TE Bvwg Erkenntnis 2021/1/4 I403 2223916-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 04.01.2021
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Entscheidungsdatum

04.01.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs3
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art2
EMRK Art3
EMRK Art8
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs2
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I403 2223916-1/20E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Birgit ERTL als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, StA. Ägypten, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 28.08.2019, Zl. XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer reiste legal mit einem Studentenvisum in Österreich ein und hatte ab dem 26.06.2012 eine Aufenthaltsbewilligung als Student; sein Verlängerungsantrag vom 02.06.2016 wurde mit Bescheid des Amtes der XXXX Landesregierung, Magistratsabteilung 35, vom 01.09.2016 aufgrund des mangelnden Studienerfolges abgewiesen. Dagegen erhob er Beschwerde, welche nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichts XXXX vom 27.06.2017, Zl. XXXX abgewiesen wurde.

2. Am 09.10.2017 stellte er beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, der belangten Behörde, einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Artikel 8 EMRK, der mit Bescheid vom 14.05.2019, rechtskräftig am 15.06.2019, abgewiesen wurde.

3. Am 28.05.2019 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf internationalen Schutz, den er damit begründete, dass er als früheres Mitglied der Al-Dostor-Partei in Ägypten von der Polizei verfolgt werde.

4. Mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Ägypten (Spruchpunkt II.) als unbegründet ab. Zugleich erteilte sie dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG (Spruchpunkt III.), erließ gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.) und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Ägypten zulässig ist (Spruchpunkt V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.). 

5. Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde vom 25.09.2019. Am 01.10.2019 legte die belangte Behörde die Beschwerde samt Verwaltungsakt vor. Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses des Bundesverwaltungsgerichtes wurde die gegenständliche Rechtssache am 01.10.2020 der Gerichtsabteilung der erkennenden Richterin zugewiesen. Am 22.12.2020 fand eine mündliche Verhandlung statt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der volljährige Beschwerdeführer ist ledig, kinderlos, Staatsangehöriger von Ägypten, stammt aus XXXX und bekennt sich zum islamischen Glauben. Seine Identität steht fest.

Der Beschwerdeführer studierte nach seiner Matura drei Jahre lang Agrarwissenschaften und schloss die Universität 2003 mit dem Bachelor ab. Danach arbeitete er von 2005 bis 2011 als Handelsvertreter und daneben auf dem landwirtschaftlichen Grundstück der Familie, das inzwischen verpachtet ist.

Der Beschwerdeführer reiste 2012 nach Österreich ein, um an der Universität XXXX ein Masterstudium der Agrarwissenschaften zu absolvieren. Er hält sich seit achteinhalb Jahren in Österreich auf. Bis 29.06.2016 verfügte der Beschwerdeführer über eine Aufenthaltsbewilligung als Student. In dieser Zeit war er mehrmals für einige Wochen in Ägypten auf Urlaub. Nachdem sein Antrag auf Verlängerung seines Aufenthaltstitels aufgrund mangelnden Studienerfolges mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes XXXX vom 27.06.2017 nicht mehr verlängert wurde, stellte er am 09.10.2017 einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Artikel 8 EMRK, der abgewiesen wurde. Nur zwei Wochen später, am 28.05.2019, stellte der Beschwerdeführer schließlich den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Der Beschwerdeführer besuchte vom 04.09.2012 bis 27.06.2014 den Vorstudienlehrgang; vom 27.06.2014 bis 30.11.2016 war er beim Bachelorstudium Agrarwissenschaften inskribiert. Ab dem 17.01.2020 war er für den Besuch einzelner Lehrveranstaltungen angemeldet, seit dem 06.10.2020 ist er – für zwei Semester befristet – für das Masterstudium Agrar- und Ernährungswissenschaft zugelassen.

Seit 30.08.2012 ist er durchgehend im Bundesgebiet gemeldet.

Die Familie des Beschwerdeführers bestehend aus zwei Brüdern und fünf Schwestern sowie weiteren Verwandten, lebt – mit Ausnahme eines Bruders, der sich in Saudi Arabien aufhält - in Ägypten. Die Familie ist wohlhabend und gebildet. Ein Onkel ist in XXXX wohnhaft.

Bis zum 01.08.2016 war der Beschwerdeführer neben dem Studium geringfügig beschäftigt. Aktuell wird er von seiner Familie finanziell unterstützt.

Der Beschwerdeführer spricht ausgezeichnet Deutsch. Er engagiert sich seit einem Jahr bei der Partei „XXXX“.

Der Beschwerdeführer ist arbeitsfähig, nimmt keine Medikamente ein und leidet an keinen lebensbedrohlichen Krankheiten, die einer Rückkehr nach Ägypten entgegenstehen. Er gehört keiner Covid-19 Risikogruppe an.

Der Beschwerdeführer wird in Ägypten nicht verfolgt. Es ist nicht glaubhaft, dass er 2012 für einige Monate Mitglied der Al-Dostor Partei war und deswegen nunmehr von den ägyptischen Behörden gesucht und verfolgt wird. Der Beschwerdeführer hat bei einer Rückkehr mit keinen staatlichen Sanktionen zu rechnen. 

1.2. Zur Lage in Ägypten:

Die für das gegenständliche Verfahren relevanten Auszüge aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Ägypten vom 24. Juli 2019 sind:

1.2.1. Sicherheitslage

Die terroristische Bedrohung ist auf ägyptischem Gebiet chronisch (FD 1.7.2019b). Es besteht landesweit weiterhin ein erhöhtes Risiko terroristischer Anschläge. Diese richten sich meist gegen ägyptische Sicherheitsbehörden, vereinzelt aber auch gegen ausländische Ziele und Staatsbürger (AA 1.7.2019; vgl. FD 1.7.2019a).

Das Risiko besteht auch bei politischen Kundgebungen, Demonstrationen und religiösen Veranstaltungen in Ballungsräumen. Insbesondere bei christlich-orthodoxen Feiertagen ist in der Umgebung von christlichen Einrichtungen erhöhte Vorsicht geboten (BMEIA 1.7.2019). Nach der

Zündung eines Sprengkörpers am 19.5.2019 in Gizeh wird empfohlen wachsam zu sein und stark frequentierte Bereiche zu meiden (FD 1.7.2019a). In den letzten Jahren wurden mehrere Terroranschläge verübt. Nach einer Reihe von Anschlägen wurde im April 2017 für drei Monate der landesweite Ausnahmezustand ausgerufen. Dieser wird seitdem regelmäßig alle drei Monate verlängert (AA 1.7.2019; AI 26.2.2019; vgl. FD 1.7.2019). Die Maßnahme geht mit erhöhten Eingriffsbefugnissen für Sicherheitskräfte und Militär einher. Es kommt vor allem nachts zu verstärkten Kontrollen durch Sicherheitskräfte (AA 1.7.2019). Zu Demonstrationen kommt es seit der Wahl von Staatspräsident Al-Sisi im Mai 2014 kaum noch (AA 1.7.2019).

Es kam auch zu einem erneuten religiös motivierten Angriff, auf einen koptischen Pilgerbus in Minya, bei dem 29 Menschen getötet wurden (FD 1.7.2019). Seit 2016 ist es wiederholt zu Anschlägen auf koptische Christen und koptische Kirchen gekommen. Dabei gab es zahlreiche Tote und Verletzte (AA 1.7.2019). Am 28.12.2018 wurden bei der Aktivierung eines Sprengsatzes in der Nähe der Pyramiden von Gizeh vier Menschen getötet. Am 15.2.2019 versuchten die Sicherheitskräfte, drei in Kairo gefundene Sprengsätze zu entschärfen, von denen einer explodierte. Am 18.2.2019 tötete eine Person mit einem Sprengstoffgürtel drei Menschen (FD 1.7.2019b).

Vor Reisen in den Norden der Sinai-Halbinsel und das ägyptisch-israelische Grenzgebiet wird gewarnt (AA 1.7.2019). Am 9.2.2019 begann die ägyptische Armee ihre umfassende Operation „Sinai 2018" gegen militante Islamisten auf der Sinai Halbinsel (AA 24.6.2019a; AI 26.2.2019). Es kam zu Angriffen auf Touristen am Strand und in Hotels. Ein besonders schwerer terroristischer Anschlag nach dem Freitagsgebet in einer Moschee im November 2017 im Dorf Bir el Abed im Nord-Sinai forderte mehr als 300 Menschenleben (AA 1.7.2019; vgl. AA 24.6.2019a; FD 1.7.2019b) und zahlreiche weitere verletzt (AA 1.7.2019). Bereits im August 2013 wurde im Gouvernorat Nordsinai der Ausnahmezustand verhängt und seitdem immer wieder verlängert. Es gilt auch eine nächtliche Ausgangssperre (AA 1.7.2019). Bereits Im April 2017 wurden in Folge von Anschlägen auf zwei Kirchen in Alexandria und Tanta 45 Menschen getötet und über 100 verletzt. Die Terrororganisation „Islamischer Staat" hat sich zu den Anschlägen bekannt. Staatspräsident Al-Sisi verhängte einen Tag später den Ausnahmezustand, der seitdem alle drei Monate verlängert wurde. Die Politik der Härte und des permanenten Ausnahmezustands hat die Terrorgefahr jedoch nicht beseitigen können (AA 24.6.2019a). Das Österreichische Außenministerium ruft für den Nordsinai ein partielles Sicherheitsrisiko (Sicherheitsstufe 5) aus wie auch für die Saharagebiete an den Grenzen zu Libyen (einschließlich Mittelmeergebiet) und zum Sudan (BMEIA 1.7.2019). Hohes Sicherheitsrisiko (Sicherheitsstufe 3) besteht in den restlichen Gebieten der Sinai-Halbinsel, inklusive der Ostküste im Bereich von Nuweiba bis Taba sowie auch für das Innere des Südsinai (BMEIA 1.7.2019). Es kommt auch weiterhin zu terroristischen Anschlägen, zuletzt am 2.11.2018 in der ägyptischen Provinz Minya, wo sieben koptische Pilger starben, und am 28.12.2018 sowie am 19.5.2019 in der Nähe der Pyramiden von Gizeh, wo ausländische Touristen zu Tode kamen oder verletzt wurden (AA 24.6.2019a). Am 24.6.2019 kam es auf dem Sinai zu einem Gefecht zwischen der Armee und Kämpfern des Islamischen Staates (IS). Laut Auskunft des Innenministeriums seien dabei sieben Polizisten und vier Kämpfer des IS getötet worden (BAMF 1.7.2019).

Vor Reisen in entlegene Gebiete der Sahara einschließlich der Grenzgebiete zu Libyen und Sudan wird gewarnt (AA 1.7.2019). Die ägyptischen Behörden haben die Grenzregionen zu Libyen und zum Sudan zu Sperrgebieten erklärt (AA 1.7.2019). Minenfelder sind häufig unzureichend gekennzeichnet, insbesondere auf dem Sinai, in einigen nicht erschlossenen Küstenbereichen des Roten Meeres, am nicht erschlossenen Mittelmeerküstenstreifen westlich von El Alamein und in Grenzregionen zu Sudan und Libyen (AA 1.7.2019).

Die Kriminalitätsrate ist in Ägypten vergleichsweise niedrig. Kleinkriminalität wie Taschendiebstähle und auch vereinzelte Übergriffe speziell auf Frauen haben etwas zugenommen (AA 1.7.2019).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt Deutschland (1.7.2019): Ägypten - Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung), https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/aegypten-node/ aegvptensicherheit/212622. Zugriff 1.7.3019

-        BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Deutschland (1.7.2019): Briefing Notes 1 Juli 2019, Zugriff 1.7.2019

-        AA - Auswärtiges Amt Deutschland (24.6.2019a): Ägypten - Innenpolitik. https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/aegypten-node/-/212652. Zugriff 1.7.2019

-        AI - Amnesty International (26.2.2019): Human rights in the Middle East and North Africa: Review of 2018 - Egypt, https://www.ecoi.net/en/file/local/2003690/MDE1299162019ENGLISH.pdf. Zugriff 1.7.2019

-        BMEIA - Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres (1.7.2019): Reiseinformation, Ägypten - Sicherheit & Kriminalität, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/aegypten/, Zugriff 1.7.2019

-        FD - France diplomatique (1.7.2019a): Egypte - Derniere minute, https://www.diplomatie.gouv.fr/fr/conseils-aux-voyageurs/conseils-par-pays-destination/egypte/. Zugriff 1.7.2019

-        FD - France diplomatique (1.7.2019b): Egypte - Securite, https://www.diplomatie.gouv.fr/fr/conseils-aux-voyageurs/conseils-par-pays-destination/egypte/#securite, Zugriff 1.7.2019

1.2.2. Rechtsschutz / Justizwesen

Die Unabhängigkeit der Justiz ist vor allem im Bereich der äußerst weit verstandenen Terrorismusbekämpfung erheblich beeinträchtigt. Willkürliche Verhaftungen, Fälle von erzwungenem Verschwindenlassen von Personen durch die Staatssicherheit und politisch motivierte Gerichtsverfahren sind an der Tagesordnung. Folter und Misshandlungen in Haft sind verbreitet. Die Sicherheitsdienste genießen de facto Straffreiheit. Sie agieren zunehmend außerhalb jedweder rechtlicher Vorgaben und entziehen sich der Kontrolle durch Justiz und Politik (AA 22.2.2019).

Die Todesstrafe wird verhängt und gegenwärtig auch vollstreckt. Zu diskriminierender Strafverfolgung oder Strafzumessung aufgrund bestimmter Merkmale liegen keine belastbaren Erkenntnisse vor. In diesem Bereich macht sich häufig der Druck der öffentlichen Meinung bemerkbar. Harte Strafen gegen Angehörige der Muslimbruderschaft und oppositionspolitische Aktivisten sind häufig Ausdruck einer politisierten Justiz, die nicht nach rechtsstaatlichen Grundsätzen verfährt. Vor dem Hintergrund allgemein harter und häufig menschenrechtswidriger Haftbedingungen gibt es Hinweise, dass insbesondere junge und unbekannte politische Straftäter besonders harten Haftbedingungen ausgesetzt sind. Amnestien werden wiederholt angekündigt und auch umgesetzt. Anlässlich ägyptischer Feiertage werden immer wieder Gefangene amnestiert bzw. im formellen Sinne begnadigt. Allerdings profitieren hiervon in der Regel keine politischen Gefangenen, sondern ausschließlich Strafgefangene. Allgemeine Voraussetzungen sind in der Regel die Verbüßung von mindestens der Hälfte der Haftzeit und gute Führung in Haft. Im November 2016 kam es jedoch zur Amnestierung von über 100 Studenten und Journalisten, die wegen Teilnahme an Demonstrationen oder wegen ihrer Berichterstattung festgenommen wurden (AA 22.2.2019).

Die Behörden nutzten die verlängerte Untersuchungshaft, um Andersdenkende inhaftieren zu können und schränkten und schikanierten zivilgesellschaftliche Organisationen und Mitarbeiter ein. Die Behörden verwendeten Einzelhaft, Folter und andere Misshandlungen und ließen weiterhin Hunderter von Menschen ungestraft verschwinden. Fälle von außergerichtlichen Hinrichtungen wurden nicht untersucht. Zivil- und Militärgerichte erließen nach unfairen Prozessen Massenurteile und verurteilten zahlreiche Menschen zum Tode (AI 26.2.2019; vgl. AI 23.5.2018). Sie hatten im August 2013 an Massenprotesten vor der al-Fateh-Moschee teilgenommen. Das Verfahren gegen die insgesamt 494 Angeklagten war grob unfair. Gerichte verließen sich bei der Urteilsfindung maßgeblich auf Berichte des nationalen Geheimdienstes und ließen Beweise zu, die nicht stichhaltig waren, darunter auch unter Folter erpresste »Geständnisse«. Zivilpersonen mussten nach wie vor mit unfairen Gerichtsverfahren vor Militärgerichten rechnen. Mindestens 384 Zivilpersonen wurde 2017 vor Militärgerichten der Prozess gemacht (AI 23.5.2018).

Die Verfassung sieht die Unabhängigkeit und Immunität der Richter vor. Die Gerichte handelten in der Regel unabhängig, obwohl es einzelnen Gerichten manchmal an Unparteilichkeit fehlte und diese zu politisch motivierten Ergebnissen gelangten. Die Regierung respektierte in der Regel Gerichtsbeschlüsse. Das Gesetz geht von einer Unschuld der Angeklagten aus, und die Behörden informieren sie in der Regel unverzüglich und im Detail über die Anklagen gegen sie. Die Angeklagten haben das Recht, bei den Verfahren anwesend zu sein. Die Teilnahme ist verpflichtend für Personen, die eines Verbrechens angeklagt werden, und fakultativ für diejenigen, die wegen Vergehen angeklagt sind. Zivilverhandlungen sind in der Regel öffentlich. Die Angeklagten haben das Recht, einen Anwalt zu konsultieren, und die Regierung ist zuständig für den Rechtsbeistand, wenn der Angeklagte sich keinen Rechtsanwalt leisten kann. Verhandlungen vor dem Militärgericht sind nicht öffentlich (USDOS 13.3.2019).

Die ägyptische Justiz ist in Zivil- und Strafgerichte einerseits und Verwaltungsgerichte andererseits unterteilt. Jeweils höchste Instanz ist das Kassationsgericht bzw. das Hohe Verwaltungsgericht. Darüber hinaus existieren Sonder- und Militärgerichte. Seit 1969 ist das Oberste Verfassungsgericht das höchste Gericht. Obwohl die Gerichte in Ägypten - mit gewissen Einschränkungen - als relativ unabhängig gelten und sich Richter immer wieder offen gegen den Präsidenten stellten, gab es immer wieder Vorwürfe gegen Richter, Prozesse im Sinn des Regimes zu manipulieren. Solche Vorwürfe werden auch heute noch in Bezug auf die Prozessführung gegen die angeklagten Spitzen des alten Regimes sowie hohe Offiziere der Sicherheitskräfte erhoben. Das Mubarak-Regime bediente sich immer wieder der durch den Ausnahmezustand legitimierten Militärgerichte, um politische Urteile durchzusetzen. Auch nach der Revolution wurden zahlreiche Zivilisten vor Militärgerichten angeklagt (GIZ 12.2018).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt Deutschland (22.2.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Ägypten (Stand Januar 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/1458483/4598_1551702084_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-aegypten-stand-januar-2019-22-02-2019.pdf. Zugriff 1.7.2019

-        AI - Amnesty International (26.2.2019): Human rights in the Middle East and North Africa: Review of 2018 - Egypt, https://www.ecoi.net/en/file/local/2003690/MDE1299162019ENGLISH.pdf. Zugriff 1.7.2019

-        AI - Amnesty International (23.5.2018): Amnesty International Report 2017/18 - Zur weltweiten Lage der Menschenrechte - Ägypten, https://www.amnestv.org/download/Documents/POL1067002018GERMAN.PDF. Zugriff 2.7.2019

-        GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (12.2018): GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH: Ägypten - Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/aegvpten/geschichte-staat/. Zugriff 2.7.2019

-        USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004258.html. Zugriff 2.7.2019

1.2.3. Allgemeine Menschenrechtslage

Die Lage der Menschenrechte ist besorgniserregend (AA 24.6.2019a). Die im Januar 2014 angenommene Verfassung enthält einen im Vergleich zu früheren Verfassungen erweiterten Grundrechtskatalog, der sowohl bürgerlich-politische wie auch wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte umfasst. Viele dieser Grundrechte stehen jedoch unter einem einfachen Gesetzesvorbehalt. In der Praxis werden diese Rechte immer weiter eingeschränkt, vor allem bürgerlich-politische Rechte. Allerdings hat Ägypten den Kernbestand internationaler Menschenrechtsübereinkommen ratifiziert, so etwa den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte, den Pakt über wirtschaftliche und soziale Rechte, die Konvention zur Beseitigung aller Formen der Diskriminierung von Frauen, die UN-Folterkonvention und die UN--Behindertenrechtskonvention, wie auch das Übereinkommen über die Rechte des Kindes. Erhebliche Vorbehalte zu diesen Instrumenten betreffen unter anderem Bestimmungen betreffend die Gleichstellung von Mann und Frau vor dem Hintergrund islamischen Rechts (Scharia-¬Vorbehalt) (AA 22.2.2018).

Obwohl Ägypten alle wichtigen internationalen Menschenrechtskonventionen unterzeichnete und Personen- und Freiheitsrechte in der Verfassung geschützt sind, wurde und wird das Land regelmäßig wegen Menschenrechtsverletzungen stark kritisiert. Internationale Menschenrechtsorganisationen sowie viele der über 30 ägyptischen Menschenrechtsorganisationen veröffentlichen regelmäßig englisch- und arabischsprachige Berichte zur Menschenrechtslage in Ägypten, darunter die Egyptian Organization for Human Rights EOHR, das Nadim Zentrum für Gewaltopfer, die Egyptian Initiative for Personal Rights EIPR und das Budgetary and Human Rights Observatory (GIZ 12.2018).

Das Ausmaß der ägyptischen Menschenrechtskrise weitete sich aus, da die Behörden Gegner, Kritiker, Satiriker, aktuelle und ehemalige Menschenrechts- und Arbeitsrechtsaktivisten, Journalisten, Präsidentschaftskandidaten und Überlebende sexueller Belästigung verhafteten. Die Behörden nutzten die verlängerte Untersuchungshaft, um Gegner zu inhaftieren, und schränkten und schikanierten zivilgesellschaftliche Organisationen und deren Mitarbeiter ein. Die Behörden wandten Einzelhaft, Folter und weitere Arten von Misshandlungen an und ließen Hunderte von Menschen ungestraft verschwinden. Untersuchungen von Fällen außergerichtlicher Hinrichtungen wurden unterlassen. Zivil- und Militärgerichte erließen nach unfairen Prozessen Massenurteile und verurteilten Hunderte von Menschen zum Tode. Menschen wurden aufgrund ihrer tatsächlichen oder wahrgenommenen sexuellen Orientierung verhaftet. Die Behörden hinderten Christen daran, ihren Glauben frei auszuüben, und verabsäumten es, die Verantwortlichen für sektiererische Gewalt zur Verantwortung zu ziehen. Die Streitkräfte setzten bei einer laufenden Militäroperation im Sinai verbotene Streubomben ein (AI 26.2.2019).

Die bedeutendsten Menschenrechtsprobleme waren der übermäßige Einsatz von Gewalt durch Sicherheitskräfte, Defizite in ordentlichen Gerichtsverfahren und die Unterdrückung der bürgerlichen Freiheiten. Übermäßiger Einsatz von Gewalt umfasste rechtswidrige Tötungen und Folter. Zu den prozessbedingten Problemen gehörten die übermäßige Verwendung von präventiver Haft und Untersuchungshaft. Das Problemfeld bei den bürgerlichen Freiheiten beinhaltet gesellschaftliche und staatliche Beschränkungen der Meinungs- und Medienfreiheit, sowie der Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit. Andere Menschenrechtsprobleme beinhalteten das Verschwindenlassen, harte Gefängnisbedingungen, willkürliche Verhaftungen, eine Justiz, die in einigen Fällen zu Ergebnissen kam, die nicht durch öffentlich zugängliche Beweise gestützt wurden oder die politische Motivationen zu reflektieren schienen, Straflosigkeit für Sicherheitskräfte, Begrenzung der Religionsfreiheit, Korruption, Gewalt, Belästigung und gesellschaftliche Diskriminierung von Frauen und Mädchen, einschließlich weiblicher Genitalverstümmelung, Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen, Menschenhandel, gesellschaftliche Diskriminierung religiöser Minderheiten, Diskriminierung und Verhaftungen auf der Grundlage sexueller Orientierung (USDOS 13.3.2019).

Weiters gibt es glaubhafte Berichte über Folter und Misshandlungen auch mit Todesfolge in Haftanstalten der Staatssicherheit und Polizeistationen. Die Todesstrafe kommt unter Staatspräsident Al-Sisi wieder verstärkt zur Anwendung und wird seit Dezember 2017 auch vermehrt vollstreckt. Im Namen der Terrorismusbekämpfung und Sicherung der Stabilität geht die staatliche Repression mit erheblichen Verletzungen grundlegender Menschenrechte einher. (AA 24.6.2019a).

Quellen:

-        AA - Auswärtig (24.6.2019a): Ägypten - Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/aegypten-node/-/212652. Zugriff 11.7.2019

-        AA - Auswärtiges Amt Deutschland (22.2.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Ägypten (Stand Januar 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/1458483/4598_1551702084_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-aegypten-stand-januar-2019-22-02-2019.pdf. Zugriff 11.7.2019

-        AI - Amnesty International (26.2.2019): Human rights in the Middle East and North Africa: Review of 2018 - Egypt, https://www.ecoi.net/en/file/local/2003690/MDE1299162019ENGLISH.pdf. Zugriff 11.7.2019

-        GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (12.2018): Ägypten - Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/aegypten/geschichte-staat/, Zugriff 11.7.2019

-        USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004258.html. Zugriff 11.7.2019

1.2.4. Grundversorgung

Subventionen zur Absicherung der Grundversorgung der ägyptischen Bevölkerung haben eine lange Tradition und zehren einen erheblichen Teil des Staatshaushaltes auf. Daran ändert auch das mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) vereinbarte Reformprogramm, das Kürzungen der staatlichen Subventionen für Elektrizität, Treibstoff, aber auch für Brotgetreide einschließt, nichts. So wurde z.B. nach Kürzung von Subventionen im Sommer 2017 und damit verbundenen Preissteigerungen die Zahl der Berechtigten für Lebensmittelkarten erhöht (bisher schon ca. 70 Mio. Personen) und auch der Umfang der über diese Karten zu beziehenden Güter nochmals ausgedehnt. Nicht-Ägypter haben nach hiesiger Kenntnis keinen Zugang zu diesem System (AA 22.2.2019). Im Rahmen des mit dem IWF verhandelten Reformprogramms versucht die Regierung, den notwendigen Strukturwandel in die Wege zu leiten. Das Wirtschaftswachstum lag 2017 bei 4,2 % und 2018 bei 5,3 %. Subventionen für Benzin, Diesel und Elektrizität werden von der Regierung sukzessive reduziert. Bis Juni 2021 ist eine vollständige Eliminierung aller Energiesubventionen vorgesehen (AA 24.6.2019c).

Ein weiteres Instrument der sozialen Sicherung liegt im Mietrecht begründet. Für einen Großteil von Mietverträgen, die in den 1950er und 1960er Jahren geschlossen wurden und seitdem innerhalb der Großfamilie weitergegeben wurden, gilt noch eine Mietpreisbindung, die im Altbestand zu teilweise grotesk niedrigen Mieten führt. Für neue Verträge seit ca. 1990 gelten ohnehin die Gesetze des Marktes. Im Rahmen der Erschließung von Wüstenregionen wird ein gewisser Prozentsatz an Land und Wohnungen an arme Bevölkerungsteile verlost (AA 22.2.2019).

Im Rahmen von zwei Sozialhilfeprogrammen KARAMA und TAKAFUL werden zudem verstärkte Schritte für eine gezielte Unterstützung der Ärmsten vorgenommen. Das Karama Projekt sieht monatliche Geldleistungen im Umfang von 40-80 USD an die Ärmsten der Armen sowie an ältere Menschen und Behinderte vor. Das konditionierte Takaful Projekt zielt auf die finanzielle Unterstützung von Familien mit Kindern ab, vorausgesetzt diese besuchen regelmäßig eine Schule (AA 22.2.2019).

Darüber hinaus existiert ein zwar in seiner Leistungsfähigkeit beschränktes, aber funktionierendes Sozialversicherungssystem, welches Arbeitslosen-, Kranken-, Renten- und Unfallversicherungselemente enthält und von Arbeitgebern und Arbeitnehmern gemeinsam bezahlt wird. Die größten Probleme ergeben sich hier aus relativ geringen tatsächlichen Auszahlungen und der Nichterfassung der großen Anzahl an Personen ohne formelle Erwerbsaktivitäten (informeller Sektor) bzw. solche die arbeitslos sind. Einen erheblichen Beitrag zur sozialen Sicherung leisten karitative Einrichtungen, vornehmlich auf religiöser Basis und finanziert aus Spenden und wohltätigen Stiftungen (AA 22.2.2019).

Formale staatliche Institutionen für die Aufnahme von Rückkehrern sind hier nicht bekannt. Subventionsabbau droht - trotz langsam sinkender Inflation und sozialen Gegenmaßnahmen der Regierung die wirtschaftliche Situation vor allem der armen Segmente der Gesellschaft weiter zu verschlechtern. Bisher hat sich der latent in der Bevölkerung vorhandene Unmut nur punktuell manifestiert. Viel wird davon abhängen, wie schnell eine wirtschaftliche Erholung auch diese Schichten erfasst. Daneben zeichnet sich ab, dass Militär und auch Sicherheitsdienste in sozialen Bereichen, beispielsweise in der Verteilung von Lebensmitteln, einspringen und staatliche Aufgaben verstärkt substituieren (AA 22.2.2019).

Ägypten ist das nach Südafrika am stärksten industrialisierte Land Afrikas. Die Landwirtschaft spielt eine erhebliche Rolle. Der große informelle Sektor (v.a. Dienstleistungen; Schätzungen gehen von 30-40 % des BIP aus) nimmt zudem einen Großteil der Arbeitskräfte auf. Bei einem Netto-Bevölkerungswachstum von jährlich rund 2,5 Millionen Menschen ist die Arbeitslosigkeit und insbesondere Jugendarbeitslosigkeit besonders hoch (offiziell wird die Jugendarbeitslosigkeit mit 28 % angegeben, Schätzungen gehen von höheren Zahlen aus). Ägypten hat ein großes Interesse an ausländischen Direktinvestitionen und fördert diese gezielt. Zahlreiche Handelshemmnisse und Bürokratie schrecken potenzielle Investoren jedoch ab. Staatliche Unternehmen sowie das ägyptische Militär spielen im Wirtschaftsleben eine starke Rolle. Jeder dritte Ägypter ist in der Landwirtschaft beschäftigt. Die landwirtschaftliche Nutzfläche erstreckt sich vor allem entlang des Nils sowie im Nildelta, macht aber nur rund 4 % der Gesamtfläche des Landes aus (AA 24.6.2019c).

Der Dienstleistungssektor absorbiert einen erheblichen Teil der Erwerbstätigen und erwirtschaftet große Teile des Bruttoinlandsproduktes. Einen maßgeblichen Beitrag leistet hierbei der Tourismusbereich (AA 24.6.2019c). Der Dienstleistungssektor ist der größte Wirtschaftssektor (GIZ 9.2018c). Er bietet rund 50 % der ägyptischen Arbeitskräfte eine Beschäftigung und trägt mit rund 49 % etwa die Hälfte zum BIP bei (GIZ 9.2018c). Ein schwer zu erfassender und vermutlich erheblicher Teil des Dienstleistungsbereichs arbeitet informell (AA 24.6.2019c).

Nach einer Studie der staatlichen Statistikbehörde CAPMAS gibt eine ägyptische Durchschnittsfamilie rund 40 % ihres Einkommens nur für Nahrungsmittel aus, Familien aus ärmeren Schichten bis zu 63 %. Die Einkommensverteilung hat sich in den letzten drei Jahrzehnten immer stärker zuungunsten der unteren Einkommensschichten entwickelt. Die meisten Ägypter verdienen jedoch wesentlich weniger als die Durchschnittslöhne und nur 60 % aller Lohnabhängigen haben überhaupt geregeltes Einkommen. Die dramatischen Preiserhöhungen für Grundlebensmittel in den letzten Jahren verschärften den Kaufkraftverlust und trafen vor allem die unteren Einkommensschichten, die nach Angaben von CAPMAS mehr als die Hälfte ihres Einkommens für Nahrungsmittel ausgeben (GIZ 9.2018).

Die staatlichen Maßnahmen zur Armutsbekämpfung werden heute weithin als unzulänglich kritisiert. Sie bestehen im Wesentlichen aus nicht zielgruppenorientierten Subventionen für Grundnahrungsmittel und Energie, extrem niedrigen Sozialhilfe- und Pensionszahlungen für bestimmte Bevölkerungsgruppen sowie Kredit-, und Entwicklungsprogrammen des Sozialfonds für Entwicklung (SfD), die jedoch weit hinter dem Bedarf zurückbleiben (GIZ 9.2018).

Die Armutsquote (2016/17) ist auf 27 % gestiegen (die höchste seit 2000). Über 10 Millionen Menschen in Ägypten haben weniger als 1 $ am Tag zur Verfügung. Rund 12,5 % der Bevölkerung sind arbeitslos und ca. 17 % der Familien werden von Frauenarbeit (im informellen Sektor) unterstützt (GIZ 9.2018).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt Deutschland (24.6.2019c): Ägypten: Wirtschaft, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/aegypten-node/wirtschaft-/212624, Zugriff 9.7.2019

-        AA - Auswärtiges Amt Deutschland (22.2.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Ägypten (Stand Januar 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/1458483/4598_1551702084_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-aegypten-stand-januar-2019-22-02-2019.pdf. Zugriff 9.7.2019

-        GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (9.2018): Ägypten - Wirtschaft & Entwicklung, https://www.liportal.de/aegypten/wirtschaft-entwicklung/. Zugriff 9.7.2019

1.2.5. Medizinische Versorgung

In Kairo ist eine ausreichende Versorgung gewährleistet. Die medizinische Versorgung außerhalb Kairos hat sich in den letzten Jahren zwar deutlich verbessert, dennoch entspricht sie nach wie vor oft nicht westeuropäischem Standard (AA 9.7.2019). Es kommt zu gravierenden Qualitätsmängel in der staatlichen Versorgung - mangelnde Hygiene oder vernachlässigte Wartung von Geräten ebenso wie unterbezahltes Personal (GIZ 2.2018).

Das grundlegend funktionierende Sozialversicherungssystem mit Elementen der Kranken- und Unfallversicherung ist eingeschränkt leistungsfähig. Eine minimale kostenlose Grundversorgung ist gegeben. Notfälle werden behandelt; die Grundversorgung chronischer Krankheiten ist minimal und oft nur mit Zuzahlungen gegeben (AA 22.2.2019). Der Großteil der ägyptischen Bevölkerung ist über den Staat versichert. Problematisch ist, dass diese Versicherung an Ausbildung oder Arbeitsplatz gekoppelt ist, und Arbeitslose oder Arme daher ausschließt (GIZ 2.2018).

Aktuell soll ein neuer Gesetzesentwurf das Problem angehen und eine adäquate Krankenversicherung schrittweise auf alle Bevölkerungsgruppen ausdehnen (GIZ 2.2018). Ein Gesetz über umfassende Gesundheitsvorsorge wurde im Herbst 2017 verabschiedet, aber dessen Finanzierung ist noch nicht abschließend geregelt. Es gibt im Großraum Kairo über 100 staatliche Krankenhäuser, u. a. die Uni-Kliniken Kasr El Aini und Ain Shams. Die Versorgung mit Medikamenten im örtlichen Markt ist ausreichend. Importe werden staatlich kontrolliert (AA 22.2.2019).

Im September 2017 kam es zum ersten Ausbruch von Dengue-Fieber am Roten Meer (Alquaseer) seit mehreren Jahren. Inzwischen wurden auch Fälle aus Hurghada gemeldet (AA 9.7.2019).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt Deutschland (9.7.2019): Ägypten: Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung), https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/aegypten-node/ aegyptensicherheit/212622#content 5, Zugriff 9.7.2019

-        AA - Auswärtiges Amt Deutschland (22.2.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Ägypten (Stand Januar 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/1458483/4598 1551702084 auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asvl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-aegypten-stand-januar-2019-22-02-2019.pdf. Zugriff 9.7.2019

-        GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (2.2018): Liportal, Ägypten - Gesellschaft, https://www.liportal.de/aegypten/gesellschaft/, Zugriff 9.7.2019

1.2.6. Rückkehr

Es gibt keine gesonderten Aufnahmeeinrichtungen. Zur Situation von Rückkehrern liegen keine Erkenntnisse vor. Staatliche Maßnahmen als Reaktion auf Asylanträge im Ausland sind nicht bekannt. Formale staatliche Institutionen für die Aufnahme von Rückkehrern sind nicht bekannt (AA 22.2.2019).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt Deutschland (22.2.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Ägypten (Stand Januar 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/1458483/4598_1551702084_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-aegypten-stand-januar-2019-22-02-2019.pdf. Zugriff 9.7.2019

1.3. Zur aktuell vorliegenden Pandemie aufgrund des Corona-Virus:

COVID-19 ist eine durch das Corona-Virus SARS-CoV-2 verursachte Viruserkrankung, die erstmals im Jahr 2019 in Wuhan/China festgestellt wurde und sich seither weltweit verbreitet (https://www.who.int/emergencies/diseases/novel-coronavirus-2019/question-and-answers-hub/q-a-detail/q-a-coronaviruses).

Nach dem aktuellen Stand verläuft die Viruserkrankung bei etwa 80% der Betroffenen leicht bzw. symptomlos und bei ca. 20% der Betroffenen schwerer, wenn auch nicht lebensbedrohlich. Sehr schwere oder tödliche Krankheitsverläufe treten am häufigsten bei Risikogruppen auf, zum Beispiel bei älteren Personen und Personen mit medizinischen Problemen oder Vorerkrankungen wie Diabetes, Herzkrankheiten und Bluthochdruck) (https://www.who.int/emergencies/diseases/novel-coronavirus-2019/question-and-answers-hub/q-a-detail/q-a-coronaviruses).

Die COVID-19-Risikogruppe-Verordnung listet die medizinischen Gründe (Indikationen) für die Zugehörigkeit einer Person zur COVID-19-Risikogruppe. Auf Grundlage dieser Indikationen darf eine Ärztin/ein Arzt ein COVID-19-Risiko-Attest ausstellen. Die medizinischen Hauptindikationen werden in der Verordnung weiter unterteilt und genau beschrieben (https://www.sozialministerium.at/Informationen-zum-Coronavirus/Coronavirus---Haeufig-gestellte-Fragen/FAQ--Risikogruppen.html).

In Österreich gibt es mit Stand 04.01.2021 insgesamt 364.574 positiv getestete Fälle, aktuell 29.713 aktive Fälle und 6.253 gemeldete Todesfälle (https://info.gesundheitsministerium.at/dashboard_Epidem.html?l=de).

In Ägypten gibt es mit Stand 04.01.2021 insgesamt 140.878 positiv bestätigte Fälle und 7.741 Todesfälle (https://covid19.who.int/region/emro/country/eg). Ägypten hat ungefähr die zehnfache Einwohnerzahl Österreichs.

1.4. Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zur Mitgliedschaft bei der Al-Dostor-Partei vom 10.12.2020

Fragestellung:
1.         Kann die Authentizität des beiliegenden Parteiausweises bestätigt werden?
2.         Haben frühere (seit Jahren aus der Partei ausgeschiedene) Mitglieder der Al-Dostor-Partei aktuell Probleme mit den Sicherheitsbehörden zu befürchten?

Ad1.)

Der VA (gemeint: Vertrauensanwalt) der ÖB (gemeint: Österreichische Botschaft) berichtet, dass die Prüfung auf Authentizität nur möglich gewesen wäre, wenn der Originalausweis des BFs (gemeint: Beschwerdeführers) der Partei vorgelegt worden wäre.

Ad2.)

Weiters berichtet der VA, dass die Sicherheitsbehörden kein Problem mit den Mitgliedern der Partei haben und dass alle Mitglieder der Partei ihren Wohnsitz in Ägypten haben, ohne dass es aufgrund ihrer Mitgliedschaft zu Anklagen gegen sie kommt.

Der Präsident der Partei hält sich jedoch - auf eigenen Wunsch - außerhalb Ägyptens auf, ohne dass seitens der Sicherheitsbehörden irgendeine Anklage vorliegt. Die Partei wurde durch den Erlass des Ausschusses der politischen Parteien gegründet, der auf der Sitzung vom 16.9.2012 einberufen wurde, und der Erlass wurde am 16.9.2012 im Amtsblatt, Ausgabe 37 bis (a), veröffentlicht. Die Gründungsmitglieder waren Mohamed Mostafa Mohamed El Baradei, Ahmed Mohamed Albalas, Ahmed Abdel Aziz Mohamed Hassanien Darag und Sayed Kassem El Masry.

Da der Betroffene Mitte 2012 - d.h. vor der Gründung der Partei - nach Österreich kam, halten wir seine Behauptung für unwahr, da er vor der Gründung der Partei kein Parteimitglied gewesen sein konnte.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Sachverhalt:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in die Beschwerde und in den angefochtenen Bescheid, in den vorgelegten Verwaltungsakt unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers vor der belangten Behörde und den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes und in das aktuelle „Länderinformationsblatt der Staatendokumentation“ zu Ägypten. Zudem wurde eine mündliche Verhandlung abgehalten und der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen und seinem Leben in Österreich bzw. Ägypten befragt.

Der unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem Akteninhalt.

2.2. Zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zu seinen Lebensumständen, seiner Herkunft, seiner Glaubenszugehörigkeit sowie seiner Staatsangehörigkeit gründen sich auf die diesbezüglichen Angaben des Beschwerdeführers bei der Erstbefragung und vor der belangten Behörde. Seine Identität steht aufgrund des vom BFA sichergestellten Reisepasses fest.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer arbeitsfähig ist, keine Medikamente einnimmt und an keinen lebensbedrohlichen Krankheiten leidet, die einer Rückkehr nach Ägypten entgegenstehen, basiert auf seiner diesbezüglich glaubhaften Aussage in der mündlichen Verhandlung. Da der Beschwerdeführer an keinen Krankheiten leidet, gehört er auch keiner Covid-19 Risikogruppe an.

Die Abweisung seines Antrages auf Verlängerung seiner Aufenthaltsbewilligung ergibt sich aus dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes XXXX XXXX.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer 2015 und 2016 jeweils mehrere Wochen in Ägypten war, ergibt sich aus seiner Aussage gegenüber dem BFA am 10.07.2019.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer ausgezeichnet Deutsch spricht, ergibt sich aus dem in der Verhandlung gewonnenen Eindruck und den vorgelegten Zeugnissen (Zeugnis C1 vom 03.04.2019, B1/B2 vom 18.06.2014). Dass er im Sommer 2020 einen C1/C2 Intensivkurs besuchte, ergibt sich aus einem vorgelegten Zeugnis der Universität XXXX. Seine Studienzeiten ergeben sich aus einem Studienblatt für das Wintersemester 2020. Dass er Mitglied bei „XXXX“ ist, ergibt sich aus einer vorgelegten Beitrittserklärung vom 28.10.2019 und einem Empfehlungsschreiben eines XXXX Bezirksrates.

Die Feststellung zu seinen aufrecht gemeldeten Wohnsitzen bzw. erfassten Meldedaten ergibt sich aus den Auszügen aus dem zentralen Melderegister.

Die Feststellungen zur Schulbildung und Familie des Beschwerdeführers basieren auf seinen diesbezüglich glaubhaften Aussagen im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme und in der mündlichen Verhandlung.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer in Österreich nicht vorbestraft ist, ergibt sich aus dem erhobenen Strafregisterauszug.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer in Österreich aktuell keiner Beschäftigung nachgeht, bis 2016 aber geringfügig beschäftigt war, ergibt sich aus einem Auszug aus der Datenbank der Sozialversicherungen.

2.3. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer verließ Ägypten 2012 nicht aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung. Dagegen spricht insbesondere auch, dass er 2015 drei Wochen und 2016 fünf Wochen in Ägypten Urlaub machte. Dass er danach nicht mehr nach Ägypten zurückkehrte, ist angesichts des Umstandes, dass ihm, mangels rechtmäßigen Aufenthalts, die Wiedereinreise nach Österreich nicht erlaubt gewesen wäre, logisch erklärbar. Der Beschwerdeführer behauptete allerdings auch nie, dass er aus Ägypten geflüchtet sei; auch als sein Aufenthaltstitel 2016 nicht verlängert wurde, war er nach eigenen Angaben nur deswegen nicht nach Ägypten zurückgekehrt, weil er „hierbleiben“ und sein „Studium fortsetzen“ wollte (Niederschrift der Einvernahme am 10.07.2019) und nicht, weil er dort Verfolgung befürchten würde.

Im gegenständlichen Verfahren bringt der Beschwerdeführer allerdings vor, dass sich die Lage geändert habe und er nunmehr als Mitglied der „Verfassungspartei“ (Al-Dostor-Partei) mit Problemen in Ägypten zu rechnen habe, da im April/Mai 2019 Polizisten bei seiner Mutter nach ihm gefragt hätten, um ihn festzunehmen. Es ist dem Beschwerdeführer aber nicht gelungen, dies glaubhaft zu machen, wie die folgenden Erwägungen zeigen:

Der Beschwerdeführer hatte gegenüber der belangten Behörde am 10.07.2019 angegeben, dass er vor seiner Ausreise aus Ägypten im August 2012 Mitglied der Al-Dostor-Partei gewesen sei. Zu dieser Befragung fällt bei Durchsicht des Protokolls auf, dass der Beschwerdeführer zwar ausführlich über allgemeine politische Zustände und Entwicklungen in Ägypten erzählte, bezüglich seiner Parteimitgliedschaft und Aktivitäten für die Partei aber sehr vage und ausweichend blieb. Er wiederholte nur immer wieder, dass er der „Hauptverantwortliche“ der Partei in XXXX gewesen sei. Nach der arabischen Revolution habe die Partei nach Mitgliedern gesucht. Nun ergibt sich aus verschiedenen Quellen (z.B. Daily News, ElBaradei presides over Al-Dostour party, 03.09.2012, abrufbar unter ElBaradei presides over Al-Dostour party - Daily News Egypt; Carnegie Endowment for International Peace, 31.10.2012, abrufbar unter https://carnegieendowment.org/2012/10/31/constitution-party-pub-54825), dass Mohamed Mustafa ElBaradei im April 2012 gemeinsam mit anderen bekannten Intellektuellen die Gründung der Al-Dostor-Partei beschlossen habe, dass diese aber erst im September 2012 offiziell registriert und zugelassen wurde. Es erscheint daher sehr unwahrscheinlich, dass der Beschwerdeführer zwischen April und August 2012 und damit in der Konsolidierungs- und Gründungsphase bereits eine Funktion bekleidet haben soll, zumal er weder aus dem elitären Kreis der Parteigründer stammt noch zu diesem Zeitpunkt vorhatte, in Ägypten zu bleiben, sondern seine Ausreise wenige Monate später – und noch vor Zulassung der Partei – bereits geplant hatte. Entsprechend hatte auch der von der Österreichischen Botschaft beauftragte Vertrauensanwalt erklärt, dass aus seiner Sicht eine Mitgliedschaft des Beschwerdeführers bei der erst im September 2012 offiziell zugelassenen Partei nicht glaubhaft sei.

Auch in der mündlichen Verhandlung war der Beschwerdeführer nicht in der Lage, plausibel darzulegen, wann und wie er Mitglied der neuen Bewegung wurde, wie der folgende Ausschnitt aus dem Verhandlungsprotokoll vom 22.12.2020 zeigt:

Richterin (RI): Sie gaben an, Mitglied der Al-Dostor-Partei gewesen zu sein. Wann wurden Sie Mitglied?

Beschwerdeführer (BF): Die Partei wurde nach der Revolution gegründet. Ich wurde dort als Mitglied aufgenommen, bis ich das Land verlassen habe.

RI: Wann wurden Sie als Mitglied aufgenommen?

BF: Ich kann mich an das Datum nicht erinnern, aber ich glaube, im Jahr 2012. Als die Partei gegründet wurde.

RI: Wie viele Monate waren Sie ungefähr bei der Partei?

BF: Ich kann mich nicht ganz genau erinnern, aber ca. 6-8 Monate. Zuerst wurden die Ideen der Partei entwickelt. Ich war dabei, bis ich das Land im August 2012 verlassen habe.

Nachdem die Gründung der Al-Dostor-Partei von Mohamed Mustafa ElBaradei erst am 28.04.2012 angekündigt worden war, ist es schlichtweg unmöglich, dass der Beschwerdeführer etwa „6-8 Monate“ bis zu seiner Ausreise im August 2012 Mitglied der Partei gewesen sein will. Dass, wie der Beschwerdeführer in der Verhandlung behauptete, Vertreter der Partei bereits im April 2012 in das Dorf bzw. den Stadtteil von XXXX gekommen sein wollen, wo der Beschwerdeführer lebte, erscheint angesichts der erst Ende April erfolgten Ankündigung der Gründung der Partei äußerst unwahrscheinlich. Soweit der Beschwerdeführer zudem angab, dies sei vor den Parlamentswahlen gewesen, zeigt dies sein mangelndes politisches Interesse (welches sich schwer mit dem behaupteten Engagement für die Partei vereinbaren lässt), fanden die Parlamentswahlen doch zwischen November 2011 und Jänner 2012 statt, während die Präsidentschaftswahlen im Mai bzw. Juni 2012 stattfanden.

Soweit der Beschwerdeführer die Kopie eines Parteiausweises vorgelegt hatte, konnte die Echtheit mangels Original nicht überprüft werden. Allerdings gibt es auch diesbezüglich Ungereimtheiten: So ist dem BFA-Protokoll vom 10.07.2019 zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer aufgefordert wurde, sich das Original des Ausweises schicken zu lassen („AW gibt an, dass er sich die Karte ehestmöglich per Handy zuschicken lässt. Bis spätestens in drei Wochen 01.08.2019 werde ich die Karte im Original versuchen zu bekommen.“); dennoch erklärte der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung, dass er nicht gewusst habe, dass das Original notwendig sei. Dies hätte sich aber spätestens auch aus der am 11.12.2020 zum Parteiengehör übermittelten Anfragebeantwortung ergeben müssen, in welcher darauf hingewiesen wurde, dass dem Vertrauensanwalt der österreichischen Botschaft eine Prüfung auf Authentizität nur möglich gewesen wäre, wenn der Originalausweis vorgelegt worden wäre. Auch der Umstand, dass der Beschwerdeführer einerseits meinte, er habe nicht gewusst, dass die österreichischen Behörden am Original-Parteiausweis interessiert seien, andererseits aber erklärte, seine Mutter habe den Parteiausweis nicht vernichtet, weil er „ein Beweis für das Asylverfahren“ sei, ist widersprüchlich. Zudem erklärte der Beschwerdeführer der belangten Behörde am 10.07.2019 zunächst, dass sich der Beweis seiner Parteimitgliedschaft „bei seiner Mutter zuhause“ befinde, dann aber, dass es zwar einen Parteiausweis geben würde, dass seine Mutter aber einige Unterlagen zerrissen und weggeworfen habe und dass er versuchen werde die Karte zu bekommen, es dafür aber „bis nach Kairo (…) zurückverfolgen müsse“. In der mündlichen Verhandlung meinte er dann im Gegensatz dazu, dass sich sein Parteiausweis bereits bei der damaligen Befragung durch die belangte Behörde bei seinem Cousin befunden habe und dieser ihm die Kopie des Ausweises geschickt habe. Wenn seine Mutter tatsächlich, wie von ihm in der Verhandlung behauptet, den Ausweis nach der Durchsuchung des Hauses durch die Polizei, welche laut Aussage vor der belangten Behörde zwei Monate vor der Befragung durch das BFA am 10.07.2019 stattgefunden habe, seinem Cousin gegeben hätte, wäre daher davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer in der Befragung nicht davon gesprochen hätte, dass sich der Ausweis bei seiner Mutter befinden würde. Die Kopie dieses Ausweises kann die Mitgliedschaft daher nicht belegen.

Auch konnte der Beschwerdeführer seine Funktion innerhalb der Al-Dostor-Partei nicht nachvollziehbar schildern. In der Beschwerde wurde erklärt, der Beschwerdeführer sei „zuständig für Parteiaktivitäten in seinem Heimatort XXXX“ gewesen, in der Verhandlung erklärte er dies damit, dass er „mit den Mitgliedern, mit Leuten auf der Straße und im Café über die Ideen und Ziele der Partei“ gesprochen habe. Er sei von der Partei im Juni 2012 für diese Funktion ausgewählt worden. Abgesehen davon, dass es wenig plausibel erscheint, dass er kurz vor seiner Ausreise in eine Funktion gewählt wird (der Beschwerdeführer gab zwar an, nicht mit einem Visum gerechnet zu haben, doch war sein Aufenthaltstitel bereits ab 26.06.2012 gültig, so dass nicht davon ausgegangen werden kann, dass er im Juni 2012 noch nicht mit einer Ausreise gerechnet haben will), konnte der Beschwerdeführer auch nicht angeben, von welchen Vertretern der Partei er in diese Funktion gewählt worden sein will. Während er zunächst (so auch in der Beschwerde) behauptete, für die ganze Stadt XXXX (etwa 400.000 Einwohner) zuständig gewesen zu sein, änderte er im Laufe der Verhandlung seine Angabe und erklärte er, dass er nur für sein Stadtviertel zuständig gewesen sei und dass es noch etwa sechs bis zehn andere Personen gegeben habe, die sich um die 15.000 bis 20.000 Mitglieder der Partei in XXXX gekümmert hätten. Aus Sicht der erkennenden Richterin erscheint es sehr unwahrscheinlich, dass eine offiziell noch nicht registrierte Partei zwei Monate nach ihrer inoffiziellen Gründung bzw. der Ankündigung ihrer Gründung bereits derart viele Mitglieder gehabt haben soll.

Auffallend ist auch, dass der Beschwerdeführer in Österreich nicht mehr in Verbindung mit der Partei bzw. deren Mitgliedern geblieben ist, was dank der modernen Kommunikationsmittel problemlos möglich gewesen wäre und dass er erklärte, niemanden zu kennen, der in der Partei bekannt ist bzw. war.

Zusammengefasst kommt das Bundesverwaltungsgericht zum Ergebnis, dass der Beschwerdeführer zu keinem Zeitpunkt Mitglied der Al-Dostor-Partei war.

Zudem wäre selbst unter der Annahme, dass der Beschwerdeführer tatsächlich 2012 für einige Monate Mitglied der Al-Dostor-Partei war, von keiner Verfolgungsgefahr auszugehen. Der Beschwerdeführer hatte, um die Stellung seines Asylantrages am 28.05.2019 zu rechtfertigen, erklärt, dass er vor April 2019 keinerlei Probleme gehabt habe, dass zu diesem Zeitpunkt aber einige Polizisten bei seiner Mutter nach ihm gefragt hätten, um ihn festzunehmen. Für das Bundesverwaltungsgericht ist es vollkommen unplausibel, dass die Behörden den Beschwerdeführer sieben Jahre nach der Ausreise plötzlich festnehmen sollten. Konkret meinte der Beschwerdeführer am 10.07.2019, dass seine Wohnung in Ägypten seit April 2019 siebenmal durchsucht worden sei, weil Präsident Al Sisi die Verfassung zu diesem Zeitpunkt geändert und den Auftrag gegeben habe, die Mitglieder aller Parteien, die dagegen seien, festzunehmen. Der Beschwerdeführer habe sich auf einer solchen Liste befunden. Im weiteren Verlauf der Einvernahme änderte der Beschwerdeführer sein Vorbringen aber wieder und meinte er, es habe nichts Schriftliches gegeben, sondern nur Menschen, die gewusst haben würden, dass er bei der Partei aktiv gewesen sei. Auch in der mündlichen Verhandlung meinte er, dass in XXXX bekannt sei, wer bei der Partei gewesen sei und der Geheimdienst es so herausfinden könne. Dass jede Person, die vor vielen Jahren für einen kurzen Zeitraum Mitglied der Partei gewesen ist, nunmehr verfolgt wird, erscheint aber schon alleine angesichts der Behauptung des Beschwerdeführers, dass in XXXX vor seiner Ausreise schon mehr als 15.000 Personen Mitglied der Partei gewesen seien, vollkommen unrealistisch. Unlogisch ist zudem, dass die Polizisten sechsmal zurückgekommen sein sollten, obwohl sie informiert wurden, dass sich der Beschwerdeführer im Ausland befindet.

Auch die Behauptung des Beschwerdeführers, dass Mitglieder der Al-Dostor-Partei erst ab April 2019 Probleme mit den ägyptischen Behörden bekommen hätten, stimmt nicht. Verschiedenen Medienberichten (vgl. zB https://egyptindependent.com/presidential-team-member-faces-trial-following-elections-announcement/ oder https://dailynewsegypt.com/2016/05/08/al-dostour-party-sends-names-arrested-members-attend-meeting-youth-minister/) ist nämlich zu entnehmen, dass es bereits 2016 und 2017 Verhaftungen von Al-Dostor-Mitgliedern gab. Es ist daher nicht nachvollziehbar, warum der Beschwerdeführer erst 2019, sieben Jahre nach seiner Ausreise, Probleme bekommen haben sollte. Wenn er tatsächlich als exponiertes Parteimitglied gegolten hätte, wäre anzunehmen, dass er bereits früher in den Fokus der Behörden gerückt wäre.

Aus der Antwort des Vertrauensanwaltes in der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation ergibt sich Folgendes: „Weiters berichtet der VA, dass die Sicherheitsbehörden kein Problem mit den Mitgliedern der Partei haben und dass alle Mitglieder der Partei ihren Wohnsitz in Ägypten haben, ohne dass es aufgrund ihrer Mitgliedschaft zu Anklagen gegen sie kommt.“ Daher ist davon auszugehen, dass eine Verfolgung der Mitglieder der Al-Dostor-Partei sich jedenfalls nicht auf alle Personen bezieht, die jemals Mitglied der Partei waren. Es ist daher aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes nicht glaubhaft, dass der Beschwerdeführer 2019 plötzlich in den Fokus der Behörden geraten sein will, obwohl er sich seit sieben Jahren außer Landes befindet und seither auch nicht mehr Mitglied der genannten Partei ist.

Soweit in der Beschwerde behauptet wird, dass der Beschwerdeführer über soziale Medien regierungskritische Beiträge gepostet habe, ergab eine Durchsicht des Facebookaccounts, dass der Beschwerdeführer 2020 einige Bilder postete, dass aber von einer aktiven kritischen Berichterstattung keine Rede sein kann. Wenn der Beschwerdeführer in der Verhandlung dazu meinte, dass er seine kritischen Postings alle gelöscht habe, erscheint dies als eine Schutzbehauptung, wäre es ihm doch möglich gewesen, diese zu drucken und im Verfahren vorzulegen bzw. wären sie in diesem Fall für die ägyptische Regierung ebenso wenig wie für die erkennende Richterin ersichtlich. Ein exilpolitisches Engagement für die Partei Al Dostor wurde von ihm nicht behauptet.

Im Übrigen spricht auch der zeitliche Ablauf dafür, dass der Beschwerdeführer den Antrag auf internationalen Schutz nur stellte, um einer Außerlandesbringung zu entgehen. Nachdem sein Aufenthaltstitel als Studierender im Juli 2017 auch vom Verwaltungsgericht nicht mehr verlängert wurde, stellte er am 09.10.2017 einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK. Die belangte Behörde wies den Antrag mit Bescheid vom 14.05.2019 ab und erließ eine Rückkehrentscheidung. Zwei Wochen später stellte der Beschwerdeführer dann den gegenständlichen Asylantrag. Es liegt nahe anzunehmen, dass der Beschwerdeführer offensichtlich missbräuchlich den Asylantrag stellte, um nicht abgeschoben zu werden und um sein Studium wieder aufnehmen zu können.

Dem Beschwerdeführer ist es damit im Ergebnis nicht gelungen, glaubhaft zu machen, dass ihm in Ägypten eine Verfolgung droht. Darüber hinaus geht das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass der umfassend ausgebildete Beschwerdeführer, dessen Familie ein Grundstück in Ägypten besitzt, das sie verpachtet hat, und dessen Geschwister als Buchhalter, Mathematiklehrer, Ärztinnen, Lehrerin und Uniprofessorin arbeiten, bei einer Rückkehr zunächst auch von seiner Familie unterstützt wird und jedenfalls in keine die Existenz bedrohende Notlage geraten wird. Zudem ist der Beschwerdeführer gesund, wie er selbst in der Verhandlung angab.

2.4. Zum Herkunftsstaat:

Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat beruhen auf dem aktuellen Länderinformationsbericht der Staatendokumentation für Ägypten samt den dort publizierten Quellen und Nachweisen. Dieser Länderinformationsbericht stützt sich auf Berichte verschiedener ausländischer Behörden, etwa die allgemein anerkannten Berichte des Deutschen Auswärtigen Amtes, als auch jene von internationalen Organisationen, wie bspw. dem UNHCR, sowie Berichte von allgemein anerkannten unabhängigen Nachrichtenorganisationen. Der Beschwerdeführer trat diesen Quellen und deren Kernaussagen zur Situation in Ägypten in der Beschwerde auch nicht entgegen.

Die Feststellungen zur aktuell vorliegenden Covid-19 Pandemie beruhen auf den unter Punkt 1.3 zitierten Quellen. Soweit der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung erklärte, dass die Infektionszahlen nicht stimmen würden, konnte er damit nicht den von der WHO veröffentlichten Zahlen entgegentreten. Doch selbst wenn man von einer hohen Dunkelziffer von an Covid-19-Erkrankten in Ägypten ausgeht, ergibt sich daraus noch keine unmittelbare Gefährdung des an keinen Erkrankungen leidenden Beschwerdeführers.

Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängigen Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wissentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Zur Abweisung der Beschwerde

3.1. Zur Nichtgewährung von Asyl (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):

Voraussetzung für die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten ist, dass dem Asylwerber im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK, also aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung, droht. Fehlt ein kausaler Zusammenhang mit einem oder mehreren Konventionsgründen, kommt die Asylgewährung nicht in Betracht (VwGH 16.11.2016, Ra 2016/18/0094, mwN). Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt es für die Asylgewährung auf die Flüchtlingseigenschaft im Sinn der Genfer Flüchtlingskonvention zum Zeitpunkt der Entscheidung

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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