TE Vwgh Beschluss 2021/1/29 Ra 2020/19/0455

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Veröffentlicht am 29.01.2021
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
19/05 Menschenrechte
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

AsylG 2005 §18 Abs1
B-VG Art133 Abs4
MRK Art8
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser sowie die Hofräte Mag. Stickler und Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Schara, in der Revisionssache des F M, vertreten durch Rast & Musliu Rechtsanwälte in 1080 Wien, Alser Straße 23/14, gegen das am 13. November 2020 mündlich verkündete und mit 24. November 2020 schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts, L525 2162646-1/8E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger von Bangladesch, stellte am 26. Juli 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Begründend brachte er vor, er sei aus finanzieller Not geflüchtet bzw. er sei auf Grund einer Schlägerei bedroht worden. Im Laufe des Verfahrens brachte er vor, er sei von Mitgliedern der Awami League bedroht und angegriffen worden, weil er sich geweigert habe, dieser Partei beizutreten. Aus diesem Grund sei auch eine Anzeige gegen ihn erstattet worden, weswegen er in seinem Heimatstaat gesucht worden sei.

2        Mit Bescheid vom 8. Juni 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Revisionswerbers ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Bangladesch zulässig sei, und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.

3        Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

4        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

6        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

7        Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit zunächst vor, das BVwG hätte das Fluchtvorbringen des Revisionswerbers durch eine Vor-Ort-Recherche im Wege eines Vertrauensanwaltes überprüfen müssen.

8        Es entspricht der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass ein allgemeines Recht auf eine fallbezogene Überprüfung des Vorbringens durch Recherche im Herkunftsstaat nicht besteht. Die Beurteilung der Erforderlichkeit derartiger Erhebungen im Sinn des § 18 Abs. 1 letzter Satz AsylG 2005 obliegt der ermittelnden Behörde bzw. dem Verwaltungsgericht (vgl. VwGH 29.9.2020, Ra 2020/19/0187, mwN; vgl. näher zu Erhebungen im Herkunftsstaat VwGH 15.12.2015, Ra 2015/18/0100 und 0101). Die Frage, ob amtswegige Erhebungen erforderlich sind, stellt regelmäßig keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung dar, weil es sich dabei um eine einzelfallbezogene Beurteilung handelt. Solchen Fragen kann (nur) dann grundsätzliche Bedeutung zukommen, wenn tragende Grundsätze des Verfahrensrechtes auf dem Spiel stehen (vgl. VwGH 22.6.2020, Ra2019/19/0539, mwN).

9        Die Revision legt mit der bloßen Behauptung, eine solche Vor-Ort-Recherche wäre dem BVwG „sowohl möglich als auch zumutbar“ gewesen, nicht dar, dass das BVwG von den Leitlinien der hg. Rechtsprechung abgewichen wäre.

10       Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit weiter vor, der Revisionswerber habe sein Fluchtvorbringen im Kern gleichbleibend, detailliert und ausführlich beschrieben und dadurch eine asylrelevante Verfolgung glaubhaft gemacht.

11       Damit wendet sich die Revision gegen die Beweiswürdigung. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dieser - als Rechtsinstanz - zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. VwGH 23.1.2019, Ra 2018/19/0712 bis 0715, mwN; vgl. zur Glaubwürdigkeit des Vorbringens näher VwGH 12.3.2020, Ra 2019/01/0472, mwN).

12       Das BVwG setzte sich - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - im Rahmen der Beweiswürdigung mit dem Fluchtvorbringen des Revisionswerbers umfassend auseinander und beurteilte es als nicht glaubwürdig. Es begründete dies im Wesentlichen damit, dass der Revisionswerber sein Vorbringen gesteigert habe und er auf Grund seiner wechselnden Angaben zu seinem Alter persönlich unglaubwürdig sei. Die Revision zeigt mit ihrem bloß pauschalen Vorbringen nicht auf, dass diese Beweiswürdigung fallbezogen unvertretbar wäre.

13       Schließlich wendet sich die Revision zur Begründung ihrer Zulässigkeit gegen die Rückkehrentscheidung.

14       Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK im Allgemeinen - wenn kein revisibler Verfahrensmangel vorliegt und sie in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel (vgl. etwa VwGH 5.3.2020, Ra 2020/19/0010).

15       Im Rahmen der Interessenabwägung berücksichtigte das BVwG die Dauer des Aufenthalts des Revisionswerbers in Österreich von knapp über fünf Jahren, den Umstand, dass er über keine familiären Anknüpfungspunkte in Österreich und über keine engeren freundschaftlichen Kontakte oder Beziehungen zu Österreichern verfüge, seine Bemühungen um Integration sowie den Besuch von Deutschkursen und stellte den privaten Interessen des Revisionswerbers am Verbleib in Österreich die öffentlichen Interessen gegenüber. Die Revision legt nicht dar, dass diese Interessenabwägung fallbezogen unvertretbar wäre.

16       In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 29. Jänner 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020190455.L00

Im RIS seit

23.03.2021

Zuletzt aktualisiert am

23.03.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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