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KFG 1967 §66 Abs1 litfBetreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hrdlicka und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Dorner, Dr. Waldner und Dr. Bernard als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Gerscha über die Beschwerde des XD in R, vertreten durch Dr. Walter Simma, Rechtsanwalt in Bregenz, Deuringstraße 9, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Vorarlberg vom 18. April 1984, Zl. Ib-277-10/84, betreffend Androhung der Entziehung der Lenkerberechtigung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 8.300,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bregenz vom 15. Februar 1984 wurde dem Beschwerdeführer (auf Grund seiner gegen einen Mandatsbescheid im Sinne des § 57 AVG 1950 vom 1. Dezember 1983 erhobenen Vorstellung) gemäß § 74 Abs. 3 KFG 1967 die Entziehung der Lenkerberechtigung für die Gruppen A, B, C und E angedroht. Diese Maßnahme wurde damit begründet, daß der Beschwerdeführer am 17. Oktober 1983 mit seinem Pkw im Ortsgebiet die zulässige Geschwindigkeit von 50 km/h um 45 km/h überschritten habe; diese Geschwindigkeitsüberschreitung sei mittels Radargerätes gemessen worden; zum Zeitpunkt der Messung herrschten Schneefall und nasse Fahrbahnverhältnisse. Dieses Verhalten wurde von der Erstbehörde als besondere Rücksichtslosigkeit im Straßenverkehr gewertet.
Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung, in der er die Zulässigkeit der Heranziehung der durch Radarmessung festgestellten Geschwindigkeitsüberschreitung mit dem Hinweis darauf bestritt, daß die Radarmessung entgegen dem § 96 Abs. 8 StVO 1960 nicht angekündigt worden sei; im übrigen seien weder besonders gefährliche Verhältnisse vorgelegen noch habe er mit besonderer Rücksichtslosigkeit gegenüber anderen Straßenbenützern gehandelt.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berufung keine Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid bestätigt. Auch die belangte Behörde erblickte in dem Vorfall vom 17. Oktober 1983 eine die Verkehrszuverlässigkeit des Beschwerdeführers ausschließende besondere Rücksichtslosigkeit gegenüber anderen Straßenbenützern.
In seiner Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Zufolge § 66 Abs. 2 lit. f KFG 1967 hat als bestimmte, die Verkehrsunzuverlässigkeit einer Person indizierende, Tatsache insbesondere zu gelten, wenn jemand als Lenker eines Kraftfahrzeuges mit besonderer Rücksichtslosigkeit gegenüber anderen Straßenbenützern gegen die für das Lenken eines Kraftfahrzeuges maßgebenden Verkehrsvorschriften verstoßen hat.
Gemäß § 74 Abs. 3 KFG 1967 kann die Behörde von der Entziehung der Lenkerberechtigung absehen und die Entziehung androhen, wenn dadurch der Verwaltungszweck als gesichert angesehen werden kann.
Die Androhung der Entziehung der Lenkerberechtigung ist mangels gesonderter Regelung ihrer Voraussetzungen nur unter denselben Voraussetzungen wie die Entziehung der Lenkerberechtigung selbst zulässig. Demgemäß muß es dem Besitzer der Lenkerberechtigung im Zeitpunkt der Entscheidung der Behörde an der Verkehrszuverlässigkeit fehlen und zur Wiederherstellung der Verkehrszuverlässigkeit die bloße Androhung der Entziehung der Lenkerberechtigung genügen, ohne daß sie für einen bestimmten Zeitraum entzogen wird.
Zur Begründung seiner Beschwerde macht der Beschwerdeführer ausschließlich die von ihm schon in der Berufung ins Treffen geführte Unzulässigkeit der Heranziehung einer Geschwindigkeitsüberschreitung als bestimmter Tatsache geltend, die mittels einer entgegen dem § 96 Abs. 8 StVO 1960 nicht angekündigten Radarmessung festgestellt worden sei. Dem ist unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Erkenntnisse vom 12. Oktober 1984, Zl. 84/02/0244; vom 13. Dezember 1984, Zl. 84/02B/0019) zu erwidern, daß ein Verstoß gegen § 96 Abs. 8 StVO 1960 eine Überwachung der Geschwindigkeit mit Meßgeräten nicht schon deshalb rechtswidrig macht und auch das mittels einer nicht angekündigten Radarmessung gewonnene Tatsachenmaterial in einem Verwaltungsstrafverfahren für einen Schuldspruch nach § 20 Abs. 2 StVO 1960 verwendet werden darf. Gleiches gilt auch in Ansehung der Heranziehung einer derart festgestellten Geschwindigkeitsüberschreitung als bestimmte Tatsache in einem Verfahren betreffend die Entziehung einer Lenkerberechtigung.
Dennoch führt die Beschwerde zum Erfolg:
Der Beschwerdeführer hat bereits in seiner Vorstellung gegen den Mandatsbescheid vom 1. Dezember 1983 die Behauptung aufgestellt, zum Zeitpunkt des gegenständlichen Vorfalles sei „das gesamte gerade, daher übersichtliche Straßenstück vollkommen verkehrsfrei“ gewesen. Andere Personen oder Sachen hätten in keiner Weise gefährdet oder behindert werden können. Auf dieses Vorbringen hat er in seiner Berufung ausdrücklich verwiesen. Die belangte Behörde hat in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Annahme der „besonderen Rücksichtslosigkeit“ des Beschwerdeführers damit begründet, daß der Beschwerdeführer die im Ortsgebiet zulässige Höchstgeschwindigkeit „bei derartigen besonders gefährlichen Straßenverhältnissen“ um 90 % überschritten habe; hinsichtlich der Straßenverhältnisse spricht sie von einer von Schneefall herrührenden Fahrbahnnässe. Sie läßt damit außer Betracht, daß es sich bei der Verletzung von Verfahrensvorschriften mit „besonderer Rücksichtslosigkeit“ und unter „besonders gefährlichen Verhältnissen“ im § 66 Abs. 2 lit. f KFG 1967 um zwei gesondert zu beurteilende Tatbestandsmerkmale handelt. Für die Annahme von besonders gefährlichen Verhältnissen im Zusammenhang mit der vom Beschwerdeführer begangenen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit fehlen konkrete Feststellungen über die näheren Umstände der Begehung dieser Verwaltungsübertretung, insbesondere über das Ausmaß der durch den Schneefall verursachten Beeinträchtigung der Sichtverhältnisse, über die sich aus dem Schneefall ergebenden Fahrbahnverhältnisse - im angefochtenen Bescheid ist nur von einer „nassen Fahrbahn“ die Rede - sowie über die sonstige Beschaffenheit der Straße am Tatort (Breite, gerader oder kurviger Verlauf, Kreuzungen). Die belangte Behörde übersieht weiters, daß von einer besonderen Rücksichtslosigkeit gegenüber anderen Straßenbenützern dann nicht gesprochen werden kann, wenn zur Tatzeit am Tatort keine anderen Straßenbenützer vorhanden waren (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. April 1979, Zl. 1554/78).
Dadurch, daß die belangte Behörde dies verkannte, verletzte sie den Beschwerdeführer in seinen Rechten.
Der angefochtene Bescheid war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Hinsichtlich der zitierten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes wird an Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, erinnert.
Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 221/1981. Das Mehrbegehren war abzuweisen, da die Umsatzsteuer in den Pauschalsätzen nach der zitierten Verordnung bereits enthalten ist.
Wien, am 20. Februar 1985
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1985:1984110156.X00Im RIS seit
26.02.2021Zuletzt aktualisiert am
26.02.2021