Index
90/01 Straßenverkehrsordnung 1960Norm
B-VG Art139 Abs1 Z1Leitsatz
Keine Gesetzwidrigkeit der Kundmachung einer Kurzparkzonenverordnung einer Niederösterreichischen Gemeinde wegen Nichtaufstellung eines Verkehrszeichens an der Grenze zweier – einen einheitlichen räumlichen Geltungsbereich bildenden – Kurzparkzonen; kein Kundmachungsmangel durch Nichtaufstellung des Beginnzeichens einer Kurzparkzone am Ende einer EinbahnstraßeSpruch
Der Antrag wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Antrag
Der Antrag des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich lautet:
"Gemäß §31 Abs1 VwGVG iVm Art139 B-VG wird an den Verfassungsgerichtshof der Antrag gestellt, festzustellen, dass die Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Mödling vom 14. Februar 2014, Zl MDS1-V-05843/033, ihrem ganzen Inhalt nach gesetzwidrig war."
II. Rechtslage
1. Die Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Mödling vom 14. Februar 2014, Z MDS1-V-05843/033, lautet:
"Verordnung
Die Bezirkshauptmannschaft Mödling verfügt gemäß §43 Abs1 litb in Verbindung mit §55 und §56 der Straßenverkehrsordnung 1960 - StVO 1960 im Gemeindegebiet von Mödling aus Gründen der Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs die in dem beiliegenden klausulierten Plan:
Verkehrszeichen und Bodenmarkierungsplan, Kurzparkzone,
Mödling – Hauptstraße (B11)
Verordnungsinhalt:
(Bauabschnitt 2 u. 3 – Hauptstraße, zwischen den Kreuzungen mit der
Jakob Thoma Straße und der Badstraße)
[…]
Plan als Grundlage für die Verordnung
Erkennungsangaben des Ingenieurbüros:
DATEI Hauptstraße Mödling VZ Plan Kurzparkzone02.dwg und
PLANNR 201344_1
Zahlen der Bezirkshauptmannschaft Mödling: MDS1-V-05843/029 und MDS1-V-
05843/033
Maßstab: 1:250
Plandatum: 23.12.2013
dargestellten Bodenmarkierungen und Verkehrszeichen.
Seitens der Behörde wird festgestellt, dass mit der gegenständlichen Verordnung trotz des Plannamens 'Verkehrszeichen und Bodenmarkierungsplan, Kurzparkzone, Mödling – Hauptstraße (B11)' alle von der Bezirkshauptmannschaft Mödling zu verordnenden Verkehrszeichen und Bodenmarkierungen inklusive der Kurzparkzone verordnet werden.
Der Plan, welcher mit einer Bezugsklausel versehen ist, bildet einen wesentlichen
Bestandteil dieser Verordnung.
Hinweis:
Betreffend der Kurzparkzone im Verordnungsbereich wird seitens der Bezirkshauptmannschaft Mödling darauf hingewiesen, dass im Bereich des an die Hauptstraße (B11) grenzenden Josef Deutsch-Platzes seitens der Stadtgemeinde Mödling, Zahl: VP/01051/13, direkt an die durch die Bezirkshauptmannschaft Mödling verordnete Kurzparkzone, ebenso eine Kurzparkzone mit übereinstimmender Gültigkeitszeit und Parkdauer sowie gleicher Höhe der Parkgebühren verordnet wurde bzw verordnet werden wird.
Gemäß §44 Abs1 StVO 1960 tritt diese Verordnung mit der Aufstellung der Verkehrszeichen sowie Anbringung der Bodenmarkierungen (§55 Abs1 sowie §56 StVO 1960 in Verbindung mit der Bodenmarkierungsverordnung) laut beiliegendem Plan in Kraft.
[…]"
2. Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 6. Juli 1960, mit dem Vorschriften über die Straßenpolizei erlassen werden (Straßenverkehrsordnung 1960 – StVO 1960), BGBl 159/1960, idF BGBl I 68/2017 lauten auszugsweise wiedergegeben wie folgt:
"§25. Kurzparkzonen
(1) Wenn und insoweit es zu bestimmten Zeiten aus ortsbedingten Gründen (auch im Interesse der Wohnbevölkerung) oder zur Erleichterung der Verkehrslage erforderlich ist, kann die Behörde durch Verordnung für bestimmte Straßen oder Straßenstrecken oder für Straßen innerhalb eines bestimmten Gebietes das Parken zeitlich beschränken (Kurzparkzone). Die Kurzparkdauer darf nicht weniger als 30 Minuten und nicht mehr als 3 Stunden betragen.
(2) Verordnungen nach Abs1 sind durch die Zeichen nach §52 Z13d und 13e kundzumachen; §44 Abs1 gilt hiefür sinngemäß. Zusätzlich können Kurzparkzonen mit Bodenmarkierungen in blauer Farbe auf der Fahrbahn oder auf dem Randstein sowie mit blauen Markierungsstreifen an den im Bereich einer Kurzparkzone vorhandenen Anbringungsvorrichtungen für Straßenverkehrszeichen, Beleuchtungsmasten oder dergleichen gekennzeichnet werden.
(3) Beim Abstellen eines mehrspurigen Fahrzeuges in einer Kurzparkzone hat der Lenker das zur Überwachung der Kurzparkdauer bestimmte Hilfsmittel bestimmungsgemäß zu handhaben.
(4) - (5) […]
[…]
§43. Verkehrsverbote, Verkehrserleichterungen und Hinweise.
(1) Die Behörde hat für bestimmte Straßen oder Straßenstrecken oder für Straßen innerhalb eines bestimmten Gebietes durch Verordnung
a) […]
b) wenn und insoweit es die Sicherheit, Leichtigkeit oder Flüssigkeit des sich bewegenden oder die Ordnung des ruhenden Verkehrs, die Lage, Widmung, Pflege, Reinigung oder Beschaffenheit der Straße, die Lage, Widmung oder Beschaffenheit eines an der Straße gelegenen Gebäudes oder Gebietes oder wenn und insoweit es die Sicherheit eines Gebäudes oder Gebietes und/oder der Personen, die sich dort aufhalten, erfordert,
1. dauernde oder vorübergehende Verkehrsbeschränkungen oder Verkehrsverbote, insbesondere die Erklärung von Straßen zu Einbahnstraßen, Maß-, Gewichts- oder Geschwindigkeitsbeschränkungen, Halte- oder Parkverbote und dergleichen, zu erlassen,
2. den Straßenbenützern ein bestimmtes Verhalten vorzuschreiben, insbesondere bestimmte Gruppen von der Benützung einer Straße oder eines Straßenteiles auszuschließen oder sie auf besonders bezeichnete Straßenteile zu verweisen;
c) - d) […]
(1a) - (11) […]
§44. Kundmachung der Verordnungen.
(1) Die im §43 bezeichneten Verordnungen sind, sofern sich aus den folgenden Absätzen nichts anderes ergibt, durch Straßenverkehrszeichen oder Bodenmarkierungen kundzumachen und treten mit deren Anbringung in Kraft. Der Zeitpunkt der erfolgten Anbringung ist in einem Aktenvermerk (§16 AVG) festzuhalten. Parteien im Sinne des §8 AVG ist die Einsicht in einen solchen Aktenvermerk und die Abschriftnahme zu gestatten. Als Straßenverkehrszeichen zur Kundmachung von im §43 bezeichneten Verordnungen kommen die Vorschriftszeichen sowie die Hinweiszeichen 'Autobahn', 'Ende der Autobahn', 'Autostraße', 'Ende der Autostraße', 'Einbahnstraße', 'Ortstafel', 'Ortsende', 'Internationaler Hauptverkehrsweg', 'Straße mit Vorrang', 'Straße ohne Vorrang', 'Straße für Omnibusse' und 'Fahrstreifen für Omnibusse' in Betracht. Als Bodenmarkierungen zur Kundmachung von im §43 bezeichneten Verordnungen kommen Markierungen, die ein Verbot oder Gebot bedeuten, wie etwa Sperrlinien, Haltelinien vor Kreuzungen, Richtungspfeile, Sperrflächen, Zickzacklinien, Schutzwegmarkierungen oder Radfahrerüberfahrtmarkierungen in Betracht.
(1a) - (5) […]
[…]
§52. Die Vorschriftszeichen
Die Vorschriftszeichen sind
a) Verbots- oder Beschränkungszeichen,
b) Gebotszeichen oder
c) Vorrangzeichen.
a) Verbots- oder Beschränkungszeichen
1. – 13c. […]
13d. 'KURZPARKZONE'
[Verkehrszeichen nicht abgedruckt]
Dieses Zeichen zeigt den Beginn einer Kurzparkzone an. Wird dieses Zeichen auf der linken Straßenseite angebracht, so bezieht sich die Kurzparkzonenregelung nur auf diese Straßenseite. Im unteren Teil des Zeichens oder auf einer Zusatztafel ist die Zeit, während der die Kurzparkzonenregelung gilt, und die zulässige Kurzparkdauer anzugeben. Falls für das Abstellen eines Fahrzeuges in einer Kurzparkzone auf Grund abgabenrechtlicher Vorschriften eine Gebühr zu entrichten ist, so ist auf diesen Umstand durch das Wort 'gebührenpflichtig', das im unteren Teil des Zeichens oder auf einer Zusatztafel anzubringen ist, hinzuweisen.
13e. 'ENDE DER KURZPARKZONE'
[Verkehrszeichen nicht abgedruckt]
Dieses Zeichen zeigt das Ende einer Kurzparkzone an.
14.-15. […]
b) - c) […]"
III. Sachverhalt, Antragsvorbringen und Vorverfahren
1. Die Bezirkshauptmannschaft Mödling verhängte über den Beschwerdeführer vor dem antragstellenden Gericht mit Straferkenntnis eine Geldstrafe in der Höhe von € 50,– (Ersatzfreiheitsstrafe: 76 Stunden), weil er am 15. März 2018 in Mödling, Hauptstraße 69, in einer gebührenpflichtigen Kurzparkzone ein dem Kennzeichen nach näher bestimmtes mehrspuriges Kraftfahrzeug kürzer als die abgabepflichtige Dauer abgestellt habe, ohne die vorgesehene Kontrolleinrichtung für das abgabefreie Abstellen gut erkennbar angebracht zu haben.
2. Gegen dieses Straferkenntnis erhob der Beschwerdeführer vor dem antragstellenden Gericht Beschwerde.
3. Aus Anlass des Beschwerdeverfahrens stellt das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich den vorliegenden, im Folgenden zusammengefasst wiedergegebenen Antrag.
3.1. Die Kundmachung der angefochtenen Verordnung sei nicht ordnungsgemäß erfolgt. Aus dem einen Teil der angefochtenen Verordnung bildenden Plan ergebe sich, dass im Bereich der Kreuzung Hauptstraße/Josef-Deutsch-Platz (Zu- und Abfahrt zur Hauptstraße) keine Kundmachung durch Verkehrszeichen vorgesehen gewesen sei. Es lägen keine Anhaltspunkte vor, dass abweichend vom Plan dennoch Verkehrszeichen aufgestellt gewesen wären.
3.2. Im Verordnungstext finde sich ein Hinweis auf die vom Bürgermeister der Stadtgemeinde Mödling verordnete Kurzparkzone am an den räumlichen Geltungsbereich der angefochtenen Verordnung angrenzenden Josef-Deutsch-Platz. Ausweislich einer Auskunft der Stadtgemeinde Mödling sei an der Einfahrt zum Josef-Deutsch-Platz (Ausfahrt Hauptstraße) auf die Anbringung der Verkehrszeichen zur Kennzeichnung der Kurzparkzone verzichtet worden, weil die Parkdauer in der Kurzparkzone am Josef-Deutsch-Platz gleich sei. Daher liege die Vermutung nahe, dass die verordnungserlassende Behörde davon ausgegangen sei, durch die Kundmachung der vom Bürgermeister verordneten Kurzparkzone am Josef-Deutsch-Platz erfolge auch eine ausreichende Kundmachung der angefochtenen Verordnung hinsichtlich der Zu- und Abfahrt.
3.3. Das Landesverwaltungsgericht gehe mit Blick auf §25 Abs2 bzw §94b StVO 1960 davon aus, dass die Kundmachung durch die verordnungserlassende Behörde an jedem Beginn bzw Ende des Geltungsbereiches der von ihr erlassenen Kurzparkzone zu erfolgen habe und nicht durch die Kundmachung einer angrenzenden, von einer anderen Behörde (hier vom Bürgermeister) erlassenen Kurzparkzone am Beginn bzw Ende von deren örtlichem Geltungsbereich substituiert werden könne.
3.4. Ob diese Art der Kundmachung ordnungsgemäß sei, könne im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, weil sich am Josef-Deutsch-Platz (bzw den Zu- und Abfahrten zu diesem) im angelasteten Tatzeitpunkt ebenfalls keine Straßenverkehrszeichen gemäß §52 lita Z13d und 13e StVO 1960 befunden hätten. Vielmehr würden die Kundmachungsanordnungen in der Verordnung des Bürgermeisters zeigen, dass dieser umgekehrt von einer Kundmachung durch die Verkehrszeichen, die die angefochtene Verordnung kundmachen sollten (also in der Hauptstraße bzw den übrigen Zu- und Abfahrten zu bzw von dieser), ausgegangen sei. Bloß durch eine Bodenmarkierung (blaue Querlinie; eine solche sei bei der Ausfahrt vom Josef-Deutsch-Platz zur Klostergasse vorhanden) könne eine Kurzparkzone jedenfalls nicht dem Gesetz entsprechend kundgemacht werden. Jedenfalls wegen des Kundmachungsfehlers der Verordnung des Bürgermeisters vom 28. Februar 2014 am Josef-Deutsch-Platz liege eine gesetzmäßige Kundmachung der angefochtenen Verordnung nicht vor.
4. Die verordnungserlassende Behörde legte den auf die angefochtene Verordnung Bezug habenden Akt vor, erstattete jedoch keine Äußerung. Mit Eingabe vom 18. Mai 2020 teilte sie mit, dass die angefochtene Verordnung in Kraft sei.
5. Die Niederösterreichische Landesregierung erstattete die im Folgenden zusammengefasst wiedergegebene Äußerung.
5.1. Die Kundmachung beider Verordnungen erfolge gemeinsam, weil die Kurzparkzone der Bezirkshauptmannschaft Mödling für die Landesstraße B12 und die der Gemeinde für den Josef-Deutsch-Platz fließend ineinander übergingen. Für die Bürger sollte somit die Kurzparkzone als zusammenhängendes Gebiet erkennbar sein, ohne durch einen überbordenden "Schilderwald", insbesondere durch das "Nebeneinanderanbringen" der Verkehrszeichen "Kurzparkzone Ende" (Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Mödling) und "Kurzparkzone Anfang" (Verordnung der Gemeinde Mödling) und vice versa zu verwirren.
5.2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 29.9.1997, 96/17/0401) genüge es dann, wenn von der Kurzparkzone ein größeres Gebiet erfasst werden solle, dass an allen Ein- und Ausfahrtsstellen Vorschriftszeichen nach §52 Z13 litd bzw lite StVO 1960 angebracht seien (vgl auch VwGH 29.3.1990, 89/17/0191).
5.3. Diesem Rechtssatz folgend sei somit für das gesamte Gebiet der Kurzparkzone eine einheitliche Kundmachung der beiden Verordnungen getroffen worden. An allen möglichen Ein- und Ausfahrtsstellen seien iSd ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Vorschriftszeichen nach §52 Z13 litd bzw lite StVO 1960 angebracht worden.
5.4. Eine Einfahrt in den Josef-Deutsch-Platz von der Klostergasse kommend sei auf Grund der dortigen Einbahnregelung rechtlich nicht zulässig.
6. Über Ersuchen des Verfassungsgerichtshofes legte der Bürgermeister der Stadtgemeinde Mödling die auf die Verordnung VP/0151/13 Bezug habenden Akten vor.
IV. Erwägungen
1. Zur Zulässigkeit
1.1. Der Verfassungsgerichtshof vertritt zu Art89 Abs1 B-VG beginnend mit dem Erkenntnis VfSlg 20.182/2017 die Auffassung, dass eine "gehörig kundgemachte" generelle Norm – also eine an einen unbestimmten, externen Personenkreis adressierte, verbindliche Anordnung von Staatsorganen – bereits dann vorliegt, wenn eine solche Norm ein Mindestmaß an Publizität und somit rechtliche Existenz erlangt (VfSlg 20.182/2017 mwN). Es ist nicht notwendig, dass die Kundmachung der Norm in der rechtlich vorgesehenen Weise erfolgt. Demnach haben auch Gerichte gesetzwidrig kundgemachte Verordnungen gemäß Art139 B-VG anzuwenden und diese, wenn sie Bedenken gegen ihre rechtmäßige Kundmachung haben, vor dem Verfassungsgerichtshof anzufechten. Bis zur Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof sind sie für jedermann verbindlich (vgl VfSlg 20.251/2018).
Die angefochtene Verordnung ist durch die – in einem Aktenvermerk festgehaltene – Anbringung der Verkehrszeichen am 11. Oktober 2013 jedenfalls kundgemacht worden, sodass sie mit verbindlicher Wirkung für jedermann zustande gekommen ist und in Geltung steht.
1.2. Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag iSd Art139 Abs1 Z1 B-VG bzw des Art140 Abs1 Z1 lita B-VG nur dann wegen mangelnder Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die – angefochtene – generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet (vgl etwa VfSlg 10.640/1985, 12.189/1989, 15.237/1998, 16.245/2001 und 16.927/2003).
Dem Beschwerdeführer vor dem antragstellenden Gericht wird zur Last gelegt, in einer durch die angefochtene Verordnung festgelegten Kurzparkzone ein mehrspuriges Kraftfahrzeug kürzer als die abgabepflichtige Dauer abgestellt, ohne die vorgesehene Kontrolleinrichtung für das abgabefreie Abstellen gut erkennbar angebracht zu haben. Daher ist es offenkundig, dass das antragstellende Gericht die angefochtene Verordnungsbestimmung anzuwenden hat.
1.3. Wie sich aus der Eingabe der verordnungserlassenden Behörde vom 18. Mai 2020 ergibt, ist die angefochtene Verordnung – entgegen dem Vorbringen des antragstellenden Gerichtes – in Kraft. Ob eine Norm noch in Kraft steht oder bereits außer Kraft getreten ist, ist keine Frage der Zulässigkeit einer Normenprüfung, sondern eine solche der Sachentscheidung, die der Gerichtshof an der jeweiligen Situation auszurichten hat (vgl VfSlg 4920/1965, 8253/1978, 8871/1980, 11.469/1987, 13.715/1994). Ungeachtet der Formulierung des Antrages, "festzustellen, dass die Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Mödling vom 14. Februar 2014, Zl MDS1-V-05843/033, ihrem ganzen Inhalt nach gesetzwidrig war", ist der Antrag im Zusammenhang mit seiner Begründung daher als Aufhebungsbegehren zu verstehen (VfSlg 17.695/2005, 20.223/2017; VfGH 9.10.2018, V26/2018).
1.4. Da auch die übrigen Prozessvoraussetzungen vorliegen, erweist sich der Antrag des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich als zulässig.
2. In der Sache
2.1. Der Verfassungsgerichtshof ist in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit einer Verordnung gemäß Art139 B-VG auf die Erörterung der geltend gemachten Bedenken beschränkt (vgl VfSlg 11.580/1987, 14.044/1995, 16.674/2002). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Verordnung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen gesetzwidrig ist (VfSlg 15.644/1999, 17.222/2004).
2.2. Das antragstellende Gericht behauptet, die angefochtene Verordnung sei nicht ordnungsgemäß kundgemacht, weil die Kundmachung nicht jeweils am Beginn und Ende des räumlichen Geltungsbereiches der angefochtenen Verordnung erfolge. Die Kundmachung erfolge in unzulässiger Weise gemeinsam mit einer Verordnung des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Mödling, die ein zum Gebiet der angefochtenen Verordnung räumlich benachbartes Gebiet betreffe. An den Übergängen zwischen diesen beiden Verordnungen sei eine Kundmachung unterblieben.
Im Übrigen weise auch die Verordnung des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Mödling einen Kundmachungsfehler auf, der auf die angefochtene Verordnung durchschlage. Am Josef-Deutsch-Platz (bzw den Zu- und Abfahrten zu diesem) hätten sich zum angelasteten Tatzeitpunkt keine Straßenverkehrszeichen gemäß §52 lita Z13d und 13e StVO 1960 befunden, sodass jedenfalls auf Grund dieses Mangels eine ordnungsgemäße Kundmachung nicht vorliege.
2.3. Der Antrag ist nicht begründet.
2.4. Gemäß §44 Abs1 StVO 1960 sind die in §43 StVO 1960 bezeichneten Verordnungen, sofern sich aus den folgenden Absätzen nichts anderes ergibt, durch Straßenverkehrszeichen oder Bodenmarkierungen kundzumachen und treten mit deren Anbringung in Kraft (vgl VfSlg 18.710/2009, 19.409/2011, 19.410/2011).
Der Vorschrift des §44 Abs1 StVO 1960 ist immanent, dass die bezüglichen Straßenverkehrszeichen dort anzubringen sind, wo der räumliche Geltungsbereich der Verordnung beginnt und endet (vgl VfSlg 15.749/2000, 20.251/2018 mwN). Eine Kundmachung, die nicht an allen Örtlichkeiten dem Gesetz entspricht, ist mangelhaft. Eine auf diese Weise kundgemachte Verordnung ist zwar existent, jedoch bis zur Behebung des Mangels mit Gesetzwidrigkeit behaftet (vgl VfSlg 5824/1968, 6346/1970).
Der Verfassungsgerichtshof hat zur Kundmachung von Kurzparkzonen wiederholt (VfSlg 4249/1962, 4493/1963, 5152/1965, 8894/1980) dargetan, dass aus der StVO 1960 abzuleiten sei, eine Kurzparkzone sei dann gesetzmäßig kundgemacht, wenn bei der Einfahrt in die Zone ein Verkehrszeichen nach §52 lita Z13d StVO 1960 und bei der Ausfahrt aus der Zone ein solches nach §52 lita Z13e StVO 1960 aufgestellt sei; eine darüber hinausgehende Kenntlichmachung der Kurzparkzone sei zur Gesetzmäßigkeit der Kundmachung nicht erforderlich.
2.5. Im vorliegenden Fall verordnete die Bezirkshauptmannschaft Mödling ausweislich eines Hinweises in der angefochtenen Verordnung eine gebührenpflichtige Kurzparkzone für ein Gebiet, das an das vom Bürgermeister der Stadtgemeinde Mödling verordnete Gebiet einer Kurzparkzone grenzt. Die beiden Verordnungen stimmen im Geltungszeitraum, in der Parkdauer sowie in der Höhe der Parkgebühren miteinander überein. Diese Umstände ergeben sich aus dem Antrag des antragstellenden Gerichtes bzw aus den dem Verfassungsgerichtshof vorliegenden Verordnungsakten.
2.6. Das antragstellende Gericht zeigt zwar zutreffend auf, dass an den Übergängen zwischen den räumlichen Geltungsbereichen der beiden genannten Verordnungen eine gesonderte Kundmachung der Verordnungen nicht besteht. Die Kundmachung des – durch abgestimmtes Behördenhandeln entstandenen – einheitlichen räumlichen Geltungsbereiches der Verordnungen ist vor dem Hintergrund der vorgebrachten Bedenken des Verwaltungsgerichtes jedoch nicht zu beanstanden:
2.6.1. Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl VfSlg 3714/1960, 4865/1964, 6843/1972, 12.346/1990) gebietet das in der Verfassung verankerte Rechtsstaatsprinzip, dass Verordnungen ausreichend kundgemacht werden; eine bestimmte Form der Kundmachung ist durch die Verfassung nicht vorgeschrieben. Soweit dies aber in einfachen Gesetzen vorgeschrieben ist, hat die Kundmachung von Verordnungen in einer bestimmten Form zu erfolgen.
2.6.2. Für die Kundmachung von Verordnungen über die Festlegung von Kurzparkzonen sieht die StVO 1960 besondere Bestimmungen vor, so insbesondere die Kundmachung an den Ein- und Ausfahrten mittels Verkehrszeichen nach §52 lita Z13d und Z13e StVO 1960. Die StVO 1960 enthält jedoch keine besonderen Vorgaben für die gemeinsame Kundmachung von Verordnungen zweier Behörden, die eine in sich geschlossene Kurzparkzone vorsehen. Das Fehlen einer entsprechenden Vorschrift bedeutet allerdings nicht, dass eine solche Kundmachung schlechthin unzulässig wäre. Vielmehr hat die Rechtmäßigkeit der Kundmachung im Falle des Fehlens einschlägiger einfachgesetzlicher Vorgaben in einer solchen Art zu erfolgen, dass die Adressaten der Verordnung Kenntnis erhalten können (vgl VfSlg 10.952/1986, 12.346/1990, 15.171/1998, 15.549/1999, 16.281/2001).
2.6.3. Aus den dem Verfassungsgerichtshof von der Bezirkshauptmannschaft Mödling und dem Bürgermeister der Stadtgemeinde Mödling vorgelegten Akten ergibt sich, dass jeweils an den Außengrenzen des einheitlichen räumlichen Geltungsbereiches der Verordnungen der Beginn und das Ende des Geltungsbereiches der Verordnungen als geschlossener räumlicher Bereich kundgemacht sind. Durch die entsprechende Kundmachung an den Ein- und Ausfahrten dieses geschlossenen Gebietes ist gewährleistet, dass alle Verkehrsteilnehmer, an die sich die Verordnungen über die Festlegung einer Kurzparkzone richten, vom Inhalt der Verordnungen Kenntnis erlangen können.
2.6.4. So hat der Verfassungsgerichtshof auch bereits in VfSlg 17.162/2004 (Pkt. 2.4.) ausgesprochen, im Zuständigkeitsbereich zweier Behörden könne durch Verordnungen dadurch ein in sich geschlossenes Gebiet geschaffen werden, dass die zuständigen Behörden zur Erlassung einer in sich geschlossenen Kurzparkzone gemeinsam vorgehen.
2.7. Auch soweit das antragstellende Gericht vorbringt, die Kundmachung der angefochtenen Verordnung in der Klostergasse sei nicht ordnungsgemäß, weil sie nur das Ende, nicht aber den Beginn der gebührenpflichtigen Kurzparkzone ausweise, ist es damit nicht im Recht:
Für die ordnungsgemäße Kundmachung einer Verordnung iSd §44 StVO 1960 ist es nicht notwendig, den Beginn des räumlichen Geltungsbereiches (auch) an einer Straßenstelle auszuweisen, an der nach den Bestimmungen der StVO 1960 ein Befahren des räumlichen Geltungsbereiches der Verordnung unzulässig ist. Wie sich aus dem Verordnungsakt ergibt, handelt es sich bei der Klostergasse um eine vom Josef-Deutsch-Platz wegführende Einbahnstraße, die gemäß §7 Abs5 StVO 1960 nur in die durch Hinweiszeichen vorgesehen Richtung befahren werden darf. Da ein rechtmäßiges Zufahren zum Josef-Deutsch-Platz über die Klostergasse nicht möglich ist, ist es zur ordnungsgemäßen Kundmachung der Verordnung nicht notwendig, den Beginn des räumlichen Geltungsbereiches an der Klostergasse auszuweisen. Für die ordnungsgemäße Kundmachung der Verordnung im Bereich der Klostergasse reicht es folglich aus, dass – wie auch tatsächlich mittels entsprechenden Verkehrszeichens erfolgt – das Ende des räumlichen Geltungsbereiches der Verordnung an der Ausfahrt über die Klostergasse kundgemacht ist.
2.8. Da die vom antragstellenden Gericht angefochtene Verordnung vor dem Hintergrund der vorgebrachten Bedenken nicht gesetzwidrig kundgemacht ist, ist der Antrag des Verwaltungsgerichtes Niederösterreich als unbegründet abzuweisen.
V. Ergebnis
1. Da die vom antragstellenden Gericht vorgebrachten Bedenken gegen die Kundmachung der angefochtenen Verordnung nicht zutreffen, ist der Antrag als unbegründet abzuweisen.
2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
Straßenverkehrszeichen, Verordnung Kundmachung, Kurzparkzone, Geltungsbereich (örtlicher) einer Verordnung, VfGH / GerichtsantragEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2020:V6.2020Zuletzt aktualisiert am
02.03.2021