TE Vfgh Beschluss 2020/12/11 V532/2020

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Veröffentlicht am 11.12.2020
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Index

58/02 Energierecht

Norm

B-VG Art139 Abs1 Z3
ElWOG 2010 §12, §22, §83 Abs1
Intelligente Messgeräte-EinführungsV §1 Abs6
VfGG §7 Abs2

Leitsatz

Zurückweisung eines Individualantrags auf Aufhebung einer Bestimmung der Intelligenten Messgeräte-Einführungsverordnung, dass bei Ablehnung eines intelligenten Messgerätes ein solches eingebaut, aber deaktiviert wird; Zulässigkeit des Rechtswegs an die ordentlichen Gerichte auch ohne vorherige Befassung der Regulierungsbehörde; Möglichkeit der amtswegigen Antragstellung bzw Stellung eines Parteiantrags in einem Verfahren erster Instanz

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung

I. Antrag

Mit dem vorliegenden, auf Art139 Abs1 Z3 B-VG gestützten Antrag begehrt die Antragstellerin, §1 Abs6 der Verordnung des Bundesministers für Wirtschaft, Familie und Jugend, mit der die Einführung intelligenter Messgeräte festgelegt wird (Intelligente Messgeräte-Einführungsverordnung – IME-VO), BGBl II 138/2012 idF BGBl II 383/2017, in eventu die IME-VO zur Gänze als gesetzwidrig aufzuheben. Ferner regt sie an, die der IME-VO zugrunde liegenden Bestimmungen des Bundesgesetzes, mit dem die Organisation auf dem Gebiet der Elektrizitätswirtschaft neu geregelt wird (Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz 2010 – ElWOG 2010), insb. §83 ElWOG 2010, von Amts wegen zu prüfen und allenfalls aufzuheben.

II. Rechtslage

1. Die Verordnung des Bundesministers für Wirtschaft, Familie und Jugend, mit der die Einführung intelligenter Messgeräte festgelegt wird (Intelligente Messgeräte-Einführungsverordnung – IME-VO), BGBl II 138/2012 idF BGBl II 383/2017, lautet (die im Hauptantrag angefochtene Bestimmung ist hervorgehoben):

"Einführung intelligenter Messgeräte ('smart meters')

§1. (1) Jeder Netzbetreiber gemäß §7 Abs1 Z51 ElWOG 2010 hat

1. bis Ende 2015 einen Projektplan über die stufenweise Einführung von intelligenten Messgeräten samt Angabe eines Zielerreichungspfades vorzulegen,

2. bis Ende 2020 mindestens 80 vH und,

3. im Rahmen der technischen Machbarkeit, bis Ende 2022 mindestens 95 vH

der an sein Netz angeschlossenen Zählpunkte als intelligente Messgeräte (§7 Abs1 Z31 ElWOG 2010) gemäß den Vorgaben der Verordnung der E-Control, mit der die Anforderungen an intelligente Messgeräte bestimmt werden (Intelligente Messgeräte-AnforderungsVO 2011), auszustatten, wobei eine leitungsgebundene Übertragung in Betracht zu ziehen ist.

(2) Jene intelligenten Messgeräte, welche bereits vor Inkrafttreten der Intelligente Messgeräte-AnforderungsVO 2011 beschafft oder eingebaut wurden und die darin enthaltenen Anforderungen nicht erfüllen, können weiterhin in Betrieb gehalten und auf die in Abs1 festgelegten Zielverpflichtungen angerechnet werden. Ebenso können intelligente oder digitale Messgeräte, welche vor Inkrafttreten der Novelle der Intelligente Messgeräte-Einführungsverordnung, BGBl II Nr 383/2017, eingebaut wurden, weiterhin in Betrieb gehalten und auf die in Abs1 festgelegten Zielverpflichtungen angerechnet werden, auch wenn sie technisch nicht in der Lage sind alle Funktionen und Funktionsänderungen gemäß Abs6 zu erbringen.

(3) Von der Verpflichtung gemäß Abs1 sind Netzbetreiber hinsichtlich jener Endverbraucher ausgenommen, deren Verbrauch über einen Lastprofilzähler gemessen wird.

(4) Die Netzbetreiber haben die Endverbraucher zeitnah über den Einbau eines intelligenten Messgerätes sowie die damit verbundenen Rahmenbedingungen zu informieren. Die Regulierungsbehörde kann in Bezug auf diese Information Mindestinhalte vorgeben.

(5) Der Netzbetreiber hat, ungeachtet des Projektplans über die stufenweise Einführung von intelligenten Messgeräten nach Abs1, Endverbraucher auf Wunsch mit einem intelligenten Messgerät auszustatten. Die Installation hat in diesem Fall ehestmöglich, höchstens binnen sechs Monaten, zu erfolgen.

(6) Lehnt ein Endverbraucher die Messung mittels eines intelligenten Messgerätes ab, hat der Netzbetreiber diesem Wunsch zu entsprechen. Der Netzbetreiber hat in diesem Fall einzubauende oder bereits eingebaute intelligente Messgeräte derart zu konfigurieren, dass keine Monats-, Tages- und Viertelstundenwerte gespeichert und übertragen werden und die Abschaltfunktion sowie Leistungsbegrenzungsfunktion deaktiviert sind, wobei die jeweilige Konfiguration der Funktionen für den Endverbraucher am Messgerät ersichtlich sein muss. Eine Auslesung und Übertragung des für Abrechnungszwecke oder für Verbrauchsabgrenzungen notwendigen Zählerstandes und, soweit das Messgerät technisch dazu in der Lage ist, der höchsten einviertelstündlichen Durchschnittsbelastung (Leistung) innerhalb eines Kalenderjahres muss möglich sein. Derart konfigurierte digitale Messgeräte werden auf die in Abs1 festgelegten Zielverpflichtungen angerechnet, soweit sie die Anforderungen der Intelligenten Messgeräte-Anforderungsverordnung 2011, BGBl II Nr 339/2011, bei entsprechender Aktivierung bzw Programmierung, die auf Wunsch des Endverbrauchers umgehend vorzunehmen ist, erfüllen.

(7) Zählpunkte, an die ein öffentlich zugänglicher Ladepunkt angeschlossen ist, sind unterhalb der Grenzen des §17 Abs2 ElWOG 2010 jedenfalls mit einem intelligenten Messgerät auszustatten.

(8) Endverbrauchern, die bis 2022 nicht mit einem intelligenten Messgerät ausgestattet wurden, ist der Grund hiefür durch den jeweiligen Netzbetreiber mitzuteilen.

Berichts- und Monitoringpflichten

§2. (1) Die Netzbetreiber haben dem Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend sowie der E-Control die aktuellen Projektpläne über die Einführung von intelligenten Messgeräten sowie jeweils zum 31. März eines Kalenderjahres einen Bericht insbesondere über den Fortschritt der Installation von intelligenten Messgeräten, zu den angefallenen Kosten, zu den bei der Installation gemachten Erfahrungen, zum Datenschutz, zur Verbrauchsentwicklung bei den Endverbrauchern und zur Netzsituation in einer von der E-Control vorzugebenden Form zu übermitteln.

(2) Die E-Control hat die Einführung intelligenter Messgeräte durch die Netzbetreiber zu überwachen.

(3) Die E-Control hat auf Grundlage der Berichte der Netzbetreiber gemäß Abs1 einen jährlichen Bericht zur Einführung von intelligenten Messgeräten zu erstellen und zu veröffentlichen. Dieser Bericht hat insbesondere Ausführungen zum Fortschritt der Installation von intelligenten Messgeräten, zur Kostenentwicklung, zu den gemachten Erfahrungen, zur Verbrauchsentwicklung und zu den

Effizienzsteigerungen bei den Endverbrauchern, zu der Netzsituation, zum Datenschutz und zur Strompreisentwicklung zu enthalten.

Inkrafttreten

§3. Diese Verordnung tritt mit dem der Kundmachung folgenden Tag in Kraft."

2. Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes, mit dem die Organisation auf dem Gebiet der Elektrizitätswirtschaft neu geregelt wird (Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz 2010 – ElWOG 2010), BGBl I 110/2010 idF BGBl I 108/2017, lauten auszugsweise:

"Begriffsbestimmungen

§7. (Grundsatzbestimmung) (1) Im Sinne dieses Bundesgesetzes bezeichnet der Ausdruck

1. […]

51. 'Netzbetreiber' Betreiber von Übertragungs- oder Verteilernetzen mit einer Nennfrequenz von 50 Hz;

[…]

54. 'Netzzugangsberechtigter' eine natürliche oder juristische Person oder eingetragene Personengesellschaft, die Netzzugang begehrt, insbesondere auch Elektrizitätsunternehmen, soweit dies zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlich ist;

55. […]

[…]

Streitbeilegungsverfahren

§22. (1) In Streitigkeiten zwischen Netzzugangsberechtigten und Netzbetreibern über die Rechtmäßigkeit der Verweigerung des Netzzuganges entscheidet – sofern keine Zuständigkeit des Kartellgerichtes gemäß Kartellgesetz 2005 vorliegt – die Regulierungsbehörde.

(2) In allen übrigen Streitigkeiten zwischen

1. Netzzugangsberechtigten und Netzbetreibern über die aus diesem Verhältnis entspringenden Verpflichtungen,

2. dem unabhängigen Netzbetreiber gemäß §25 und dem Eigentümer des Übertragungsnetzes gemäß §27,

3. dem vertikal integrierten Elektrizitätsunternehmen und dem Übertragungsnetzbetreiber gemäß §28

4. sowie in Angelegenheiten der Abrechnung der Ausgleichsenergie

entscheiden die Gerichte. Eine Klage eines Netzzugangsberechtigten gemäß Z1 sowie eine Klage gemäß Z2 bis 4 kann erst nach Zustellung des Bescheides der Regulierungsbehörde im Streitschlichtungsverfahren innerhalb der in §12 Abs4 E-ControlG vorgesehenen Frist eingebracht werden. Falls ein Verfahren gemäß Z1 bei der Regulierungsbehörde anhängig ist, kann bis zu dessen Abschluss in gleicher Sache kein Gerichtsverfahren anhängig gemacht werden.

(3) Unbeschadet der Bestimmung des Abs2 kann eine Klage wegen Ansprüchen, die sich auf eine Verweigerung des Netzzuganges gründen, erst nach Rechtskraft der Entscheidung der Regulierungsbehörde über die Rechtmäßigkeit der Verweigerung des Netzzuganges eingebracht werden; bildet eine solche Entscheidung eine Vorfrage für das gerichtliche Verfahren, so ist dieses bis zur Rechtskraft der Entscheidung der Regulierungsbehörde zu unterbrechen.

[…]

Intelligente Messgeräte

§83. (1) Der Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend kann nach Durchführung einer Kosten/Nutzanalyse die Einführung intelligenter Messseinrichtungen festlegen. Dies hat nach Anhörung der Regulierungsbehörde und der Vertreter des Konsumentenschutzes durch Verordnung zu erfolgen. Die Netzbetreiber sind im Fall der Erlassung dieser Verordnung zu verpflichten, jene Endverbraucher, deren Verbrauch nicht über einen Lastprofilzähler gemessen wird, mit intelligenten Messgeräten auszustatten, über die Einführung, insbesondere auch über die Kostensituation, die Netzsituation, Datenschutz und Datensicherheit und Verbrauchsentwicklung bei den Endverbrauchern, Bericht zu erstatten und die Endverbraucher zeitnah über den Einbau eines intelligenten Messgeräts sowie die damit verbundenen Rahmenbedingungen zu informieren. Im Rahmen der durch die Verordnung bestimmten Vorgaben für die Installation intelligenter Messgeräte hat der Netzbetreiber den Wunsch eines Endverbrauchers, kein intelligentes Messgerät zu erhalten, zu berücksichtigen. Die Regulierungsbehörde hat die Aufgabe, die Endverbraucher über allgemeine Aspekte der Einführung von intelligenten Messgeräten zu informieren und über die Einführung von intelligenten Messgeräten, insbesondere auch über die Kostensituation, die Netzsituation, Datenschutz und Datensicherheit, soweit bekannt, den Stand der Entwicklungen auf europäischer Ebene und über die Verbrauchsentwicklung bei den Endverbrauchern, jährlich einen Bericht zu erstatten.

(2) Die Regulierungsbehörde hat jene Anforderungen durch Verordnung zu bestimmen, denen diese intelligenten Messgeräte zu entsprechen haben und gemäß §59 bei der Ermittlung der Kostenbasis für die Entgeltbestimmung in Ansatz zu bringen. Die Verordnung hat zumindest jene Mindestfunktionalitäten vorzuschreiben, die intelligente Messgeräte enthalten müssen, um die in Abs3 bis Abs5 sowie in §84 und §84a festgelegten Aufgaben zu erfüllen. Die intelligenten Messgeräte sind jedenfalls dahingehend auszustatten, dass eine Messung und Speicherung von Zählerständen in einem Intervall von 15 Minuten möglich ist, die Speicherung der Werte für 60 Kalendertage im intelligenten Messgerät erfolgt, eine Fernauslesung der im Gerät gespeicherten Messdaten über eine bidirektionale Kommunikationsschnittstelle sowie eine Unterbrechung und Freigabe der Anlage aus der Ferne möglich ist und eine Abrufbarkeit der Daten durch den Endverbraucher über eine unidirektionale Kommunikationsschnittstelle erfolgen kann. Die Regulierungsbehörde hat die Vertreter des Konsumentenschutzes sowie die Datenschutzbehörde und den Datenschutzrat weitestmöglich einzubinden. Der Betrieb von intelligenten Messgeräten sowie ihre Kommunikation, auch zu externen Geräten, sind nach anerkanntem Stand der Technik abzusichern, um Unberechtigten den Zugriff über den aktuellen Zählerstand hinaus nicht zu ermöglichen. Der Betrieb von intelligenten Messgeräten hat den maß- und eichgesetzlichen und datenschutzrechtlichen Bestimmungen sowie dem anerkannten Stand der Technik zu entsprechen.

(3) Die Sichtanzeige am intelligenten Messgerät ist standardmäßig so zu konfigurieren, dass nur der aktuelle Zählerstand abgelesen werden kann. Zu Zwecken der Überprüfung von darüber hinausgehenden, im Messgerät gespeicherten verrechnungsrelevanten Werten ist auf Kundenwunsch die Anzeige des intelligenten Messgerätes dahingehend freizugeben, dass eine Überprüfung dieser Werte anhand der Anzeige des intelligenten Messgeräts selbst ermöglicht wird. Diese Freigabe hat kostenlos und ohne unverhältnismäßigen Zusatzaufwand für den Endverbraucher zu erfolgen. Auf ausdrücklichen Wunsch des Endverbrauchers ist die Sichtanzeige zeitnah und kostenlos wieder in ihren ursprünglichen Konfigurationsstand zurückzusetzen.

(4) Es sind insbesondere im Falle von Wechsel oder Auflösung des Vertragsverhältnisses mit dem Netzbetreiber die Anzeige der historischen Messwerte der vorhergehenden Vertragsverhältnisse, sofern vorhanden, dahingehend abzusichern, dass eine Ablesung anhand der Anzeige oder Auslesung anhand einer unidirektionalen Schnittstelle des intelligenten Messgerätes durch Nichtberechtigte verhindert wird. Diese Sperrung ist unverzüglich und kostenlos aufzuheben, sobald keine Messwerte des vorhergehenden Vertragsverhältnisses mehr im intelligenten Messgerät selbst zur Verfügung stehen. Davon unabhängig sind jedoch die aus gesetzlichen Vorschriften und aus dem gegenwärtigen Vertragsverhältnis entstehenden Verpflichtungen des Netzbetreibers zur Bereitstellung der Werte gemäß §84 Abs1 und Abs2 und der Übermittlung an den Lieferanten gemäß §84a Abs2.

(5) Die Verpflichtung des Netzbetreibers zur Absicherung der im intelligenten Messgerät gespeicherten Messwerte gegen einen Zugriff Nichtberechtigter im Sinne des Abs2 gilt sinngemäß auch für alle weiteren vorhandenen Schnittstellen des Gerätes.

(6) Sofern es die Gewährleistung von Datenschutz und Datensicherheit im Zusammenhang mit dem Betrieb von intelligenten Messsystemen erfordert, kann der Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend im Einvernehmen mit dem Bundeskanzler mit Verordnung unter Bedachtnahme auf die relevanten internationalen Vorschriften sowie die technische und wirtschaftlich vertretbare Umsetzbarkeit nähere Bestimmungen zum Stand der Technik festlegen, denen ein Netzbetreiber zu entsprechen hat. Dabei sind insbesondere die jährlichen Berichte der Regulierungsbehörde nach Abs1 sowie internationale Sicherheitsstandards zu berücksichtigen."

3. §12 des Bundesgesetzes über die Regulierungsbehörde in der Elektrizitäts- und Erdgaswirtschaft (Energie-Control-Gesetz – E-ControlG), BGBl I 110/2010 idF BGBl I 174/2013, lautet auszugsweise:

"Aufgaben der Regulierungskommission

§12. (1) (Verfassungsbestimmung) Die Regulierungskommission der E-Control ist zur bescheidmäßigen Erledigung folgender Aufgaben zuständig:

1. die Entscheidungen über Netzzugangsverweigerung im Verfahren gemäß §21 Abs2 ElWOG 2010 iVm §22 Abs1 ElWOG 2010 sowie §33 Abs4 GWG 2011 iVm §132 Abs1 Z1 GWG 2011;

2. die Schlichtung von sonstigen Streitigkeiten gemäß §22 Abs2 ElWOG 2010 sowie §132 Abs2 GWG 2011;

3. […]

(2) […]

(4) Die Partei, die sich mit Entscheidungen gemäß Abs1 Z2 und 3 nicht zufrieden gibt, kann die Sache innerhalb von vier Wochen nach Zustellung des Bescheides bei dem zuständigen ordentlichen Gericht anhängig machen. Die Entscheidung über einen Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung gegen den Ablauf der Anrufungsfrist obliegt dem Gericht; der Wiedereinsetzungsantrag ist unmittelbar bei Gericht einzubringen."

III. Antragsvorbringen und Vorverfahren

1.1. Die Antragstellerin habe ihrem Netzbetreiber in mehreren Schreiben erklärt, dass sie der Installation und Inbetriebnahme eines intelligenten Messgerätes nicht zustimme und der Netzbetreiber ihre Ablehnung gemäß §83 Abs1 ElWOG 2010 zu berücksichtigen habe. Der Netzbetreiber habe der Antragstellerin daraufhin ebenfalls in mehreren Schreiben mitgeteilt, dass gemäß den gesetzlichen Rahmenbedingungen eine Verpflichtung bestehe, analoge Stromzähler gegen digitale Geräte auszutauschen, sie jedoch die "Opt-out" Variante wählen könne und die "Smart Meter" Funktionen deaktiviert würden.

Am 13. Februar 2020 habe der Netzbetreiber einen Antrag auf Streitschlichtung bei der Schlichtungsstelle der E-Control eingebracht, die die Antragstellerin über das eröffnete Schlichtungsverfahren in Kenntnis gesetzt habe. Da die Antragstellerin auf das Schreiben der E-Control nicht reagiert habe, sei das Verfahren abgebrochen (eingestellt) worden.

1.2. Der angefochtene §1 Abs6 IME-VO lege gesetzwidrig fest, dass – anders als in §83 Abs1 ElWOG 2010 vorgesehen – nicht mittels einseitiger Erklärung der Einbau eines intelligenten Messgerätes abgelehnt werden könne, sondern dem Wunsch des Endverbrauchers, kein intelligentes Messgerät zu erhalten, nur dadurch entsprochen werde, dass trotz Ablehnung ein intelligentes Messgerät eingebaut, aber deaktiviert werde. Mit §1 Abs6 IME-VO werde der Antragstellerin sohin das Recht genommen, den Einsatz eines intelligenten Messgerätes wirksam abzulehnen und daher in ihr Recht auf Achtung des Privatlebens sowie auf Geheimhaltung personenbezogener Daten eingegriffen. Indem der Netzbetreiber ihre Ablehnung eines intelligenten Messgerätes nicht berücksichtige und erklärt habe, dass ein Einbau zwingend erforderlich sei, sei die Antragstellerin unmittelbar in ihrer Rechtssphäre betroffen. Der Eingriff in ihre Rechte sei durch §1 Abs6 IME-VO iVm §83 Abs1 ElWOG 2010 eindeutig bestimmt und aktuell.

Auch stehe der Antragstellerin ein anderer Weg, ihre Bedenken gegen §1 Abs6 IME-VO an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen, nicht zur Verfügung. Weder sei ein gerichtliches Verfahren bereits anhängig, das Gelegenheit zur Anregung eines Normprüfungsverfahrens biete, noch bestehe für die Antragstellerin eine Möglichkeit, den Gerichtsweg zu beschreiten, weil sie diesen nur beschreiten würde, um Normbedenken an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen. Für Leistungs- oder Rechtsgestaltungsbescheide lasse das ElWOG 2010 keinen Raum. Schließlich sei die Verpflichtung zur Umrüstung von 95 % der Haushalte bis 2020 auf intelligente Messgeräte auch ein besonderer, außergewöhnlicher Umstand, der den Umweg über den Zivilrechtsweg ebenfalls unzumutbar mache.

1.3. In der Sache hegt die Antragstellerin Bedenken gegen die angefochtene Bestimmung im Hinblick auf ihre verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Achtung des Privatlebens und auf Schutz ihrer personenbezogenen Daten (Art8 EMRK, §1 DSG).

2.1. Die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie hat eine Äußerung erstattet, in der sie sich zur Zulässigkeit des Antrages auszugsweise wie folgt äußert:

"[…] Ungeachtet der Frage, ob die Ausführungen der Antragstellerin zur geschützten Rechtsposition, Unmittelbarkeit, Bestimmtheit und Aktualität des behaupteten Eingriffs zutreffen, steht der Antragstellerin nach ho. Ansicht der zumutbare Weg eines zivilgerichtlichen Verfahrens zur Verfügung, um ihre Bedenken gegen die angefochtene Rechtsvorschrift an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen:

[…] §22 Abs2 Z1 ElWOG 2010 idgF in Verbindung mit §12 Abs1 Z2 E-Control-Gesetz – E-ControlG, BGBl I Nr 110/2010 idgF, sieht im Fall von Streitigkeiten zwischen Netzzugangsberechtigten und Netzbetreibern über die aus diesem Verhältnis entspringenden Verpflichtungen eine sukzessive Kompetenz der ordentlichen Gerichte vor. Zunächst hat die Regulierungskommission der E-Control, der Regulierungsbehörde im Bereich der Elektrizitäts- und Erdgaswirtschaft, innerhalb von zwei Monaten ab Antragstellung einen Bescheid zu erlassen (§12 Abs3 E-ControlG). Sollte eine Partei mit der Entscheidung der Regulierungskommission nicht zufrieden sein, hat sie nach Abschluss des Verfahrens die Möglichkeit, die Sache innerhalb von vier Wochen nach Zustellung des Bescheides beim zuständigen ordentlichen Gericht anhängig zu machen (§12 Abs4 E-ControlG; s. die in ähnlich gelagerten Fällen bereits ergangenen Bescheide der Regulierungskommission vom 22.11.2017, R STR 01/17, und 11.7.2018, R STR 05/18, abrufbar unter: https://www.e-control.at/recht/entscheidungen/entscheidungen-regulierungskommission sowie die zivilgerichtlichen Entscheidungen des BG Traun vom 28.11.2017, 2 C543/17a und LG Linz, 21.6.2018, 32 R 16/18f). […]"

2.2. In der Sache tritt die Bundesministerin dem Antragsvorbringen mit näherer Begründung entgegen.

IV. Zur Zulässigkeit

Der Antrag ist unzulässig:

1. Gemäß Art139 Abs1 Z3 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Gesetzwidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, wenn die Verordnung ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist. Wie der Verfassungsgerichtshof in seiner mit VfSlg 8058/1977 beginnenden ständigen Rechtsprechung ausgeführt hat, ist daher grundlegende Voraussetzung für die Antragslegitimation, dass die Verordnung in die Rechtssphäre der betroffenen Person unmittelbar eingreift und sie – im Fall ihrer Gesetzwidrigkeit – verletzt. Hiebei hat der Verfassungsgerichtshof vom Antragsvorbringen auszugehen und lediglich zu prüfen, ob die vom Antragsteller ins Treffen geführten Wirkungen solche sind, wie sie Art139 Abs1 Z3 B-VG als Voraussetzung für die Antragslegitimation fordert (vgl zB VfSlg 8594/1979, 15.527/1999, 16.425/2002 und 16.426/2002).

Die Antragslegitimation nach Art139 Abs1 Z3 B-VG setzt ferner voraus, dass durch die bekämpfte Bestimmung die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt werden müssen und dass der durch Art139 Abs1 Z3 B-VG dem Einzelnen eingeräumte Rechtsbehelf dazu bestimmt ist, Rechtsschutz gegen rechtswidrige generelle Normen nur insoweit zu gewähren, als ein anderer zumutbarer Weg hiefür nicht zur Verfügung steht (zB VfSlg 11.684/1988, 14.297/1995, 15.349/1998, 16.345/2001 und 16.836/2003).

2. Der Antragstellerin steht im vorliegenden Fall, worauf die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie zu Recht hinweist, ein anderer zumutbarer Weg offen, ihre Bedenken an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen:

Gemäß §22 Abs2 Z1 Satz 1 ElWOG 2010 entscheiden über Streitigkeiten zwischen Netzzugangsberechtigten und Netzbetreibern betreffend die aus diesem Verhältnis entspringenden Verpflichtungen die Gerichte.

Eine Klage des Netzzugangsberechtigten kann nach §22 Abs2 Satz 2 ElWOG 2010 allerdings erst nach Zustellung des Bescheides der Regulierungsbehörde im Streitschlichtungsverfahren innerhalb der in §12 Abs4 Bundesgesetz über die Regulierungsbehörde in der Elektrizitäts- und Erdgaswirtschaft (Energie-Control-Gesetz – E-ControlG) festgelegten Frist von vier Wochen nach Zustellung des Bescheides eingebracht werden. Die nach §12 Abs1 Z2 E-ControlG zuständige Regulierungskommission der Energie-Control Austria für die Regulierung der Elektrizitäts- und Erdgaswirtschaft (E-Control) geht grundsätzlich davon aus, dass eine Streitigkeit über die Ablehnung eines intelligenten Messgerätes schlichtungsfähig ist (vgl den Bescheid der Regulierungskommission der E-Control, 11.7.2018, R STR 05/18).

Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes ist der Rechtsweg an die ordentlichen Gerichte auch ohne vorherige Befassung der Regulierungsbehörde zulässig, wenn es sich um einen vom Vertragsverhältnis zwischen den Streitteilen unabhängigen privatrechtlichen Anspruch handelt, für dessen Bestehen ein Vertragsverhältnis zwischen Netzzugangsberechtigtem und Netzbetreiber nicht denknotwendige Voraussetzung ist (OGH 17.7.2014, 4 Ob 111/14y; 24.3.2015, 10 Ob 19/15i).

Als Partei einer vor einem ordentlichen Gericht in erster Instanz anhängigen oder von diesem entschiedenen Rechtssache hätte die Antragstellerin daher jedenfalls die Möglichkeit, durch Anregung einer amtswegigen Antragstellung bzw mittels Parteiantrages (Art139 Abs1 Z4 B-VG) ihre Bedenken gegen §1 Abs6 IME-VO an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen.

3. Der Antrag auf Aufhebung des §1 Abs6 IME-VO erweist sich daher bereits aus diesem Grund eines anderen zumutbaren Weges, die Bedenken an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen, als unzulässig. Außergewöhnliche Umstände, die dennoch den grundsätzlich subsidiären (VfSlg 15.626/1999, 19.674/2012) Individualantrag vorliegend zulässig erscheinen lassen, sind nicht ersichtlich. Das gilt auch für den Eventualantrag. Angesichts dessen kann dahinstehen, ob mit der nach §24 Abs1 DSG (idF BGBl I 120/2017) eingeräumten Beschwerdemöglichkeit bei der Datenschutzbehörde ein weiterer zumutbarer Weg für die Antragstellerin vorliegt, ihre datenschutzrechtlichen Bedenken an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen (vgl VfGH 14.6.2019, G385/2018), oder ob der Antrag auch aus anderen Gründen unzulässig ist.

V. Ergebnis

1. Der Antrag ist zurückzuweisen.

2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

VfGH / Individualantrag, VfGH / Legitimation, VfGH / Weg zumutbarer, Energierecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2020:V532.2020

Zuletzt aktualisiert am

14.02.2022
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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