die Prediger kurzzeitig festgenommen worden, woraufhin der Beschwerdeführer Probleme mit den Familien der Prediger, welche den Muslimbrüdern zuzurechnen seien, bekommen habe. Darüber hinaus gab er an, bereits ab dem Jahr 2000 bis zum Jahr 2013 – mit Unterbrechungen – in Italien gelebt zu haben, wohin er jedoch nicht zurückkehren könne, da er dort der Gefahr einer Verfolgung durch die Mafia ausgesetzt sei, nachdem er einem Gläubiger Geld schulde.

Mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 06.09.2018 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß „§ 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005, BGBl I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF“ abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß „§ 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG“ wurde der Antrag auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Ägypten abgewiesen (Spruchpunkt II.). Mit Spruchpunkt III. wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß „§ 57 AsylG“ nicht erteilt. Gemäß „§ 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF“ wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß „§ 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF“ erlassen (Spruchpunkt IV.) und es wurde gemäß „§ 52 Abs. 9 FPG“ festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß „§ 46 FPG“ nach Ägypten zulässig ist (Spruchpunkt V.). Gemäß „§ 55 Abs. 1 bis 3 FPG“ wurde ihm eine Frist von vierzehn Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung für eine freiwillige Ausreise gewährt (Spruchpunkt VI.).

Gegen den gegenständlich angefochtenen Bescheid wurde fristgerecht mit Schriftsatz vom 03.10.2018 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erhoben.

Auf Grund einer Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 28.09.2020 wurde die gegenständliche Rechtssache der Gerichtsabteilung I403 neu zugewiesen.

Am 21.12.2020 wurde vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Beschwerdeverhandlung in Anwesenheit des Beschwerdeführers und seiner Rechtsvertretung abgehalten und hierbei die gegenständliche Beschwerdesache erörtert.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die unter Punkt I. getroffenen Ausführungen werden als entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt. Darüber hinaus werden folgende weitere Feststellungen getroffen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der volljährige Beschwerdeführer ist geschieden, Staatangehöriger von Ägypten, Angehöriger der Volksgruppe der Araber und bekennt sich zum sunnitisch-moslemischen Glauben. Seine Identität steht fest.

Er leidet an Hepatitis C, die Erkrankung wurde jedoch erfolgreich behandelt und ist er dadurch nicht mehr beeinträchtigt und nimmt er auch keine Medikamente ein. Er ist erwerbsfähig. Hepatitis C ist in Ägypten behandelbar.

Der Beschwerdeführer stammt aus einem Dorf im Gouvernement al-Buhaira, hat jedoch zuletzt vor seiner jüngsten Ausreise im Jahr 2012 in Alexandria gelebt. Er hat in seinem Herkunftsstaat elf Jahre die Schule besucht und im Anschluss Berufserfahrung in der ägyptischen Armee, als Schneider, als Koch sowie zuletzt als Betreiber eines Geschäftslokals gesammelt.

Der Beschwerdeführer reiste erstmalig mit einem seitens der Österreichischen Botschaft in Kairo ausgestellten Schengen-Visum der Kategorie C (Touristenvisum) am 10.03.2000 über den Flughafen Wien-Schwechat nach Österreich ein. Vom 09.05.2005 bis zum 18.10.2005 sowie vom 06.08.2012 bis zum 18.03.2013 war er bereits vor seiner verfahrensgegenständlichen Asylantragstellung aufrecht im Bundesgebiet gemeldet. Zuletzt ist er am 16.07.2012 in das österreichische Bundesgebiet eingereist.

Ab dem Jahr 2000 hielt er sich überdies regelmäßig in Italien auf, wo ihm erstmalig vom 14.06.2004 bis zum 06.07.2005 ein Aufenthaltstitel erteilt wurde und er zeitweise einer Erwerbstätigkeit als Pizzakoch nachging. Zuletzt hielt er sich auf Grundlage eines vom 14.08.2009 bis zum 13.10.2012 gültigen Aufenthaltstitels ("Permesso di Soggiorno") in Italien auf. Sein Aufenthalt in Italien war jedoch nicht durchgängig und war er ab dem Jahr 2000 auch wiederholt für jeweils längere Aufenthalte in seinem Herkunftsstaat Ägypten sowie im Jahr 2005 für etwa fünf Monate in Österreich.

Die Eltern, die geschiedene Ehefrau sowie drei Töchter des Beschwerdeführers (geb. 1997, 2007 und 2009), überdies noch eine Tante, Cousinen und Cousins, leben nach wie vor in Ägypten. Seine älteste Tochter ist mittlerweile verheiratet, die beiden minderjährigen Töchter leben im Heimatdorf des Beschwerdeführers bei seinen Eltern und werden von diesen versorgt. Er steht in regelmäßigem Kontakt zu seinen Angehörigen in seinem Herkunftsstaat. Die Familie in Ägypten wird überdies von seinen in Österreich lebenden Brüdern finanziell unterstützt.

Zwei Brüder des Beschwerdeführers sind österreichische Staatsangehörige und leben seit dem Jahr 1998 bzw. 1999 im Bundesgebiet, stehen zum Beschwerdeführer jedoch weder in einem finanziellen noch in einem anderweitig gearteten Abhängigkeitsverhältnis. Der Beschwerdeführer wohnt alleine in einem Haushalt und lebt in keiner Beziehung oder Lebensgemeinschaft.

Einer seiner Brüder hat für den Beschwerdeführer eine notariell beglaubigte Haftungserklärung iSd § 2 Abs. 1 Z 15 NAG unterfertigt, wonach er für die Erfordernisse einer alle Risiken abdeckenden Krankenversicherung, einer Unterkunft und entsprechender Unterhaltsmittel aufkomme und für den Ersatz jener Kosten hafte, die einer Gebietskörperschaft bei der Durchsetzung einer Rückkehrentscheidung, eines Aufenthaltsverbotes, einer Ausweisung, einer Zurückschiebung, der Vollziehung der Schubhaft oder als Aufwendung für den Einsatz gelinderer Mittel, sowie aus dem Titel der Sozialhilfe oder eines Bundes- oder Landesgesetzes, das die Grundversorgungsvereinbarung nach Art. 15a B-VG, BGBl. I Nr. 80/2004, umsetzt, entstehen. Dessen ungeachtet bestreitet der Beschwerdeführer seinen Lebensunterhalt zum Entscheidungszeitpunkt nach wie vor aus Mitteln der staatlichen Grundversorgung und ist lediglich aufgrund seines Asylwerberstatus krankenversichert.

Der Beschwerdeführer scheint im Hauptverband österreichischer Sozialversicherungsträger für einen Tag, am 01.10.2014, als Arbeiter auf. Ansonsten ging er in Österreich zu keinem Zeitpunkt einer legalen Erwerbstätigkeit nach. Er hat insgesamt drei Einstellungszusagen, zwei als Pizzakoch sowie eine als Assistent des Geschäftsführers im Einzelunternehmen seines Bruders (Zimmervermietung), in Vorlage gebracht.

Er hat bislang keine Deutsch-Prüfung erfolgreich abgelegt.

Er engagiert sich als Trainer in einer ägyptisch geprägten Jugend-Fußballmannschaft.

Er ist strafrechtlich unbescholten.

1.2. Zum Fluchtvorbringen und zu einer Rückkehrgefährdung des Beschwerdeführers:

Entgegen seinem Fluchtvorbringen kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer aufgrund der temporären Inhaftierung zweier Prediger in seinem Heimatdorf im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen in Ägypten im Jahr 2012 der Gefahr einer Verfolgung durch deren Angehörige, welche der Muslimbruderschaft zuzurechnen sind, ausgesetzt ist.

Es besteht auch keine reale Gefahr, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr nach Ägypten einer wie auch immer gearteten existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein wird.

1.3. Zur Situation im Herkunftsstaat:

Zur aktuellen Lage in Ägypten werden folgende Feststellungen getroffen, soweit sie für den vorliegenden Beschwerdefall von Relevanz sind:

Politische Lage

2013 übernahm Präsident Abdel Fattah Al-Sisi, damals Verteidigungsminister und Befehlshaber der Streitkräfte (FH 4.2.2019; GIZ 12.2018), die Macht durch einen Putsch und stürzte den gewählten Präsidenten Mohamed Morsi von der Partei für Freiheit und Gerechtigkeit der Muslimbrüder (FJP) (FH 4.2.2019). Al-Sisi war seit 12.8.2012 Minister für Verteidigung und Militärproduktion unter Ministerpräsident Hesham Qandil in der Regierung von Mohamed Mursi (GIZ 12.2018). Seit dem 8.6.2014 ist Abdel Fattah Al-Sisi, Präsident Ägyptens. Der Verfassung zufolge ist eine Kandidatur nur einem Zivilisten erlaubt. Al-Sisi musste aus dem Militärdienstaustreten, um bei den Wahlen antreten zu können (GIZ 12.2018). Am 17.6.2019 brach der ehemalige, erste frei gewählte Präsident Ägyptens, Mohammed Mursi, in einer Gerichtsverhandlung zusammen und starb später in einem Krankenhaus. Offizielle Todesursache ist Herzversagen (BAMF 24.6.2019).

Der Präsident wird durch Volksabstimmung für bis zu zwei Amtszeiten gewählt (FH 4.2.2019). Beide Präsidentschaftswahlen im März 2018 gewann Präsident Abdel Fattah Al-Sisi mit 97% der gültigen Stimmen eine zweite Amtszeit (AA 24.6.2019a; vgl. AI 26.2.2019; FH 4.2.2019) und setzte sich deutlich gegen den einzig verbliebenen Gegenkandidaten Mousa Mostafa Mousa durch (AA 24.6.2019a). Die Wahlen waren durch Unterdrückung und Überwachungsbemühungen der Regierung beeinträchtigt, und die Amtszeit von Präsident Sisi ist von einem harten Vorgehen gegenabweichende Stimmen geprägt (TI 23.2.2019). Die Präsidentschaftswahl 2018 bot den Wählern keine echte demokratische Wahl und wurde unter anderem durch Einschüchterung der Wähler und Stimmenkauf beeinträchtigt (FH 4.2.2019). Vor der Abstimmung wurden lautstarke Oppositionelle inhaftiert und zum Schweigen gebracht (FH 4.2.2019). Die übrigen Kandidaten wurden im Vorfeldverhaftet oder zogen ihre Kandidatur zurück (AA 24.6.2019a). Legitime Oppositionskandidatenwurden unter Druck gesetzt, sich noch vor dem Wahlkampf zurückzuziehen. Schließlich stand Al-Sisi einem anerkannten Herausforderer gegenüber, Mousa Mostafa Mousa, dem Vorsitzenden der Oppositionspartei Al-Ghad. Mousa warb für Al-Sisi, bevor er selbst ins Rennen ging (FH 4.2.2019).

Kritische Äußerungen über Ägypten und politische Kommentare, auch in den sozialen Medien, können unter anderem als strafbare Beleidigung und Diffamierung Ägyptens oder des Staatspräsidenten bzw. als strafbares „Verbreiten falscher Gerüchte“ angesehen werden und eine Strafverfolgung nach sich ziehen (AA 1.7.2019). Bereits im Jänner 2018 verstärkten die Behörden das Vorgehen gegen Dissens und verhafteten willkürlich mindestens 113 Personen, nur, weil sie friedlich ihre Meinung äußerten. Unter den Verhafteten befanden sich viele hochrangige Politiker, die den Präsidenten öffentlich kritisiert oder bei den Präsidentschaftswahlen gegen ihn kandidiert hatten. Sami Anan, der ehemalige Stabschef des Militärs, wurde im Jänner 2018 verhaftet, nachdem er seine Kandidatur angekündigt hatte. Abdelmonim Aboulfotoh, Gründer der Misr Al-Qawia-Partei, wurde im Feber 2018 in Bezug auf von ihm gegebene Medieninterviews verhaftet. Im April 2018 verurteilte ein Militärgericht Hisham Genina, den ehemaligen obersten Wirtschaftsprüfer Ägyptens, zu fünf Jahren Gefängnis, nachdem er den Präsidenten in einem Medieninterview kritisiert hatte. Im Oktober 2018 bestätigte ein Gericht eine Bewährungsstrafe von drei Monaten wegen "öffentlicher Unsittlichkeit" gegen den ehemaligen Präsidentschaftskandidaten Khalid Ali und disqualifizierte ihn damit erneut von der Kandidatur (AI 26.2.2019). Die Wahl wurde durch eine geringe Wahlbeteiligung, die Nutzung staatlicher Ressourcen und Medien zur Unterstützung der Kandidatur von Al-Sisi, Einschüchterung der Wähler und Stimmenkauf beeinträchtigt. Die Wahlkommission drohte Nichtwählern mit Geldstrafen, um die Wahlbeteiligung zu erhöhen (FH 4.2.2019).

Im Feber 2019 verabschiedeten Parlamentarier in Ägypten eine Reihe von Verfassungsänderungen, welche die Macht des Präsidenten konsolidieren und gleichzeitig das Militär als die ultimative Autorität des Landes wiederherstellen soll (TI 23.2.2019). Die im April 2019in Kraft getretenen Verfassungsänderungen eröffneten mit einer Spezialklausel dem Staatspräsidenten die Möglichkeit, über die gegenwärtig festgelegten zwei Amtsperioden hinaus bis 2030 im Amt zu bleiben. Zudem sehen diese Verfassungsänderungen erhebliche Eingriffe in die Gewaltenteilung und eine weitere Stärkung der Kontrolle des Militärs über das zivile Leben vor (AA 24.6.2019a). Die vorgeschlagenen Änderungen würden die Amtszeit des Präsidenten von vier auf sechs Jahre verlängern. Präsident Sisi sollte im Jahr 2022 zurücktreten (TI 23.2.2019). Seit Amtsantritt setzt Präsident Al-Sisi den Schwerpunkt auf Reformen im Wirtschaftsbereich, um Ägypten aus der Krise zu führen (ÖB 1.2019). Arbeitsschwerpunkte der ägyptischen Regierung unter Ministerpräsident Mustafa Madbouly bleiben Stabilitätserhalt und Wirtschaftsförderung. Mit der „Egypt Vision 2030“ legte die ägyptische Regierung einen ambitionierten Entwicklungsplan vor, der sich auch an den internationalen Zielen für nachhaltige Entwicklung (SDGs) orientiert (AA 24.6.2019a). Nach Zuspitzung der Wirtschaftskrise (u.a. akuter Devisenmangel) wurden im Herbst2016 im Rahmen eines vom IWF gestützten Reformprogramms der ägyptischen Regierung die Wechselkurse freigegeben und schrittweise Subventionskürzungen (Strom, Treibstoff) vorgenommen. Das Reformprogramm zeigt mittlerweile deutliche Erfolge und Verbesserungen beiden wirtschaftlichen Eckdaten, birgt aber auch weiterhin die Gefahr sozioökonomisch bedingter Unruhen, da Maßnahmen kurz- bis mittelfristig eine starke Belastung für die Bevölkerung darstellen (starker Anstieg der Inflation und Verlust von Arbeitsplätzen) (ÖB 1.2019). Durch die Preiserhöhung kam es sporadisch zu kleinen Protesten, die von der Polizei unterdrückt wurden. Die Polizei reagierte mit Härte auf die friedlich gegen Sparmaßnahmen protestierenden Demonstranten (AI 26.2.2019).

Ein neues Gesetz, das im Juli 2018 verabschiedet wurde, erlaubt es dem Präsidenten, hochrangige Führer der Streitkräfte zu benennen, die er für begangene Vergehen vor Strafverfolgung schützen will. Der Zeitraum umfasst den 14.8.2013, als die Sicherheitskräfte und die Armee während der Auflösung der Sitzblockaden (Sit-ins) von Rabaa al-Adawiya und Nahda an einem einzigen Tag bis zu 1.000 Menschen töteten (AI 26.2.2019). Die vorgeschlagenen Änderungen würden auch die Rechtsstaatlichkeit und die Aufsicht über die Exekutive untergraben. Das Militär würde "Hüter des Staates" werden. Die Änderungen würden auch zur Auflösung der Nationalen Medienbehörde führen (TI 23.2.2019).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt Deutschland (1.7.2019): Ägypten - Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung), https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/aegypten-node/aegyptensicherheit/212622, Zugriff 1.7.2019

-        AA - Auswärtiges Amt Deutschland (24.6.2019a): Ägypten - Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/aegypten-node/-/212652, Zugriff 1.7.2019

-        AA - Auswärtiges Amt Deutschland (22.2.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Ägypten (Stand Januar 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/1458483/4598_1551702084_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-aegypten-stand-januar-2019-22-02-2019.pdf, Zugriff 1.7.2019

-        AI - Amnesty International (26.2.2019): Human rights in the Middle East and North Africa: Review of 2018 – Egypt, https://www.ecoi.net/en/file/local/2003690/MDE1299162019ENGLISH.pdf, Zugriff 1.7.2019

-        BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Deutschland (24.6.2019): Briefing Notes 24.Juni 2019, Zugriff 9.7.2019

-        FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019: Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2006365.html, Zugriff 1.7.2019

-        GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (12.2018): Ägypten - Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/aegypten/geschichte-staat/, Zugriff 1.7.2019

-        ÖB - Österreichische Botschaft Kairo (1.2019): Asylländerbericht Ägypten, https://www.ecoi.net/en/file/local/2002309/ALB+%C3%84gypten+2018.pdf, Zugriff 1.7.2019

-        TI - Transparency International (13.2.2019): The alarming message of Egypt’s constitutional amendments, https://www.transparency.org/news/feature/the_alarming_message_of_egypts_constitutional_amendments, Zugriff 5.7.2019

Sicherheitslage

Die terroristische Bedrohung ist auf ägyptischem Gebiet chronisch (FD 1.7.2019b). Es besteht landesweit weiterhin ein erhöhtes Risiko terroristischer Anschläge. Diese richten sich meist gegenägyptische Sicherheitsbehörden, vereinzelt aber auch gegen ausländische Ziele und Staatsbürger (AA 1.7.2019; vgl. FD 1.7.2019a). Das Risiko besteht auch bei politischen Kundgebungen, Demonstrationen und religiösen Veranstaltungen in Ballungsräumen. Insbesondere bei christlich-orthodoxen Feiertagen ist in der Umgebung von christlichen Einrichtungen erhöhte Vorsicht geboten (BMEIA 1.7.2019). Nach der Zündung eines Sprengkörpers am 19.5.2019 in Gizeh wird empfohlen wachsam zu sein und starkfrequentierte Bereiche zu meiden (FD 1.7.2019a). In den letzten Jahren wurden mehrere Terroranschläge verübt. Nach einer Reihe von Anschlägen wurde im April 2017 für drei Monate der landesweite Ausnahmezustand ausgerufen. Dieser wird seitdem regelmäßig alle drei Monateverlängert (AA 1.7.2019; AI 26.2.2019; vgl. FD 1.7.2019). Die Maßnahme geht mit erhöhten Eingriffsbefugnissen für Sicherheitskräfte und Militär einher. Es kommt vor allem nachts zu verstärkten Kontrollen durch Sicherheitskräfte (AA 1.7.2019). Zu Demonstrationen kommt es seit der Wahl von Staatspräsident Al-Sisi im Mai 2014 kaum noch (AA 1.7.2019). Es kam auch zu einem erneuten religiös motivierten Angriff, auf einen koptischen Pilgerbus in Minya, bei dem 29 Menschen getötet wurden (FD 1.7.2019).

Seit 2016 ist es wiederholt zu Anschlägen auf koptische Christen und koptische Kirchen gekommen. Dabei gab es zahlreiche Tote und Verletzte (AA 1.7.2019). Am 28.12.2018 wurden bei der Aktivierung eines Sprengsatzes in der Nähe der Pyramiden von Gizeh vier Menschen getötet. Am 15.2.2019 versuchten die Sicherheitskräfte, drei in Kairo gefundene Sprengsätze zu entschärfen, von denen einer explodierte. Am 18.2.2019 tötete eine Person mit einem Sprengstoffgürtel drei Menschen (FD 1.7.2019b). Vor Reisen in den Norden der Sinai-Halbinsel und das ägyptisch-israelische Grenzgebiet wird gewarnt (AA 1.7.2019). Am 9.2.2019 begann die ägyptische Armee ihre umfassende Operation „Sinai 2018“ gegen militante Islamisten auf der Sinai Halbinsel (AA 24.6.2019a; AI 26.2.2019).

Es kam zu Angriffen auf Touristen am Strand und in Hotels. Ein besonders schwerer terroristischer Anschlag nach dem Freitagsgebet in einer Moschee im November 2017 im Dorf Bir el Abed im Nord-Sinai forderte mehr als 300 Menschenleben (AA 1.7.2019; vgl. AA 24.6.2019a; FD 1.7.2019b) und zahlreiche weitere verletzt (AA 1.7.2019). Bereits im August 2013 wurde im Gouvernorat Nordsinai der Ausnahmezustand verhängt und seitdem immer wieder verlängert. Es gilt auch eine nächtliche Ausgangssperre (AA 1.7.2019). Bereits Im April 2017 wurden in Folge von Anschlägen auf zwei Kirchen in Alexandria und Tanta 45 Menschen getötet und über 100 verletzt. Die Terrororganisation „Islamischer Staat“ hat sich zu den Anschlägen bekannt. Staatspräsident Al-Sisi verhängte einen Tag später den Ausnahmezustand, der seitdem alle drei Monate verlängert wurde. Die Politik der Härte und des permanenten Ausnahmezustands hat die Terrorgefahr jedoch nichtbeseitigen können (AA 24.6.2019a). Das Österreichische Außenministerium ruft für den Nordsinai ein partielles Sicherheitsrisiko (Sicherheitsstufe 5) aus wie auch für die Saharagebiete an den Grenzen zu Libyen (einschließlich Mittelmeergebiet) und zum Sudan (BMEIA 1.7.2019).

Hohes Sicherheitsrisiko (Sicherheitsstufe 3) besteht in den restlichen Gebieten der Sinai-Halbinsel, inklusive der Ostküste im Bereich von Nuweiba bis Taba sowie auch für das Innere des Südsinai (BMEIA 1.7.2019). Es kommt auch weiterhin zu terroristischen Anschlägen, zuletzt am 2.11.2018 in der ägyptischen Provinz Minya, wo sieben koptische Pilger starben, und am 28.12.2018 sowie am 19.5.2019 in der Nähe der Pyramiden von Gizeh, wo ausländische Touristen zu Tode kamen oderverletzt wurden (AA 24.6.2019a). Am 24.6.2019 kam es auf dem Sinai zu einem Gefecht zwischen der Armee und Kämpfern des Islamischen Staates (IS). Laut Auskunft des Innenministeriums seien dabei sieben Polizisten und vier Kämpfer des IS getötet worden (BAMF 1.7.2019). Vor Reisen in entlegene Gebiete der Sahara einschließlich der Grenzgebiete zu Libyen und Sudanwird gewarnt (AA 1.7.2019). Die ägyptischen Behörden haben die Grenzregionen zu Libyen und zum Sudan zu Sperrgebieten erklärt (AA 1.7.2019). Minenfelder sind häufig unzureichend gekennzeichnet, insbesondere auf dem Sinai, in einigen nicht erschlossenen Küstenbereichen des Roten Meeres, am nicht erschlossenen Mittelmeerküstenstreifen westlich von El Alamein und in Grenzregionen zu Sudan und Libyen (AA 1.7.2019).

Die Kriminalitätsrate ist in Ägypten vergleichsweise niedrig. Kleinkriminalität wie Taschendiebstähle und auch vereinzelte Übergriffe speziell auf Frauen haben etwas zugenommen (AA 1.7.2019).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt Deutschland (1.7.2019): Ägypten - Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung), https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/aegypten-node/aegyptensicherheit/212622, Zugriff 1.7.3019

-        BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Deutschland (1.7.2019): Briefing Notes 1 Juli 2019, Zugriff 1.7.2019

-        AA - Auswärtiges Amt Deutschland (24.6.2019a): Ägypten - Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/aegypten-node/-/212652, Zugriff1.7.2019

-        AI - Amnesty International (26.2.2019): Human rights in the Middle East and North Africa: Review of 2018 – Egypt, https://www.ecoi.net/en/file/local/2003690/MDE1299162019ENGLISH.pdf, Zugriff 1.7.2019

-        BMEIA - Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres (1.7.2019): Reiseinformation, Ägypten - Sicherheit & Kriminalität, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/aegypten/, Zugriff 1.7.2019

-        FD - France diplomatique (1.7.2019a): Egypte - Dernière minute, https://www.diplomatie.gouv.fr/fr/conseils-aux-voyageurs/conseils-par-pays-destination/egypte/, Zugriff 1.7.2019

-        FD - France diplomatique (1.7.2019b): Egypte - Sécurité, https://www.diplomatie.gouv.fr/fr/conseils-aux-voyageurs/conseils-par-pays-destination/egypte/#securite, Zugriff 1.7.2019

Sicherheitsbehörden

Die primären Sicherheitskräfte des Innenministeriums sind die Polizei und die Zentralen Sicherheitskräfte. Die Polizei ist für die Strafverfolgung bundesweit verantwortlich. Die Zentralen Sicherheitskräfte sorgen für die Sicherheit der Infrastruktur und wichtigen in- und ausländischen Beamten. Zivile Behörden behielten die wirksame Kontrolle über die Sicherheitskräfte bei (USDOS 13.3.2019). Lang andauernde Haft ohne Anklage ist auf Veranlassung der Sicherheitsbehörden weit verbreitet. Urteile in politisch motivierten Verfahren basieren in der Regel nicht auf rechtsstaatlichen Grundsätzen. Die Zahl solcher Fälle ist zuletzt im Zuge der verstärkten Repression gegen die politische Opposition stark angestiegen (AA 22.2.2019).

In den meisten Fällen hat die Regierung Vorwürfe von Menschenrechtsverletzungen, die zu einem Umfeld der Straflosigkeit beitragen, nichtumfassend untersucht. Die Regierung verfügt nicht über wirksame Mechanismen zur Untersuchung und Bestrafung von Missbrauch. Die offizielle Straffreiheit bleibt ein Problem (USDOS 13.3.2019).

Militär und Sicherheitsbehörden nehmen im Staatsgefüge eine dominierende Position ein und verfügen über weitreichende Befugnisse und Einflussmöglichkeiten. Gerade auf dem Gebiet der begrifflich sehr weit verstandenen Terrorismusbekämpfung sind die Sicherheitsbehörden der Kontrolle durch die Justiz und andere Verfassungsorgane weitgehend entzogen. Polizei und Staatsschutz (National Security Services) sind formal getrennt, unterstehen jedoch gemeinsam dem Innenministerium (AA 22.2.2019).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt Deutschland (22.2.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Ägypten (Stand Januar 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/1458483/4598_1551702084_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-aegypten-stand-januar-2019-22-02-2019.pdf, Zugriff 1.7.2019

-        USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 – Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004258.html, Zugriff 2.7.2019

Allgemeine Menschenrechtslage

Die Lage der Menschenrechte ist besorgniserregend (AA 24.6.2019a). Die im Januar 2014angenommene Verfassung enthält einen im Vergleich zu früheren Verfassungen erweiterten Grundrechtskatalog, der sowohl bürgerlich-politische wie auch wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte umfasst. Viele dieser Grundrechte stehen jedoch unter einem einfachen Gesetzesvorbehalt. In der Praxis werden diese Rechte immer weiter eingeschränkt, vor allem bürgerlich-politische Rechte. Allerdings hat Ägypten den Kernbestand internationaler Menschenrechtsübereinkommen ratifiziert, so etwa den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte, den Pakt über wirtschaftliche und soziale Rechte, die Konvention zur Beseitigung aller Formen der Diskriminierung von Frauen, die UN-Folterkonvention und die UN-Behindertenrechtskonvention, wie auch das Übereinkommen über die Rechte des Kindes. Erhebliche Vorbehalte zu diesen Instrumenten betreffen unter anderem Bestimmungen betreffend die Gleichstellung von Mann und Frau vor dem Hintergrund islamischen Rechts (Scharia-Vorbehalt) (AA 22.2.2018).

Obwohl Ägypten alle wichtigen internationalen Menschenrechtskonventionen unterzeichnete und Personen- und Freiheitsrechte in der Verfassung geschützt sind, wurde und wird das Landregelmäßig wegen Menschenrechtsverletzungen stark kritisiert. Internationale Menschenrechtsorganisationen sowie viele der über 30 ägyptischen Menschenrechtsorganisationen veröffentlichen regelmäßig englisch- und arabischsprachige Berichte zur Menschenrechtslage in Ägypten, darunter die Egyptian Organization for Human Rights EOHR, das Nadim Zentrum für Gewaltopfer, die Egyptian Initiative for Personal Rights EIPR und das Budgetary and Human Rights Observatory (GIZ 12.2018). Das Ausmaß der ägyptischen Menschenrechtskrise weitete sich aus, da die Behörden Gegner, Kritiker, Satiriker, aktuelle und ehemalige Menschenrechts- und Arbeitsrechtsaktivisten, Journalisten, Präsidentschaftskandidaten und Überlebende sexueller Belästigung verhafteten. Die Behörden nutzten die verlängerte Untersuchungshaft, um Gegner zu inhaftieren, und schränkten und schikanierten zivilgesellschaftliche Organisationen und deren Mitarbeiter ein. Die Behördenwandten Einzelhaft, Folter und weitere Arten von Misshandlungen an und ließen Hunderte von Menschen ungestraft verschwinden. Untersuchungen von Fällen außergerichtlicher Hinrichtungen wurden unterlassen. Zivil- und Militärgerichte erließen nach unfairen Prozessen Massenurteile und verurteilten Hunderte von Menschen zum Tode. Menschen wurden aufgrund ihrer tatsächlichen oder wahrgenommenen sexuellen Orientierung verhaftet. Die Behörden hinderten Christen daran, ihren Glauben frei auszuüben, und verabsäumten es, die Verantwortlichen für sektiererische Gewalt zur Verantwortung zu ziehen. Die Streitkräfte setzten bei einer laufenden Militäroperation im Sinai verbotene Streubomben ein (AI 26.2.2019).

Die bedeutendsten Menschenrechtsprobleme waren der übermäßige Einsatz von Gewalt durch Sicherheitskräfte, Defizite in ordentlichen Gerichtsverfahren und die Unterdrückung der bürgerlichen Freiheiten. Übermäßiger Einsatz von Gewalt umfasste rechtswidrige Tötungen und Folter. Zu den prozessbedingten Problemen gehörten die übermäßige Verwendung von präventiver Haft und Untersuchungshaft. Das Problemfeld bei den bürgerlichen Freiheiten beinhaltet gesellschaftliche und staatliche Beschränkungen der Meinungs- und Medienfreiheit, sowie der Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit. Andere Menschenrechtsprobleme beinhalteten das Verschwindenlassen, harte Gefängnisbedingungen, willkürliche Verhaftungen, eine Justiz, di ein einigen Fällen zu Ergebnissen kam, die nicht durch öffentlich zugängliche Beweise gestützt wurden oder die politische Motivationen zu reflektieren schienen, Straflosigkeit für Sicherheitskräfte, Begrenzung der Religionsfreiheit, Korruption, Gewalt, Belästigung und gesellschaftliche Diskriminierung von Frauen und Mädchen, einschließlich weiblicher Genitalverstümmelung, Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen, Menschenhandel, gesellschaftliche Diskriminierung religiöser Minderheiten, Diskriminierung und Verhaftungen auf der Grundlage sexueller Orientierung (USDOS 13.3.2019).Weiters gibt es glaubhafte Berichte über Folter und Misshandlungen auch mit Todesfolge in Haftanstalten der Staatssicherheit und Polizeistationen. Die Todesstrafe kommt unter Staatspräsident Al-Sisi wieder verstärkt zur Anwendung und wird seit Dezember 2017 auch vermehrt vollstreckt. Im Namen der Terrorismusbekämpfung und Sicherung der Stabilität geht die staatliche Repression mit erheblichen Verletzungen grundlegender Menschenrechte einher (AA 24.6.2019a).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt Deutschland (24.6.2019a): Ägypten - Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/aegypten-node/-/212652, Zugriff 11.7.2019

-        AA - Auswärtiges Amt Deutschland (22.2.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Ägypten (Stand Januar 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/1458483/4598_1551702084_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-aegypten-stand-januar-2019-22-02-2019.pdf, Zugriff 11.7.2019

-        AI - Amnesty International (26.2.2019): Human rights in the Middle East and North Africa: Review of 2018 – Egypt, https://www.ecoi.net/en/file/local/2003690/MDE1299162019ENGLISH.pdf, Zugriff 11.7.2019

-        GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (12.2018): Ägypten - Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/aegypten/geschichte-staat/, Zugriff 11.7.2019

-        USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 – Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004258.html, Zugriff 11.7.2019

Bewegungsfreiheit

Das Gesetz sieht die Bewegungsfreiheit im Inland, Auslandsreisen, Auswanderung und Wiedereinbürgerung vor. Zudem darf laut Verfassung kein Bürger daran gehindert werden, das Staatsgebiet zu verlassen. Dennoch dürfen Männer, die den Wehrdienst nicht absolviert und keine Ausnahmegenehmigung erhalten haben, nicht ins Ausland reisen oder auswandern. Nationale Personalausweise belegen den Abschluss des Militärdienstes (USDOS 13.3.2019).

Die Behörden verlangten sporadisch von Bürgern im Alter von 18 bis 40 Jahren, eine Erlaubnis des Innenministeriums, um in bestimmte Länder zu reisen, um so den Beitritt zu terroristischen Gruppen zu erschweren und die Flucht von Kriminellen zu verhindern (USDOS 13.3.2019).

Die Regierung verhängte zunehmend Reiseverbote für Menschenrechtsverteidiger und politische Aktivisten, die wegen Straftaten angeklagt oder untersucht wurden. Weiters gibt es kein von der Regierung auferlegtes Exil, und die Verfassung verbietet der Regierung, Bürger auszuweisen oder Bürgern die Rückkehr ins Land zu verbieten. Einige Politiker leben freiwillig außerhalb des Landes, da sie von der Regierung mit Strafverfolgung bedroht wurden (USDOS 13.3.2019).

Quellen:

-        USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices2018 – Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004258.html, Zugriff 9.7.2019

Meldewesen

Für ägyptische Staatsangehörige besteht keine zentrale Meldepflicht. Bei Forderungen gegen unbekannt verzogene ägyptische Staatsangehörige ist daher der Versuch einer Aufenthaltsermittlung nahezu aussichtslos (DBK 3.2014).

Quellen:

-        DBK - Deutsche Botschaft Kairo (03.2014): Rechtsverfolgung in Ägypten in Zivil- und Handelssachen, https://www.kairo.diplo.de/contentblob/4044670/Daten/4042325/rk_merkblatt_rechtsverfolgung.pdf, Zugriff 9.7.2019

Grundversorgung

Subventionen zur Absicherung der Grundversorgung der ägyptischen Bevölkerung haben eine lange Tradition und zehren einen erheblichen Teil des Staatshaushaltes auf. Daran ändert auch das mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) vereinbarte Reformprogramm, das Kürzungen der staatlichen Subventionen für Elektrizität, Treibstoff, aber auch für Brotgetreide einschließt, nichts. So wurde z.B. nach Kürzung von Subventionen im Sommer 2017 und damit verbundenen Preissteigerungen die Zahl der Berechtigten für Lebensmittelkarten erhöht (bisher schon ca. 70Mio. Personen) und auch der Umfang der über diese Karten zu beziehenden Güter nochmals ausgedehnt. Nicht-Ägypter haben nach hiesiger Kenntnis keinen Zugang zu diesem System (AA 22.2.2019). Im Rahmen des mit dem IWF verhandelten Reformprogramms versucht die Regierung, den notwendigen Strukturwandel in die Wege zu leiten. Das Wirtschaftswachstum lag 2017 bei 4,2 % und 2018 bei 5,3 %. Subventionen für Benzin, Diesel und Elektrizität werden von der Regierung sukzessive reduziert. Bis Juni 2021 ist eine vollständige Eliminierung aller Energiesubventionen vorgesehen (AA 24.6.2019c).

Ein weiteres Instrument der sozialen Sicherung liegt im Mietrecht begründet. Für einen Großteil von Mietverträgen, die in den 1950er und 1960er Jahren geschlossen wurden und seitdem innerhalb der Großfamilie weitergegeben wurden, gilt noch eine Mietpreisbindung, die im Altbestand zu teilweise grotesk niedrigen Mieten führt. Für neue Verträge seit ca. 1990 gelten ohnehin die Gesetze des Marktes. Im Rahmen der Erschließung von Wüstenregionen wird ein gewisser Prozentsatz an Land und Wohnungen an arme Bevölkerungsteile verlost (AA 22.2.2019). Im Rahmen von zwei Sozialhilfeprogrammen KARAMA und TAKAFUL werden zudem verstärkte Schritte für eine gezielte Unterstützung der Ärmsten vorgenommen. Das Karama Projekt sieht monatliche Geldleistungen im Umfang von 40-80 USD an die Ärmsten der Armen sowie an ältere Menschen und Behinderte vor. Das konditionierte Takaful Projekt zielt auf die finanzielle Unterstützung von Familien mit Kindern ab, vorausgesetzt diese besuchen regelmäßig eine Schule (AA 22.2.2019).

Darüber hinaus existiert ein zwar in seiner Leistungsfähigkeit beschränktes, aber funktionierendes Sozialversicherungssystem, welches Arbeitslosen-, Kranken-, Renten- und Unfallversicherungselemente enthält und von Arbeitgebern und Arbeitnehmern gemeinsam bezahlt wird. Die größten Probleme ergeben sich hier aus relativ geringen tatsächlichen Auszahlungen und der Nichterfassung der großen Anzahl an Personen ohne formelle Erwerbsaktivitäten (informeller Sektor) bzw. solche die arbeitslos sind. Einen erheblichen Beitrag zur sozialen Sicherung leistenkaritative Einrichtungen, vornehmlich auf religiöser Basis und finanziert aus Spenden und wohltätigen Stiftungen (AA 22.2.2019). Formale staatliche Institutionen für die Aufnahme von Rückkehrern sind hier nicht bekannt. Subventionsabbau droht – trotz langsam sinkender Inflation und sozialen Gegenmaßnahmen der Regierung die wirtschaftliche Situation vor allem der armen Segmente der Gesellschaft weiter zu verschlechtern. Bisher hat sich der latent in der Bevölkerung vorhandene Unmut nur punktuell manifestiert. Viel wird davon abhängen, wie schnell eine wirtschaftliche Erholung auch diese Schichten erfasst. Daneben zeichnet sich ab, dass Militär und auch Sicherheitsdienste in sozialen Bereichen, beispielsweise in der Verteilung von Lebensmitteln, einspringen und staatliche Aufgaben verstärkt substituieren (AA 22.2.2019).

Ägypten ist das nach Südafrika am stärksten industrialisierte Land Afrikas. Die Landwirtschaft spielt eine erhebliche Rolle. Der große informelle Sektor (v.a. Dienstleistungen; Schätzungen gehen von 30-40 % des BIP aus) nimmt zudem einen Großteil der Arbeitskräfte auf. Bei einem Netto-Bevölkerungswachstum von jährlich rund 2,5 Millionen Menschen ist die Arbeitslosigkeit und insbesondere Jugendarbeitslosigkeit besonders hoch (offiziell wird die Jugendarbeitslosigkeit mit 28 % angegeben, Schätzungen gehen von höheren Zahlen aus). Ägypten hat ein großes Interesse an ausländischen Direktinvestitionen und fördert diese gezielt. Zahlreiche Handelshemmnisse und Bürokratie schrecken potenzielle Investoren jedoch ab. Staatliche Unternehmen sowie das ägyptische Militär spielen im Wirtschaftsleben eine starke Rolle. Jeder dritte Ägypter ist in der Landwirtschaft beschäftigt. Die landwirtschaftliche Nutzfläche erstreckt sich vor allem entlang des Nils sowie im Nildelta, macht aber nur rund 4 % der Gesamtfläche des Landes aus (AA 24.6.2019c).

Der Dienstleistungssektor absorbiert einen erheblichen Teil der Erwerbstätigen und erwirtschaftet große Teile des Bruttoinlandsproduktes. Einen maßgeblichen Beitrag leistet hierbei der Tourismusbereich (AA 24.6.2019c). Der Dienstleistungssektor ist der größte Wirtschaftssektor (GIZ 9.2018c). Er bietet rund 50 % der ägyptischen Arbeitskräfte eine Beschäftigung und trägt mit rund 49 % etwa die Hälfte zum BIP bei (GIZ 9.2018c). Ein schwer zu erfassender und vermutlich erheblicher Teil des Dienstleistungsbereichs arbeitet informell (AA 24.6.2019c). Nach einer Studie der staatlichen Statistikbehörde CAPMAS gibt eine ägyptische Durchschnittsfamilie rund 40 % ihres Einkommens nur für Nahrungsmittel aus, Familien ausärmeren Schichten bis zu 63 %. Die Einkommensverteilung hat sich in den letzten drei Jahrzehnten immer stärker zuungunsten der unteren Einkommensschichten entwickelt. Die meisten Ägypter verdienen jedoch wesentlich weniger als die Durchschnittslöhne und nur 60 % aller Lohnabhängigen haben überhaupt geregeltes Einkommen. Die dramatischen Preiserhöhungen für Grundlebensmittel in den letzten Jahren verschärften den Kaufkraftverlust und trafen vor allem die unteren Einkommensschichten, die nach Angaben von CAPMAS mehr als die Hälfte ihres Einkommens für Nahrungsmittel ausgeben (GIZ 9.2018). Die staatlichen Maßnahmen zur Armutsbekämpfung werden heute weithin als unzulänglich kritisiert. Sie bestehen im Wesentlichen aus nicht zielgruppenorientierten Subventionen für Grundnahrungsmittel und Energie, extrem niedrigen Sozialhilfe- und Pensionszahlungen für bestimmte Bevölkerungsgruppen sowie Kredit-, und Entwicklungsprogrammen des Sozialfonds für Entwicklung (SfD), die jedoch weit hinter dem Bedarf zurückbleiben (GIZ 9.2018).

Die Armutsquote (2016/17) ist auf 27 % gestiegen (die höchste seit 2000). Über 10 Millionen Menschen in Ägypten haben weniger als 1 $ am Tag zur Verfügung. Rund 12,5 % der Bevölkerung sind arbeitslos und ca. 17 % der Familien werden von Frauenarbeit (im informellen Sektor) unterstützt (GIZ 9.2018).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt Deutschland (24.6.2019c): Ägypten: Wirtschaft, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/aegypten-node/wirtschaft-/212624, Zugriff 9.7.2019

-        AA - Auswärtiges Amt Deutschland (22.2.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Ägypten (Stand Januar 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/1458483/4598_1551702084_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-aegypten-stand-januar-2019-22-02-2019.pdf, Zugriff 9.7.2019

-        GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (9.2018): Ägypten - Wirtschaft & Entwicklung, https://www.liportal.de/aegypten/wirtschaft-entwicklung/, Zugriff 9.7.2019

Medizinische Versorgung

In Kairo ist eine ausreichende Versorgung gewährleistet. Die medizinische Versorgung außerhalb Kairos hat sich in den letzten Jahren zwar deutlich verbessert, dennoch entspricht sie nach wie vor oft nicht westeuropäischem Standard (AA 9.7.2019). Es kommt zu gravierenden Qualitätsmängel in der staatlichen Versorgung - mangelnde Hygiene oder vernachlässigte Wartung von Geräten ebenso wie unterbezahltes Personal (GIZ 2.2018). Das grundlegend funktionierende Sozialversicherungssystem mit Elementen der Kranken- und Unfallversicherung ist eingeschränkt leistungsfähig. Eine minimale kostenlose Grundversorgung ist gegeben. Notfälle werden behandelt; die Grundversorgung chronischer Krankheiten ist minimal und oft nur mit Zuzahlungen gegeben (AA 22.2.2019).

Der Großteil der ägyptischen Bevölkerung ist über den Staat versichert. Problematisch ist, dass diese Versicherung an Ausbildung oder Arbeitsplatz gekoppelt ist, und Arbeitslose oder Arme daher ausschließt (GIZ 2.2018). Aktuell soll ein neuer Gesetzesentwurf das Problem angehen und eine adäquate Krankenversicherung schrittweise auf alle Bevölkerungsgruppen ausdehnen (GIZ 2.2018). Ein Gesetz über umfassende Gesundheitsvorsorge wurde im Herbst 2017 verabschiedet, aber dessen Finanzierung ist noch nicht abschließend geregelt. Es gibt im Großraum Kairo über 100 staatliche Krankenhäuser, u. a. die Uni-Kliniken Kasr El Aini und Ain Shams. Die Versorgung mit Medikamenten im örtlichen Markt ist ausreichend. Importe werden staatlich kontrolliert (AA22.2.2019).

Im September 2017 kam es zum ersten Ausbruch von Dengue-Fieber am Roten Meer (Alquaseer) seit mehreren Jahren. Inzwischen wurden auch Fälle aus Hurghada gemeldet (AA 9.7.2019).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt Deutschland (9.7.2019): Ägypten: Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung), https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/aegypten-node/aegyptensicherheit/212622#content_5, Zugriff 9.7.2019

-        AA - Auswärtiges Amt Deutschland (22.2.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Ägypten (Stand Januar 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/1458483/4598_1551702084_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-aegypten-stand-januar-2019-22-02-2019.pdf, Zugriff 9.7.2019

-        GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (2.2018): Liportal, Ägypten – Gesellschaft, https://www.liportal.de/aegypten/gesellschaft/, Zugriff 9.7.2019

Rückkehr

Es gibt keine gesonderten Aufnahmeeinrichtungen. Zur Situation von Rückkehrern liegen keine Erkenntnisse vor. Staatliche Maßnahmen als Reaktion auf Asylanträge im Ausland sind nicht bekannt. Formale staatliche Institutionen für die Aufnahme von Rückkehrern sind nicht bekannt (AA 22.2.2019).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt Deutschland (22.2.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Ägypten (Stand Januar 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/1458483/4598_1551702084_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-aegypten-stand-januar-2019-22-02-2019.pdf, Zugriff 9.7.2019

Dokumente

Total gefälschte Reisedokumente bzw. Personenstandsurkunden sind ohne größere Schwierigkeiten auf dem Schwarzmarkt zu erlangen. Gleiches gilt für echte Dokumente mit zweifelhafter Beweiskraft (AA 22.2.2019).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt Deutschland (22.2.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Ägypten (Stand Januar 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/1458483/4598_1551702084_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-aegypten-stand-januar-2019-22-02-2019.pdf, Zugriff 9.7.2019

COVID-19-Pandemie

COVID-19 ist eine durch das Corona-Virus SARS-CoV-2 verursachte Viruserkrankung, die erstmals im Jahr 2019 in Wuhan/China festgestellt wurde und sich seither weltweit verbreitet. In Österreich gibt es mit Stand 22.12.2020, 10:00 Uhr, 340.373 bestätigte Fälle von mit dem Corona-Virus infizierter Personen und 5.435 Todesfälle. In Ägypten wurden bislang 126.273 Infektionen bestätigt, davon sind 107.162 Personen bereits wieder genesen, 7.130 Personen sind gestorben (Stand: 22.12.2020, 10:00 Uhr). In Relation zur Einwohnerzahl liegt die Infektions- sowie die Sterberate in Ägypten somit prozentual deutlich unter jener von Österreich.

Nach dem aktuellen Stand verläuft die Viruserkrankung bei ca. 80% der Betroffenen leicht und bei ca. 15% der Betroffenen schwerer, wenn auch nicht lebensbedrohlich. Bei ca. 5% der Betroffenen verläuft die Viruserkrankung derart schwer, dass Lebensgefahr gegeben ist und intensivmedizinische Behandlungsmaßnahmen notwendig sind. Diese sehr schweren Krankheitsverläufe treten am häufigsten in den Risikogruppen der älteren Personen und der Personen mit Vorerkrankungen (wie zB Diabetes, Herzkrankheiten, Immunschwächen, etc.) auf. Dass der Beschwerdeführer derzeit an einer COVID-19-Infektion leiden oder im Hinblick auf eine etwaige Vorerkrankung zu einer vulnerablen Personengruppe gehören würde, wurde nicht vorgebracht. Bei jungen Menschen ohne Schwächung des Immunsystems verläuft eine Infektion mit COVID-19 zudem mit nur geringen Symptomen vergleichbar einer Grippe. Bei Personen in der Altersgruppe bis 39 Jahre ist die Sterblichkeit sehr gering und liegt unter 1%.

Quellen:

-        AGES: FAQ Coronavirus, https://www.ages.at/themen/krankheitserreger/coronavirus/, Zugriff 22.12.2020

-        BMSGPK: Informationen zum Coronavirus, https://www.sozialministerium.at/Informationen-zum-Coronavirus.html, Zugriff 22.12.2020

-        Coronavirus: COVID-19 Fälle in Österreich, https://coronavirus.datenfakten.at/, Zugriff 22.12.2020

-        Google News, https://news.google.com/covid19/map?hl=de&gl=AT&ceid=AT:de; Zugriff 22.12.2020

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Sachverhalt:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung der Angaben des Beschwerdeführers vor dieser und den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, in den bekämpften Bescheid und in den Beschwerdeschriftsatz sowie in die zitierten Länderberichte zu Ägypten.

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des Bundesamtes und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

Ergänzend wurden Auszüge aus dem Informationsverbund zentrales Fremdenregister, dem zentralen Melderegister, dem Hauptverband österreichischer Sozialversicherungsträger, der Betreuungsinformation Grundversorgung und dem Strafregister eingeholt.

2.2. Zur Person des Beschwerdeführers:

Die Identität des Beschwerdeführers steht aufgrund seines im Original in Vorlage gebrachten ägyptischen Reisepasses Nr. XXXX , gültig bis zum 06.07.2019, fest.

Die Feststellungen zu seiner Herkunft, seinen Lebensumständen, seinen Familienverhältnissen in Ägypten, seiner Schulbildung und Berufserfahrung, seiner Volksgruppenzugehörigkeit und seiner Konfession ergeben sich aus den diesbezüglich glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers vor der belangten Behörde und dem Bundesverwaltungsgericht.

Der Familienstand des Beschwerdeführers ergibt sich aus einer in Vorlage gebrachten Scheidungsurkunde.

Die Hepatitis C Erkrankung des Beschwerdeführers ergibt sich aus einem Konvolut an diesbezüglich im Verfahren in Vorlage gebrachten medizinischen Unterlagen. Dass er durch diese Erkrankung nicht beeinträchtigt wird und sich auch nicht in medikamentöser Behandlung befindet, bestätigte er zuletzt selbst in der Beschwerdeverhandlung am 21.12.2020. Auch ist keine Minderung seiner Erwerbsfähigkeit ersichtlich bzw. wurde eine solche auch zu keinem Zeitpunkt vorgebracht. Dass Hepatitis C in Ägypten behandelbar ist, ergibt sich aus einer seitens der belangten Behörde im Administrativverfahren eingeholten Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 21.08.2018. Aus dieser geht u.a. hervor, dass Ägypten sogar über ein nationales Hepatitis-C-Behandlungsprogramm verfügt, nachdem das Land mit mehr als sechs Millionen Infizierten die höchste Prävalenzrate von Hepatitis C weltweit aufweist und die Regierung zudem sicherstellt, dass Medikamente und Behandlungen für alle Patienten entweder zu reduzierten Kosten oder völlig kostenlos zur Verfügung gestellt werden. Auch das seitens des Beschwerdeführers (ausgehend von seinen vorgelegten Befunden) temporär eingenommene Medikament Novalgin bzw. dessen Wirkstoff Metamizole ist in Ägypten laut dieser Anfragebeantwortung verfügbar.

Die erstmalige Einreise des Beschwerdeführers nach Österreich mit einem seitens der Österreichischen Botschaft in Kairo ausgestellten Schengen-Visum der Kategorie C (Touristenvisum) am 10.03.2000 über den Flughafen Wien-Schwechat ergibt sich aus einem betreffenden Visum und Einreisestempel in seinem Reisepass, ebenso wie seine letztmalige Einreise am 16.07.2012.

Seine aufrechten Meldungen in Österreich vom 09.05.2005 bis zum 18.10.2005 sowie vom 06.08.2012 bis zum 18.03.2013 ergeben sich aus einer Abfrage im zentralen Melderegister der Republik, ebenso wie der Umstand, dass er aktuell alleine in einem Haushalt lebt.

Die Feststellungen zum nicht durchgehenden Aufenthalt des Beschwerdeführers in Italien ab dem Jahr 2000 ergeben sich aus seinen diesbezüglich glaubhaften Angaben in einer Zusammenschau mit einem Konvolut an in Vorlage gebrachter Bescheinigungsmittel, insbesondere einem Meldezettel und Lohnzettel in Italien, einem Arbeitsvertrag über Teilzeitarbeit vom 06.05.2005 ("Contratto di lavoro a tempo parziale"), einem Flyer einer Pizzeria, auf welchem der Beschwerdeführer zu sehen ist, einer Urkunde des italienischen Innenministeriums ("Ministero dell'Interno") vom 14.07.2005, aus welcher hervorgeht, dass dem Beschwerdeführer erstmalig vom 14.06.2004 bis zum 06.07.2005 ein Aufenthaltstitel erteilt worden war und nunmehr bis zum 14.06.2007 verlängert werde, sowie seines im Zuge seines Aufgriffs am 01.10.2014 im Original mitgeführten, jüngsten italienischen Aufenthaltstitels ("Permesso di Soggiorno"), gültig vom 14.08.2009 bis zum 13.10.2012 und einer mitgeführten Identitäts-Karte, ausgestellt durch das italienische Wirtschafts- und Finanzministerium ("Ministero dell'Economia e delle Finanze").

Die Feststellungen zum Aufenthalt der beiden Brüder des Beschwerdeführers im Bundesgebiet seit dem Jahr 1998 bzw. 1999 sowie der Umstand, dass es sich bei ihnen um österreichische Staatsangehörige handelt, ergeben sich aus einer Abfrage im zentralen Melderegister der Republik.

Die Feststellungen hinsichtlich der unterfertigten, notariell beglaubigten Haftungserklärung zugunsten des Beschwerdeführers seitens eines seiner Brüder ergeben sich aus einer Vorlage derselben, datiert mit 02.10.2018.

Dass der Beschwerdeführer seinen Lebensunterhalt aus Mitteln der staatlichen Grundversorgung bestreitet, ergibt sich aus einer Abfrage in der Applikation "Betreuungsinformation (Grundversorgung)".

Dass der Beschwerdeführer lediglich aufgrund seines Asylwerberstatus krankenversichert ist, ergibt sich aus einer Abfrage im Hauptverband österreichischer Sozialversicherungsträger, ebenso wie der Umstand, dass er dort lediglich für einen Tag, am 01.10.2014, als Arbeiter aufscheint.

Die drei Einstellungszusagen des Beschwerdeführers ergeben sich aus einer Vorlage dieser, datiert mit 24.03.2017 (als Pizzakoch in einer Pizzeria), mit 27.09.2018 (als Pizzakoch in einer anderen Pizzeria), sowie undatiert (als Geschäftsführer Assistent im Zimmervermietungs-Einzelunternehmen seines Bruders).

Dass der Beschwerdeführer bislang keine Deutsch-Prüfung erfolgreich abgelegt hat, ergibt sich aus seinen diesbezüglich glaubhaften Angaben zuletzt in der Beschwerdeverhandlung am 21.12.2020. Aus einem in Vorlage gebrachten "Prüfungsergebnis" des ÖIF vom 11.11.2020 geht hervor, dass der Beschwerdeführer am 16.10.2020 an einer Integrationsprüfung A2 teilgenommen, diese jedoch nicht bestanden hat. Der Beschwerdeführer trat am Tag nach der Verhandlung erneut zur Prüfung an, das Ergebnis liegt aber noch nicht vor.

Die Tätigkeit des Beschwerdeführers als Trainer in einer ägyptisch geprägten Jugend-Fußballmannschaft ergibt sich aus einem diesbezüglich in Vorlage gebrachten Bestätigungsschreiben des Vereins „ XXXX vom 01.10.2020, überdies aus einem vorgelegten Vereinsmitgliedsausweis und einem Trainerpass des "Österreichischen Kleinfeldfußball Bund".

Die strafgerichtliche Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus einer Abfrage im Strafregister der Republik.

2.3. Zu den Fluchtgründen und zu einer Rückkehrgefährdung des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer begründete seinen verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz im Wesentlichen damit, dass er sich im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen in Ägypten im Jahr 2012 politisch für einen Gegner des späteren Staatspräsidenten Mohammed Mursi engagiert habe. Nachdem zwei Prediger in einer Moschee in seinem Heimatdorf die Leute gegen Mursis Gegner aufgehetzt hätten, habe dies ein befreundeter Polizist des Beschwerdeführers aus seinem Heimatdorf ebenfalls wahrgenommen und habe der Beschwerdeführer diesem ergänzend von dieser Hetze berichtet. Drei Tage später seien die Prediger kurzzeitig festgenommen worden, woraufhin der Beschwerdeführer Probleme mit den Familien der Prediger, welche den Muslimbrüdern zuzurechnen seien, bekommen habe.

Das Bundesverwaltungsgericht gelangt auf Grundlage der ergänzenden Ermittlungen sowie insbesondere aufgrund des unmittelbaren und persönlichen Eindrucks, welcher vom Beschwerdeführer im Rahmen der Beschwerdeverhandlung am 22.12.2020 gewonnen werden konnte, zum Schluss, dass er keine Gefahr einer asylrelevanten Verfolgung glaubhaft machen konnte. Dies aufgrund folgender Erwägungen:

Eingangs ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer zu keinem Zeitpunkt eine konkrete, wie auch immer geartete Bedrohungs- oder Verfolgungshandlung von maßgeblicher Intensität seiner Person gegenüber vorgebracht hat. Einmalig vor dem BFA gab er an, „die Familie der Prediger“ habe zum Vater des Beschwerdeführers gesagt, „dass sie mir den Hals aufschneiden würden, wenn ich wieder herkommen würde“. Auf die konkrete Frage des Einvernahmeleiters, in welcher Weise der Beschwerdeführer denn direkt bedroht worden sei, entgegnete er (Einvernahmeprotokoll 13.03.2017, S 4):

„Andauernd. Mein Vater hat eine Schneiderwerkstatt im Dorf. Das war vor fünf Jahren. Die Leute sagten, ich würde ihnen nicht entkommen. Sie haben auch zu meinem Vater gesagt, sie wissen, dass ich in Alexandria bin. Entweder würden sie dafür sorgen, dass er eingesperrt wird oder sie würden mich töten“.

Das gesamte Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers erschöpft sich in der Behauptung, dass seinem Vater gegenüber – in Abwesenheit des Beschwerdeführers – Drohungen in Bezug auf seine eigene Person ausgesprochen worden seien, wobei es dem Beschwerdeführer ausgehend von seinen Angaben im Verfahren sichtlich schwerfiel, konkret zu benennen, vom wem die behauptete Verfolgungsgefahr denn überhaupt ausgehen würde. Während er zunächst generell auf die Muslimbrüder verwies, sprach er in weiterer Folge von den Familien der kurzzeitig verhafteten Priester und wiederum später nur noch von „den Leuten“.

Auch in der Beschwerdeverhandlung vermochte der Beschwerdeführer keine Verfolgungsgefahr substantiiert darzulegen. Auf die Frage der erkennenden Richterin, wer ihn denn nun konkret in Ägypten verfolge, entgegnete er zunächst völlig ausweichend: „Said Mohammed Mursi ist verstorben“ (Verhandlungsprotokoll S 10), ehe er – nach Wiederholung der Frage – abermals auf die Familien der beiden Prediger verwies und auf einen angeblichen Vorfall, wonach sein Bruder vor vier Monaten auf einem Begräbnis in Ägypten gewesen sei und ihn die Familie von einem der Prediger hierbei nicht begrüßt habe. Auf die Frage der Richterin, ob er denn selbst je konkret bedroht

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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