TE Vfgh Erkenntnis 2020/11/24 A69/2020

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Veröffentlicht am 24.11.2020
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Index

34/01 Monopole

Norm

B-VG Art137 / Klagen
VwGVG §28 Abs5
WettenG Wr §24
VfGG §7 Abs2

Leitsatz

Stattgabe einer Klage gegen den Magistrat Wien auf Herausgabe von Wettinformationsgeräten und Wettannahmeschalter mangels Rechtsgrundlage für die Beschlagnahme und den Verfall

Spruch

I. Das Land Wien ist schuldig, der klagenden Partei die folgenden Gegenstände, nämlich

1. die am 25. Februar 2019 in der ******************, **** ****, beschlagnahmten Wettinformationsgeräte mit den Seriennummern 6196900177, 6196900153 und 1070400058 sowie den Wettannahmeschalter bestehend aus einem Wettscheindrucker mit der Seriennummer 2281116080600727C, einem Kartenlesegerät mit der Nummer FR4060-30 und einem Bildschirm mit der Seriennummer 1015T15KAG243 sowie

2. die am 25. Februar 2019 in der ******************, **** ****, beschlagnahmten Wettinformationsgeräte mit den Seriennummern 6196900178 und 1070400056 sowie den Wettannahmeschalter bestehend aus einem Wettscheindrucker mit der Seriennummer 2281116080600696C, einem Kartenlesegerät mit der Nummer FR4060-30 und einem Bildschirm mit der Seriennummer 1015T15KAG245,

binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution herauszugeben.

II. Das Land Wien ist weiters schuldig, der klagenden Partei zuhanden ihrer Rechtsvertreter die mit € 1.446,62 bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Klage, Sachverhalt und Vorverfahren

1. Gestützt auf Art137 B-VG begehrt die klagende Partei, das Land Wien schuldig zu erkennen, die im Spruch bezeichneten Wettinformationsgeräte und Wettannahmeschalter binnen 14 Tagen herauszugeben und die Prozesskosten binnen derselben Frist bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Begründend führt die klagende Partei dabei das Folgende aus:

"II.

1. Sachverhalt

[…]

Am 25.02.2019 fand […] eine Kontrolle des Magistrats der Stadt Wien, Magistratsabteilung 36, statt. Im Zuge der Kontrollen wurden 5 Wettinformationsgeräte und 2 Wettannahmeschalter der Klägerin beschlagnahmt. Die Beschlagnahme wurde durch die Beschlagnahmebescheide vom 13.03.2019 zur Zahl MA 36 – 199750 – 2019 – 4 und vom 13.03.2019 zur Zahl MA 36 – 193455 – 2019 – 4 bestätigt. Schließlich sprach der Magistrat der Stadt Wien auch den Verfall betreffend die zunächst nur beschlagnahmten Geräte aus.

Mit Erkenntnis vom 22.06.2020 zur Zahl VGW-002/011/2634/2020-3 ua hob das Verwaltungsgericht Wien im Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts Wien (VGW 25.04.2019, VGW-002/022/14640/2018; VGW 19.11.2019, VGW-002/068/14643/2018) und auch der vom Magistrat der Stadt Wien bereits vertretenen Ansicht (Straferkenntnis vom 31.10.2019, MA36/193600001703/2019) die Beschlagnahmebescheide genauso wie die Verfallsaussprüche auf, weil jedenfalls nicht mit den Wettgeräten gegen das Wiener Wettengesetz verstoßen wurde.

[…]

Das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 22.06.2020 zur Zahl VGW-002/011/2634/2020-3 ua wurde freilich ordnungsgemäß beurkundet. Zum Beweis für diesen – wohl nicht strittigen – Umstand wird die Beischaffung des verwaltungsgerichtlichen Akts zur Zahl VGW-002/011/2634/2020 beantragt.

Die klagende Partei ist Eigentümerin der beschlagnahmten Wettinformationsgeräte und der Wettannahmeschalter. Die Wettinfogeräte der Type Bet Book Basic und Infoterminal V4 weisen die Seriennummern 6196900177, 6196900153, 1070400058 […], 6196900178 und 1070400056 […] auf. Die zwei Wettannahmeschalter bestehen aus jeweils einem Wettscheindrucker (Seriennummern: 2281116080600727C, 2281116080600696C) Kartenlesegerät (Seriennummern: FR4060-30, FR4060-30) und Bildschirm (Seriennummern: 1015T15KAG243, 1015T15KAG245).

Mit Schreiben vom 22.06.2020 wurde der Magistrat der Stadt Wien aufgefordert, die beschlagnahmten Geräte binnen 14 Tagen herauszugeben.

[…]

Dieses Schreiben der Klägerin blieb unbeantwortet, weshalb sich die Klägerin zur gegenständlichen Klagsführung angehalten sieht.

2. Klagslegitimation

Gemäß Art137 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über vermögensrechtliche Ansprüche gegen den Bund, ein Land, eine Gemeinde oder einen Gemeindeverband, die weder im ordentlichen Rechtsweg auszutragen noch durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu erledigen sind.

Ein solcher Anspruch wird mit der vorliegenden Klage geltend gemacht. Die Klägerin begehrt die Herausgabe ihrer am 25.02.2019 beschlagnahmten Wettgeräte. Damit macht sie einen vermögensrechtlichen Anspruch geltend. Dieser Anspruch ist im öffentlichen Recht begründet und weder durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu erledigen, noch im ordentlichen Rechtsweg auszutragen. Der Rechtsgrund, auf welchen der Magistrat der Stadt Wien die Beschlagnahme stützte, besteht seit der Aufhebung des Beschlagnahmebescheids durch das Verwaltungsgericht Wien nicht mehr. Indes befinden sich die beschlagnahmten Gegenstände in der Gewahrsame des Magistrates der Stadt Wien, weshalb ein im öffentlichen Recht wurzelnder Herausgabeanspruch besteht (ähnlich: VfGH 21.09.2017, A4/2017; VfGH 10.12.1986, A15/85).

Das bedeutet, dass der Klägerin als Eigentümerin die beschlagnahmten Geräte zurückzugeben sind, weil kein Rechtsgrund für die Zurückbehaltung der Geräte bzw die Aufrechterhaltung der Beschlagnahme besteht.

3. Bewertung des Streitgegenstandes

Der Streitgegenstand wird mit EUR 10.000 bewertet. Dieser Betrag entspricht dem Wert der beschlagnahmten Wettgeräte. Dabei wurde für die drei Geräte der Type Bet Book Basic (Seriennummern startend mit 61969...) ein Wert von jeweils EUR 2.500,00, für die Geräte der Type Infoterminal V4 (Seriennummern startend mit 10704...) ein Wert von jeweils EUR 1.000,00 und für die Wettschalterausrüstung ein Wert von jeweils EUR 250,00 angesetzt."

2. Die beklagte Partei hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie das Folgende vorbringt:

"I. Sachverhaltsdarstellung:

Am 25.02.2019 fand in den Betriebsstätten der klagenden Partei […] jeweils eine Kontrolle des Magistrats der Stadt Wien, Magistratsabteilung 36, hinsichtlich der Einhaltung der Bestimmungen des Gesetzes über den Abschluss und die Vermittlung von Wetten (Wiener Wettengesetz), LGBl für Wien Nr 26/2016 statt.

Im Zuge der Überprüfungen wurde festgestellt, dass die [klagende Partei] an beiden Standorten die Tätigkeit als Wettkundenvermittlerin ausübte, ohne dass ein geeignetes Kontrollsystem im Sinne des §19 Abs2 Wiener Wettengesetz eingerichtet war, um den Zutritt von minderjährigen und/oder selbstgesperrten Personen zu den Betriebsstätten zu verhindern, da die Tankstellenshops ohne jede Kontrolle des Alters oder der Identität betreten werden konnten. […]

Auf Grund des Verdachtes von Verwaltungsübertretungen nach §24 Abs1 Z1 Wiener Wettengesetz wurde die Beschlagnahme der genannten Wettinfoterminals und Wettannahmeschalter angeordnet und Verwaltungsstrafverfahren eingeleitet.

Mit Bescheid vom 13.03.2019, MA 36 – 199750-2019 wurde die Beschlagnahme des am Standort […] und mit Bescheid vom 13.03.2019, MA 36 – 193455-2019 die Beschlagnahme der am Standort […] betriebenen Wettinfoterminals und Wettannahmeschalter angeordnet.

Mit Straferkenntnissen vom 13.01.2020, MA36/193600000493/2019, betreffend den Standort […] und vom 13.01.2020, MA36/193600000495/2019, betreffend den Standort […], wurde gegen Herrn Ing. *** als gemäß §9 Abs2 VStG bestellten verantwortlichen Beauftragten jeweils eine Geldstrafe verhängt, die Haftung der klagenden Partei als Wettunternehmerin nach §9 Abs7 VStG und der Verfall der oben genannten Wettgeräte ausgesprochen.

Gegen diese Straferkenntnisse erhoben der Beschuldigte und die klagende Partei Beschwerde an das Verwaltungsgericht Wien.

Mit mündlich verkündetem Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 22.06.2020, VGW-002/011/2634/2020 ua wurde den Beschwerden Folge gegeben, die Beschlagnahmebescheide und die Verfallsaussprüche aufgehoben sowie die Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

Die beklagte Partei beantragte am 30.06.2020, sohin binnen der zweiwöchigen Frist, nach §29 VwGVG, die schriftliche Ausfertigung des mündlich verkündeten Erkenntnisses des Verwaltungsgerichts Wien vom 22.06.2020, VGW-002/011/2634/2020 ua. Diese schriftliche Ausfertigung langte bis dato nicht bei der beklagten Partei ein.

Mit Schreiben vom 22.06.2020 wurde der Magistrat der Stadt Wien aufgefordert, die beschlagnahmten Geräte binnen 14 Tagen herauszugeben.

Am 10.07.2020, offenbar vor Einbringung der gegenständlichen Klage, wurde der klagenden Partei fernmündlich mitgeteilt, dass der Aufforderung zur Rückgabe der gegenständlichen Geräte aufgrund des bereits eingebrachten Antrags auf schriftliche Ausfertigung und die anschließend geplante Einbringung einer außerordentlichen Revision samt Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht Folge geleistet werden kann. Dies wurde den rechtsfreundlichen Vertretern der klagenden Partei auch mit Schriftsatz vom 29.06.2020, welcher am 10.07.2020 vorab via E-Mail und postalisch übermittelt wurde, mitgeteilt.

Da die schriftliche Ausfertigung des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichts Wien vom 22.06.2020, VGW-002/011/2634/2020 ua der beklagten Partei noch nicht zugestellt wurde und somit die Einbringung einer außerordentlichen Revision samt Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht erfolgen konnte, wurde mit Schriftsatz vom 27.07.2020 nach §30 Abs2 VwGG die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der einzubringenden Revision beantragt.

Eine Entscheidung über den Antrag vom 27.07.2020 auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung langte bislang noch nicht beim Magistrat der Stadt Wien ein.

II. Zur Rückgabe der beschlagnahmten Wettterminals und Wettannahmeschalter:

Entgegen dem Vorbringen der klagenden Partei wurden die vorläufig beschlagnahmten und für verfallen erklärten Gegenstände aufgrund des nicht eingerichteten Kontrollsystems nach §19 Abs2 Wiener Wettengesetz offenkundig gegen §24 Abs1 Z12 Wiener Wettengesetz entgegen den Bestimmungen des Wiener Wettengesetzes betrieben und folglich sowohl die vorläufige Beschlagnahme als auch der Ausspruch des Verfalls betreffend die gegenständlichen Geräte zulässig. Nach Einlangen der schriftlichen Ausfertigung des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichts Wien vom 22.06.2020, VGW-002/011/2634/2020 ua wird dieser Rechtsstandpunkt vom Magistrat der Stadt Wien auch in der außerordentlichen Revision vertreten.

Die beklagte Partei vertritt die Ansicht, dass es zur Sicherung des Verfalls als Strafe notwendig ist, dass die Eingriffsgegenstände, nämlich die verfahrensgegenständlichen Wettgeräte, dem Zugriff durch die Eigentümerin weiterhin durch Beschlagnahme entzogen bleiben, da sonst die Gefahr besteht, dass diese dem weiteren Zugriff der Behörde entzogen werden. Das Interesse der Eigentümer an der vorzeitigen Rückgabe der vorläufig beschlagnahmten Gegenstände tritt aus Sicht des Antragstellers hinter das öffentliche Interesse an der Sicherstellung eines etwaigen Verfalls zurück (siehe auch Beschluss des VwGH vom 05.04.2020, Ra 2020/02/0057-6).

Der Verwaltungsgerichtshof führte in seinem Beschluss vom 05.04.2020, Ra 2020/02/0057-6 darüber hinaus aus, dass es sich bei der Beschlagnahme um eine vorläufige Maßnahme der Entziehung eines Gegenstandes aus der Verfügungsmacht eines Betroffenen mit dem Zweck der Sicherung während des Verfahrens darüber, was mit dem Gegenstand endgültig zu geschehen hat, handelt. Eine rechtskräftig verfügte Beschlagnahme nach §39 VStG endet in der Regel nicht mit der Erlassung eines Aufhebungsbescheides sondern vielmehr mit dem Eintreten bestimmter rechtlich relevanter Umstände, welche die Beendigung der Beschlagnahme ohne eigenen Rechtsakt bewirken (vgl VwGH 06.09.2016, Ra 2015/09/0103). Dies gilt nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes auch für eine nach §23 Abs2 Wiener Wettengesetz erfolgte Beschlagnahme, weil zwar §23 Abs4 Wiener Wettengesetz in der Stammfassung LGBl Nr 26/2016, noch ausdrücklich vorsah, dass eine Verfügung über die Anordnung einer Beschlagnahme bei Wegfall des Grundes ihrer Erlassung unverzüglich aufzuheben sei, diese Regelung jedoch durch den am 07.07.2018 in Kraft getretenen ArtI Z50, LGBl Nr 40/2018, laut den Materialien (ErläutRV BlgtLT 7/2018, S 15) mit Hinweis auf das zuvor zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs entfiel.

Die Beschlagnahme der gegenständlichen Geräte wurde somit noch nicht mit einem konkreten Rechtsakt aufgehoben, sondern ist jedenfalls bis zur Entscheidung über den Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung weiterhin aufrecht.

Aufgrund des durch die Anträge auf schriftliche Ausfertigung sowie Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung noch anhängigen Verfahrens liegt in der vorläufigen weiteren Verwahrung der beschlagnahmten Gegenstände bei der Behörde keine Rechtswidrigkeit vor."

3. Mit Schriftsatz vom 17. September 2020 teilte die klagende Partei mit, dass der Antrag der beklagten Partei auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung vom Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 9. September 2020 zurückgewiesen worden sei.

4. Die beklagte Partei erstattete daraufhin eine Replik, in der sie das Folgende ausführt:

"Aus Sicht der beklagten Partei besteht, auch unter Bezugnahme auf den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 09.09.2020, So 2020/02/0001-2, vor Ablauf der Revisionsfrist des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtes Wien vom 22.06.2020, VGW – 002/011/2634/2020-3 ua keine mit einer Klage nach Art137 B-VG durchsetzbare Verpflichtung zur Ausfolgung der rechtmäßig beschlagnahmten Gegenstände, da einer allfällig einbringbaren Revision auf Antrag auch die aufschiebende Wirkung gemäß §30 Abs2 VwGG zuerkannt werden kann.

Die gegenständlich aufgestellten Wettgeräte wurden mit Bescheid vom 13.03.2019, MA 36 – 193455-2019 und Bescheid vom 13.03.2019, MA 36 – 199750-2019 beschlagnahmt. Der Verfall dieser Gegenstände wurde, neben der Verhängung von Geldstrafen gegen den verantwortlichen Beauftragten, mit Straferkenntnis vom 13.01.2020, MA36/193600000493/2019 und Straferkenntnis vom 13.01.2020, MA36/193600000495/2019 ausgesprochen.

Das Verwaltungsgericht Wien hob diese Bescheide mit mündlich verkündetem Erkenntnis vom 22.06.2020 auf. Begründend führte es zusammengefasst aus, dass aufgrund vorliegender fortgesetzter Delikte von einem Tatzeitraum ausgegangen wird und somit aufgrund bereits jeweils vorliegender rechtskräftiger Bestrafungen und des Doppelbestrafungsverbotes keine weitere Bestrafung mehr zulässig gewesen sei – zur Aufhebung der Verfallsaussprüche wurde jedoch keinerlei Begründung vorgebracht. Die beklagte Partei brachte am 22.06.2020 einen Antrag auf schriftliche Ausfertigung des mündlich verkündeten Erkenntnisses beim Verwaltungsgericht Wien ein. Da die schriftliche Ausfertigung offenbar bis zur Einbringung der gegenständlichen Klage vom 10.07.2020 nicht erstellt wurde, brachte die beklagte Partei am 27.07.2020 einen Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der einzubringenden Revision ein. Das Verwaltun[g]sgericht Wien legte diesen Antrag erst mit Schreiben vom 01.09.2020 dem Verwaltungsgerichtshof vor, bei welchem es am 08.09.2020 einlangte. Mit Beschluss vom 09.09.2020 wies der Verwaltungsgerichtshof den Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung als unzulässig zurück.

Die Bescheide der beklagten Partei wurden vom Verwaltungsgericht Wien mit mündlich verkündetem Erkenntnis vom 22.06.2020 aufgehoben. Nunmehr besteht jedoch die Möglichkeit, trotz Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 09.09.2020, binnen sechs Wochen nach Zustellung der schriftlichen Ausfertigung der mündlich verkündeten Entscheidung außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben und die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung dieser Revision zu beantragen. Die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ist erforderlich, weil andernfalls die Gefahr besteht, dass der Zweck der Beschlagnahme – die Sicherstellung des Verfalls bei erfolgreicher Bekämpfung der Aufhebung des Verfallsausspruches vor dem Verwaltungsgerichtshof – vereitelt wird. Ginge man davon aus, dass der Rückgabeanspruch der klagenden Partei bereits bei Vorliegen eines Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtes Wien – unabhängig von der Möglichkeit der Einbringung einer Revision mit aufschiebender Wirkung – besteht, würde dies bedeuten, dass die im gegenständlichen Fall beschlagnahmten Wettterminals bereits vor der Entscheidung über einen allfälligen Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung einer außerordentlichen Revision zurückgegeben werden müssten. Im konkreten Fall ist insbesondere hervorzuheben, dass das Verwaltungsgericht Wien die Verfallsaussprüche ohne jegliche Begründung und die Strafaussprüche lediglich mit Stehsätzen aufgehoben hat. Aus Sicht der beklagten Partei kann somit aus derzeitiger Sicht, ohne Vorliegen einer schriftlichen Ausfertigung mit entsprechender Begründung, keine entsprechend begründete Revision mit Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung beim Verwaltungsgerichtshof eingebracht werden. Darüber hinaus hat das Verwaltungsgericht Wien die schriftliche Ausfertigung trotz Ablauf eines Zeitraumes von bis dato drei Monaten nicht erstellt bzw an die beklagte Partei übermittelt.

Dies würde dazu führen, dass die Möglichkeit auf Beantragung der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung von Revisionen, im Zusammenhang mit mündlich verkündeten Erkenntnissen des Verwaltungsgerichtes Wien trotz mangelhafter Begründung mündlicher Verkündungen sowie monatelanger Nichterstellung schriftlicher Ausfertigungen, keinerlei Rechtswirkungen entfaltet und hierdurch die Bestimmung des §30 Abs2 VwGG bei Amtsrevisionen ad absurdum geführt wird. Die Pflicht zur Herausgabe von aufgrund des Wiener Wettengesetzes beschlagnahmten Wettterminals besteht somit aus Sicht der beklagten Partei frühestens nach Ablauf der Revisionsfrist einer aufhebenden Entscheidung samt einer darauffolgenden angemessenen Leistungsfrist.

Da sich das gegenständliche Klagsvorbringen der klagenden Partei auf Herausgabe der beschlagnahmten Geräte somit weiterhin als unbegründet erweist, wäre die gegenständliche Klage aus Sicht der beklagten Partei, auch unter Bezugnahme auf den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 09.09.2020, abzuweisen."

II. Erwägungen

1. Zur Zulässigkeit der Klage

Gemäß Art137 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über vermögensrechtliche Ansprüche gegen den Bund, ein Land, eine Gemeinde oder einen Gemeindeverband, die weder im ordentlichen Rechtsweg auszutragen noch durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu erledigen sind.

Ein solcher Anspruch wird mit der vorliegenden Klage geltend gemacht. Da im Verfahren auch sonst kein Prozesshindernis hervorgekommen ist, erweist sich die Klage als zulässig.

2. In der Sache

Die Klage ist begründet.

2.1. Auf Grund des Vorbringens der Parteien und der vorgelegten Unterlagen geht der Verfassungsgerichtshof von folgendem maßgeblichen Sachverhalt aus:

Am 25. Februar 2019 fand in Betriebsstätten der klagenden Partei eine Kontrolle des Magistrats der Stadt Wien, Magistratsabteilung 36, hinsichtlich der Einhaltung der Bestimmungen des Wiener Wettengesetzes statt. Auf Grund des Verdachtes von Verwaltungsübertretungen nach §24 Abs1 Z1 Wr. Wettengesetz wurden durch den Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 36, die Beschlagnahme von Wettinformationsgeräten und Wettannahmeschaltern angeordnet und Verwaltungsstrafverfahren eingeleitet.

Mit Bescheid vom 13. März 2019 ordnete der Magistrat der Stadt Wien die Beschlagnahme der Wettinformationsgeräte und der Wettannahmeschalter an. Mit zwei Straferkenntnissen vom 13. Jänner 2020 wurde unter anderem der Verfall dieser Geräte ausgesprochen. Gegen diese Straferkenntnisse erhoben die klagende Partei sowie der verantwortliche Beauftragte gemäß §9 Abs2 VStG Beschwerde an das Verwaltungsgericht Wien.

Mit mündlich verkündetem Erkenntnis vom 22. Juni 2020 gab das Verwaltungsgericht Wien den Beschwerden Folge, hob die Beschlagnahmebescheide und die Verfallsaussprüche auf und stellte die Verwaltungsstrafverfahren ein. Der Magistrat der Stadt Wien beantragte am 30. Juni 2020 die schriftliche Ausfertigung des mündlich verkündeten Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtes Wien.

Mit Schreiben vom 22. Juni 2020 forderte die klagende Partei den Magistrat der Stadt Wien auf, die beschlagnahmten Wettinformationsgeräte und Wettannahmeschalter binnen 14 Tagen herauszugeben. Am 10. Juli 2020 wurde der klagenden Partei fernmündlich mitgeteilt, dass der Aufforderung zur Rückgabe der Wettinformationsgeräte und Wettannahmeschalter auf Grund des bereits eingebrachten Antrages auf schriftliche Ausfertigung und der anschließend geplanten Einbringung einer außerordentlichen Revision samt Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht Folge geleistet werde.

Am 27. Juli 2020 stellte der Magistrat der Stadt Wien gemäß §30 Abs2 VwGG einen Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung, der mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 9. September 2020 zurückgewiesen wurde.

2.2. Die beklagte Partei ist der Ansicht, dass sie nicht zur Herausgabe der Wettinformationsgeräte und Wettannahmeschalter verpflichtet sei. Nach Zustellung der schriftlichen Ausfertigung des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtes Wien werde der Magistrat der Stadt Wien eine Amtsrevision an den Verwaltungsgerichtshof erheben und darin die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung beantragen. Es sei zur Sicherung des Verfalles notwendig, die Wettinformationsgeräte und Wettannahmeschalter weiterhin dem Zugriff durch die Eigentümerin zu entziehen, weil ansonsten die Gefahr bestehe, dass sie dem weiteren Zugriff der Behörde entzogen würden. Das Interesse der Eigentümerin an der vorzeitigen Rückgabe der vorläufig beschlagnahmten Wettinformationsgeräte und Wettannahmeschalter trete hinter das öffentliche Interesse an der Sicherstellung eines etwaigen Verfalles zurück.

2.3. Mit diesem Vorbringen ist die beklagte Partei nicht im Recht (vgl bereits VfGH 24.9.2018, A5/2018):

Der Rechtsgrund, auf den sich die Beschlagnahme und der Verfall der Geräte stützte, besteht seit dem mündlich verkündeten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 22. Juni 2020 nicht mehr. Indes befanden sich die Eingriffsgegenstände zum Zeitpunkt der Einbringung der Klage gemäß Art137 B-VG am 10. Juli 2020 – entgegen der Rechtsvorschrift des §28 Abs5 VwGVG, der eine unverzügliche Herstellung des der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtes entsprechenden Rechtszustandes durch die Behörden vorsieht – nach wie vor im Gewahrsam der beklagten Partei. Da bisher keinem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung Folge gegeben worden ist, erweist sich das Klagebegehren als berechtigt.

III. Ergebnis

1. Die klagende Partei hat die Klage zu Recht erhoben. Dem Klagebegehren auf Herausgabe der im Spruch bezeichneten Wettinformationsgeräte und Wettannahmeschalter ist daher stattzugeben.

2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

3. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §41 iVm §35 VfGG und §41 ZPO; in den zuerkannten Kosten ist Umsatzsteuer in Höhe von € 201,10 sowie der Ersatz der Eingabengebühr gemäß §17a VfGG enthalten.

Schlagworte

VfGH / Klagen, Glücksspiel, Beschlagnahme, Wirkung aufschiebende

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2020:A69.2020

Zuletzt aktualisiert am

02.03.2021
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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