TE Vfgh Erkenntnis 2020/9/21 A29/2020

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Veröffentlicht am 21.09.2020
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Index

L7030 Buchmacher, Totalisateur, Wetten
10/07 Verfassungs- und Verwaltungsgerichtsbarkeit

Norm

B-VG Art137 / Klagen
G betr Totalisateur- und Buchmacherwetten, Gebühren §2
VfGG §7 Abs2

Leitsatz

Abweisung einer Klage auf Zahlung eines (beschlagnahmten) Geldbetrags durch das Land Wien; kein zu Recht bestehendes Klagebegehren mangels endgültiger Entscheidung des VwGH

Spruch

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Kosten werden nicht zugesprochen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Klage, Sachverhalt und Vorverfahren

1. Gestützt auf Art137 B-VG, begehrt die klagende Partei, das Land Wien schuldig zu erkennen, der klagenden Partei den Betrag von € 8.450,13 samt 4 % Zinsen zu bezahlen sowie die Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründend führt die klagende Partei hiezu aus, dass im Zuge einer Kontrolle durch den Magistrat der Stadt Wien sieben Wettterminals sowie ein Geldbetrag iHv € 8.450,13 beschlagnahmt worden seien. Die klagende Partei sei Eigentümerin des beschlagnahmten Geldbetrages. Die Beschlagnahme sei erfolgt, weil der Magistrat der Stadt Wien davon ausgegangen sei, dass mit den Wettgeräten von einer natürlichen Person bewilligungslos Wettkunden an die klagende Partei als Buchmacherin vermittelt worden seien. Mit Bescheid vom 31. März 2017 habe der Magistrat der Stadt Wien gegenüber der natürlichen Person die Beschlagnahme betreffend die sieben Wettterminals sowie das Bargeld ausgesprochen. Die natürliche Person habe dagegen Beschwerde an das Verwaltungsgericht Wien erhoben. Der klagenden Partei sei der Beschlagnahmebescheid nicht zugestellt worden. Mit Straferkenntnis vom 28. Jänner 2019 habe der Magistrat der Stadt Wien die Wettterminals und das Bargeld für verfallen erklärt. Diese Entscheidung sei auch an die klagende Partei zugestellt worden, weswegen sie als Eigentümerin des Bargeldes dagegen Beschwerde erhoben habe. Mit Erkenntnis vom 1. Dezember 2019 habe das Verwaltungsgericht Wien der Beschwerde gegen den Beschlagnahmebescheid Folge gegeben und festgestellt, dass dieser außer Kraft getreten sei. Gleichzeitig habe das Verwaltungsgericht Wien den im Straferkenntnis ausgesprochenen Verfall im Hinblick auf den Bargeldbetrag aufgehoben. Gegen diese Entscheidung des Verwaltungsgerichtes Wien habe der Magistrat der Stadt Wien insofern Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben, als die Aufhebung des Verfalles als Strafe angefochten worden sei. Die Aufhebung des Beschlagnahmebescheides sei hingegen unbekämpft geblieben. In seinem Revisionsschriftsatz habe der Magistrat der Stadt Wien die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung beantragt. Mit Schreiben vom 2. März 2020 sei der Magistrat der Stadt Wien von der klagenden Partei aufgefordert worden, binnen 14 Tagen das beschlagnahmte Bargeld herauszugeben, weil das Verwaltungsgericht Wien sowohl den Beschlagnahme- als auch den Verfallsbescheid aufgehoben habe. Der Magistrat der Stadt Wien habe dies unter Verweis auf den Antrag, der Revision die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, abgelehnt.

Aus rechtlicher Sicht folge daraus, dass die klagende Partei zur Erhebung der Klage gemäß Art137 B-VG legitimiert sei. Sowohl der Beschlagnahmebescheid als auch der Verfallsbescheid seien behoben worden. Es bestehe kein Rechtsgrund mehr, der die beklagte Partei zum Behalten des Geldbetrages ermächtigte. Daran ändere auch der Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung anlässlich der Erhebung der Amtsrevision durch den Magistrat der Stadt Wien an den Verwaltungsgerichtshof nichts, zumal dem Antrag selbst keine aufschiebende Wirkung zukomme. Zudem komme dem Antrag schon mangels Vollzugstauglichkeit der den Verfall aufhebenden Entscheidung keine Berechtigung zu. Durch den Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung könne eine Beschlagnahme des Geldbetrages nicht erreicht werden. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei die Entscheidung des Verwaltungsgerichtes Wien einem Vollzug nicht zugänglich. Würde man die Entscheidung aussetzen, würde damit nicht die mit aufschiebender Wirkung verbundene Beschwerde der klagenden Partei beseitigt.

2. Mit Schriftsatz vom 20. Mai 2020 erstattete die beklagte Partei eine Gegenschrift, in der sie auszugsweise Folgendes auf das Klagsbegehren erwidert:

"Mit Beschluss vom 05. April 2020, Ra 2020/02/0057-6 gab der Verwaltungsgerichtshof dem Antrag auf aufschiebende Wirkung statt.

Die gegenständliche Klage gemäß Art137 B-VG vom 06. April 2020 (eingelangt bei der beklagten Partei am 20. April 2020) richtet sich auf die Herausgabe des beschlagnahmten Geldbetrages.

II. Zur Rückgabe des beschlagnahmten Geldbetrages:

Entgegen dem Vorbringen der klagenden Partei ist die weitere Sicherstellung des gegenständlich beschlagnahmten Geldbetrages zulässig.

Der Verwaltungsgerichtshof führte in seinem Beschluss vom 05. April 2020, Ra 2020/02/0057-6 aus, dass es sich bei der Beschlagnahme um eine vorläufige Maßnahme der Entziehung eines Gegenstandes aus der Verfügungsmacht eines Betroffenen mit dem Zweck der Sicherung während des Verfahrens darüber, was mit dem Gegenstand endgültig zu geschehen hat, handelt. Eine rechtskräftig verfügte Beschlagnahme nach §39 VStG endet in der Regel nicht mit der Erlassung eines Aufhebungsbescheides sondern vielmehr mit dem Eintreten bestimmter rechtlich relevanter Umstände, welche die Beendigung der Beschlagnahme ohne eigenen Rechtsakt bewirken (vgl VwGH 6.9.2016, Ra 2015/09/0103). Dies gilt nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes auch für die gegenständlich erfolgte Beschlagnahme nach §23 Abs2 Wiener Wettengesetz, weil zwar §23 Abs4 Wiener Wettengesetz in der Stammfassung LGBl Nr 26/2016, noch ausdrücklich vorsah, dass eine Verfügung über die Anordnung einer Beschlagnahme bei Wegfall des Grundes ihrer Erlassung unverzüglich aufzuheben sei, diese Regelung jedoch durch den am 7. Juli 2018 in Kraft getretenen ArtI Z50, LGBl Nr 40/2018, laut den Materialien (ErläutRV BlgtLT 7/2018, S 15) mit Hinweis auf das zuvor zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs entfiel. Wenn eine Behörde die Aufhebung der Beschlagnahme ausgesprochen hat, komme der gesetzlichen Regelung, die die Beschwerde einer Amtspartei vorsieht, nur dann Effektivität zu, wenn sie mit einer aufschiebenden Wirkung verbunden ist (vgl VwGH 16.11.2011, 2011/17/0111).

Der Verwaltungsgerichtshof führte aus, dass durch die ohne Rechtsakt bewirkte Beendigung der Beschlagnahme durch den rechtskräftigen Ausspruch des Verfalls auch bei einer Amtsrevision gegen die Aufhebung eines Verfallsbescheids nur dann Effektivität zukomme, wenn ihr aufschiebende Wirkung zuerkannt wird, weil andernfalls die Beendigung der Beschlagnahme durch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts dem Sicherungszweck der Beschlagnahme zuwiderlaufen würde.

Der Verwaltungsgerichtshof kam somit zu dem Schluss, dass das im Revisionsfall erhöhte Risiko des Entzugs der von der Beschlagnahme betroffenen Gegenstände aus dem Zugriff der Behörde einen unverhältnismäßigen Nachteil für die im nunmehr beklagte Partei darstellt und gab dem Antrag auf Gewährung der aufschiebenden Wirkung im klar erkennbar von dieser gemeinten Umfang statt.

Die Beschlagnahme des gegenständlichen Geldbetrages wurde somit nicht mit konkretem Rechtsakt aufgehoben sondern ist, entsprechend der Stattgebung der aufschiebenden Wirkung der Revision der beklagten Partei gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 28. Jänner 2017, MA 36 – KS 127/2017 mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 05. April 2020, Ra 2020/02/0057-6, weiterhin aufrecht. Somit besteht kein Rechtsanspruch der klagenden Partei auf Zahlung des beantragten Geldbetrages samt Zinsen oder der Prozesskosten.

[…]"

3. Hierauf erwiderte die klagende Partei mit Schriftsatz vom 4. Juni 2020 das Folgende (teilweise ohne Übernahme der Hervorhebungen im Original):

"Die Beklagte stützt sich in ihrer Gegenschrift im Wesentlichen auf den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 05.04.2020 zur Zahl Ra 2020/02/0057-6, mit dem einer Amtsrevision gegen die Aufhebung des Verfallausspruchs aufschiebende Wirkung zuerkannt wurde. Konkret formulierte der Verwaltungsgerichtshof in seinem Beschluss vom 05.04.2020 im Spruch wie folgt:

'Gemäß §30 Abs2 VwGG wird dem Antrag hinsichtlich des Verfalls stattgegeben.'

Diese rechtlich verfehlte Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs ändert jedoch bei richtiger Ansicht nichts an der Herausgabepflicht der Beklagten, weil – was noch näher darzustellen sein wird – durch die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung bloß die verwaltungsgerichtliche Entscheidung ausgesetzt, nicht aber der behördliche Verfallsbescheid wirksam wird.

Zunächst ist klarzustellen, dass der Beschlagnahmebescheid – wie schon in der Klage ausgeführt – vom Verwaltungsgericht Wien beseitigt wurde. Dagegen wurde vom Magistrat der Stadt Wien kein Rechtsmittel erhoben und ist die betreffende Entscheidung mittlerweile unanfechtbar. Der Magistrat der Stadt Wien wendete sich in seiner Revision an den Verwaltungsgerichtshof bloß gegen die Aufhebung des Verfallsbescheids durch das Verwaltungsgericht Wien.

2.

Der Verfassungsgerichtshof erkannte nun erst in seiner Entscheidung vom 25.02.2020 zur Zahl A28/2019-12 (Rz 14) bei vergleichbarer Sachlage, nach Aufhebung eines Beschlagnahmebescheids durch Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien und Aufhebung des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichts über die Bestätigung des Verfalls durch den Verwaltungsgerichtshof habe keine Entscheidung mehr bestanden, die das beklagte Land zum Behalten der beschlagnahmten Gegenstände ermächtigt hätte. Der Verfassungsgerichtshof berücksichtigte in seiner Entscheidung also ganz offenkundig, dass nach Aufhebung der verwaltungsgerichtlichen (Verfalls-)entscheidung durch den Verwaltungsgerichtshof das Verfahren gemäß §42 Abs3 VwGG in die Lage zurücktritt, in der es sich vor Erlassung des verwaltungsgerichtlichen Erkenntnisses befunden hat. Näherhin lag nach Aufhebung des Verfallsausspruch durch den Verwaltungsgerichtshof wieder eine unerledigte und mit aufschiebender Wirkung verbundene Beschwerde gegen den Verfallsbescheid vor (§13 Abs1 VwGVG).

Die dortige Rechtsansicht der Beklagten, wonach sie keine Herausgabepflicht treffe, weil über den Verfall noch nicht im zweiten Rechtsgang entschieden sei, wurde vom Verfassungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 25.02.2020 zur Zahl A28/2019 abgelehnt.

Folgt man der vom Verfassungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 25.02.2020 vertretenen Rechtsauffassung auch im hier vorliegenden Fall, so ist der Klage zweifellos Folge zu geben. Sowohl der Beschlagnahmebescheid, als auch der Verfallsbescheid, wurde vom Verwaltungsgericht Wien aus dem Rechtsbestand entfernt. Insofern stellt sich die Rechtslage für die Klägerin hier grundsätzlich sogar noch günstiger dar. Im Verfahren zur Zahl A28/2019 gehörte der Verfallsbescheid zwar noch dem Rechtsbestand an, es lag aber eine mit aufschiebender Wirkung verbundene Beschwerde dagegen vor. Indes gehört der Verfallsbescheid im hier zu beurteilenden Fall – zumindest wenn man den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 05.04.2020 vorerst außer Betracht lässt – gar nicht mehr dem Rechtsbestand an.

3.

Es fragt sich nun, ob der Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs, in dem der Revision des Magistrats der Stadt Wien gegen die Aufhebung des Verfallsausspruchs aufschiebende Wirkung zuerkannt wurde, an der Herausgabepflicht der Beklagten etwas ändert. Das ist nicht der Fall:

Konsequenz der Verleihung der aufschiebenden Wirkung ist, dass der Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses aufzuschieben ist und die hierzu erforderlichen Anordnungen zu treffen sind; der Inhaber der durch das angefochtene Erkenntnis eingeräumten Berechtigung darf diese nicht ausüben (§30 Abs4 VwGG). Unter Vollzug einer Entscheidung ist ihre Umsetzung in die Wirklichkeit zu verstehen und zwar sowohl im Sinn der Herstellung der dem Inhalt entsprechenden materiellen Rechtslage als auch des dieser Rechtslage entsprechenden faktischen Zustandes. Die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung sistiert die Wirkungen einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung und führt dazu, dass das Verfahren über den Antrag vor dem Verwaltungsgericht wieder anhängig ist (VwGH 13.08.2019, Ra 2019/04/0071; VwGH 10.01.2017, Ra 2016/10/0151).

Durch die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung mag nun also die verwaltungsgerichtliche Entscheidung über die Aufhebung des Verfalls ausgesetzt sein. Dessen ungeachtet liegt aber kein rechtskräftiger Verfallsbescheid vor. Aufgrund der Sistierung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung über den Verfall ist nämlich der Rechtsschutzantrag der Klägerin vor dem Verwaltungsgericht wieder anhängig. Diesem kommt gemäß §13 Abs1 VwGVG aufschiebende Wirkung zu. Wie der Verfassungsgerichtshof bereits erkannte, besteht in einem solchen Fall ein Herausgabeanspruch (VfGH 25.02.2020, A28/2019).

4.

Der Verwaltungsgerichtshof verkannte in seinem Beschluss vom 05.04.2020, dass es der verwaltungsgerichtlichen Aufhebung des Verfallsausspruchs an einer Vollzugstauglichkeit mangelte. Umgekehrt ist die Argumentation des Verwaltungsgerichtshofs, weshalb der Entscheidung des VwG über den Verfall doch Vollzugstauglichkeit zukommen solle, wenig überzeugend.

So vermeinte der Verwaltungsgerichtshof, der klagenden Partei sei 'mit dem (die erstinstanzliche Beschlagnahme und Verfallserklärung aufhebenden) angefochtenen Erkenntnis' das Recht eingeräumt worden, die in Beschlag genommenen Gegenstände bzw das Geld herauszuverlangen. Diese Wirkungen des Erkenntnisses könnten sistiert werden. Mit dieser Beurteilung übersieht der Verwaltungsgerichtshof, dass sich der Herausgabeanspruch der Klägerin nicht aus der (sistierten) verwaltungsgerichtlichen Entscheidung, sondern aus dem Gesetz bzw aus dem Eigentumsrecht der Klägerin ergibt (Raschauer, Allgemeines Verwaltungsrecht4 Rz 1308 mit Verweis auf VfGH 21.02.2013, A6/12). Das zeigt sich etwa daran, dass die Klägerin selbst bei Aufhebung des der Beschwerde gegen den Verfallsbescheid stattgebenden Erkenntnisses durch den Verwaltungsgerichtshof einen Herausgabeanspruch hätte (vgl in diesem Sinne neuerlich: VfGH 25.02.2020, A28/2019).

Nicht nachvollziehbar ist auch weshalb der Verwaltungsgerichtshof weitwendig ausführt, der Beschlagnahmebescheid

• verliere seine normative Wirkung wenn der Zweck der Beschlagnahme nicht mehr gegeben sei und

• gehe außerdem in einem rechtskräftigem Einstellungs- oder Verfallsbescheid auf.

Im hier zu beurteilenden Fall wurde der Verfallsbescheid zu keinem Zeitpunkt rechtskräftig und konnte die Beschlagnahme deshalb nicht in diesem aufgehen. Gleichwohl ist auch der Zweck der Beschlagnahme trotz Aufhebung des Verfallsbescheids durchaus noch vorhanden gewesen, zumal der Magistrat der Stadt Wien gegen die Aufhebung des Verfallsbescheids eine Revision erhob. Es kann daher keine Rede davon sein, dass der Beschlagnahmebescheid ohne weiteren Rechtsakt außer Kraft getreten sei. Der Magistrat der Stadt Wien hätte ohne weiteres die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Wien betreffend die Beseitigung der Beschlagnahme gleichzeitig mit der Entscheidung über die Aufhebung des Verfalls bekämpfen können. In Verbindung mit der Revision im Beschlagnahmeverfahren hätte dann auch ein Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gestellt werden können. Die Beschlagnahmeentscheidung ist nämlich im Unterschied zur Verfallsentscheidung einem Vollzug zugänglich. Bei Sistierung der Beschlagnahmeentscheidung liegt anders als beim Verfall keine mit aufschiebender Wirkung verbundene Beschwerde vor (§39 Abs6 VStG bzw §23 Abs6 Wiener Wettengesetz).

Anders als der Verwaltungsgerichtshof vermeint, kommt einer Amtsrevision gegen die Aufhebung eines Verfallsbescheids nicht nur dann Effektivität zu, wenn ihr aufschiebende Wirkung zuerkannt wird. Der Verfall dient – im Gegensetz zur Beschlagnahme – nicht dem Zweck der Sicherung eines Gegenstandes während des Verfahrens. Insoweit kann einer Revision im Hinblick auf den Verfall – deren Ziel ja nicht die Sicherung eines Gegenstandes ist – auch dann volle Effektivität zukommen, wenn ihr keine aufschiebende Wirkung zuerkannt wird. Darüber hinaus handelt es sich beim Beschlagnahme- und beim Verfallsverfahren um zwei unterschiedliche Verfahren, die nicht zwingend miteinander einhergehen müssen. Es mag sein, dass ein Gegenstand für verfallen erklärt, aber nicht beschlagnahmt wird. Man könnte besonders in solch einem Fall nicht davon sprechen, der Amtsrevision komme nur dann volle Effektivität zu, wenn ihr aufschiebende Wirkung zuerkannt würde.

Sofern die Beendigung der Beschlagnahme durch das Verwaltungsgericht Wien – wie der Verwaltungsgerichtshof vermeint – dem Sicherungszweck der Beschlagnahme zuwidergelaufen wäre, so hätte der Magistrat der Stadt Wien die Beschlagnahmeentscheidung des Verwaltungsgerichts Wien eben anzufechten gehabt. Die Beschlagnahme ist – worauf bereits hingewiesen wurde – eine vom Verfall zu unterscheidende Sicherungsmaßnahme, die nicht durch die bloße Erlassung eines (nicht rechtskräftigen) Verfallsbescheids endet.

Der Verwaltungsgerichtshof vermag auch nicht zu erklären, weshalb er auf der einen Seite davon ausgeht, durch die Sistierung der verwaltungsgerichtlichen Verfallsentscheidung, könne das Behalten der Geräte und des Geldes durch den Magistrat gerechtfertigt werden, auf der anderen Seite aber offenkundig die sonstigen Wirkungen des Verfallsbescheids nicht eintreten lassen möchte. Ginge man nämlich davon aus, die Wirkungen des Verfallsbescheids könnten durch die Sistierung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung im Wege der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung hergestellt werden, so hätte die klagende Partei das Eigentum am Geld durch die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung verloren. Wenig kohärent möchte der Verwaltungsgerichtshof diese Konsequenz aber wiederum nicht ziehen und vermeint begründungslos, es sei 'nicht ersichtlich, dass die Sistierung des Erkenntnisses dazu führen würde'.

Zwar geht auch die Klägerin davon aus, dass durch die Sistierung eines verwaltungsgerichtlichen Erkenntnisses nicht die Wirksamkeit des angefochtenen behördlichen Bescheids hergestellt wird, der mit einer mit aufschiebenden Wirkung verbundenen Beschwerde bekämpft wurde; doch dürfte der Verwaltungsgerichtshof genau diese Rechtsfolge bejahen, als er vermeint die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung rechtfertige es, der Klägerin das Geld weiterhin zu entziehen.

In diesem Sinne argumentierte die Klägerin bereits im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof, würde man die Entscheidung des Verwaltungsgerichts aussetzen, so würde damit nicht die mit aufschiebender Wirkung verbundene Beschwerde der Klägerin beseitigt und dem Verfallsbescheid volle Wirksamkeit zuerkannt werden. Im Gegenteil seien die Rechtswirkungen der aufschiebenden Wirkung jene, die sich auch ergeben würden, wenn das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht noch anhängig wäre. Es würde weiterhin eine mit aufschiebender Wirkung verbundene Beschwerde vorliegen. Bei anderer Ansicht würde man mit Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung jenen Rechtszustand herstellen, der bei Abweisung der Beschwerde der Klägerin bestanden hätte, nicht aber bloß die Wirkungen der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung sistieren. Das zeigt sich insbesondere wenn man fingieren würde, der Magistrat der Stadt Wien hätte mit seiner Revision – entgegen den Erwartungen der Klägerin – Erfolg. In einem solchen Falle würde wohl die Entscheidung des Verwaltungsgerichts aufgehoben werden und das Verfahren gemäß §42 Abs3 VwGG in die Lage zurücktreten, wie sie vor Erlassung des verwaltungsgerichtlichen Erkenntnisses bestanden hat. Sohin würde eine mit aufschiebender Wirkung versehene unerledigte Beschwerde der Klägerin vorliegen und stünde umgekehrt der Beklagten kein Rechtstitel zu, um die verfallsbedrohten Gegenstände zu behalten. Durch die vom Magistrat gewünschte 'Sicherstellung' wäre dieser also sogar besser gestellt, als wenn er mit seiner Revision und dem darin allein gestellten Aufhebungsantrag erfolgreich wäre.

Wäre die Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs also zutreffend, so würde der Herausgabeanspruch der Klägerin mit allfälliger Aufhebung der Entscheidung des Verwaltungsgerichts Wien durch den Verwaltungsgerichtshof erneut entstehen, obgleich dann der Verfallsbescheid wieder dem Rechtsbestand angehören würde.

Es wäre auch wertungsmäßig nicht nachvollziehbar, wenn der Magistrat der Stadt Wien mit der Revision gegen ein Erkenntnis, in dem gerade die Rechtswidrigkeit des behördlichen Verfallsausspruchs erkannt wird, und einem damit verbundenen Antrag auf aufschiebende Wirkung, den Verfall (somit einen Eigentumsverlust für die jeweiligen Eigentümer) erreichen könnte, wenn er diesen Zustand bevor noch aufgrund einer Beschwerde eine Überprüfung durch das Verwaltungsgericht erfolgt ist, nicht erreichen kann.

[…]"

II. Erwägungen

1. Zur Zulässigkeit

1.1. Gemäß Art137 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über vermögensrechtliche Ansprüche gegen den Bund, ein Land, eine Gemeinde oder einen Gemeindeverband, die weder im ordentlichen Rechtsweg auszutragen noch durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu erledigen sind.

1.2. Ein solcher Anspruch wird mit der vorliegenden Klage geltend gemacht. Da im Verfahren auch sonst kein Prozesshindernis hervorgekommen ist, erweist sich die Klage als zulässig.

2. In der Sache

Die Klage ist nicht begründet.

Auf Grund des Vorbringens der Parteien und der vorgelegten Unterlagen geht der Verfassungsgerichtshof von folgendem maßgeblichen Sachverhalt aus:

2.1. Am 14. März 2017 fand in einem Wettbüro eine Überprüfung hinsichtlich der Einhaltung der Bestimmungen des Wiener Wettengesetzes unter der Leitung der Magistratsabteilung 36 statt.

Mit Bescheid vom 31. März 2017 ordnete der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 36, – nicht gegenüber der klagenden Partei – die Beschlagnahme des Bargeldes an. Das Bargeld steht laut dem – von der beklagten Partei nicht bestrittenen – Vorbringen der klagenden Partei sowie dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien (vgl Pkt. 2.2.) im Eigentum der klagenden Partei. Gegen diesen Bescheid erhob der Adressat des Bescheides Beschwerde an das Verwaltungsgericht Wien.

Mit Straferkenntnis vom 28. Jänner 2019 erklärte der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 36, (unter anderem) das Bargeld gegenüber der klagenden Partei gemäß §17 Abs1 iVm §24 Abs2 Wr. WettenG für verfallen, wogegen diese Beschwerde an das Verwaltungsgericht Wien erhob.

2.2. Das Verwaltungsgericht Wien erledigte die Beschwerden gegen die genannten Bescheide – sowie weitere, Beschwerden – mit Erkenntnis vom 1. Dezember 2019, VGW-002/042/7147/2017-16 (ua). Soweit für den vorliegenden Zusammenhang von Bedeutung, sprach das Verwaltungsgericht Wien dabei das Folgende aus:

In Spruchpunkt A) 1) gab das Verwaltungsgericht Wien der Beschwerde gegen den Beschlagnahmebescheid vom 31. März 2017 Folge und stellte fest, dass der bekämpfte Bescheid außer Kraft getreten sei. Mit den Spruchpunkten A) 4) und A) 5) hob das Verwaltungsgericht Wien (unter anderem) den im Straferkenntnis vom 28. Jänner 2019 ausgesprochenen Verfall betreffend die Wettterminals auf.

2.3. Gegen dieses Erkenntnis – unter anderem gegen die Spruchpunkte A) 4) bis A) 6) – erhob der Magistrat der Stadt Wien Amtsrevision an den Verwaltungsgerichtshof und beantragte darin die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung.

2.4. Mit Beschluss vom 5. April 2020, Ra 2020/02/0057-6, gab der Verwaltungsgerichtshof diesem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung Folge. Begründend führt der Verwaltungsgerichtshof zusammengefasst aus, dass einer Amtsrevision gegen die Aufhebung eines Verfallsbescheides nur dann Effektivität zukomme, wenn ihr die aufschiebende Wirkung zuerkannt werde, weil andernfalls die Beendigung der Beschlagnahme durch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes dem Sicherungszweck der Beschlagnahme zuwiderlaufe. Aus diesem Grund komme es für die Frage der mit der Amtsrevision gegen die Aufhebung eines Verfallsbescheides verfolgten Interessen nicht allein darauf an, ob das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes hinsichtlich der Feststellung des Fortbestandes oder des Außerkrafttretens des Beschlagnahmebescheides auch angefochten worden sei. Das vom revisionswerbenden Magistrat geltend gemachte Risiko, dass die von der Beschlagnahme betroffenen Gegenstände dem Zugriff der Behörde entzogen werden könnten, sei jedenfalls als eine erhebliche Beeinträchtigung der von der Amtspartei zu vertretenden öffentlichen interessen zu verstehen.

3. Vor diesem Hintergrund besteht das Klagebegehren nicht zu Recht:

3.1. Der Verwaltungsgerichtshof hat mit seinem Beschluss vom 5. April 2020, Ra 2020/02/0057-6, dem Antrag des revisionswerbenden Magistrates auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung Folge gegeben, weil einer Amtsrevision gegen die Aufhebung eines Verfallsbescheides nur dann Effektivität zukomme, wenn ihr aufschiebende Wirkung zuerkannt werde, weil andernfalls die Beendigung der Beschlagnahme durch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes dem Sicherungszweck der Beschlagnahme zuwiderlaufen würde. Nichts anderes kann hinsichtlich des vorliegenden Klagebegehrens auf Herausgabe des Bargeldes gelten; im Falle einer Stattgabe des Klagebegehrens ginge die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung durch den Verwaltungsgerichtshof ins Leere. Bis zur endgültigen Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes in dem genannten Verfahren besteht das Klagebegehren daher jedenfalls nicht zu Recht und ist die Klage bereits aus diesem Grund abzuweisen.

3.2. Daran vermag auch das Vorbringen der klagenden Partei in ihrer Replik vom 4. Juni 2020 nichts zu ändern:

Soweit sich die klagende Partei auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 25. Februar 2020, A28/2019, beruft, ist ihr entgegenzuhalten, dass diesem Erkenntnis ein gänzlich anderer Sachverhalt zugrunde gelegen ist. In diesem Verfahren wurden einerseits sowohl der Beschlagnahmebescheid durch das Verwaltungsgericht Wien als auch darüber hinaus der Verfallsausspruch durch den Verwaltungsgerichtshof aufgehoben und von diesem ausgesprochen, dass der Verfall – im Anwendungsbereich des §2 Abs4 GTBW-G – nur gegenüber dem Eigentümer ausgesprochen werden dürfe (vgl VwGH 22.10.2019, Ra 2019/02/0022 ua). Darüber hinaus war in dem genannten Verfahren keine Amtsrevision anhängig, der vom Verwaltungsgerichtshof die aufschiebende Wirkung zuerkannt worden wäre. Aus dem genannten Erkenntnis ist daher für die klagende Partei im vorliegenden Zusammenhang nichts zu gewinnen.

III. Ergebnis

1. Das Klagebegehren besteht nicht zu Recht; die Klage ist daher abzuweisen.

2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

3. Da die beklagte Partei Kosten weder begehrt noch ziffernmäßig verzeichnet hat, sind ihr keine Kosten zuzusprechen (zB VfSlg 9280/1981).

Schlagworte

Beschlagnahme, VfGH / Klagen, VfGH / Kosten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2020:A29.2020

Zuletzt aktualisiert am

01.03.2021
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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