TE Bvwg Erkenntnis 2021/2/1 G303 2225658-1

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Veröffentlicht am 01.02.2021
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Entscheidungsdatum

01.02.2021

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art133 Abs4

Spruch


G303 2225658-1/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Simone KALBITZER als Vorsitzende sowie die Richterin Dr. Eva WENDLER und den fachkundigen Laienrichter Herbert WINTERLEITNER als Beisitzer über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Steiermark, vom 18.10.2019, OB: XXXX , betreffend die Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses, zu Recht erkannt:

A)

I.       Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.

II.      Der Grad der Behinderung beträgt 50 (fünfzig) v.H. (von Hundert). Die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses liegen vor.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) brachte am 25.03.2019 über die Zentrale Poststelle beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Steiermark, (im Folgenden: belangte Behörde), einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses ein. Dem Antrag waren medizinische Beweismittel sowie eine Reisepasskopie angeschlossen.

2. Im Rahmen des seitens der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungsverfahrens wurde ein medizinisches Sachverständigengutachten eingeholt.

2.1. Im eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten von Dr. XXXX , Ärztin für Allgemeinmedizin, vom 31.07.2019, wurde basierend auf einer persönlichen Untersuchung des BF am 29.05.2019, festgestellt, dass der Gesamtgrad der Behinderung 40 v.H. betrage.

3. Mit Schreiben der belangten Behörde vom 06.08.2019 wurde dem BF zum Ergebnis der Beweisaufnahme ein schriftliches Parteiengehör gemäß § 45 AVG gewährt und die Möglichkeit eingeräumt, dazu binnen zwei Wochen ab Zustellung eine schriftliche Stellungnahme einzubringen.

3.1. Mit undatiertem Schreiben, bei der belangten Behörde eingelangt am 16.08.2019, teilte der BF im Rahmen des Parteiengehörs im Wesentlichen zusammengefasst mit, dass er mit dem Ergebnis nicht einverstanden sei. Er habe nächste Woche eine Untersuchung und werde einen neurologischen Facharztbefund nachreichen. Der BF habe sich bei der Untersuchung bei der Sachverständigen Dr. XXXX sehr schwer getan, und wolle zu einer etwaigen weiteren Untersuchung einen Dolmetscher mitbringen.

4. Aufgrund der im Rahmen des Parteiengehörs erstatteten Einwendungen und der vorgelegten Befunde des BF beauftragte die belangte Behörde erneut die Amtssachverständige Dr. XXXX mit der Erstattung einer Stellungnahme.

4.1. In der Stellungnahme vom 16.10.2019 wurde insgesamt festgehalten, dass es durch die nachgereichten Befunde zu keiner Änderung der Einschätzung komme.

5. Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 18.10.2019 wurde der Grad der Behinderung des BF mit 40 % festgesetzt und festgestellt, dass der BF die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht erfülle, weswegen sein Antrag vom 25.03.2019 abgewiesen wurde. Gestützt wurde die Entscheidung der belangten Behörde auf das eingeholte, oben angeführte, ärztliche Sachverständigengutachten sowie auf die ärztliche Stellungnahme. Diese wurden dem angefochtenen Bescheid als Beilage angeschlossen und zum Bestandteil der Begründung des Bescheides erklärt. In der rechtlichen Begründung wurden die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes angeführt.

6. Mit undatiertem Schreiben, bei der belangten Behörde eingelangt am 31.10.2019, erhob der BF fristgerecht Beschwerde gegen den oben angeführten Bescheid. Unter Vorlage weiterer medizinischer Beweismittel brachte der BF vor, dass er ständig starke Schmerzen habe und viele Fragen der Sachverständigen nicht verstehen und somit nicht ausreichend beantworten habe können, da kein Dolmetscher dabei gewesen sei. Der BF ersuche um erneute Bewertung und Einschätzung seines Behinderungsgrades.

7. Die gegenständliche Beschwerde und die bezughabenden Verwaltungsakten wurden von der belangten Behörde vorgelegt und sind am 22.11.2019 beim Bundesverwaltungsgericht eingegangen.

8. Zur Überprüfung des Beschwerdegegenstandes wurde seitens des erkennenden Gerichtes ein ärztliches Sachverständigengutachten eingeholt.

8.1. Im medizinischen Sachverständigengutachten von XXXX Dr. XXXX , Arzt für Allgemeinmedizin, vom 27.05.2020 wird, basierend auf der persönlichen Untersuchung des BF am selben Tag, unter Beiziehung eines Dolmetschers für die Sprache Arabisch, im Wesentlichen folgendes festgehalten:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

Begründung der Positionsnummer bzw. des Rahmensatzes:

Pos. Nr.

GdB %

1

Degenerative Wirbelsäulenveränderungen mit Fehlhaltung, zwei Wirbelsäulenabschnitte betreffend mit Bandscheibenvorwölbungen an der Lendenwirbelsäule

Oberer RSW da zwei Wirbelsäulenabschnitte betroffen und lumbale Nervenwurzelreizzeichen gegeben sind

02.01.02

40

2

Sekundär Abnützung (Arthrose) des linken Sprunggelenks

eine Stufe über dem unteren RSW, da starke Bewegungseinschränkungen bestehen und Schmerzhaftigkeit gegeben ist.

02.05.32

30

3

Fußheberschwäche (Peroneusparese) links

eine Stufe über dem unterem RSW, da Fußhebung beeinträchtigt, aber keine Schiene notwendig sei, bei fehlenden objektivierbaren Stürzen

04.05.13

20

4

Degenerative Schulterveränderungen einseitig

Fixe Position bei leichter Bewegungseinschränkung und Schmerzen

02.06.01

10

5

Tinnitus

Unterer RSW da kompensiert und ohne nennenswerten psychischen Begleiterscheinungen

12.02.02

10

Gesamtgrad der Behinderung 50 v. H.

Begründend für den Gesamtgrad der Behinderung (GdB) wurde ausgeführt, dass die führende Gesundheitsschädigung (GS) 1 durch die GS 2 um eine Stufe angehoben werde, da eine negative Leidensbeeinflussung in der Bewegungskette gegeben sei. Die GS 3, 4 und 5 würden nicht weiter anheben, da keine weitere negative Funktionsbeeinflussung dadurch gegeben sei.

Stellungnehmend zu den gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten wurde ausgeführt, dass aktuell eine deutliche Verschlechterung der Gesamtsituation hinsichtlich der Beweglichkeit objektivierbar sei (BF könne alleine nicht gehen und sich anziehen). Es zeige sich ein Schmerzsyndrom über die gesamte linke Körperseite betreffend mit Schwerpunkt im Bereich der Lendenwirbelsäule mit möglicher Ausstrahlungstendenz bei Fußheberschwäche, wobei zusätzlich eine hochgradige Bewegungseinschränkung postoperativ im Sinne einer sekundären Arthrose (durch die Verletzung bedingte schwere Abnützung) im linken Sprunggelenk objektivierbar sei. Eine Medikation um den neuropathischen Schmerz zu lindern sei ebenso gegeben. Daraus resultierend ergebe sich die angeführte Einschätzung.

9. Das Ergebnis der medizinischen Beweisaufnahme wurde den Verfahrensparteien im Rahmen eines schriftlichen Parteiengehörs gemäß § 45 Abs. 3 AVG in Verbindung mit § 17 VwGVG seitens des erkennenden Gerichtes mit Schreiben vom 03.06.2020 zur Kenntnis gebracht und die Möglichkeit eingeräumt, sich dazu binnen zwei Wochen ab Zustellung zu äußern.

9.1. Die Parteien erstatteten dazu keine Stellungnahme beziehungsweise Äußerung.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der BF hat einen Wohnsitz im Inland.

Der BF leidet an folgenden behinderungsrelevanten Gesundheitsschädigungen:

?        Degenerative Wirbelsäulenveränderungen mit Fehlhaltung, zwei Wirbelsäulenabschnitte betreffend mit Bandscheibenvorwölbungen an der Lendenwirbelsäule (Grad der Behinderung: 40 %)

?        Sekundär Abnützung (Arthrose) des linken Sprunggelenks (Grad der Behinderung: 30 %)

?        Fußheberschwäche (Peroneusparese) links (Grad der Behinderung: 20 %)

?        Degenerative Schulterveränderungen einseitig (Grad der Behinderung: 10 %)

?        Tinnitus (Grad der Behinderung: 10 %)

Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt 50 (fünfzig) von Hundert (v.H.). Dieser wird vom führenden Leiden, nämlich der degenerativen Wirbelsäulenveränderungen mit Fehlhaltung, Bandscheibenvorwölbungen an der Lendenwirbelsäule und lumbalen Nervenwurzelreizzeichen, gebildet. Die Sekundär-Abnützung (Arthrose) des linken Sprunggelenks führt aufgrund einer negativen Leidensbeeinflussung in der Bewegungskette zu einer Anhebung des Gesamtbehinderungsgrades. Die weiteren festgestellten Gesundheitsschädigungen führen zu keiner Erhöhung des Gesamtgrades der Behinderung, da keine weitere negative Funktionsbeeinflussung dadurch gegeben ist.

2. Beweiswürdigung:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten, der Beschwerde und dem vorliegenden Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes.

Die Feststellung zum Wohnsitz des BF ergibt sich aus einem eingeholten Datenauszug des Zentralen Melderegisters und den Angaben des BF bei der Antragstellung.

Der Gesamtgrad der Behinderung in Höhe von 50 von Hundert wurde aufgrund des eingeholten ärztlichen Sachverständigengutachtens von XXXX Dr. XXXX , Arzt für Allgemeinmedizin, vom 27.05.2020, festgestellt.

Dieses ist schlüssig, vollständig, weist keine Widersprüche auf und steht mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen im Einklang. Das Sachverständigengutachten basiert auf einem nach persönlicher Untersuchung des BF erhobenen Befund. Es wurde dabei auf die Art der Leiden des BF und deren Ausmaß ausführlich eingegangen.

Die festgestellten behinderungsrelevanten Gesundheitsschädigungen und deren korrekte und nachvollziehbare Einschätzung bezüglich des Grades der Behinderung gemäß der anzuwendenden Einschätzungsverordnung samt Anlage ergeben sich daraus.

Im Vergleich zum Vorgutachten von Dr. XXXX , Ärztin für Allgemeinmedizin, vom 31.07.2019, das dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegt, konnte der Sachverständige XXXX Dr. XXXX die höhere Einschätzung der Wirbelsäulenerkrankung schlüssig und nachvollziehbar darlegen, indem im Sachverständigengutachten dazu ausgeführt wird, dass eine deutliche Verschlechterung hinsichtlich der Beweglichkeit des BF eingetreten ist. Der BF ist nicht einmal in der Lage alleine zu gehen oder sich anzuziehen. Zudem leidet der BF an Schmerzen im Bereich der gesamten linken Körperseite, insbesondere im Bereich der Lendenwirbelsäule sowie an einer hochgradigen Bewegungseinschränkung aufgrund der vorliegenden „Sekundär-Abnützung“ (Arthrose) im linken Sprunggelenk. Aus diesen Gründen ist eine Erhöhung des Grades der Behinderung jedenfalls gerechtfertigt. Es wurde somit ein Grad der Behinderung von 50 v.H. objektiviert.

Der Inhalt des oben angeführten Sachverständigengutachtens von XXXX Dr. XXXX wurde vom BF als auch von der belangten Behörde im Rahmen des schriftlichen Parteiengehörs unbeeinsprucht zur Kenntnis genommen. Es blieb daher im gegenständlichen Beschwerdeverfahren unbestritten.

Das oben angeführte Sachverständigengutachten von XXXX Dr. XXXX vom 27.05.2020 wird daher der gegenständlichen Entscheidung in freier Beweiswürdigung zu Grunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

Gemäß § 6 BVwGG (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz, BGBl. I Nr. 10/2013 in der geltenden Fassung [idgF]) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG (Bundesbehindertengesetz, BGBl. Nr. 283/1990 idgF) hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter gemäß § 45 Abs. 4 BBG mitzuwirken.

Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idgF) geregelt (§ 1 VwGVG).

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG (Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 idgF) die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes (Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG, BGBl. Nr. 51/1991 idgF) mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4 VwGVG) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Zum Entfall der mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Das Verwaltungsgericht kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt ist, gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG ungeachtet eines Parteienantrags, von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK (Europäische Menschenrechtskonvention) noch Art. 47 GRC (Charta der Grundrechte der Europäischen Union) entgegenstehen.

Der im gegenständlichen Fall entscheidungsrelevante Sachverhalt wurde größtenteils auf gutachterlicher Basis ermittelt. Die ärztliche Begutachtung basierte auch auf einer persönlichen Untersuchung des BF unter Beiziehung eines Dolmetschers, damit Sprachverständigungsschwierigkeiten ausgeschlossen werden konnten.

Der verfahrensrelevante Inhalt des vorliegenden Sachverständigengutachtens wurde zudem von den Verfahrensparteien im Rahmen ihres schriftlichen Parteiengehörs nicht beeinsprucht.

Da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit den Beschwerdegründen und dem Begehren des BF geklärt erscheint, konnte eine mündliche Verhandlung gemäß § 24 VwGVG entfallen.

Im vorliegenden Fall wurde darüber hinaus seitens beider Parteien eine mündliche Verhandlung nicht beantragt.

Dem Absehen von der Verhandlung stehen hier auch Art. 6 Abs. 1 EMRK und Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union nicht entgegen.

3.2. Zu Spruchteil A):

Unter Behinderung im Sinne des Bundesbehindertengesetzes ist gemäß § 1 Abs. 2 BBG die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

Gemäß § 40 Abs. 1 BBG ist behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50 % auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist;

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen;

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten;

4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. I Nr. 22/1970i n der geltenden Fassung, angehören.

Nach § 35 Abs. 2 Einkommensteuergesetz (EStG 1998), BGBl. I Nr. 400/1998 in der geltenden Fassung, sind die Tatsache der Behinderung und das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) durch eine amtliche Bescheinigung der für diese Feststellung zuständigen Stelle nachzuweisen. Zuständige Stelle ist:

?        Der Landeshauptmann bei Empfängern einer Opferrente (§ 11 Abs. 2 des Opferfürsorgegesetzes, BGBl. I Nr. 183/1947).

?        Die Sozialversicherungsträger bei Berufskrankheiten oder Berufsunfällen von Arbeitnehmern.

?        In allen übrigen Fällen sowie bei Zusammentreffen von Behinderungen verschiedener Art das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen; dieses hat den Grad der Behinderung durch Ausstellung eines Behindertenpasses nach §§ 40 ff des BBG, im negativen Fall durch einen in Vollziehung dieser Bestimmungen ergehenden Bescheid zu bescheinigen.

Gemäß § 41 Abs. 1 BBG gilt als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 leg. cit. genannten Voraussetzungen der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz,
BGBl. I Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010 in der geltenden Fassung) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen;

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 leg. cit. vorliegt.

Der Behindertenpass hat gemäß § 42 Abs. 1 BBG den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

Gemäß § 45 Abs. 1 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

Ein Bescheid ist gemäß § 45 Abs. 2 BBG nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß § 45 Abs. 1 BBG nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3 BBG) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

Es war aus folgenden Gründen spruchgemäß zu entscheiden:

Wie oben unter Punkt II.2. ausgeführt, wird der gegenständlichen Entscheidung das Sachverständigengutachten von XXXX Dr. XXXX , Arzt für Allgemeinmedizin, vom 27.05.2020, zu Grunde gelegt, welches als nachvollziehbar, schlüssig und widerspruchfrei gewertet wurde.

Die Gesundheitsschädigungen des BF wurden in dem vorliegenden Sachverständigengutachten berücksichtigt und entsprechend der anzuwendenden Anlage zur Einschätzungsverordnung eingeschätzt. Es wurde ein Grad der Behinderung in Höhe von 50 von Hundert festgestellt.

Die Gesamteinschätzung ist auch unter Bedachtnahme auf den durchgeführten Sachverständigenbeweis vorzunehmen (vgl. VwGH 19.11.1997, Zl. 95/09/0232; 04.09.2006, Zl. 2003/09/0062).

Mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 50 von Hundert und einem Wohnsitz im Inland sind die Voraussetzungen gemäß § 40 Abs. 1 BBG für die Ausstellung eines Behindertenpasses erfüllt.

Der Beschwerde war daher spruchgemäß stattzugeben und festzustellen, dass der Grad der Behinderung des BF 50 (fünfzig) v.H. (von Hundert) beträgt.

3.3. Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzlicher Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung.

Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Behindertenpass Grad der Behinderung Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:G303.2225658.1.00

Im RIS seit

03.03.2021

Zuletzt aktualisiert am

03.03.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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