Entscheidungsdatum
30.12.2020Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
I401 2192156-2/7E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gerhard AUER über die Beschwerde des XXXX , StA. ALGERIEN alias LIBYAN ARAB JAMAHIRIYA, vertreten durch die Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH, Wattgasse 48/3. Stock, 1170 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Steiermark, vom 14.08.2020, Zl.: IFA-Zahl/Verfahrenszahl: XXXX , zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer stellte nach illegaler Einreise in das Bundesgebiet am 28.03.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Bei der an diesem Tag erfolgten Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab er zunächst an, an Depressionen zu leiden, jedoch die Einvernahme machen zu können. Er nehme Medikamente ein. In Irland sei seine Krankheit den Behörden bekannt. Er habe Phasen, in denen er die Kontrolle über sich verliere. Da ihm bekannt sei, dass er nach Irland zurückkehren müsse, wolle er keine Angaben zur Reiseroute machen. Er habe in Ungarn unter Verwendung eines anderen Namens und Angabe der Staatsangehörigkeit Syriens und in Irland einen Asylantrag gestellt. Die Entscheidung in Ungarn habe er nicht abgewartet, das Asylverfahren in Irland, wo er sich für ca. vier Jahre aufgehalten habe, sei noch nicht abgeschlossen. Irland habe er wegen seiner psychischen Probleme verlassen. Befragt zu den Fluchtgründen gab der Beschwerdeführer an, dazu keine Angaben machen zu wollen. Nach Libyen wolle er nicht zurück, weil er Angst vor dem Krieg und dem Tod habe.
2. Bei seiner niederschriftlichen Einvernahme vom 15.02.2018 durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge als Bundesamt bezeichnet) führte der Beschwerdeführer zunächst aus, sich psychisch und physisch in der Lage zu fühlen, Angaben zum Asylverfahren zu machen; es gehe ihm gut. Er stehe derzeit nicht in ärztlicher Behandlung und befinde sich nicht in einer Therapie. Vor drei Jahren habe er Depressionen gehabt. Manchmal nehme er Schlaftabletten ein.
Er sei in Libyen, in Tripolis geboren worden; er habe die libysche Staatsangehörigkeit. Dokumente, welche seine Identität beweisen könnten, habe er nicht. Den Reisepass habe er vor langer Zeit verloren. In Tripolis habe er seit seiner Geburt bis zu seiner Ausreise mit seinen Eltern in einer Eigentumswohnung zusammengelebt.
Die Frage, ob es wirtschaftliche Gründe gewesen seien, warum er seine Heimat verlassen habe, verneinte er, erklärte aber, einfach nach Europa gewollt zu haben.
Noch einmal befragt, aus welchem Grund er hier um Asyl angesucht habe, gab der Beschwerdeführer an, in Österreich leben zu wollen, weil er dieses Land liebe. In Libyen herrsche Bürgerkrieg. Ansonsten habe er keine Probleme in seinem Heimatland gehabt. Das seien seine Fluchtgründe gewesen. Zum Zeitpunkt seiner Ausreise habe es keine konkreten Probleme oder Bedrohungen gegeben; derzeit sei Krieg. Auf die Frage, was den weiteren Verbleib im Heimatland unmöglich gemacht habe, antwortete er, er habe in Europa arbeiten und leben wollen; deswegen sei er ausgereist. Nichts habe seinen weiteren Verbleib in einem anderen Teil seiner Heimat unmöglich gemacht. Bei seiner Rückkehr nach Libyen sei er keinen Gefahren ausgesetzt, aber es gebe in Libyen Krieg, es sei dort gefährlich. Noch einmal befragt, warum er in Österreich einen Asylantrag gestellt habe, erklärte er, hier leben zu wollen.
3. Mit Bescheid vom 12.03.2018 wies das Bundesamt den Antrag des Beschwerdeführers vom 28.03.2015 auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Libyen (Spruchpunkt I. und II.) als unbegründet ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III.), erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.), stellte fest, dass seine Abschiebung nach Libyen zulässig ist (Spruchpunkt V.), gewährte keine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt VI.), erkannte einer Beschwerde gegen diese Entscheidung die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt VII.), erließ gegen ihn ein auf die Dauer von sieben Jahren befristetes Einreiseverbot (Spruchpunkt VIII.) und stellte fest, dass er sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem 30.07.2015 verloren hat (Spruchpunkt IX.).
4. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 24.04.2018, GZ I401 2192156-1/3E, wurde der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) aufgehoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt zurückverwiesen. Das Bundesamt sei von der lybischen Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers ausgegangen, obwohl er keine identitätsbezeugenden Dokumente vorgelegt habe und vor ungarischen Asylbehörden als syrischer Staatsangehöriger aufgetreten sei. Die bloße Feststellung, dass er die arabische Sprache spreche, die in den nordafrikanischen Staaten vorherrschend sei, und vage geografische Angaben des Beschwerdeführers rund um die Stadt Tripolis würden nicht ausreichen, um von einem geklärten Herkunftsstaat ausgehen zu können, dem im Asylverfahren aber eine zentrale Rolle zukomme.
5. Vom Bundesamt wurde ein Sprachgutachten eingeholt und dem Beschwerdeführer in einer neuerlichen niederschriftlichen Einvernahme am 29.07.2020 die Möglichkeit geboten, zum Gutachten Stellung zu nehmen. Auf Vorhalt des Gutachtensergebnisses, wonach der Beschwerdeführer mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht in Libyen, sondern in Algerien hauptsozialisiert worden sei, blieb er bei seinen bisherigen Angaben, aus Libyen zu stammen.
6. Mit nunmehr angefochtenem Bescheid vom 14.08.2020 wies das Bundesamt den Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Algerien (Spruchpunkt I. und II.) ab, erteilte keinen Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 (Spruchpunkt III.), erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.), stellte fest, dass seine Abschiebung nach Algerien zulässig ist (Spruchpunkt V.), gewährte keine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt VI.), erkannte einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt VII.), erließ gegen ihn ein auf die Dauer von sieben Jahren befristetes Einreiseverbot (Spruchpunkt VIII.) und stellte fest, dass er sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem 30.07.2015 verloren hat (Spruchpunkt IX.).
7. Dagegen richtet sich die Beschwerde vom 11.09.2020, in der moniert wurde, dass das Bundesamt den Gesundheitszustand des Beschwerdeführers nicht ausreichend gewürdigt und nur unzureichende Feststellungen zur Behandlung von psychischen Erkrankungen in Algerien getroffen habe. Es fehle an einer adäquaten Betreuung und sei die Versorgung mit Medikamenten nicht gewährleistet. Der Zustand würde sich rapide verschlechtern und wäre er einer Verletzung von Art. 3 EMRK bei einer Rückkehr ausgesetzt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Der volljährige Beschwerdeführer ist ledig, kinderlos, Staatsangehöriger von Algerien und bekennt sich zum Islam. Er gehört der Volksgruppe der Araber an. Seine Identität steht nicht fest. Der Beschwerdeführer unternahm mehrere Versuche, über seine Staatsangehörigkeit zu täuschen.
Der Beschwerdeführer leidet an einer schizoaffektiven Störung. Die psychische Erkrankung ist in Algerien behandelbar und sind unter der Therapieempfehlung unterschiedliche Psychopharmaka angeführt. Diese Präparate sind auch in Algerien, wenn auch unter einem anderen Namen erhältlich. Sein Gesundheitszustand hat sich zuletzt stetig gebessert, unter Medikamenteneinnahme ist eine deutliche Stabilisierung eingetreten. Der Beschwerdeführer steht der Therapie positiv entgegen, nimmt Arzttermine und die Medikamenteneinnahme wahr und lebte bis Mitte September ohne Vorkommnisse mit sechs Mitbewohnern in einer betreuten Einrichtung. Aktuell verfügt er über keine Wohnadresse im Bundesgebiet. Sein Aufenthaltsort ist nicht bekannt. Die gesundheitliche Einschränkung schließt die generelle Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers nicht aus. Er selbst zeigt sich arbeitswillig.
Der Beschwerdeführer verließ seinen Herkunftsstaat bereits im Jahr 2000, stellte in Irland und Ungarn unter Angabe von Aliasidentitäten Anträge auf internationalen Schutz und gelangte letztlich, ohne den Ausgang der Verfahren im EU-Ausland abzuwarten, nach Österreich. Er hielt sich seit (zumindest) der Asylantragstellung am 28.03.2015 in Österreich auf.
Die Mutter, eine Schwester und ein Bruder, sowie ein Onkel und zwei Tanten leben in Algerien. In Österreich verfügt der Beschwerdeführer über keine Verwandten und über keine maßgeblichen privaten und familiären Beziehungen.
Der Beschwerdeführer verfügt über eine mehrjährige Schulbildung und arbeitete anschließend als Tischler, womit er sich seinen Lebensunterhalt finanzieren konnte. Aufgrund seiner Arbeitserfahrung im Herkunftsstaat hat er eine Chance auch hinkünftig im algerischen Arbeitsmarkt unterzukommen.
Der Beschwerdeführer wurde insgesamt sechsmal von einem österreichischen Strafgericht verurteilt. Zwei Monate nach seiner Einreise nach Österreich beging der Beschwerdeführer die Vergehen der dauernden Sachentziehung nach § 135 Abs. 1 StGB, der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs. 1 StGB, der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach § 241e Abs. 3 StGB und das Verbrechen des gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127, 130 erster Fall StGB. Mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichts für Strafsachen XXXX vom 30.07.2015 wurde er zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von 18 Monaten verurteilt.
Am 16.07.2016 wurde er neuerlich wegen Diebstahls nach § 125 StGB zu einer Geldstrafe in der Höhe von 120 Tagessätzen zu je EUR 4,-- verurteilt, wobei es beim Versuch (§ 15 StGB) blieb.
Der dritten Verurteilung durch das Landesgericht für Strafsachen XXXX , rechtskräftig am 07.10.2016, liegen wiederum eine Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs. 1 StGB und die Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach § 241e Abs. 1 und 2 erster Fall StGB (diesfalls ein Verbrechen) sowie das Verbrechen des gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127, 130 erster Fall zu Grunde. Hinzu kommt das Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 StGB. Der Beschwerdeführer wurde zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von zwölf Monaten verurteilt. Außerdem wurde die bedingte Entlassung aus der Freiheitsstrafe der ersten Verurteilung widerrufen und die Probezeit des bedingten Strafteils auf insgesamt fünf Jahre verlängert.
Wiederum wegen der Vergehen der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs. 1 StGB, der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach § 241e Abs. 3 StGB und des Diebstahls nach § 127 StGB wurde er am 22.11.2016 rechtskräftig durch das Bezirksgericht XXXX verurteilt. Unter Bedachtnahme auf die zweite Verurteilung am 16.07.2016 wurde keine Zusatzstrafe ausgesprochen.
Zuletzt wurde der Beschwerdeführer am 26.01.2018 straffällig und wegen Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs. 1 StGB, Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB, versuchter schwerer Nötigung nach § 15 StGB, §§ 105 Abs. 1, 106 Abs. 1 Z 1 StGB und Fälschung besonders geschützter Urkunden nach §§ 223 Abs. 2, 224 StGB vom Landesgericht für Strafsachen XXXX zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von 20 Monaten verurteilt. Die Strafe wurde am 27.09.2019 vollzogen.
Der Beschwerdeführer bezog sporadisch Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung. Er wurde wegen disziplinärer Gründe oder Nichterscheinen in der zugewiesenen Unterkunft entlassen und während der Haftzeiten in Justizanstalten versorgt. Auch aktuell bezieht er keine Leistungen aus der Grundversorgung. Er ging und geht in Österreich keiner Beschäftigung nach und bezieht aktuell auch keine Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung. Der Beschwerdeführer ist mittellos.
Der Beschwerdeführer weist in Österreich keine maßgeblichen Integrationsmerkmale in sprachlicher, beruflicher und kultureller Hinsicht auf.
1.2. Zu den Fluchtmotiven des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer bringt vor, Libyen aufgrund der Kriegssituation verlassen zu haben. Damit gibt er keine Fluchtgründe bezogen auf seinen Herkunftsstaat Algerien an.
1.3. Zu den Feststellungen zur Lage in Algerien:
Hinsichtlich der aktuellen Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers sind gegenüber den im angefochtenen Bescheid vom 14.08.2020 getroffenen Feststellungen keine entscheidungsmaßgeblichen Änderungen eingetreten. Im angefochtenen Bescheid wurde das aktuelle (Stand 26.06.2020) „Länderinformationsblatt der Staatendokumentation“ zu Algerien vollständig zitiert. Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens ist auch keine Änderung bekannt geworden, sodass das Bundesverwaltungsgericht sich diesen Ausführungen anschließt und auch zu den seinen erhebt.
Zur (auszugsweise wiedergegebenen) Lage im Herkunftsstaat (mit Angabe der Quellen):
Das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation für Algerien wird zur Beurteilung der Lage im Herkunftsstaat herangezogen und fallbezogen wird festgestellt:
15. Grundversorgung
Letzte Änderung am 26.6.2020
Nahezu die gesamten Staatseinkünfte des Landes stammen aus dem Export von Erdöl und Erdgas. Rund 90 Prozent der Grundnahrungsmittel und fast die Gesamtheit der Pharmazeutika und Gebrauchsgüter werden importiert. Eine an den Bedürfnissen der Bevölkerung orientierte oder auf Autarkie zielende Industrialisierung hat nicht stattgefunden. Die Staatseinnahmen – und damit die Fähigkeit zur Subventionierung von Grundbedürfnissen (Grundnahrungsmittel, Wohnungsbau, Infrastruktur) – sind seit 2014 aufgrund des sinkenden Öl- und Gaspreises drastisch zurückgegangen (RLS 17.12.2019; vgl. BS 29.4.2020).
Algerien leistet sich aus Gründen der sozialen und politischen Stabilität ein für die Möglichkeiten des Landes aufwendiges Sozialsystem, das aus den Öl- und Gasexporten finanziert wird. Algerien ist eines der wenigen Länder, die in den letzten 20 Jahren eine Reduktion der Armutsquote von 25% auf 5% erreicht hat. Schulbesuch und Gesundheitsfürsorge sind kostenlos. Energie, Wasser und Grundnahrungsmittel werden stark subventioniert. Ein Menschenrecht auf Wohnraum wird anerkannt. Für Bedürftige wird Wohnraum kostenlos zur Verfügung gestellt. Missbräuchliche Verwendung ist häufig (ÖB 11.2019).
Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln ist bislang durch umfassende Importe gewährleistet. Insbesondere im Vorfeld religiöser Feste, wie auch im gesamten Monat Ramadan, kommt es allerdings immer wieder zu substanziellen Preissteigerungen bei Grundnahrungsmitteln. Für Grundnahrungsmittel wie Weizenmehl, Zucker und Speiseöl gelten Preisdeckelungen und Steuersenkungen. Im Bereich der Sozialfürsorge kommt, neben geringfügigen staatlichen Transferleistungen, vornehmlich der Familien-, im Süden des Landes auch der Stammesverband, für die Versorgung alter Menschen, Behinderter oder chronisch Kranker auf. In den Großstädten des Nordens existieren „Selbsthilfegruppen“ in Form von Vereinen, die sich um spezielle Einzelfälle (etwa die Einschulung behinderter Kinder) kümmern. Teilweise fördert das Solidaritätsministerium solche Initiativen mit Grundbeträgen (AA 25.6.2019).
Die Arbeitslosigkeit liegt bei 12 bis 17%, die Jugendarbeitslosigkeit (15-24-jährige) bei 30 bis 50% (WKO 10.2019 [jeweils niedrigerer Wert], RLS 17.12.2019 [jeweils höherer Wert]). Das staatliche Arbeitsamt Agence national d’emploi / ANEM (http://www.anem.dz/) bietet Dienste an, es existieren auch private Jobvermittlungsagenturen (z.B. http://www.tancib.com/index.php?page=apropos). Seit Februar 2011 stehen jungen Menschen Starthilfekredite offen, wobei keine Daten darüber vorliegen, ob diese Mittel ausgeschöpft wurden. Die Regierung anerkennt die Problematik der hohen Akademikerarbeitslosigkeit. Grundsätzlich ist anzumerken, dass allen staatlichen Genehmigungen/Unterstützungen eine (nicht immer deklarierte) sicherheitspolitische Überprüfung vorausgeht, und dass Arbeitsplätze oft aufgrund von Interventionen besetzt werden. Der offiziell erfasste Wirtschaftssektor ist von staatlichen Betrieben dominiert (ÖB 11.2019).
Im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie werden an vulnerable Familien in isolierten und vom Lockdown besonders betroffenen Gebieten Lebensmittel und Hygieneprodukte verteilt (Gentilini et al 12.6.2020: 29f).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (25.6.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Demokratischen Volksrepublik Algerien (Stand: Mai 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/2014264/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Demokratischen_Volksrepublik_Algerien_%28Stand_Mai_2019%29%2C_25.06.2019.pdf, Zugriff 27.11.2019
- BS - Bertelsmann Stiftung (29.4.2020): BTI 2020 Country Report - Algeria, https://www.bti-project.org/content/en/downloads/reports/country_report_2020_DZA.pdf, Zugriff 23.6.2020
- Gentilini, Ugo; Mohamed Almenfi, Pamela Dale, Ana Veronica Lopez, Ingrid Veronica Mujica, Rodrigo Quintana, Usama Zafar (12.6.2020): Social Protection and Jobs Responses to COVID-19: A Real-Time Review of Country Measures - “Living paper” version 11 (June 12, 2020), http://documents.worldbank.org/curated/en/590531592231143435/pdf/Social-Protection-and-Jobs-Responses-to-COVID-19-A-Real-Time-Review-of-Country-Measures-June-12-2020.pdf, Zugriff 17.6.2020
- IPB - Institut für Protest- und Bewegungsforschung (12.6.2020): Hirak – Bewegung in Algerien, https://protestinstitut.eu/hirak-bewegung-in-algerien/, Zugriff 17.6.2020
- ÖB - Österreichische Botschaft Algier (11.2019): Asylländerbericht Algerien.
- RLS - Rosa-Luxemburg-Stiftung (17.12.2019): Algerien: Wahlen gegen Legitimität, https://www.rosalux.de/news/id/41412/algerien-wahlen-gegen-legitimitaet, Zugriff 17.6.2020
- WKO - Wirtschaftskammer Österreich (10.2019): Länderprofil Algerien, https://wko.at/statistik/laenderprofile/lp-algerien.pdf, Zugriff 18.3.2020
16. Medizinische Versorgung
Letzte Änderung am 26.6.2020
Grundsätzlich ist medizinische Versorgung in Algerien allgemein zugänglich und kostenfrei. Der Standard in öffentlichen Krankenhäusern entspricht nicht europäischem Niveau (ÖB 11.2019; vgl. AA 25.6.2019, BS 29.4.2020) Krankenhäuser, in denen schwierigere Operationen durchgeführt werden können, existieren in jeder größeren Stadt; besser ausgestattete Krankenhäuser gibt es an den medizinischen Fakultäten von Algier, Oran, Annaba und Constantine. Häufig auftretende chronische Krankheiten wie Diabetes, Krebs, Tuberkulose, Herz- und Kreislaufbeschwerden, Geschlechtskrankheiten und psychische Erkrankungen können auch in anderen staatlichen medizinischen Einrichtungen behandelt werden. AIDS-Patienten werden in sechs Zentren behandelt (AA 25.6.2019).
Grundsätzlich meiden Algerier nach Möglichkeit die Krankenhäuser und bemühen sich, Kranke so schnell wie möglich in häusliche Pflege übernehmen zu können. Oft greift man zu Bestechung, um ein Intensivbett zu bekommen oder zu behalten. Ohne ständige familiäre Betreuung im Krankenhaus ist eine adäquate Pflege nicht gesichert. Die Müttersterblichkeit und Komplikationen bei Geburten sind aufgrund von Nachlässigkeiten in der Geburtshilfe hoch. Mit Frankreich besteht ein Sozialabkommen aus den 1960er-Jahren, das vorsieht, dass komplizierte medizinische Fälle in Frankreich behandelt werden können. Dieses Abkommen ist seit einiger Zeit überlastet. Nicht alle Betroffenen können es in Anspruch nehmen. Auch mit Belgien besteht ein entsprechendes Abkommen (ÖB 11.2019).
Es sind Privatspitäler, v.a. in Algier, entstanden, die nach europäischem Standard bezahlt werden müssen. Der Sicherheitssektor kann auf ein eigenes Netz von Militärspitälern zurückgreifen. Immer wieder wird darauf aufmerksam gemacht, dass sich in Algerien ausgebildete Ärzte in Frankreich und Deutschland niederlassen, was zu einem Ärztemangel in Algerien führt. Die Versorgung im Landesinneren mit fachärztlicher Expertise ist nicht sichergestellt. Augenkrankheiten sind im Süden häufig. Algerien greift für die Versorgung im Landesinneren auf kubanische Ärzte zurück, z.B. die im April 2013 neu eröffnete Augenklinik in Bechar. Tumorpatienten können medizinisch nicht nach westlichem Standard betreut werden. Schwierig ist die Situation von Alzheimer- und Demenzpatienten und von Behinderten (ÖB 11.2019).
Krankenversichert ist nur, wer einer angemeldeten Arbeit nachgeht. Die staatliche medizinische Betreuung in Krankenhäusern steht auch Nichtversicherten beinahe kostenfrei zur Verfügung, allerdings sind Pflege und die Verpflegung nicht sichergestellt, Medikamente werden nicht bereitgestellt, schwierige medizinische Eingriffe sind nicht möglich (ÖB 11.2019).
In der gesetzlichen Sozialversicherung sind Angestellte, Beamte, Arbeiter oder Rentner sowie deren Ehegatten und Kinder bis zum Abschluss der Schul- oder Hochschulausbildung obligatorisch versichert. Die Sozial- und Krankenversicherung ermöglicht grundsätzlich in staatlichen Krankenhäusern eine kostenlose, in privaten Einrichtungen eine kostenrückerstattungsfähige ärztliche Behandlung. Immer häufiger ist jedoch ein Eigenanteil zu übernehmen. Die höheren Kosten bei Behandlung in privaten Kliniken werden nicht oder nur zu geringerem Teil übernommen. Algerier, die nach jahrelanger Abwesenheit aus dem Ausland zurückgeführt werden, sind nicht mehr gesetzlich sozialversichert und müssen daher sämtliche Kosten selbst übernehmen, sofern sie nicht als Kinder oder Ehegatten von Versicherten erneut bei der Versicherung eingeschrieben werden oder selbst einer versicherungspflichtigen Arbeit nachgehen (AA 25.6.2019).
Die COVID-19-Pandemie traf Algerien hart, das öffentliche Gesundheitswesen im Land war nicht annähernd auf eine Krise solchen Ausmaßes vorbereitet (RLS 7.4.2020; vgl. GTAI 15.5.2020). Es gab Berichte von überfüllten Krankenhäusern in Algier und in Blida (GTAI 15.5.2020) und es gab einen Mangel an Ausrüstung und Medikamenten. Im März 2020 wurde Lokalbehörden untersagt, statistische Angaben zu COVID-19-Entwicklungen zu machen und die Öffentlichkeitsarbeit wurde bei den Ministerien in Algier gebündelt (RLS 7.4.2020). Die Regierung hat eilig Maßnahmen gesetzt, um mehr Intensivbetten anzubieten. Präsident Tebboune kündigte Anfang April 2020 an, nach der Pandemie den Gesundheitssektor umzustrukturieren. Mitte Mai war die Zahl der Erkrankten für die Krankenhäuser bewältigbar (GTAI 15.5.2020).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (25.6.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Demokratischen Volksrepublik Algerien (Stand: Mai 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/2014264/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Demokratischen_Volksrepublik_Algerien_%28Stand_Mai_2019%29%2C_25.06.2019.pdf, Zugriff 27.11.2019
- BS - Bertelsmann Stiftung (29.4.2020): BTI 2020 Country Report - Algeria, https://www.bti-project.org/content/en/downloads/reports/country_report_2020_DZA.pdf, Zugriff 23.6.2020
- GTAI - German Trade & Invest (15.5.2020): Covid-19: Gesundheitswesen in Algerien, https://www.gtai.de/gtai-de/trade/specials/special/algerien/covid-19-gesundheitswesen-in-algerien-237622, Zugriff 17.6.2020
- ÖB - Österreichische Botschaft Algier (11.2019): Asylländerbericht Algerien.
- RLS - Rosa-Luxemburg-Stiftung (7.4.2020): Zwischen Pandemie-Bekämpfung und politischer Repression, https://www.rosalux.de/news/id/41937/zwischen-pandemie-bekaempfung-und-politischer-repression?cHash=d0f52147ae9940a356cf04f0af11b4a9, Zugriff 17.6.2020
17. Rückkehr
Letzte Änderung am 26.6.2020
Die illegale Ausreise, d.h. die Ausreise ohne gültige Papiere bzw. ohne eine Registrierung der Ausreise per Stempel und Ausreisekarte am Grenzposten, ist gesetzlich verboten (Art. 175 bis 1. algerisches Strafgesetzbuch, Gesetz 09-01 vom 25.2.2009, kundgemacht am 8.3.2009) (ÖB 11.2019; vgl. AA 25.6.2019). Das Gesetz sieht ein Strafmaß von zwei bis sechs Monaten und / oder eine Strafe zwischen 20.000 DA bis 60.000 DA vor (ÖB 11.2019)
Rückkehrer, die ohne gültige Papiere das Land verlassen haben, werden mitunter zu einer Bewährungsstrafe von sechs Monaten verurteilt. Für illegale Bootsflüchtlinge („harraga“) sieht das Gesetz Haftstrafen von drei bis zu fünf Jahren und zusätzliche Geldstrafen vor. In der Praxis werden zumeist Bewährungsstrafen verhängt (AA 25.6.2019).
Eine behördliche Rückkehrhilfe ist ho. nicht bekannt. Ebenso sind der Botschaft keine NGOs bekannt, die Unterstützung leisten. Bekannt ist, dass Familien zurückkehrende Familienmitglieder wieder aufnehmen und unterstützen. Viel bekannter hingegen sind Fälle, in denen Familien Mitglieder mit beträchtlichen Geldmitteln bei der illegalen Ausreise unterstützen. Sollten Rückkehrer auf familiäre Netze zurückgreifen können, würde man annehmen, dass sie diese insbesondere für eine Unterkunft nützen. Die Botschaft kennt auch Fälle von finanzieller Rückkehrhilfe (EUR 1.000-2.000) durch Frankreich, für Personen, die freiwillig aus Frankreich ausgereist sind. Algerien erklärt sich bei Treffen mit div. EU-Staatenvertretern immer wieder dazu bereit, Rückkehrer aufzunehmen, sofern zweifelsfrei feststehe, dass es sich um algerische Staatsangehörige handle. Nachfragen bei EU-Botschaften und Pressemeldungen bestätigen, dass Algerien bei Rückübernahmen kooperiert. Zwischen Algerien und einzelnen EU-Mitgliedsstaaten bestehen bilaterale Rückübernahmeabkommen (ÖB 11.2019).
Im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie wurden am 17.3.2020 alle Luft-, See- und Landgrenzübergänge geschlossen. Über eine mögliche Aufhebung der Sperren soll im Juli 2020 entschieden werden (National 14.6.2020; vgl. USEMB 16.6.2020, IATA 17.4.2020/17.6.2020, Garda 13.6.2020).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (25.6.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Demokratischen Volksrepublik Algerien (Stand: Mai 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/2014264/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Demokratischen_Volksrepublik_Algerien_%28Stand_Mai_2019%29%2C_25.06.2019.pdf, Zugriff 27.11.2019
- Garda World (13.6.2020): Algeria: Authorities to further ease COVID-19 restrictions June 14 /update 19, https://www.garda.com/crisis24/news-alerts/350511/algeria-authorities-to-further-ease-covid-19-restrictions-june-14-update-19, Zugriff 17.6.2020
- IATA - International Air Transport Association (17.4.2020 / 17.6.2020): Interactive Coronavirus (Covid-19) Travel Regulations Map (powered by Timatic), https://www.iatatravelcentre.com/international-travel-document-news/1580226297.htm, Zugriff 17.6.2020
- National, the (13.6.2020): Algeria eases lockdown but borders remain closed, https://www.thenational.ae/world/mena/algeria-eases-lockdown-but-borders-remain-closed-1.1033231, Zugriff 17.6.2020
- ÖB - Österreichische Botschaft Algier (11.2019): Asylländerbericht Algerien.
- USEMB - U.S. Embassy in Algeria (16.6.2020): COVID-19 Information, https://dz.usembassy.gov/covid-19-information/, Zugriff 17.6.2020
Eine nach Algerien zurückkehrende Person, bei welcher keine berücksichtigungswürdigen Gründe vorliegen, wird durch eine Rückkehr nicht automatisch in eine unmenschliche Lage versetzt.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Zum Sachverhalt:
Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt des Bundesamtes unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers vor dieser und den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, in den bekämpften Bescheid und in den Beschwerdeschriftsatz sowie in das aktuelle „Länderinformationsblatt der Staatendokumentation“ zu Algerien mit Stand 26.06.2020.
Der Beschwerdeführer bestreitet den vom Bundesamt festgestellten Sachverhalt nicht substantiiert und erstattete in der Beschwerde auch kein konkretes sachverhaltsbezogenes Vorbringen, sodass das Bundesverwaltungsgericht den maßgeblichen Sachverhalt als ausreichend ermittelt ansieht und sich der vom Bundesamt vorgenommenen, nachvollziehbaren Beweiswürdigung anschließt.
Das Bundesamt hat nunmehr nach erfolgter Aufhebung und Zurückverweisung der Sache mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 24.04.2019 ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse dieses Verfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammengefasst. Das Bundesverwaltungsgericht verweist daher zunächst auf diese schlüssigen und nachvollziehbaren beweiswürdigenden Ausführungen des Bundesamtes im angefochtenen Bescheid. Auch der Beschwerde vermag das Bundesverwaltungsgericht keine neuen Sachverhaltselemente zu entnehmen, welche geeignet wären, die von der erstinstanzlichen Behörde getroffenen Entscheidungen in Frage zu stellen.
2.2. Zur Person des Beschwerdeführers:
Die Identität des Beschwerdeführers steht mangels Vorlage geeigneter Dokumente nicht fest. Es liegt sohin eine bloße Verfahrensidentität vor. Auf die Staatsangehörigkeit wird unter Pkt. 2.3. eingegangen. Die Angabe von Aliasidentitäten und die Täuschungsversuche ergeben sich aus der Korrespondenz mit den ungarischen Asylbehörden und räumte der Beschwerdeführer selbst ein, seine Identität nicht preisgeben zu wollen (AS 683).
Soweit Feststellungen zur Religionszugehörigkeit, zum Gesundheitszustand, zum Familienstand, zu den familiären Verhältnissen und zu den Lebensumständen im Herkunftsstaat und in Österreich getroffen wurden, beruhen diese auf den diesbezüglichen Angaben des Beschwerdeführers sowohl in den Einvernahmen am 15.02.2018 und 08.01.2020 im erstinstanzlichen Verfahren sowie auf den aktuellen Auszügen aus dem Zentralen Melderegister (ZMR), dem Informationssystem Zentrales Fremdenregister (IZR), dem Grundversorgungssystem, dem Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger (AJ-Web) und dem Strafregister. Aus letzterem und aus den im Akt einliegenden Urteilsausfertigungen ergeben sich die Feststellungen zu seinen strafrechtlichen Delinquenzen, den Verurteilungen und den Haftzeiten.
Die gesundheitliche Beeinträchtigung ergibt sich aus den vorgelegten ärztlichen Befunden und Bestätigungen und finden sich auf diesen Unterlagen auch die empfohlenen Medikationen. Aus dem Länderinformationsblatt ergibt sich unter Punkt 16. „Medizinische Versorgung“ klar, dass psychische Erkrankungen in Krankenhäusern, aber auch in anderen staatlichen medizinischen Einrichtungen behandelt werden können und setzt eine Behandlungsmöglichkeit auch die Verfügbarkeit von Medikamenten voraus.
Dass sich sein Gesundheitszustand zuletzt verbessert und stabilisiert hat, die Therapie vom Beschwerdeführer angenommen wurde und einen Erfolg zeitigte, ergibt sich aus den Schreiben der Betreuungseinrichtung vom 17.08.2020 und dem Verein Neustart vom 07.09.2020. Darin wird bescheinigt, dass der Beschwerdeführer auf Arbeitssuche gewesen sei und Interesse an einer Teilzeitbeschäftigung gezeigt habe. Deshalb sei er mit dem Arbeitsmarktservice in Kontakt gestanden und habe er in seinem Lebenslauf (AS 761) eine Arbeitserfahrung als Tischler angegeben. Bei einer Gesamtbetrachtung konnte sohin von der Arbeitswilligkeit und -fähigkeit des Beschwerdeführers ausgegangen werden.
Gegen eine umfassende Integration des Beschwerdeführers in Österreich in sprachlicher, gesellschaftlicher und beruflicher Hinsicht ist insbesondere ins Treffen zu führen, dass er sich zwar seit März 2015 in Österreich aufhält, aber bereits ab 24.05.2015 in einer Justizanstalt untergebracht war. Insgesamt wurde der Beschwerdeführer fünf Mal verurteilt und verbüßte er innerhalb der mittlerweile fünfeinhalbjährigen Aufenthaltsdauer unbedingte Freiheitsstrafen in der Dauer von drei Jahren und zwei Monaten. Positive, vom Beschwerdeführer gezeigte Integrationsschritte konnten nicht festgestellt werden. Er konnte weder Mitgliedschaften in Vereinen oder Organisationen nachweisen, noch hat er bislang eine Sprachprüfung abgelegt oder bestehende soziale Kontakte vorgebracht.
Aus dem Auszug aus dem Betreuungsinformationssystem ergibt sich, dass der Beschwerdeführer wegen disziplinärer Gründe oder Nichterscheinens an der zugewiesenen Unterkunft aus der Grundversorgung entlassen wurde. Bis 19.08.2020 bezog er Arbeitslosengeld. Die Mittel für seinen Aufenthalt im Bundesgebiet konnte er aktuell nicht nachweisen und ergibt sich somit die Mittellosigkeit des Beschwerdeführers. Er wurde zudem am 10.09.2020 von der Adresse des betreuten Wohnens abgemeldet. Zum gegebenen Zeitpunkt verfügt er über keinen aufrechten Wohnsitz im Bundesgebiet, auch nicht über eine Obdachlosenadresse. Seinen nunmehrigen Aufenthaltsort hat der Beschwerdeführer nicht bekannt gegeben.
2.3. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:
Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit sowie Herkunft des Beschwerdeführers beruhen auf dem Befund des Sachverständigen XXXX , einem anerkannten Linguisten (für afrikanische Sprachen), vom 15.07.2020.
In diesem Befund wird auf Grund der existierenden sprachlichen Kompetenz des Beschwerdeführers dessen Herkunft aus Algerien eindeutig und schlüssig dargelegt, dessen Herkunft aus Libyen in gleicher Weise schlüssig und eindeutig widerlegt. Der Sachverständige hat mit dem Beschwerdeführer am 22.01.2020 ein Befundgespräch geführt und liegt dem Befund eine 182-minütige Tonbandaufzeichnung zu Grunde. XXXX . konnte nachvollziehbar angeben, dass der Beschwerdeführer das maghrebinische Arabisch spricht und innerhalb diese Dialektraumes die typisch algerischen Konfigurationen von Aussprachemerkmalen speziell dem algerischen Arabisch zuzuordnen sind. Seine Schlussfolgerung konnte der Gutachter für den Laien nachvollziehbar mit Beispielen an Wörtern und deren Aussprache belegen und untermalen auch die fehlenden Landeskenntnisse (Befund, S 29 ff) des Beschwerdeführers, dass er nicht, wie von ihm, angegeben in Libyen hauptsozialisiert wurde.
In der Einvernahme vom 29.07.2020 wurde der Beschwerdeführer mit dem erstellten Befund konfrontiert und erschöpfen sich seine Einwendungen in der bloßen Beharrung auf die libysche Staatsagenhörigkeit. Im Beschwerdeschriftsatz nahm er zu den Fluchtgründen nicht Stellung, macht hinsichtlich seiner gesundheitlichen Einschränkungen aber die fehlende Behandelbarkeit in Algerien als auch in Libyen geltend.
Die von ihm vorgetragenen Fluchtgründe beziehen sich ausschließlich auf Libyen und fehlt es an Gründen im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention, die eine Verfolgung oder Bedrohung in seinem Herkunftsstaat Algerien bedeuten könnten.
2.4. Zum Herkunftsstaat:
Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat beruhen auf dem aktuellen Länderinformationsbericht der Staatendokumentation für Algerien vom 26.06.2020 samt den dort publizierten Quellen und Nachweisen. Dieser Länderinformationsbericht stützt sich auf Berichte verschiedener ausländischer Behörden, etwa die allgemein anerkannten Berichte des Deutschen Auswärtigen Amtes, als auch jene von internationalen Organisationen, wie bspw. dem UNHCR, sowie Berichte von allgemein anerkannten unabhängigen Nachrichtenorganisationen.
Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängigen Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wissentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.
Der Beschwerdeführer trat diesen Quellen und deren Kernaussagen zur Situation im Herkunftsland nicht substantiiert entgegen. Ein zitierter Bericht stellt die Behandlung von Sarkoidose in Algerien dar, ein weiterer spricht vom algerischen Gesundheitssystem im Allgemeinen und weisen diese Quellen keinen Zusammenhang mit der Ausgangssituation des Beschwerdeführers auf, da sie entweder die Behandlung eines anderen Krankheitsbildes beschreiben oder aufgrund ihrer Datierung aus den Jahren 2013 und 2018 nicht die gebotene Aktualität aufweisen.
Aufgrund der kurz verstrichenen Zeit zwischen der Erlassung des bekämpften Bescheides und der vorliegenden Entscheidung ergeben sich keine Änderungen zu den im bekämpften Bescheid getroffenen Länderfeststellungen.
Im Übrigen gilt Algerien als ein sicherer Herkunftsstaat (§ 1 Z 10 der Herkunftsstaaten-Verordnung in der Fassung BGBl. II Nr. 145/2019).
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchpunkt A):
3.1. Zur Nichtgewährung von Asyl:
3.1.1. Rechtslage:
Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 leg. cit. zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht.
Im Sinn des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist als Flüchtling anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furch nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich in Folge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 06.10.1999, Zl. 99/01/0279).
Selbst in einem Staat herrschende allgemein schlechte Verhältnisse oder bürgerkriegsähnliche Zustände begründen für sich alleine noch keine Verfolgungsgefahr im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention. Um eine Verfolgung im Sinne des AsylG 2005 erfolgreich geltend zu machen, bedarf es einer zusätzlichen, auf asylrelevante Gründe gestützten Gefährdung des Asylwerbers, die über die gleichermaßen die anderen Staatsbürger des Herkunftsstaates treffenden Unbilligkeiten hinausgeht (VwGH 19.10.2000, Zl. 98/20/0233).
3.1.2. Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall:
Da der Beschwerdeführer ausschließlich Fluchtgründe angab, die sich auf den angeblichen Verfolgerstaat Libyen beziehen, der nicht sein Herkunftsstaat (Algerien) ist, war eine Verfolgung oder Bedrohung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK in Algerien nicht festzustellen.
Die Voraussetzungen für die Erteilung von Asyl sind daher nicht gegeben. Aus diesem Grund war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abzuweisen.
3.2. Zur Nichtgewährung von subsidiärem Schutz:
3.2.1. Rechtslage:
Gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 ist einem Fremden der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zur EMRK (ZPERMRK) bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
Im Rahmen der Prüfung des Einzelfalls ist die Frage zu beantworten, ob einem Fremden im Falle der Abschiebung in seinen Herkunftsstaat ein - über eine bloße Möglichkeit hinausgehendes - "real risk" einer gegen Art 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht (vgl VwGH 28.06.2011, 2008/01/0102). Die dabei aufgrund konkreter vom Fremden aufgezeigter oder von Amts wegen bekannter Anhaltspunkte anzustellende Gefahrenprognose erfordert eine ganzheitliche Bewertung der Gefahren und hat sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen (VwGH 15.12.2010, Zl. 2006/19/1354).
Die Abschiebung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also bezogen auf den Einzelfall die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art 3 EMRK ist nicht ausreichend (VwGH 06.11.2009, Zl. 2008/19/0174). Zu berücksichtigen ist auch, dass nur bei Vorliegen exzeptioneller Umstände, die dazu führen, dass der Betroffene im Zielstaat keine Lebensgrundlage vorfindet, die Gefahr einer Verletzung von Art 3 EMRK angenommen werden kann (VwGH 19.11.2015, Ra 2015/20/0174, mwN). Das Vorliegen solcher exzeptioneller Umstände erfordert detaillierte und konkrete Darlegungen (VwGH 07.09.2016, Ra 2015/19/0303, mwN).
3.2.2. Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall:
Dem Beschwerdeführer droht in Algerien - wie oben bereits dargelegt wurde - keine asylrelevante Verfolgung.
Auch dafür, dass dem Beschwerdeführer im Fall einer Rückkehr nach Algerien die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und die Schwelle des Art. 3 EMRK überschritten wäre, gibt es im vorliegenden Beschwerdefall keinen Anhaltspunkt. Der Beschwerdeführer ist volljährig, arbeitswillig und erlaubt auch sein Gesundheitszustand, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Er hat eine mehrjährige Schulbildung und Arbeitserfahrung als Tischler vorzuweisen und wird sich durch Annahme einer solchen oder einer ähnlichen Tätigkeit seinen Lebensunterhalt finanzieren können. Außerdem leben Familienangehörige des Beschwerdeführers in seinem Herkunftsstaat und kann er gegebenenfalls auch auf die familiäre Unterstützung zumindest in der ersten Zeit nach seiner Rückkehr zurückgreifen. Auch seine psychische Erkrankung steht einer Arbeitsaufnahme nicht entgegen, zeigte sich der Beschwerdeführer zuletzt durch Kooperation mit dem Arbeitsmarktservice willig, eine Tätigkeit auszuüben und durch verlässliches Verrichten der Reinigungstätigkeiten in der Wohneinrichtung, in der er untergebracht war, auch arbeitsfähig. Durch ein regelmäßiges Einkommen kann der Beschwerdeführer auch die erforderlichen Medikamente erwerben, die, wie im Länderinformationsblatt angegeben, nicht kostenfrei sind. Der allgemeine Zugang zu medizinischer Behandlung ist aber, auch für nicht versicherte Personen, kostenfrei. Insbesondere gilt es dabei darauf hinzuweisen, dass psychische Erkrankungen in Krankenhäusern und auch anderen medizinischen Einrichtungen in Algerien behandelbar sind.
Damit ist der Beschwerdeführer durch die Abschiebung nach Algerien nicht in seinem Recht gemäß Art. 3 EMRK verletzt, weil die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz im konkreten Fall gedeckt werden können. Dass der Beschwerdeführer allenfalls in Österreich wirtschaftlich gegenüber seiner Situation in Algerien bessergestellt ist, genügt nicht für die Annahme, er würde in Algerien keine Lebensgrundlage vorfinden und somit seine Existenz nicht decken können. Hierfür fehlen im vorliegenden Fall alle Hinweise auf derart exzeptionelle Umstände.
Ganz allgemein besteht in (als sicherer Herkunftsstaat geltenden) Algerien derzeit keine solche Gefährdungslage, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung im Sinne des Art 2 und 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK (ZPEMRK) ausgesetzt wäre. Im Verfahren sind auch keine Umstände bekannt geworden und ergeben sich auch nicht aus dem amtliches Wissen darstellenden Länderinformationsblatt für Algerien, die nahelegen würden, dass bezogen auf den Beschwerdeführer ein reales Risiko einer gegen Art 2 oder 3 EMRK verstoßenden Behandlung bzw. der Todesstrafe besteht.
Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, sodass sie auch hinsichtlich des Spruchpunktes II. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 abzuweisen war.
3.3. Zur Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen:
Das Vorliegen der Voraussetzungen für die Erteilung eines „Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen“ gemäß § 57 AsylG 2005 (gemeint offenbar: einer „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“) wurde vom Beschwerdeführer nicht behauptet. Auch aus dem Verwaltungsakt ergeben sich keine Hinweise, die es nahelegen würden, dass die Erteilung einer solchen Aufenthaltsberechtigung in Betracht kommt.
Da somit die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG 2005 nicht gegeben sind, war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. erster Satz des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 57 AsylG 2005 als unbegründet abzuweisen.
3.4. Zur Rückkehrentscheidung:
3.4.1. Rechtslage:
Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz (dem AsylG 2005) mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird.
Gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt.
Gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, wenn dadurch in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind insbesondere die in § 9 Abs. 2 Z 1 bis 9 BFA-VG aufgezählten Gesichtspunkte zu berücksichtigen (die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration, die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist).
3.4.2. Anwendung der Rechtslage auf den Beschwerdefall:
Wie soeben ausgeführt, war dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 (Aufenthaltstitel besonderer Schutz) nicht zu erteilen. Zu prüfen ist daher, ob eine Rückkehrentscheidung mit Art. 8 EMRK vereinbar ist, weil sie nur dann zulässig wäre und nur im verneinenden Fall ein Aufenthaltstitel nach § 55 AsylG 2005 überhaupt in Betracht käme. Die Vereinbarkeit mit Art 8 EMRK ist aus folgenden Gründen gegeben:
Das vorliegende Asylverfahren erreichte, gerechnet von der Antragstellung im März 2015 bis zum Datum der angefochtenen Entscheidung im August 2020 zwar eine gewisse, auch auf - dem Beschwerdeführer aufgrund von Angabe falscher Daten zurechenbaren - Verzögerungen zurückgehende Dauer. Aus diesem Grund musste das Verfahren nach zurückweisender Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes neuerlich durch das Bundesamt durchgeführt werden und ein aufwendiges Ermittlungsverfahren zur Klärung der Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers eingeholt werden. Der seit der Antragstellung andauernde Aufenthalt beruhte dessen ungeachtet auf einer vorläufigen, nicht endgültig gesicherten rechtlichen Grundlage, weshalb der Beschwerdeführer während der gesamten Dauer des Aufenthaltes in Österreich nicht darauf vertrauen durfte, dass er sich in Österreich auf rechtlich gesicherte Weise bleibend verfestigen kann. Zudem hat er bereits nach der ersten Verurteilung kurz nach seiner Einreise sein Recht zum Aufenthalt verloren, wie unten noch auszuführen sein wird.
Das Gewicht seiner privaten Interessen wird daher dadurch gemindert, dass sie in einem Zeitpunkt entstanden, in dem er sich seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst war (vgl. VwGH 19.02.2009, 2008/18/0721; 30.04.2009, 2009/21/0086; VfSlg. 18.382/2008 mHa EGMR 24.11.1998, 40.447/98, Mitchell; EGMR 11.04.2006, 61.292/00, Useinov). Der Beschwerdeführer führt - wie auch das Bundesamt zu Recht ausführt - nach eigenen Angaben keine Lebensgemeinschaft oder eine „familienähnliche“ Beziehung in Österreich. Es fehlen alle Sachverhaltselemente, aus denen sich die Existenz gewisser in einem Zeitraum eines rund fünfeinhalbjährigen Aufenthaltes entstandener - unter dem Gesichtspunkt des Privatlebens relevanter - Bindungen allenfalls hätte ergeben können (wie etwa Teilnahme am Erwerbsleben und am sozialen Leben in Österreich, Selbsterhaltungsfähigkeit, Erwerb von nachweisbaren Sprachkenntnissen). Gleichzeitig hat der Beschwerdeführer in seinem Herkunftsstaat, in dem er aufgewachsen ist und zumindest bis zu seinem 23. Lebensjahr dort gelebt hat, sprachliche und kulturelle Verbindungen und auch familiäre Anknüpfungspunkte und ist mit den dort vorherrschenden Gepflogenheiten und Gebräuchen vertraut.
Dem allenfalls bestehenden Interesse des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich (bzw. Europa) stehen öffentliche Interessen daran gegenüber, dass das geltende Migrationsrecht auch vollzogen wird, indem Personen, die ohne Aufenthaltstitel aufhältig sind - gegebenenfalls nach Abschluss eines allfälligen Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz - auch zur tatsächlichen Ausreise verhalten werden. Im Fall des Beschwerdeführers, der keine beachtenswerten Integrationsschritte in Österreich vorzuweisen hat, kommt hinzu, dass er mit den fünfmaligen, durch österreichische Strafgerichte am 30.07.2015, 16.07.2016, 07.10.2016, 22.11.2016 und 06.06.2018 rechtskräftig festgestellten Vergehen der dauernden Sachentziehung nach § 135 Abs. 1 StGB, der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs. 1 StGB, der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach § 241e Abs. 3 StGB, des Diebstahls nach § 125 StGB, der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB, der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach §§ 223 Abs. 2, 224 StGB und der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 StGB, sowie der Verbrechen des gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127, 130 erster Fall StGB, der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach § 241e Abs. 1 und 2 erster Fall StGB und der versuchten schweren Nötigung nach §§ 15 StGB, §§ 105 Abs. 1, 106 Abs. 1 Z 1 StGB, ein Verhalten gesetzt hat, das keine Achtung der (straf-) rechtlich in Österreich (und insgesamt in der Union) geschützten Werte zeigt.
Hinzu kommt, dass der Beschwerdeführer, trotz des vorliegenden zuverlässigen Befundes des Sachverständigen für afrikanische Sprachen, seinen wahren Herkunftsstaat nicht preis geben wollte, aus der Grundversorgung wegen disziplinärer Gründe und Nichterscheinens an der zugewiesenen Unterkunft entlassen wurde, seine Unterhaltsmittel zuletzt nicht nachweisen konnte und sich ohne seinen aktuellen Aufenthaltsort bekannt zu geben, von der Adresse der betreuten Wohneinrichtung abgemeldet hat. Der Beschwerdeführer hat sich, wie auch schon in Irland und in Ungarn, dem Asylverfahren durch Unterrauchen entzogen, ohne den Ausgang der Verfahren abzuwarten.
Bei einer Gesamtbetrachtung wiegt unter diesen Umständen das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der Durchsetzung der geltenden Bedingungen des Einwanderungsrechts und an der Befolgung der den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften, denen aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechthaltung der öffentlichen Ordnung - und damit eines von Art. 8 Abs. 2 EMRK erfassten Interesses - ein hoher Stellenwert zukommt (VwGH 30.04.2009, Zl. 2009/21/0086), schwerer als die schwach ausgebildeten privaten Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib in Österreich.
Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung kann daher nicht im Sinne von § 9 Abs. 2 BFA-VG als unzulässig angesehen werden, weshalb auch die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 nicht in Betracht kommt.
Die sonstigen Voraussetzungen einer Rückkehrentscheidung nach § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 und § 52 Abs. 2 Z 2 FPG sind erfüllt. Sie ist auch sonst nicht (zB vorübergehend nach Art. 8 EMRK, vgl. § 9 Abs. 3 BFA-VG und VwGH 28.04.2015, Ra 2014/18/0146) unzulässig. Der Beschwerdeführer verfügt auch über kein sonstiges Aufenthaltsrecht.
Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, dass sie hinsichtlich des Spruchpunktes IV. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG und § 52 Abs. 2 Z 2 FPG abzuweisen war.
3.5. Zum Ausspruch, dass die Abschiebung nach Algerien zulässig ist:
3.5.1. Rechtslage:
Gemäß § 52 Abs. 9 FPG hat das Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 FPG in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist. Die Abschiebung in einen Staat ist gemäß § 50 Abs. 1 FPG unzulässig, wenn dadurch Art 2 oder 3 EMRK oder deren 6. bzw. 13. ZPEMRK verletzt würden oder für den Betroffenen als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes verbunden wäre. Gemäß § 50 Abs. 2 FPG ist die Abschiebung in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort das Leben des Betroffenen oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder persönlichen Ansichten bedroht wäre, es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative. Nach § 50 Abs. 3 FPG ist die Abschiebung unzulässig, solange ihr die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.
3.5.2. Anwendung der Rechtslage auf den vorliegenden Fall:
Im vorliegenden Fall liegen keine Gründe vor, wonach die Abschiebung in den Herkunftsstaat gemäß § 50 Abs. 1 FPG unzulässig wäre.
Ein inhaltliches Auseinanderfallen der Entscheidungen nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 (zur Frage der Gewährung von subsidiärem Schutz) und nach § 52 Abs. 9 FPG (zur Frage der Zulässigkeit der Abschiebung) ist ausgeschlossen. Damit ist es unmöglich, die Frage der Zulässigkeit der Abschiebung in den Herkunftsstaat im Rahmen der von Amts wegen zu treffenden Feststellung nach § 52 Abs. 9 FPG neu aufzurollen und entgegen der getroffenen Entscheidung über die Versagung von Asyl und subsidiärem Schutz anders zu beurteilen (vgl. VwGH, 16.12.2015, Ra 2015/21/0119 und auch die Beschlüsse VwGH 19.02.2015, Ra 2015/21/0005 und 30.06.2015, Ra 2015/21/0059).
Die Abschiebung ist auch nicht unzulässig im Sinne des § 50 Abs. 2 FPG, da dem Beschwerdeführer keine Flüchtlingseigenschaft zukommt.
Weiters steht keine Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte der Abschiebung entgegen.
Die im angefochtenen Bescheid getroffene Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung nach Algerien erfolgte daher zu Recht.
Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, dass sie hinsichtlich des Spruchpunktes V. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 52 Abs. 9 FPG abzuweisen war.
3.6. Zur (Nicht-) Gewährung einer Frist für die freiwillige Ausreise und zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung:
Die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung erfolgte sei