TE Vwgh Beschluss 2021/2/5 Ra 2019/09/0089

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 05.02.2021
beobachten
merken

Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren
63/01 Beamten-Dienstrechtsgesetz

Norm

AVG §13 Abs3
BDG 1979 §103 Abs3
B-VG Art133 Abs4
VwGG §24 Abs2
VwGG §34 Abs1
VwGVG 2014 §17

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, den Hofrat Dr. Doblinger und die Hofrätin Mag. Schindler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Dr. Hotz, über die außerordentliche Revision des A B, vertreten durch Dr. Heinrich Oppitz, Rechtsanwalt in 4600 Wels, Karl-Loy-Straße 17, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 9. April 2019, Zl. W170 2203904-1/15E, betreffend Disziplinarstrafe der Geldstrafe nach dem Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres [nunmehr: Bundesdisziplinarbehörde]), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Revisionswerber hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von € 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Die Revisionsbeantwortung der Disziplinaranwältin wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Der im Jahr 1966 geborene Revisionswerber steht als Polizist in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Von März bis Ende August 2017 stand er im Rahmen einer Dienstzuteilung als hauptamtlicher Polizeilehrer beim Bildungszentrum X der Sicherheitsakademie des Bundesministeriums für Inneres in Verwendung. Derzeit wird er als Exekutivbeamter im Außendienst an einer Grenzpolizeiinspektion eingesetzt.

2        Mit Disziplinarerkenntnis der im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde vom 5. Juli 2018 wurde der Revisionswerber schuldig erkannt, zwischen 1. März 2017 und 24. August 2017 im Zuge des von ihm abgehaltenen Dienstunterrichtes in Anwesenheit von Grundausbildungsteilnehmerinnen und -teilnehmern sowie in Anwesenheit der Klasse gegenüber einer namentlich genannten Polizeischülerin und eines namentlich genannten Polizeischülers näher genannte Äußerungen getätigt zu haben.

3        Der Revisionswerber habe dadurch seine Dienstpflichten nach § 43 Abs. 1 Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 (BDG 1979), nämlich seine dienstlichen Aufgaben gewissenhaft, treu und engagiert zu erfüllen, § 43 Abs. 2 BDG 1979, nämlich in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seines Amtes erhalten bleibe, § 43a BDG 1979, nämlich Mitarbeitern mit Achtung zu begegnen, zu einem Funktionieren der dienstlichen Zusammenarbeit beizutragen sowie Verhaltensweisen zu unterlassen, welche die menschliche Würde der Mitarbeiter verletzen, dies bezwecken oder sonst diskriminierend sind, und § 44 Abs. 1 BDG 1979, nämlich die Weisung seiner Vorgesetzten zu beachten, schuldhaft verletzt, weshalb über ihn gemäß § 92 Abs. 1 Z 3 BDG 1979 die Disziplinarstrafe der Geldstrafe in der Höhe von 4.000 Euro (entspricht 1 ½ Monatsbezügen) verhängt wurde.

4        Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung der vom Revisionswerber erhobenen Beschwerde teilweise statt. Der Revisionswerber habe durch die inkriminierten Äußerungen seine Dienstpflichten nach § 43a BDG 1979, § 43 Abs. 2 BDG 1979 und § 43 Abs. 1 BDG 1979 in Verbindung mit §§ 8 und 9 Bundes-Gleichbehandlungsgesetz schuldhaft verletzt. Weiters wurde der Revisionswerber hinsichtlich eines Tatvorwurfs freigesprochen. In Stattgebung der von der Disziplinaranwältin gegen die Strafhöhe erhobenen Beschwerde verhängte das Bundesverwaltungsgericht über den Revisionswerber gemäß §§ 92 f BDG 1979 die Disziplinarstrafe der Geldstrafe in der Höhe von fünf Monatsbezügen. Unter einem wurde ausgesprochen, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

5        Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision. Zur Begründung ihrer Zulässigkeit führt die Revision aus, das Bundesverwaltungsgericht sei zu Unrecht über die Anfechtungserklärung in der „ursprünglichen Beschwerde“ hinausgegangen. Es liege keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtsgerichtshofes zur Frage vor, inwieweit ein Verbesserungsverfahren dazu führen könne, dass die Anfechtungserklärung außerhalb der eigentlichen Rechtsmittelfrist erweitert werde. Dieser Rechtsfrage komme jedenfalls eine grundsätzliche Bedeutung zu. Weiters habe das Bundesverwaltungsgericht die „Verjährungsfrage“ unrichtig gelöst. Es fehle Rechtsprechung zur Frage, ob der Einwand der Verjährung im Sinn des § 94 BDG 1979 auch dann überprüft werden könne, wenn der „Einleitungsbescheid“ in Rechtskraft erwachsen sei, jedenfalls dann, wenn zur Beurteilung der Verjährungsfrage eine weitere Abklärung in der Disziplinarverhandlung erforderlich sei. Ein schriftliches Verfahren zur Klärung dieser Voraussetzungen würde die Rechte des Disziplinarbeschuldigten beschränken, sodass - analog zur Verjährungsprüfung im Strafverfahren - ein Aufgriff auch in der mündlichen Disziplinarverhandlung möglich sei. Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung und beantragte die Zurückweisung der Revision.

6        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist gemäß § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.

8        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

9        Die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision durch den Verwaltungsgerichtshof erfolgt ausschließlich anhand des Vorbringens in der Zulassungsbegründung. Der Verwaltungsgerichtshof ist weder verpflichtet, Gründe für die Zulässigkeit einer Revision anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit der Revision hätten führen können, aufzugreifen (vgl. etwa VwGH 21.4.2020, Ra 2019/11/0208, mwN).

10       Soweit der Revisionswerber in der Zulässigkeitsbegründung eine „Überschreitung der Anfechtungserklärung in der ursprünglichen Beschwerde des Disziplinaranwalts“ rügt, ist festzuhalten, dass das Bundesverwaltungsgericht hinsichtlich der vom stellvertretenden Disziplinanwalt - unstrittig innerhalb der Beschwerdefrist - eingebrachten Beschwerde nach § 13 Abs. 3 AVG iVm § 17 VwGVG ein Verbesserungsverfahren einleitete, weil die Beschwerde entgegen § 103 Abs. 3 BDG 1979, wonach der Disziplinaranwalt - im Gegensatz zum Verfahren vor der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres (vgl. dazu § 243 Abs. 7 BDG 1979, BGBl. Nr. 333/1979 in der Fassung BGBl. I Nr. 65/2015) - rechtskundig sein muss, von einem Rechtsunkundigen eingebracht wurde. In weiterer Folge brachte ein rechtskundiger stellvertretender Disziplinaranwalt außerhalb der ursprünglichen Rechtsmittelfrist, aber innerhalb der Verbesserungsfrist, eine Beschwerde ein, in der, im Gegensatz zur ursprünglich begehrten Erhöhung der Geldstrafe auf EUR 5.000,--, beantragt wurde, dass die verhängte Disziplinarstrafe in eine Entlassung in eventu in eine Geldstrafe in der Höhe von fünf Monatsbezügen umgeändert werde.

11       Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sollen durch die Erteilung von Verbesserungsaufträgen Personen von Rechtsnachteilen geschützt werden, die ihnen aus Anbringen entstehen können, die aus Unkenntnis der Rechtslage oder infolge eines Versehens mangelhaft sind. Nur dann, wenn die Partei den Mangel erkennbar bewusst herbeigeführt hat, um z.B. auf dem Umweg eines Verbesserungsverfahrens eine Verlängerung der Rechtsmittelfrist zu erlangen, ist für die Erteilung eines Verbesserungsverfahrens kein Raum (vgl. zum AVG etwa VwGH 22.3.2011, 2007/18/0096, mwN). Es entspricht in diesem Sinn auch der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass keine Bindung an die den Verbesserungsauftrag auslösenden Eingabe besteht, die entgegen der Anwaltspflicht nicht durch einen Rechtsanwalt verfasst und eingebracht wurde (vgl. etwa VwGH 20.5.2015, Ra 2015/09/0030; 16.12.2015, Ra 2015/03/0010; 14.2.2017, Ra 2016/02/0234, jeweils mwN). Im Zusammenhang mit der (bis auf Dienstrechtssachen) in § 24 Abs. 2 VwGG bestehenden Anwaltspflicht auch für rechtskundige Beamte hat der Verwaltungsgerichtshof ausdrücklich festgehalten, dass diese nicht nur der Vermeidung von Formmängeln, sondern auch der Vollständigkeit und Zweckmäßigkeit der inhaltlichen Ausgestaltung dient (vgl. VwGH 11.9.1998, 97/19/1765). Ausgehend von der bereits bestehenden Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entfaltet eine entgegen § 103 Abs. 3 BDG 1979 nicht durch einen rechtskundigen Disziplinaranwalt eingebrachte Beschwerde keine Wirkung dahingehend, dass der rechtskundige Disziplinaranwalt im Rahmen des Verbesserungsverfahrens an die mit einem (verbesserungsfähigen) Formgebrechen behaftete Eingabe gebunden wäre. Dies schon deshalb, um die Zielsetzung des normierten Formerfordernisses zu erfüllen.

12       Insoweit der Revisionswerber eine fehlende Rechtsprechung im Zusammenhang mit der Frage der Verjährung der ihm angelasteten Taten nach § 94 Abs. 1 Z 1 BDG 1979 geltend macht, ist er auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach bereits bei Erlassung des durch ein ordentliches Rechtsmittel bekämpfbaren Einleitungsbeschlusses die Frage der Verjährung zu beurteilen war, sodass diese Frage daher nicht neuerlich aufgeworfen werden kann (vgl. etwa jüngst VwGH 15.9.2020, Ra 2020/09/0030, mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Mit dem lediglich unsubstantiierten Zulässigkeitsvorbringen vermag der Revisionswerber nicht aufzuzeigen, dass nach dem Einleitungsbeschluss betreffend die Frage der Verfolgungsverjährung nachträglich eine Sachverhaltsänderung eingetreten sei (vgl. VwGH 14.11.2002, 2001/09/0008).

13       In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

14       Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf §§ 47 ff VwGG, insbesondere § 51 VwGG, iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

15       Die von der Disziplinaranwältin (irrtümlich zu Ra 2019/09/0082) erstattete Revisionsbeantwortung war mangels Parteistellung in einem Verfahren über eine Revision des Disziplinarbeschuldigten vor dem Verwaltungsgerichtshof zurückzuweisen (vgl. VwGH 23.2.2017, Ro 2015/09/0013, mwN).

Wien, am 5. Februar 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2019090089.L00

Im RIS seit

31.03.2021

Zuletzt aktualisiert am

31.03.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten