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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
B-VG Art133 Abs4Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, den Hofrat Dr. Doblinger und die Hofrätin Mag. Schindler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Dr. Hotz, über die außerordentliche Revision der Disziplinaranwältin beim Bundesministerium für Inneres in 1010 Wien, Herrengasse 7, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 9. April 2019, W170 2203904-1/15E, betreffend Disziplinarstrafe der Geldstrafe nach dem Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres [nunmehr: Bundesdisziplinarbehörde]; mitbeteiligte Partei: A B, vertreten durch Dr. Heinrich Oppitz, Rechtsanwalt in 4600 Wels, Karl-Loy-Straße 17), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Der Bund hat dem Mitbeteiligten Aufwendungen in der Höhe von € 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Der im Jahr 1966 geborene Mitbeteiligte steht als Polizist in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Von März bis Ende August 2017 stand er im Rahmen einer Dienstzuteilung als hauptamtlicher Polizeilehrer beim Bildungszentrum X der Sicherheitsakademie des Bundesministeriums für Inneres in Verwendung. Derzeit wird er als Exekutivbeamter im Außendienst an einer Grenzpolizeiinspektion eingesetzt.
2 Mit Disziplinarerkenntnis der im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde vom 5. Juli 2018 wurde der Mitbeteiligte schuldig erkannt, zwischen 1. März 2017 und 24. August 2017 im Zuge des von ihm abgehaltenen Dienstunterrichtes in Anwesenheit von Grundausbildungsteilnehmerinnen und -teilnehmern sowie in Anwesenheit der Klasse gegenüber einer namentlich genannten Polizeischülerin und eines namentlich genannten Polizeischülers näher genannte Äußerungen getätigt zu haben.
3 Der Mitbeteiligte habe dadurch seine Dienstpflichten nach § 43 Abs. 1 Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 (BDG 1979), nämlich seine dienstlichen Aufgaben gewissenhaft, treu und engagiert zu erfüllen, § 43 Abs. 2 BDG 1979, nämlich in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seines Amtes erhalten bleibe, § 43a BDG 1979, nämlich Mitarbeitern mit Achtung zu begegnen, zu einem Funktionieren der dienstlichen Zusammenarbeit beizutragen sowie Verhaltensweisen zu unterlassen, welche die menschliche Würde der Mitarbeiter verletzen, dies bezwecken oder sonst diskriminierend sind, und § 44 Abs. 1 BDG 1979, nämlich die Weisung seiner Vorgesetzten zu beachten, schuldhaft verletzt, weshalb über ihn gemäß § 92 Abs. 1 Z 3 BDG 1979 die Disziplinarstrafe der Geldstrafe in der Höhe von 4.000 Euro (entspricht 1 ½ Monatsbezügen) verhängt wurde.
4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung der vom Mitbeteiligten erhobenen Beschwerde teilweise statt. Der Mitbeteiligte habe durch die inkriminierten Äußerungen seine Dienstpflichten nach § 43a BDG 1979, § 43 Abs. 2 BDG 1979 und § 43 Abs. 1 BDG 1979 in Verbindung mit §§ 8 und 9 Bundes-Gleichbehandlungsgesetz schuldhaft verletzt. Weiters wurde der Mitbeteiligte hinsichtlich eines Tatvorwurfs freigesprochen. In Stattgebung der von der Revisionswerberin gegen die Strafhöhe erhobenen Beschwerde verhängte das Bundesverwaltungsgericht über den Mitbeteiligten gemäß §§ 92 f BDG 1979 die Disziplinarstrafe der Geldstrafe in der Höhe von fünf Monatsbezügen. Unter einem wurde ausgesprochen, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die außerordentliche Revision der Disziplinaranwältin, die sich ausschließlich gegen die Art der verhängten Disziplinarstrafe wendet. Der Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung.
6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist gemäß § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.
8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
9 Die Revisionswerberin macht zur Zulässigkeit der Revision geltend, das angefochtene Erkenntnis weiche von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 15.3.2000, 97/09/0182) ab, weil es nicht die Entlassung des Mitbeteiligten ausgesprochen habe. Das von der Revisionswerberin zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes basierte allerdings auf einer anderen Fallkonstellation.
10 Dort ging es um einen Berufsschuloberlehrer, der an einer Berufsschule unterrichtete und gegenüber Schülern einer ersten Klasse seine zutiefst menschenverachtende und ausländerfeindliche Einstellung durch mehrfache beleidigende Äußerungen und herabwürdigendes Verhalten gegenüber Schülern mit ausländischer Muttersprache zum Ausdruck gebracht hatte, dies trotz vielfacher vorangegangener Weisungen und Ermahnungen während der letzten Dienstjahre und früherer ausländerfeindlicher Beschimpfungen von Schülern („Kümmeltürken“, „Mongolenkind“, „Kanaken“, „Saujuden“, uva). Der Verwaltungsgerichtshof wies die gegen die verhängte Disziplinarstrafe der Entlassung erhobene Beschwerde mit dem Hinweis unter anderem darauf als unbegründet ab, dass die sich aus der lehramtlichen Stellung und dem Schulrecht (Hinweis auf das Schulunterrichtsgesetz und das Schulorganisationsgesetz) ergebenden Obliegenheiten besondere Verantwortung es Lehrern gebietet, von Handlungen und Vorgangsweisen Abstand zu nehmen, die die in § 2 Schulorganisationsgesetz normierten Ziele gefährden oder in Frage stellen, könne ein schulpflichtiger minderjähriger Schüler doch der geistigen Einflussnahme durch den Lehrer in der Regel nicht ausweichen. Ausgehend davon sei von der Vertrauensunwürdigkeit als Lehrer auszugehen.
11 Hier geht es hingegen um einen im Rahmen einer Dienstzuteilung als hauptamtlicher Polizeilehrer in Verwendung stehenden Beamten, der die inkriminierten Äußerungen gegenüber Volljährigen setzte. Der Mitbeteiligte unterrichtete am Bildungszentrum der Sicherheitsakademie X des Bundesministeriums für Inneres, sohin nicht an einer dem in der angeführten Entscheidung herangezogenen Schulrecht unterliegenden Einrichtung. Nach den unbestrittenen Feststellungen sind die Äußerungen des Mitbeteiligten auch nicht aus rassistischen, fremdenfeindlichen oder anderen verwerflichen Beweggründen erfolgt, sondern versuchte sich der Mitbeteiligte durch seine unpassenden Äußerungen in den Mittelpunkt zu stellen. Er wurde auch in der Vergangenheit niemals von Vorgesetzten auf die Unangemessenheit der Äußerungen angesprochen.
12 Die Fälle sind somit bereits auf Sachverhaltsebene miteinander nicht vergleichbar, sodass ein Widerspruch zu der hier angefochtenen Entscheidung nicht zu erkennen ist.
13 Soweit sich die revisionswerbende Disziplinaranwältin zur Begründung der Zulässigkeit hilfsweise auf eine fehlende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes „zur Rechtsfolge ausländerfeindlicher, sexuell diskriminierender und beleidigender Äußerungen eines Polizeilehrers gegenüber volljährigen Betroffenen“ und „zu einer Kumulation von solchen Äußerungen“ stützt, ist festzuhalten, dass die Strafbemessung als Ermessensentscheidung nur insofern der Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof im Rahmen von dessen Befugnissen nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unterliegt, als dieser gegebenenfalls zu prüfen hat, ob von dem im Gesetz eingeräumten Ermessen im Sinn des Gesetzes Gebrauch gemacht wurde. Soweit weder Ermessensmissbrauch noch Ermessensüberschreitung vorliegt, geht die Ausübung des Ermessens über die Bedeutung des Einzelfalls nicht hinaus und stellt keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG dar (vgl. VwGH 24.1.2019, Ra 2018/09/0208; 24.5.2017, Ra 2017/09/0017).
14 Darüber hinaus ist darauf zu verweisen, dass mit einem derartigen bloßen Hinweis auf fehlende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht dargelegt wird, welche konkret auf die vorliegende Revisionssache bezogene grundsätzliche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof erstmals zu lösen habe (vgl. etwa VwGH 22.10.2020, Ra 2020/10/0120; 26.9.2019, Ro 2019/10/0025, jeweils mwN; zur bestehenden Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu Äußerungen im Kollegenkreis siehe überdies etwa VwGH 11.12.1985, 85/09/0223; 25.1.2013, 2012/09/0154, mwN; im Zusammenhang mit Äußerungen eines Exekutivbeamten gegenüber einer Polizeischülerin vgl. VwGH 25.9.2019, Ra 2019/09/0062).
15 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.
16 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere auf § 51 VwGG, in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 5. Februar 2021
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2019090082.L00Im RIS seit
31.03.2021Zuletzt aktualisiert am
31.03.2021