Entscheidungsdatum
27.01.2021Norm
AsylG 2005 §10Spruch
L507 2153025-1/25E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Habersack über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Irak, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.03.2017, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 23.07.2020 und 02.12.2020
A)
I. den Beschluss gefasst:
Das Beschwerdeverfahren wird hinsichtlich der Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides eingestellt.
II. zu Recht erkannt:
In Erledigung der Beschwerde werden die Spruchpunkte III. und IV. des angefochtenen Bescheides ersatzlos behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger des Irak, stellte nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 16.04.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.
Dieser Antrag wurde mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 27.03.2017, Zl. XXXX , bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung in den Irak gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt IV.).
2. Gegen den oben genannten Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde.
3. Mit E-Mail des BFA vom 29.09.2020 wurde eine vom Standesamt XXXX am XXXX ausgestellte Heiratsurkunde übermittelt, woraus hervorgeht, dass der Beschwerdeführer am 19.09.2020 die XXXX , geb. XXXX , geheiratet hat.
4. Am 23.07.2020 und am 02.12.2020 führte das Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Beschwerdeverhandlung durch. Im Rahmen dieser zog der Beschwerdeführer am 02.12.2020 nach erfolgter Rechtsbelehrung aus freien Stücken seine Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides zurück.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen
1. Feststellungen
Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger des Irak.
Der Beschwerdeführer hat am 19.09.2020 am Standesamt XXXX die XXXX , geb. XXXX , geheiratet.
Die Ehegattin des Beschwerdeführers ist eine polnische Staatsangehörige, die in Österreich unselbstständig erwerbstätig ist und von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht hat.
Seit der Eheschließung trägt der Beschwerdeführer den Familiennamen XXXX .
Der Beschwerdeführer lebt mit seiner Ehegattin in einem gemeinsamen Haushalt.
2. Beweiswürdigung
Die Feststellungen ergeben sich aus dem Akteninhalt und den Angaben des Beschwerdeführers und seiner Ehegattin in der mündlichen Beschwerdeverhandlung sowie aus der in Vorlage gebrachten Heiratsurkunde, ausgestellt am XXXX vom Standesamt XXXX .
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des Bundesgesetzes, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden
(BFA-VG), entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (VwGVG) geregelt. Gemäß
§ 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
§ 1 BFA-VG bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.
3.2. Zu A) I.
3.2.1. Gemäß § 25 Abs. 2 AsylG ist das Zurückziehen eines Antrags auf internationalen Schutz im Verfahren vor dem Bundesamt nicht möglich, es sei denn, der Asylwerber ist in Österreich rechtmäßig niedergelassen (§ 2 Abs. 2 NAG). Das Zurückziehen eines Antrages auf internationalen Schutz im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gilt als Zurückziehung der Beschwerde. Anbringen mit denen Anträge auf internationalen Schutz zurückgezogen werden sollen, sind nach Belehrung des Asylwerbers über die Rechtsfolgen als gegenstandslos abzulegen, wenn das Anbringen nicht als Zurückziehen der Beschwerde gilt.
3.2.2. Infolge der Zurückziehung der Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides durch den Beschwerdeführer war das hg. Beschwerdeverfahren darüber beschlussmäßig einzustellen. Die diesbezüglich angefochtenen Entscheidungen des BFA erwachsen damit in Rechtskraft.
3.3. Zu A) II.
3.3.1. Zunächst ist festzuhalten, dass die belangte Behörde zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung berechtigterweise keinen Anlass gesehen hatte, von einer Entscheidung gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG abzusehen.
Vom Bundesverwaltungsgericht sind aber nunmehr die zum aktuellen Zeitpunkt vorliegenden Voraussetzungen für die etwaige Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen zu prüfen. Im gegenständlichen Fall kann aber eine Prüfung unterbleiben, ob durch eine Rückkehrentscheidung eine Verletzung des Rechtes auf Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK zu erwarten wäre.
Die Rückkehrentscheidung ist nämlich alleine schon aufgrund der Eheschließung des Beschwerdeführers mit einer EU-Bürgerin (polnische Staatsangehörige), die in Österreich von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht hat, für unzulässig zu erklären.
§ 54 Abs. 1 NAG stellt fest, dass Drittstaatsangehörige, die Angehörige von unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgern sind, zum Aufenthalt berechtigt sind. Damit setzt Österreich die Freizügigkeitsrichtlinie (RL 2004/38/EG) um, die in diesem Zusammenhang näher zu betrachten ist:
Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen sich ein drittstaatszugehöriger Familienangehöriger eines Unionsbürgers auf die RL 2004/38/EG berufen kann, stellte der EuGH im Urteil vom 25.07.2008, Metock, C-127/08, fest, dass sich ein Drittstaatsangehöriger, der mit einem Unionsbürger, der sich in einem Mitgliedstaat aufhält, dessen Staatsangehörigkeit er nicht besitzt, verheiratet ist, vor seiner Einreise in den Aufnahmemitgliedstaat nicht rechtmäßig in einem anderen Mitgliedstaat aufgehalten haben muss, um sich auf die Bestimmungen der RL 2004/38/EG berufen zu können. Vielmehr kann sich dieser Drittstaatsangehörige, der diesen Unionsbürger begleitet oder ihm nachzieht, auf die Bestimmungen der Richtlinie berufen, unabhängig davon, wo und wann die Ehe geschlossen wurde oder wie der betreffende Drittstaatsangehörige in den Aufnahmemitgliedstaat eingereist ist.
Darüber hinaus präzisierte der EuGH im Beschluss vom 19.12.2008, Sahin, C-551/07, die Voraussetzungen, unter denen sich ein Drittstaatsangehöriger auf die RL 2004/38/EG berufen kann, dahingehend, dass die RL 2004/38/EG auch jene Familienangehörigen erfasst, die unabhängig vom Unionsbürger in den Aufnahmemitgliedstaat gelangt sind und erst dort die Angehörigeneigenschaft erworben oder das Familienleben mit diesem Unionsbürger begründet haben, wobei es keine Rolle spielt, dass sich der Familienangehörige zum Zeitpunkt des Erwerbs dieser Eigenschaft oder der Begründung des Familienlebens nach den asylgesetzlichen Bestimmungen des Aufnahmemitgliedstaates vorläufig in diesem Staat aufhält.
Der Beschwerdeführer ist mit einer polnischen Staatsangehörigen, die in Österreich einer unselbstständigen Erwerbstätigkeit nachgeht und von ihrer Freizügigkeit iSd Freizügigkeitsrichtlinie (RL 2004/38/EG) Gebrauch gemacht hat, verheiratet. Er ist daher zum Aufenthalt in Österreich berechtigt.
§ 52 Abs. 2 FPG normiert in diesem Zusammenhang, dass eine Rückkehrentscheidung nur dann zu erlassen ist, wenn einem Drittstaatsangehörigen kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Die Formulierung „kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen“ ist dahingehend zu verstehen, dass dem Drittstaatsangehörigen ein anderer Aufenthaltstitel als nach dem AsylG zukommt.
Im vorliegenden Fall steht dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel nach den Bestimmungen des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetztes zu, das nicht auf dem AsylG beruht, sodass im gegenständlichen Verfahren jedenfalls eine Rückkehrentscheidung den Beschwerdeführer betreffend nicht ausgesprochen werden darf bzw. in weiterer Konsequenz die ausgesprochene Rückkehrentscheidung zu beheben war.
3.3.2. Vor diesem Hintergrund war auch Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides zu beheben.
3.3.3. Der Beschwerde gegen Spruchpunkte III. und IV. des angefochtenen Bescheides war daher stattzugeben und waren die Spruchpunkte III. und IV. dieses Bescheides ersatzlos zu beheben.
4. Zu B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Im vorliegenden Fall ergibt sich aus den gesetzlichen Grundlagen klar, dass eine Rückkehrentscheidung dann zu erlassen sei, wenn kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen (als dem AsylG) zukommt. Darüber hinaus wird zu diesem Thema keine Rechtssache, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, erörtert.
Schlagworte
Aufenthaltstitel Ehe Rückkehrentscheidung behoben Teileinstellung Unionsbürger ZurückziehungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:L507.2153025.1.00Im RIS seit
04.03.2021Zuletzt aktualisiert am
04.03.2021